Gefahr für die Wirt­schaft: Qua­li­fi­zierte Fach­kräfte sind absolute Mangelware

Ein Bericht des deut­schen Industrie- und Han­dels­kam­mer­tages lässt auf­horchen. Dass es einen Mangel an qua­li­fi­ziertem Per­sonal für die Wirt­schaft gibt, ist alt­be­kannt. Gute Fach­leute werden mit der Lupe gesucht, Absol­venten irgend­welcher Mode­berufe auf sozi­al­wis­sen­schaft­lichen Gebieten gibt es zu viele. Die Ein­wan­derung brachte nur wenige Fach­leute, die brauchbar sind, aber dafür Massen, die in die Sozi­al­systeme ein­wan­derten. Nun aber stellt der Bericht fest: Junge Leute, die sich einer wirklich qua­li­fi­zierten Aus­bildung unter­ziehen werden dagegen immer weniger. Viele bringen von den Schulen her nicht einmal die Vor­aus­set­zungen mit für eine solche Ausbildung.

Die Alterung der west­lichen Gesell­schaften ist ein wich­tiger, aber alt­be­kannter Faktor. Würde die alternde Gesell­schaft schrumpfen, die nach­wach­senden Gene­ra­tionen aber über eine gute Aus­bildung und fami­li­en­freund­liche Lebens­be­din­gungen ver­fügen, wäre dieser Schrump­fungs­prozess durchaus zu bewäl­tigen. Doch die Unter­nehmen suchen sie hän­de­ringend, die Jungen, gut Aus­ge­bil­deten. Sie sind nicht da. Über die Hälfte der offenen Stellen in diesem Bereich können nicht besetzt werden, nicht einmal vor­über­gehend, berichtet die Deutsche Industrie- und Han­dels­kammer. Das sei noch einmal spürbar mehr als vor der Corona-Krise. Man erwartet aber keine Bes­serung, ganz im Gegenteil: In den kom­menden Jahren werde es für die Unter­nehmen ein immer müh­sa­meres Geschäft, mit den schmerz­haften Eng­pässen bei Fach­kräften umzugehen.

Laut dem Bericht der IHK ver­suchen die Unter­nehmen nun, die Attrak­ti­vität ihrer Stel­len­an­gebote zu erhöhen. Gleich­zeitig plant bereits jeder zweite Betrieb, die eigenen Aus­bil­dungs­mög­lich­keiten für Fach­kräfte zu inten­si­vieren. Aber auch das soziale Umfeld soll attrak­tiver gestaltet werden. Zum Bei­spiel soll viel getan werden für die Ver­ein­barkeit von Familie und Beruf, aber auch das Her­an­ziehen geeig­neter aus­län­di­scher Fach­kräfte oder älterer und berufs­er­fah­rener Senioren.

Die Reserve, die man noch mobi­li­sieren könne ist etwa eine Million arbeits­wil­liger und aus­ge­bil­deter Lang­zeit­ar­beits­loser. Aber auch diese durchaus Wil­ligen könnte man zwar ins Arbeits­leben zurück­holen, müsste sie aber auf den neu­esten Stand bringen und das wahr­scheinlich indi­vi­duell. Das ist schwierig aber nicht unmöglich, findet der Vor­stands­vor­sit­zende der Bun­des­agentur für Arbeit, Detlef Scheele und fügt hinzu, dass auch Längere Aus­bil­dungs­zeiten in Kauf genommen werde müssten.

Auch gestaf­felte Aus­bil­dungs­module seien durchaus eine Mög­lichkeit, um auch für die­je­nigen einen Weg zu eröffnen, die eine Aus­bildung am Stück nicht schaffen. Überdies sei auch ein „Image­wandel der Hartz-IV-Job­center“ von­nöten. Diese dürften nicht länger als „Hort der Drang­sa­lierung“ wahr­ge­nommen werden.

Es bleibt ihnen auch nicht viel anderes übrig, denn Fach­kräf­te­mangel bleibt nicht fol­genlos. Wie die IHK schreibt, bedeutet das für die Unter­nehmen eine gra­vie­rende Mehr­be­lastung für die bestehende Beleg­schaft oder höhere Gehälter, um zum ersten die bestehende Besatzung vom Abwandern  abzu­halten, wenn die Kon­kurrenz bessere Bedin­gungen bietet. Gleich­zeitig damit auch gerade die begehrten Nach­wuchs-Fach­kräfte für den Betrieb zu interessieren.

Ein so großer Mangel an geeig­neten, qua­li­fi­zierten Mit­ar­beitern hat für das Unter­nehmen gra­vie­rende Folgen. Ist die Per­so­nal­decke zu dünn, muss man Auf­träge ablehnen oder die Ange­bots­pa­lette redu­zieren. Das Ein­halten der Lie­fer­fristen wird immer mehr zum Problem, die Unzu­frie­denheit der Stamm-Beleg­schaft wegen der Mehr­be­lastung ist nicht einfach nur mit mehr Geld abzu­fangen, jeden­falls nicht auf Dauer.

Detlef Scheele sieht ein Jahr­zehnt der Wei­ter­bildung und Qua­li­fi­zierung auf die Unter­nehmen und die Job­center zukommen. Und da geht es mitt­ler­weile um die Substanz:

Jeden Men­schen, der uns aus dem Erwerbs­leben raus­fliegt, werden wir teuer bezahlen, wenn wir ver­suchen, einen anderen zu finden: Der ist nämlich nicht da.“

Eine der am meisten betrof­fenen Branchen ist die Bau­wirt­schaft. Der IHK-Report schreibt: 

„Beim Bran­chen­ver­gleich zeigt sich, dass unter anderem die Gesund­heits­wirt­schaft ins­gesamt (70 Prozent) und das Gast­ge­werbe (69 Prozent), aber noch deut­licher Rei­ni­gungs­dienste (78 Prozent), der Handel mit gesund­heits­be­zo­genen Gütern (74 Prozent) sowie die Abwas­ser­ent­sorgung, Abfall­be­sei­tigung (77 Prozent) über­durch­schnittlich betroffen sind. Zum einen sind dort die Fach­kräf­te­eng­pässe häufig besonders aus­ge­prägt und zum anderen erlauben die ent­spre­chenden Dienst­leis­tungen vielfach keinen Auf­schub oder lassen sich nicht durch tech­nische Lösungen ersetzen.

Mit stei­gender Unter­neh­mens­größe nimmt auch der Anteil ten­den­ziell zu, der von einer Mehr­be­lastung der Beleg­schaft ausgeht. Während es bei klei­neren Mit­tel­ständlern mit bis zu 20 Beschäf­tigten 53 Prozent sind, sind von den großen Unter­nehmen mit mehr als 1.000 Beschäf­tigten 72 Prozent betroffen. Mit zuneh­mender Mit­ar­bei­terzahl steigt in der Regel auch die Mög­lichkeit, dass Kol­le­ginnen und Kol­legen zeit­weise zusätz­liche Arbeiten über­nehmen, wenn Per­sonal fehlt. Kleinere Unter­nehmen sind dagegen öfter gezwungen, im Zweifel auf Angebote oder Auf­träge zu ver­zichten, weil nicht aus­rei­chend Per­sonal ver­fügbar ist, das Auf­gaben über­nehmen könnte.“

Die Schwie­rig­keiten sind längst nicht auf das Unter­nehmen begrenzt, in dem sie ent­stehen. Das Mas­sen­phä­nomen ist kon­ta­minös geworden. In einer ver­netzten Wirt­schaft mit mehr­stu­figen Wert­schöp­fungs­ketten und Zulie­ferern pflanzt sich das Problem über­allhin fort: „Fehlen bei­spiels­weise IT-Experten, betrifft dies auch Mit­tel­ständler, die Geschäfts­pro­zesse digi­ta­li­sieren oder sich um eine bessere Cyber­si­cherheit kümmern möchten.“ Damit erweise sich der Fach­kräf­te­mangel als „enorme Wachstumsbremse.“

Der Vor­stands­vor­sit­zende der Bun­des­agentur für Arbeit, Detlef Scheele, sieht das Haupt­problem in der Erholung der Wirt­schaft von den Schlägen der Corona-Pan­demie bei den Fach­kräften. Ohne das geeignete Per­sonal wird die Wachs­tums­bremse ein­gelegt, die Kon­junktur tritt auf der Stelle. Doch woher sollen sie kommen, die Tüch­tigen, Gut­aus­ge­bil­deten, die die Werk­zeug­ma­schinen und Autos, Häuser, Straßen bauen, in der Pro­duktion arbeiten, den Ausbau der digi­talen Netze betreiben…

Natürlich liegt ein guter Teil am der Corona-Krise bzw. deren Ein­däm­mungs­maß­nahmen. Ande­rer­seits fehlt es tat­sächlich weit und breit an geeig­neten Bewerbern für die vakanten Stellen. Oder weniger freundlich: Sehr viele junge Men­schen am Beginn ihres Berufs­lebens sind intel­lek­tuell gar nicht mehr in der Lage, anspruchs­volle Tätig­keiten aus­zuüben. Teil­weise sind sie nicht einmal bereit, stringent durch­zu­halten und ein Pflicht­be­wusstsein zu entwickeln.

Der Elefant im Raum, den niemand benennt, ist natürlich die Zer­störung der Schulen als neben dem Elternhaus gra­vie­render Aus­bil­dungs- und Erzie­hungs­faktor. Doch die Eltern sind mit ihrem Erzie­hungs­auftrag über­fordert, sie sind froh, wenn sie den Lebens­un­terhalt, die Wohnung, die Steuern, die Miete gestemmt bekommen. Die Jugend hat völlig andere Wert­maß­stäbe. Der weiße alte Mann, der ihr Vater ist, hat als Vorbild meist aus­ge­dient und verlegt sich aus Selbst­schutz auf ein kum­pel­haftes Ver­hältnis zu seinen Kindern, womit man keine Erziehung leisten kann. Die Mutter muss Kar­riere machen und genauso viel Geld nach Hause bringen, sonst kann man den Lebens­standard nicht halten. Da hat man mit einem Kind genug zu tun. Die wenigsten haben noch zwei Kinder oder gar drei. Das eine Kind wird mate­riell ver­wöhnt als Ent­schä­digung für wenig Zeit mit den Eltern. Die wissen gar nicht so genau, was ihr Sprössling so treibt. Tadel wegen schlechter Schul­noten oder gar gemein­sames Lernen … ausgeschlossen.

Den Lehrern geht es auch kaum besser. In den Haupt- und Real­schulen sind die Lehrer froh, wenn sie den Schultag hinter sich haben. Gerade in den Haupt­schulen besteht die Schü­ler­schaft zu einem großen Teil aus Zuwan­derer-Jugend, deren Augenmerk nicht immer auf guten Noten und einer guten Aus­bildung liegt. Sie sehen ihre Zukunft oft in der Clique und in den fami­liären Bezie­hungen, wo man dann später irgendwie „was“ beim Onkel zu tun hat oder auf Staats­kosten ein schönes Taschengeld bekommt, für Schu­lungen, bei denen man von Zeit zu Zeit erscheint. Und irgendwann gibt es Hartz IV.

Aber auch in diesem Umfeld gibt es das Ein­steigen in einen der durchaus zahl­reichen und guten Hand­werks­be­triebe von Zuwan­derer-Vätern — und hier greift dann plötzlich ein ganz anderes Denken, von dem sich mancher jugend­liche Deutsche eine Scheibe abschneiden könnte. Diese Familien haben es geschafft, und das meist aus ganz eigenem Antrieb.

Die deutsche Sprache ist ein Hin­dernis, sagt das Vor­stands­mit­glied der Bun­des­ar­beits­agentur, Daniel Ter­zenbach, die Aner­kennung aus­län­di­scher Abschlüsse sei in Deutschland noch immer holprig. Was Herr Ter­zenbach zwi­schen den Zeilen nur andeutet: In den ver­gan­genen Jahren kamen Massen von haupt­sächlich unqua­li­fi­zierten Zuwan­derern nach Deutschland, deren Qua­li­fi­kation und Aus­bil­dungs­stand sich auf sehr nied­rigem Niveau bewegt. Wenn sie über­haupt einer gere­gelten Arbeit nach­gehen, dann im Nied­rig­lohn­be­reich: Kurier­fahrer, Piz­za­boten, Paket­aus­lie­ferer, Hilfs­ar­beiter oder Hilfs­köche. Die hoch­qua­li­fi­zierten Arbeits­mi­granten kommen kaum nach Deutschland. Sie wandern in die USA, die Schweiz, nach Aus­tralien, Kanada und Groß­bri­tannien — wo übrigens viel strengere Ein­wan­de­rungs­be­stim­mungen als in Deutschland herr­schen, aber auch bessere Berufs­chancen winken, wenn man erst einmal hineindarf.