Es könnte eine der größten prähistorischen Stätten Europas sein, was da unter eine dicken Erdschicht bei Ausgrabungen in der Provinz Huelva ans Tageslicht kam: Ein Megalith-Komplex von über 500 großen Monolithen. Eigentlich sollte da eine Avocado-Plantage angepflanzt werden. Doch die Behörden ordneten an, das Gelände zuvor archäologisch zu untersuchen. Die Avocados müssen sich wohl eine andere Heimat suchen, denn jetzt wimmelt die Gegend von Wissenschaftlern, die diese Menhire, genau 526 an der Zahl, eingehend untersuchen wollen.
Die Archäologen sind begeistert, hier handelt es sich offensichtlich um einen außergewöhnlichen Fund. Die ältesten Teile dieser Anlage, die nach Osten, Richtung Sonnenaufgang ausgerichtet ist, sind zwischen sieben und achttausend Jahren alt. Die Ausgrabungen sollen bis 2026 dauern. Das Gelände ist 600 Hektar groß und war von 50 Jahre alten Eukalyptusbäumen zugewuchert, und nur teile der Menhire ragten dazwischen heraus. Die Fundstätte heißt La Torre-La Janera und liegt zwischen Ayamonte und Villablanca, ganz im Südwesten Spaniens, an der Grenze zu Portugal, in der Provinz Huelva nahe dem Fluss Guadiana. Die Atlantikküste ist nur 15 Kilometer weit weg. Das Gelände ist Privatbesitz.
Man vermutete dort schon lange, dass diese Gegend eine archäologische Fundstätte sein könnte, denn die Einheimischen wussten immer schon, dass dort uralte, heilige Stätten liegen und man konnte ja einige der Menhire aus dem Boden ragen sehen, lokale Zeitungen schrieben immer wieder darüber. Daher musste der Grundstückseigner auch bei der Behörde für die geplante Avocado-Plantage um eine Genehmigung fragen. Die Behörde forderte daher ersteinmal ein Gutachten. Die Lizenz für die Plantage wurde schon 2018 beantragt. So sehr sich nun die Archäologen freuen, so wenig begeistert ist der Grundbesitzer.
Die einzelnen Monolithen dort sind nicht so groß, wie die sieben-Meter Kolosse von Stonehenge, aber immer noch tonnenschwer. Dreieinhalb Meter messen die höchsten von ihnen. Manche standen sogar noch aufrecht, doch die meisten lagen im Boden, unter Erde und Pflanzen begraben und mussten mühsam ausgegraben werden. Es gibt dort sehr viel mehr dieser großen Steine und vielfältigere Formen und Anordnungen, als bei Stonehenge. Es gibt Stelen, Steinkammern, riesige Steinkreise und Dolmen. All das wird nun untersucht und könnte wertvolle Schlüsse über die steinzeitlichen Menschen dort und ihre religiös-magischen Vorstellungen erlauben.
José Antonio Linares, Professor an der Universität Huelva ist zur Zeit ein gefragter Medienstar. Überall wird er eingeladen, über das spanische Stonehenge zu sprechen, Spanien ist ganz aufgeregt. Professor Linares gibt zu, dass die spanischen Archäologen ziemlich überrascht von dem Fund sind. Denn das Grenzgebiet dort zu Portugal hatte man gar nicht auf dem Schirm, obwohl die seltsamen Steine dort schon lange bekannt waren. Als die Behörden nun ein Gutachten bestellten für das Gelände, wurden die Wissenschaftler natürlich sofort fündig.
Mit Satellitenbildern, Luftaufnahmen und Bodenradar untersuchten sie die Schichten unter der Oberfläche und es wurde schnell deutlich, dass hier ein sehr großen Gebiet proppenvoll mit steinzeitlichen Monumenten war. Die Radiokarbonmethode offenbarte, dass sie Anlage etwa auf das fünfte Jahrtausend vor Christus zu datieren ist. Auch, warum die Anlage einfach mitten im Land liegt, ist klar: Damals war der Wasserstand des Atlantiks um etwa zwei Meter höher – und die prähistorische, astronomische Anlage lag direkt am Strand. Die Anlage bei La Torre-La Janera ist nicht die Einzige. Laut Professor Linares gibt es nicht allzu weit davon noch andere Fundstätten, die noch älter sind, als Stonehenge, das „nur“ drei- bis viertausend Jahre alt ist.
Die Provinz Huelva hofft nun, die Ausgrabungen auch für den Tourismus nutzen zu können. Die Gegend ist noch sehr wenig touristisch erschlossen und wirkt sehr spanisch-ländlich. Nur an den Stränden an der Mündung des Flusses Guadalquivir in den Ozean und rund um das Naturreservat Doñana hat sich Tourismus und dadurch ein etwas quirligeres Leben etabliert. Wenn das „spanische Stonehenge“ auch nur ein Zehntel der Gäste und Besucher anlockt, die das britische Original mit einer Million Besucher pro Jahr schafft, könnte das zu einem Wirtschaftswachstum in der verschlafenen Region führen. Jedenfalls setzt man in der Provinz Huelva große Erwartungen in das Ausgrabungsprojekt.
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