Eigentlich ist ja von jeher „Kultur“ Ländersache gewesen. Und daher gibt es auch kein eigenes Bundesministerium für Kultur. Allerdings, wie das ja in den letzten zwei Jahrzehnten immer deutlicher zutage tritt, hat die Politik die Tricks, wie man einfach Verfassung und Gesetze unterlaufen, umgehen oder schlicht ignorieren kann, zu Meisterschaft gebracht. 1998 wurde das Amt des Kulturstaatsministers eingeführt. Und dieses Amt bekommt jetzt in der neuen „Ampelregierung“ die bisherige Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth. Da kann einem noch um die Reste der Kultur in Deutschland Angst und Bange werden, sagen die meisten. Die Roten und Grünen freut es, den Bayerischen Rundfunk auch.
Frau Roth ist insofern die personifizierte Ampel: Jetzt gibts grüne Kulturpolitik durch Roth, Gelb entfällt, Gelb steht für „Vorsicht!“ und die gibt‘s nicht mehr in der Politik. Das Amt des Kulturstaatsministers ist direkt am Kanzleramt angesiedelt und durchaus nicht unwichtig. Frau Roths Vorgänger, die CDU-Politikerin Monika Grütters, weitete die Kompetenzen dieses Amtes beträchtlich aus. Und so verfügt es heute über einen Etat von mehr als zwei Milliarden Euro, mit dem man schon etwas anfangen kann.
Zum Beispiel stellt auch das Auswärtige Amt dem Kulturstaatsminister beträchtliche Finanzmittel für die weltweit fast überall vertretenen Niederlassungen des Goethe-Instituts zur Verfügung und steuert auch die Politik dieser Niederlassungen.
Für die meisten war die Nominierung Claudia Roths eine Überraschung. Angeblich wusste man allerdings als Insider schon eine Weile, dass es auf sie hinauslaufen würde. Sie ist eine der Ältesten und Erfahrensten unter den Grünen und als Vizepräsidentin des Bundestages auch niemand, den man übergehen kann. Dass Frau Roth gerade jetzt, wo endlich die Grünen mit in der Regierungsverantwortung ein gewichtiges Wort mitreden können, gar nicht daran denkt, sich wieder mit einem Abgeordnetenstatus zufrieden zu geben, war zu erwarten.
Nur, welches Resort hätte man ihr sonst geben können? Die Dame ist laut, streitbar und durchaus nicht feinfühlig. Nicht, dass die Bundesminister normalerweise in dem Fachbereich ihres Ministeriums auch versiert wären, das ist eher eine Ausnahme. Wir erinnern uns noch an Herrn Dr. Philipp Rösler, der immerhin als studierter Arzt durchaus Fachwissen in das Amt des Gesundheitsministers einbringen konnte. Sowas geht gar nicht, so jemand quatscht nur in das gut geölte Netzwerk seiner Ministeriumsangestellten und ‑beamten rein, die sich dort gut eingerichtet haben. Herr Dr. Rösler (FDP/WEF) wurde irgendwann elegant ins Bundeswirtschaftsministerium versetzt, wo er nicht ungebeten mit medizinischer Fachkenntnis dazwischenfunken konnte.
Ministeriumsmitarbeiter sehen die Dinge mit taoistischer Gelassenheit: Minister kommen und gehen, die Ministeriumsbeamten bleiben und machen das, was sie schon immer gemacht haben. Im Zweifelsfall geben sie auch dem neuen Minister ganz klar Bescheid, wo der Frosch die Locken hat, und dann ist Ruhe. So hat man sein Auskommen miteinander.
Unter Frau Ministerin Roth könnte das anders werden. Sie hat außer von einer unbeirrbaren Durchsetzungskraft plus gelernte Grünenpolitikerin zu sein eigentlich tatsächlich nur Expertise im Kulturbetrieb. Damit gehört sie zu den wenigen, die Ahnung von ihrem Resort haben.
Die heute 66Jährige begann als Dramaturgie- und Regieassistentin am Landestheater Schwaben und studierte später Theaterwissenschaft, Geschichte und Germanistik in München. Aber nur zwei Semester lang. Sie ging zurück in die Praxis als Dramaturgie-Assistentin und Dramaturgin an die Stätdischen Bühnen Dortmund. Von da aus zum „Hoffmanns Comic Theater“ in Unna. Dort kümmerte sie sich auch in einem Vermittlungsbüro um Freie Gruppen und Amateurtheater. Später, in den frühen 80er Jahren war sie dann die Managerin der Politrockband „Ton Steine Scherben“ von Rio Reiser. Diese Tätigkeit endete, als die Band Pleite ging.
Das war der Beginn ihrer politischen Karriere, vielleicht auch, weil da dank des Steuerzahlers nichts Pleite gehen kann. Ihre Anfänge starteten bei den Jungdemokraten der SPD, von da aus kam sie zu dem Zusammenschluss Bündnis90/DieGrünen. 1989 wurde Claudia Roth Pressesprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Hier war sie auf der Startrampe nach oben. Von 1989 bis 1998 saß sie bereits im Europäischen Parlament und auch da brachte sie es zur Vorsitzenden der Grünenfraktion. Daneben war sie Vizepräsidentin des parlamentarischen Ausschusses EU-Türkei. Sie engagierte sich für die kurdische Minderheit in der Türkei und für die Gleichberechtigung der Homosexuellen, ein Vorläufer der LBGT-Bewegung, was man in der Türkei nicht goutierte. Später wurde sie Bundesvorsitzende der Partei Bündnis90/Die Grünen und deren frauenpolitische Sprecherin. Sie wechselte in der Folge mehrfach Ämter und Positionen, bis sie seit 2013 die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages wurde, ein Amt, in dem sie am 26. Oktober 2021 bestätigt wurde.
Sogar die linksgrüne Mainstreampresse bescheinigt Frau Roth, eine der „polarisierendsten Politikerinnen Deutschlands“ zu sein: „Entweder man mag sie, oder man findet sie richtig nervig.“ Claudia Roth griff das in einer Kampagne auf, mit der sie mehr Frauen in die Grüne Partei holen wollte und kreierte das Motto „Wer nervt mehr als Claudia?“. In der Partei selber gilt sie als deren „linkes Gewissen“. Immerhin ist sie zu Selbstironie fähig.
Frau Roth repräsentiert also den gesamten Katalog der „linksgrünen Werte“, von Frauenpolitik über LGTB und Gendergerechtigkeit, Umwelt und Klima, Einwanderung und Antirassismus, Multikulti, Antifaschismus und Naziwahn usw. usf. Und wird das natürlich auch in ihre Arbeit als Kulturstaatsminister einbringen. So wie ihr Amt auch immer deckungslgleich mit „ihr als Person“ war, wird es hier auch. Kultur ist ab heute das, was Frau Roth dafür hält. Punkt. Das ist zwar nicht das, was das Volk will, aber daran haben sich die Deutschen ja schon gewöhnt. Wir haben heute ganz andere Willkür zu ertragen, als Frau Roths Verständnis von Kultur.
Die linke „taz“ reibt sich schon erfreut die Hände:
„Aber vor allem dürfte Claudia Roth die von Grütters beförderte Preußenrenaissance – siehe Fassade und Kuppel des Großprojekts Humboldt-Forum – nicht fortsetzen.
Als Ex-Managerin der Band Ton Steine Scherben sollte die künftige Staatsministerin auch wissen, wie man ein allzu lautes Glockengeläut der Garnisonkirche zu Potsdam künftig unterbindet.“
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