Genauso wie es möglich ist, einem einzelnen Individuum systematisch fremde Gedankeneinzupflanzen, ist dies auch für eine Menschenmasse möglich. Letztlich besteht die Masse auch nur aus Individuen und viele Aspekte und Prinzipien der individuellen Gehirnwäsche können ohne weiteres auf den Massenkontext übertragen werden. Auch die Gehirnwäsche einer grossen Gruppe von Menschen setzt eine gewisse Atmosphäre von Skepsis, Unsicherheit und am «besten» sogar Angst voraus. Ziel der Gehirnwäscher ist es, die Opfer zu verunsichern, ihre mentalen Abwehrmechanismen zu schwächen und sie so in einen «formbaren» Zustand zu versetzen. Im Jahr 1969 erschien im deutschen Magazin ZEIT unter dem Titel «Gehirnwäsche ‑so wird das Opfer weich gemacht» ein sehr vielsagender Artikel, der die verschiedenen Methoden zur systematischen Entpersönlichung des Einzelnen sowie eines Kollektivs beschrieb. (1) Autor des Textes war der tschechische Psychologe Ivo Planava. Gerade in Bezug auf die heute erlebte gesellschaftlich-politische Situation wirken Planavas Ausführungen, die er inzwischen vor mehr als 50 Jahren machte, geradezu prophetisch.
Stumpfer Gehorsam
Die totalitären Regime der Moderne bedürfen laut Planava nicht der Massenzustimmung und Begeisterung; viel mehr würden sie auf die Gleichgültigkeit und dem stumpfen Gehorsam der breiteren Schichten bauen. Planava beschrieb den Zustand der breiten Bevölkerung in totalitären Regimen als «Apathie», was so viel wie Gleichgültigkeit gegenüber dem bedeutet, was um einen herum bzw. in einem selbst passiert. Wie Planava schrieb, gebe es für ein Individuum grundsätzlich zwei Möglichkeiten, in die völlige Apathie zu geraten: Entweder geschehe dies durch einen plötzlichen seelischen Zusammenbruch oder in einem langsamen Prozess der Selbstaufgabe. Der Zusammenbruch durch einen Schock sei dabei ziemlich selten, denn plötzlich empfundener seelischer Druck setze einen automatischen Abwehrmechanismus in Gang. Ausserdem bewirke die Tatsache, dass die Gefahr bewusst wahrgenommen wird, eine Steigerung der Widerstandsfähigkeit im Wesen des Menschen. Dies stelle den wesentlichen Unterschied zur allmählichen Veränderung der Umgebung dar. Auch die modernen kommunistischen Gehirnwäschemethoden laufen über einen relativ langen Zeitraum ab (siehe S.12 ff.). Zwar kann man Menschen auch innerhalb kürzester Zeit «gehirnwaschen» — davon zeugen zahlreiche Beispiele -, die langfristige Methode hat sich allerdings in der Praxis als deutlich effektiver und nachhaltiger erwiesen. Die langsamen Veränderungen seiner selbst bemerkt der Mensch nämlich selten bewusst und am wenigsten dann, wenn in seiner Umgebung ähnlich manipulierte Menschen leben, was sowohl in einem Gefangenenlager als auch in einer gleichgeschalteten Gesellschaft der Fall ist. Planava schrieb, dass am Ende dieses Prozesses — nachdem die Apathie vollständig eingetreten ist — eine Anzahl von isolierten Individuen stünde, die nicht mehr dazu in der Lage seien, bewusste Entscheidungen zu treffen und Ziele anzustreben, die über den täglichen Broterwerb hinausgehen. (1)
Der Schuldkomplex
Die zahlreichen Schnittstellen zwischen den Gehirnwäschemethoden bei moderner psychologischer Folter und jenen in totalitären Regimen, stechen ins Auge. Zu ihnen gehört u.a. das Erzeugen eines Schuldkomplexes. Wie wir bereits erfuhren (siehe S.14ff.), ist es Teil der Folter, das Opfer von seiner«Schuld» zu überzeugen, obwohl diese gar nicht real ist. Auch Tyrannen, die überein ganzes Volk herrschen, bringen ihre Untertanen dazu, sich selbst anzuklagen. Was dann im grösseren Massstab passiert, zeigt das Folterbeispiel: Die Selbstanklage ist ein entscheidender Schritt hin zum psychologischen Zusammenbruch, während dem ein völlig neues Weltbild im Individuum verankert werden kann. Und was hierfür das Individuum gilt, gilt genauso für die Masse. Obwohl sie nicht den gleichen extremen Bedingungen ausgesetzt ist wie ein Lagerinsasse, ist auch bei ihr die Selbstanklage eine wichtige Voraussetzung, damit sie neu konditioniert werden kann. Wer die eigene «Schuldigkeit» akzeptiert, ist eher bereit zu gehorchen.
Das Spielen mit Hoffnung
Aus der Perspektive desjenigen, der sich die Gehirnwäsche der Masse zur Aufgabe gemacht hat, ist es notwendig, dass die Gefühle der Unsicherheit, der Angst und des Pessimismus in seinem Opfer aber nicht restlos absolut sind. Es ist für ihn nicht zweckmässig, in der Bevölkerung ein Gefühl des «man habe nichts zu verlieren»und «es gehe jetzt um alles» hervorzurufen. Würde dies doch unter den Bedrohten ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickeln und die Bereitschaft wecken, Widerstand zu leisten. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass der Masse von Zeit zu Zeit eine nebelhafte, an viele Bedingungen geheftete Hoffnung präsentiert wird — eine «reale» Perspektive für die Zukunft. Damit verschafft man sich die Möglichkeit, die Masse gleich einer Herde von Schafen immer weiter vor sich herzutreiben — von«Hoffnungsinsel» zu «Hoffnungsinsel». Der Vergleich zur aktuellen «Corona»-Politik springt regelrecht ins Auge. Auch hier arbeitet die Regierung systematisch mit Heilsversprechen, wenn die Masse nur dieses oder jenes tun würde — doch hierzu später mehr. Wie die Ingenieure der Massenmeinung, so setzt auch die psychologische Folter von Gefangenen darauf, ihren Hoffnungsschimmer auf bessere Zeiten aufrechtzuerhalten. Was in totalitären Staaten eine Revolution ist, ist in Gefangenen-Lager nein Aufstand der Insassen. Diese Zustände werden verhindert, indem man den Glauben an die Zukunft nie ganz versiegen lässt. Moderne Folterknechte als auch totalitäre Herrscher machen ihren Gefangenen bzw. Untertanen allerdings immer wieder deutlich, dass sie ein besseres Leben nur erfahren können, wenn sie sich den Befehlen bzw. der Ideologie unterordnen.
Zersetzung der Kommunikationsstruktur
Während es bei der individuellen «Umerziehung» wesentliche Voraussetzung ist, sämtliche Kontakte des Opfers zu verhindern oder zumindest zu kontrollieren, geht es bei massenweiser Gehirnwäsche hingegen vor allem darum, die Kommunikationsstrukturen zu dominieren und abweichende Einflüsse auszublenden. Um einen Mentizid (siehe S.12 f.) der Gesellschaft«optimal» umsetzen zu können, muss die Masse so lange subjektiv einseitig informiert werden, bis der Eindruck entsteht, es gäbe nur «eine legitime Einstellung» (siehe S.26) und diese müsse geglaubt und akzeptiert werden, auch wenn sie noch so sehr im Widerspruch zur eigenen Ratio und zu den eigenen Erfahrungen steht. Jede Debatte muss vermieden und im Keim erstickt werden. So gut es geht, muss der Mensch seiner Möglichkeiten beraubt werden, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden. Das Perfide an der Zersetzung der Kommunikationsstruktur ist, dass sie irgendwann zum Selbstläufer mutiert. Bei der individuellen Gehirnwäsche im Gefängnis-Kontextwerden die Zellengenossen dazu animiert, sich gegenseitig umzuerziehen. Genau dieselbe Dynamik entsteht auch in der Masse. Ab einem bestimmten Grad der Zensur wird diese überflüssig, da die monopolisierten Massenmedien von ausreichend «umerzogenen» Angestellten beherrscht werden, welche die Zensur umsetzen und das einseitige Meinungsdiktat aufrechterhalten, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.
Spaltung der Gesellschaft
Wie Meerloo schrieb, kann das beständige Bearbeiten mit Propaganda zu zwei gegenteiligen Effekten führen: So kann es einerseits zu der von Planava angesprochenen Apathie und Gleichgültigkeit führen, die das Wesen weich und formbar hinterlässt, oder aber das Propagandasperrfeuer löst im Individuum eine Art von Trotzreaktion aus und führt zu einem verstärkten Wunsch zu studieren und zu verstehen. Leider — so vermerkt Meerloo — ist die erste Reaktion die häufigere. (2) Trotzdem können diese, im Zuge der Propagandaoffensive, skeptisch gewordenen Individuen nicht völlig ignoriert werden und müssen in das Narrativ der Gehirnwäscher eingebunden werden. Für die Manipulierenden ist es von wesentlichem Interesse, diese Polarisierung der Gesellschaft zu nutzen, um so die Isolierung noch weiter voranzutreiben. Die entstehenden Risse gehen durch alle natürlichen sozialen Strukturen: Familien, Freundschaften, Berufe und so weiter. Die Isolation der skeptischen Individuen und deren Verdrängung aus der Gesellschaft ist zwar nicht so traumatisch wie das Eingesperrt-Werden in einer Zelle, doch gesellschaftliche und physische Isolation sind in ihrer Wirkung vergleichbar. Auf den gesellschaftlich Isolierten wird ebenfalls Druck ausgeübt, «die Seite zu wechseln», und die Sehnsucht, wieder zur Gesellschaft zu gehören, entspricht dem Bedürfnis des Zelleninsassen nach einer Rückkehr zur Normalität. Trotz der unterschiedlichen Intensität führt Isolation in beiden Fällen zu einem ähnlichen Ergebnis.
«Ermüdung des Menschen»
Die Gehirnwäsche ist ein langwieriger Zermürbungsprozess, der auf das Müdewerden der Menschen setzt. Stück für Stück wird der Mensch in «schlechte Zeiten» überführt, wo dann mit seinem Selbsterhaltungstrieb und seinem Bedürfnis, irgendwie über diese Zeiten hinwegzukommen, gearbeitet wird. Um unter diesen Umständen zurechtzukommen, muss er wie ein Radargerät reagieren, muss ausweichen, sich drehen und wenden, sich dumm stellen, kurz: sich selbst so deformieren, wie es die krummen Verhältnisse verlangen. Auch die psychologische Folter in Gefängnissen fordert vom Individuum ständiges Anpassen an die Umstände und anstrengende mentale Strategien, um in den «schlechten Zeiten», in denen man sich befindet, zurechtzukommen. Das alles erschöpft die Energie und mündet in Unkonzentriertheit sowie in der Unfähigkeit, zielbewusst denken und arbeiten zu können — bei individueller als auch massenhafter Gehirnwäsche. Ein zermürbter Mensch sucht verzweifelt nach Sicherheit, um überleben zu können und wendet sich hilfesuchend an diejenigen, die ihn überhaupt erst in die schlechten Zeiten manövriert haben, also an die Herrschenden oder seine Folterknechte. Denn dank der Isolation bzw. der zersetzten Kommunikationsstrukturen sind dies mehr oder weniger die einzigen Kontaktpersonen, die dem Indoktrinierten noch geblieben sind. Doch das einzige, was diese ihm anbieten, ist eine Form von relativer Sicherheit und Freiheit im Austausch für Loyalität: «Wenn du uns anerkennst und loyal unsere Instruktionen ausführst, brauchst du nichts zu fürchten und kannst ein normales Leben führen.»
Dies ist natürlich bloss eine Illusion der Sicherheit und Freiheit, denn «Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren», so die ewig gültige Weisheit von Benjamin Franklin. Entweder akzeptiert das Individuum passiv die Umstände(eingeschränkte Freiheit ist für eine gewisse Zeit möglich), es wird selber zum aktiven Träger der Unterdrückung oder aber es beginnt, sich aktiv zur Wehr zu setzen. Im ersten Fallgerät es in kürzester Zeit in einen Konflikt mit sich selbst, weil man das natürliche Bedürfnis des Menschen, sich zu engagieren und sich selbst zu verwirklichen, nicht unterdrücken kann. Im zweiten Fall, in dem das Individuum zum Träger der Gewalt wird, ist das Gefühl der Sicherheit ebenfalls bedroht, weil es früher oder später unvermeidlich und unbarmherzig mit denen in Streit gerät, die es unterdrückt.Im dritten Fall — also, wenn das Individuum versucht, sich zu widersetzen — wird es sowohl vom System selbst zum Feindbild auserkoren als auch von den passiven und aktiven Trägern der Gehirnwäsche ausgegrenzt und bekämpft. Je weiter fortgeschritten der Zustand der Indoktrination ist, desto mehr verhärten sich die Fronten zwischen jenen, die die Indoktrination tragen und jenen, die sie versuchen zu überwinden.
Massen-Mentizid
Gerade heute in Zeiten von «Corona» sehen wir immer deutlicher, wie die gesamte westliche Zivilisation einem langsam fortschreitenden Mentizid unterzogen wird. Ein Angriff auf den Verstand und die Selbstständigkeit, der dank flächendeckend wirksamen Massenmedien allumfassend wirkt. Die Techniken der Propaganda sind verfeinert und systematisiert worden; es gibt kaum einen Ort, an dem man sich vor den ständigen visuellen und verbalen Angriffen auf den Verstand verstecken kann. Der Druck des täglichen Lebens treibt immer mehr Menschen dazu, eine einfache Flucht vor Verantwortung und Reife zu suchen. In der Tat ist es schwer, diesem Druck standzuhalten. Für viele ist das Angebot eines politischen Allheilmittels sehr verlockend, für andere ist das Angebot der Flucht in Alkohol, Drogen oder ähnliche Mittel unwiderstehlich. Freie Menschen in einer freien Gesellschaft müssen nicht nur lernen, diesen heimlichen Angriff auf die geistige Unversehrtheit zu erkennen und zu bekämpfen, sondern sie müssen auch lernen zu verstehen, was im Inneren des Menschen vorgeht, und was ihn für diesen Angriff anfällig macht.
Mit freundlicher Genehmigung von expresszeitung.com, Doppelausgabe 43/44
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.