Sie sind schon liebenswürdig, unsere Nachbarn im schönen Österreich. Man geht dort im Allgemeinen etwas lockerer mit empfindlichen Themen um als die Piefkes hier im Nordwesten. Aber man ist auch schnell grob. Anna Dobler, eine bekannte Journalistin, hat sich wohl etwas verschätzt, als sie in einen Tweet zu dem im österreichischen Fernsehen gesendeten Film zur berüchtigten „Wannseekonferenz“ twitterte: „Das waren nicht nur Mörder, sondern auch durch und durch Sozialisten“. Als Antwort erhielt sie per Twitter ihren Rausschmiss vom Arbeitgeber.
Der Fernsehfilm zeigt die „Wannseekonferenz“, eine Zusammenkunft im Jahr 1942, bei der die Nationalsozialisten die entsetzliche „Endlösung der Judenfrage“ besprachen. Der Massenmord an den jüdischen Deutschen und Juden in den von der deutschen Armee besetzten Gebieten ist DAS zentrale Thema der deutschen Geschichte und auch in Österreich ein absolut neuralgischer Punkt. Hier der Trailer der Sendung:
Anna Dobler war stellvertretende Chefredakteurin bei dem Onlinemedium „Exxpress“, das politisch der ÖVP nahesteht. Chefredakteur Richard Schmitt hatte seine Kollegin zuvor aufgefordert, ihren Tweet zu löschen, dem Frau Dobler auch nachkam. Dann setzte er nach und anstatt, wie sich das gehört, der Kollegin formgerecht zu kündigen und die Sache zurückhaltend und wie üblich abzuwickeln, erfuhr Anna Dobler ihren Rausschmiss auf Twitter.
Stilloser geht’s nicht mehr, aber wundern tut’s auch niemanden. Bei diesem Thema springen sofort überall alle Alarmlampen an und die Sirenen heulen auf. Man wollte wohl, wie das heute üblich ist, umgehend das absolute Maximum an Distanzierung und Empörung präsentieren und das natürlich öffentlich. Wer sich in diesem Zusammenhang nicht genug Mühe gibt, wird schon der heimlichen Zustimmung und als Nazisympathisant verdächtigt. Es ist sozusagen die Hyperbolisierung des lateinischen Sprichwortes „Qui tacet, consentire videtur“ – wer schweigt, scheint zuzustimmen.
Die Herausgeberin des Exxpress, Eva Schütz, schrieb zusammen mit Chefredakteur Richard Schmitt in einer Stellungnahme:
„Nein, die Nationalsozialisten, die den Holocaust planten und ausführten, waren keine ‚Sozialisten‘, wie Anna Dobler dies in ihrem Posting nachweislich falsch behauptet hat. Wir wollen nicht, dass unsere Redaktion, unser ganzes Team auch nur mit dem geringsten Verdacht einer möglichen Relativierung des Nationalsozialismus belastet wird. Wir wollen nicht, dass Sozialdemokratie derart falsch beschuldigt wird, wir wollen nicht, dass gute Freunde aus der Sozialdemokratie per Tweets gekränkt werden. Und wir werden auch stets falsche Aussagen richtig stellen. Wir wollen auch nicht, dass Redakteure mit dieser Meinung bei uns weiter ihren Dienst versehen. Der Exxpress trennt sich hier von Anna Dobler.“
Frau Doblers Beteuerungen, sie wisse sehr wohl den Unterschied zwischen Sozialisten und Sozialdemokraten zeugt davon, dass sie das Problem nicht wirklich verstanden hat. Sie quittierte die regelwidrig öffentliche Twitter-Kündigung ebenfalls auf Twitter mit einem „OK. Wow.“
Dann schrieb sie noch dazu, sie habe den Tweet auf Bitten Herrn Schmitts ja gelöscht, weil es ja umstritten sei, ob die Nazis „durch und durch“ Sozialisten gewesen seien, führte aber an, dass es ausreichend Belege für sozialistische Tendenzen innerhalb des Nationalsozialismus gegeben habe.
„Grundsätzlich ist es eine ganz normale Fragestellung,ob die Ideen der Nazis sozialistische Tendenzen aufgewiesen haben. Ich habe nie eine Verbindung zur Sozialdemokratie hergestellt und würde das auch nie tun. (…) Ich hab nur auch mitbekommen, dass ich angezeigt worden bin deswegen. Ich bin mir sehr sicher, dass das keine strafrechtlich relevante Aussage war, weil sozialistische Strukturen innerhalb des Nationalszialismus (zB Kollektivierung) auch ganz normal akademisch diskutiert werden.“
Das stimmt zwar und die Nazis haben sich auch nicht aus Unwissen Nationalsozialisten genannt. Doch es gilt als ausgemacht, dass diese Namensgebung nur darauf abgezielt habe, die linke Arbeiterschaft damit zu ködern: „Wahr ist, dass die Nationalfaschisten der Nazipartei NSDAP um Adolf Hitler mit sozialistischer Bild-Symbolik versuchten, die linksaffine Arbeiterschaft für den sogenannten ‚Nationalsozialismus‘ der deutschen Nationalfaschisten zu begeistern.“
Daher habe man in der NSDAP auch diese sozialistische Sprache und Symbolik in Bild und Wort gepflegt. Interessanterweise wettern die Sozialisten gerne, die Nationalsozialisten als Sozialisten zu bezeichnen sei „eine dreckige Lüge, die gerne und immer wieder in rechtsextremen Milieu bemüht wird, um linke Gruppen oder Einzelpersonen mit der Ideologie des Nationalismus gleichzusetzen und somit diffamierend zu diskreditieren.“
Also, das heißt: Das rechtsextreme Milieu, das gemeinhin als Nazis tituliert wird (und sich ja auch tatsächlich als Nachfolger der damaligen Nationalsozialisten sieht), stellt die Nationalsozialisten (also sich selbst) als Sozialisten (die sie ja hassen) hin, um die Sozialisten als Nationalsozialisten zu beleidigen und diffamieren. Ein interessanter Aspekt.
Das absurde Theater geht aber noch weiter. Frau Dobler wehrt sich entschieden gegen Geschichtsrevisionismus und greift dann, wie viele, die ins Visier der Tugendwächter geraten, zu dem Argument, man könne ja gar kein Nazi sein, weil irgendeine Urgroßtante unter den Nazis gelitten habe. So zieht auch Frau Dobler in ihrem hektischen Abwehrkampf diese Karte: „Ich verwehre mich auch ausdrücklich, mich in die Nähe von Geschichtsrevisionismus rücken zu lassen. Meine Urgroßeltern mussten wegen der Nazis ihre Spedition aufgeben. Ich habe die Nazis klar als das bezeichnet was sie waren: Mörder.“
Diese ganze Aufführung ist von A bis Z einfach nur peinlich. Der auslösende Tweet Frau Doblers war dumm und instinktlos und die darauffolgenden Kaskaden von wechselseitigen Distanzierungen und Empörung-Aufführungen ebenso durchsichtig wie auch vorhersehbar.
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