Man kann nicht übersehen, dass es massiven Druck, politischen Druck gibt, dessen Ziel darin besteht, Menschen Insekten schmackhaft zu machen. Den Hintergründen dieses Drucks widmen wir uns ein anderes Mal. Beginnen wir vielmehr mit der Feststellung, dass der politische Druck erfolgreich ist und zur Zulassung von unter anderem Hausgrillen als Nahrungsmittel und Nahrungsmittelzusatz geführt hat. Wir stellen in diesem Post anhand der Zulassung von entfettetem Pulver aus Acheta Domesticus (Hausgrille) dar, wie es zu dieser Zulassung gekommen ist und wie viele Augen die für die Zulassung Verantwortlichen zugedrückt haben, um das Pulver verkehrsfähig zu machen.
Grundlage aller Zulassungen sogenannter NEUER NAHRUNGSMITTEL, das sind Nahrungsmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in großem Maße in der Europäischen Union verzehrt wurden [Warum 15. Mai 1997? Warum nicht!], ist Regulation EU 2015/2283. Artikel 10 der Regulation legt fest, welche Belege ein Antragsteller, der ein neues Nahrungsmittel auf dem Markt der EU einführen will und deshalb eine Zulassung vorlegen muss, erbringen muss:
Article 10
Procedure for authorising the placing on the market within the Union of a novel food and updating the
Union list
1. The procedure for authorising the placing on the market within the Union of a novel food and updating of the
Union list provided for in Article 9 shall start either on the Commission’s initiative or following an application to the
Commission by an applicant. The Commission shall make the application available to the Member States without delay.
The Commission shall make the summary of the application, based on the information referred to in points (a), (b)
and (e) of paragraph 2 of this Article, publicly available.
[…]
Im dritten Absatz von Artikel 10 steht das eigentlich Relevante:
3. Upon request by the Commission, the European Food Safety Authority (‘the Authority’) shall give its opinion as to
whether the update is liable to have an effect on human health.
Letztlich ist damit das so genannte NDA beschrieben, das EFSA Panel on Nutrition, Novel Food and Food Allergens, dessen Mitglieder letztlich darüber befinden, ob ein neues Nahrungsmittel, dessen Hersteller es gerne auf dem Markt der EU verkaufen will, zugelassen werden kann oder nicht. Wie üblich in solchen Fällen gibt das Panel der NDA eine Empfehlung ab und die Europäische Kommission setzt diese Empfehlung um. Geht etwas schief, dann wird die EU-Kommission darauf verweisen, dass man dem Rat der Experten des NDA gefolgt sei, während die Experten des NDA sagen werden, dass sie ja nur eine Empfehlung abgegeben haben. Das System der Verantwortungslosigkeit ist in der Europäischen Union weitgehend optimiert.
Für die Zulassung von entfettetem Pulver von Acheta Domesticus (Hausgrille) sind die folgenden Personen, aus denen sich das NDA zusammensetzt, verantwortlich:
Die Frage, was die Panelmitglieder dazu qualifiziert, über die Nahrungsmittel, die 450 Millionen Europäer auf den Tisch kommen dürfen oder nicht, zu befinden, ist eine Frage, der wir uns in einem weiteren Post eingehender widmen werden.
Das EFSA Panel [NDA] trifft seine Entscheidung über die Sicherheit und den Nutzen neuer Nahrungsmittel auf Grundlage von Daten, die im Wesentlichen aus Analysen zur Zusammensetzung dessen, was als neues Nahrungsmittel bezeichnet wird, bestehen. Es wird dabei vornehmlich nach Nähr- und Schadstoffen unterschieden und auf Basis der Daten aus einer sehr begrenzten Menge von Stichproben, im vorliegenden Fall sind das 5 Chargen [im Text des NDA ist auch von Kolonien die Rede] zermahlener und entfetteter Hausgrillen, entschieden.
Alle Daten und Informationen, die im Panel diskutiert werden, stammen aus zweiter Hand, sie werden von dem Unternehmen, das einen Antrag auf Zulassung des neuen Nahrungsmittel gestellt hat, bereitgestellt. Das Panel prüft weder die Integrität der Daten noch nehmen die Mitglieder eigene Analysen vor. Sie verlassen sich in vollem Umfang auf die Informationen, die ihnen das anstragstellende Unternehmen zur Verfügung stellt.
“The applicant provided qualitative and quantitative data on chemical and microbiological parameters for different batches of the NF [Novel Food]. For all parameters, five independently produced batches were analysed. Certificates of accreditation for the laboratories that conducted the analyses were provided by the applicant. Analytical data were produced using methods validated for other types of matrices and a full description of the methods has been provided”
Den Antrag auf Zulassung von entfettetem gemahlenen Pulver der Hausgrille hat das VIETNAMESISCHE Unternehmen “Cricket One“, ein Start-up, das 2017 gegründet wurde, also ein Unternehmen ohne vorweisbare Geschichte im Bereich der Erstellung / Herstellung von Nahrungsmitteln gestellt. Die folgende Tabelle stellt eines der Analyseergebnisse zusammen, auf deren Grundlage das NDA die Zulassung von entfettetem Hausgrillenpulver empfohlen hat.
Dass außer Salmonellen und Listeria monocytogenes alle Bakterien, die sich schädlich auf menschliche Organismen auswirken können, nachgewiesen wurden, soll uns hier nicht weiter interessieren, wir wollen uns dem Panzer von Grillen widmen, der im Wesentlichen aus Chitin besteht, einem Polysacharid, das eigentlich nicht zum menschlichen Verzehr gedacht ist, obschon es sich als Chitosan, das durch enzymatische Synthese aus Chitin hersgestellt wird, in so mancher Zahncreme findet. Aber: wer isst schon seine Zahncreme. Dem ein oder anderen an Arthrose Leidenden ist Chitin vielleicht als Vorstufe von Glucosaminen bekannt, auch in diesem Fall ist Chitin Bestandteil “äußerer Anwendung”, schon weil Chitin ein Krankheitserreger ist, dem im menschlichen Organismus durch das Enzym Chitinase auf die Pelle gerückt wird, was nicht immer gelingt, wie sich z.B. darin zeigt, dass bei Menschen, die an Asthma leiden, erhöhte Spiegel von Chitinase in Lungengewebe nachgewiesen werden können.
Chupp, Geoffrey L., Chun Geun Lee, Nizar Jarjour, Yun Michael Shim, Carole T. Holm, Susan He, James D. Dziura et al. (2007). A chitinase-like protein in the lung and circulation of patients with severe asthma.” New England Journal of Medicine 357(20): 2016–2027.
Przysucha, Natalia, Katarzyna Górska, and Rafal Krenke (2020). Chitinases and chitinase-like proteins in obstructive lung diseases–current concepts and potential applications. International Journal of Chronic Obstructive Pulmonary Disease: 885–899.
Generell ist wenig darüber bekannt, wie sich Chitin, wenn es gegessen wird, auf den menschlichen Organismus auswirkt und Mengen, wie sie in entfettetem Pulver von Acheta Domesticus vorkommen, sind nicht unerheblich. Grund für die Panelisten der EFSA genauer hinzusehen, wie man denken könnte. Und in der Tat:
Die Menge von Chitin, die sich in den einzelnen Chargen findet, variiert von 4,9 Gramm auf 100 Gramm bis 8 Gramm auf 100 Gramm, hat also eine Abweichung von 63%, nicht unbedingt das, was man als verlässliche Messung bezeichnen würde oder als einen reliablen Standard zur Herstellung eines Nahrungsmittels. Aber, alles kein Problem:
“Chitin is a linear polysaccharide constituted by b-(1,4)-linked 2‑amino-2-deoxy-b-D-glucopyranoseand 2‑acetamido-2-deoxy-b-D-glucopyranose residues (Roberts, 1992). The physicochemical nature of chitin is intrinsically related to its source (Kumirska et al., 2011). The applicant provided analytical data on the levels of chitin in five independently produced batches of the NF (Table2). The Panel notes that a nationally or internationally recognized reference method for the analytical determination of chitin does not exist. The chitin content in the NF was determined based on the protocol described by Hahn et al. (2018), in which chemical treatment based on acid detergent fibre–acid detergent lignin is used to estimate the chitin content in different insects. The Panel considers the differences between the content of dietary fibre (Table1) and chitin (Table2) are due to different analytical methods utilised.”
War noch was?
Ja, richtig. Die gemessen Werte weisen einen immensen Wertebereich auf, einen, der normalerweise Sorgenfalten produziert, weil Unterschiede von 63% beim Vorkommen eines bestimmten Stoffes in unterschiedlichen Chargen schon erheblich sind. Nicht beim Panel der EFSA:
“The Panel notes that there is a variation of the values of some proximate parameters, but this can be expected since the NF is produced using whole insects. The values may also depend on the rearing conditions (feed, developmental stage at the time of harvesting, ambient conditions).”
Die Variation, also die hohen Schwankungen beim Chitingehalt, könne erwartet werden, weil entfettete Hausgrillen zu Pulver vermahlen, ein “neues Nahrungsmittel” seien, und außerdem könne die Schwankung durch unterschiedliche Bedingungen bei der Aufzucht der Hausgrillen verursacht sein. Wenn Sie, wie wir, gedacht haben, der Witz bei Nahrungsmittelsicherheit bestehe darin, solche Schwankungen zu vermeiden, dann sehen Sie sich eines Besseren belehrt. Indes ist die Ansicht, dass solche Schwankungen deshalb auftreten, weil ein Nahrungsmittel neu sei, vor dem Hintergrund, dass dieselben Schwankungen den Bedingungen der Aufzucht geschuldet sein sollen, eher absurd, ihr Auftauchen im Bericht des EFSA-Panels wohl darauf zurückzuführen, dass mans ich bemüht hat, alle Hürden, die einer Zulassung im Wege stehen, zu ignorieren, um das “neue Nahrungsmittel” durchwinken zu können, was man dann wohl mit: “Es ist politisch gewünscht”, übersetzen muss.
Dass durchgewunken wurde, ohne Rücksicht auf Verluste unter der Bevölkerung, in der es Empfindliche geben soll, das zeigt das Beispiel Mangan, an sich ein nützliches Erfalkalimetall, das von Enzymen und Proteinen im menschlichen Körper benötigt wird, so lange es nicht über die Maßen genossen wird. 25 bis 100 Milligramm pro Tag sind als Menge empfohlen, bei mehr wird es neurotoxisch.
Dobson, Allison W., Keith M. Erikson, and Michael Aschner (2004). Manganese neurotoxicity. Annals of the New York Academy of Sciences 1012(1): 115–128.
Normandin, Louise, and Alan S. Hazell (2002). Manganese neurotoxicity: an update of pathophysiologic mechanisms. Metabolic brain disease 17: 375–387.
Die Probleme, die von einer Überkonzentration an Mangan ausgehen, sie sind dem Panel bekannt:
“The concentration of Mn [Mangan] in the NF, according to specifications, may reach 100 mg/kg. This concentration is higher compared to food sources rich in Mn [, e.g. nuts 24.9 mg/kg; dried fruit, nut sand seeds 11.9 mg/kg; chocolate 8.9 mg/kg; bread, miscellaneous cereals 8.0 mg/kg (EFSA NDAPanel, 2013). The Panel notes that the SCF (2000) reported that exposure to high levels of Mn by inhalation or oral intake may be neurotoxic. The SCF could, however, not set an UL [Upper Limit] for Mn and concluded that‘ the margin between oral effect levels in humans as well as experimental animals and the estimated intake from food is very low. Given the findings on neurotoxicity and the potential higher susceptibility of some subgroups in the general population, oral exposure to Mn beyond the normally present in food and beverages could represent a risk of adverse health effects without evidence of any health benefit’(SCF/NDA, 2006″
Die Menge an Mangan in entfettetem gemahlenem Hausgrillenpulver hat dem Panel dann offenkundig doch mehr Sorgen bereitet, weshalb man sich gemüsigt gesehen hat, die zu erwartende zusätzliche tägliche Zufuhr von Mangan zu berechnen, die sich einstellt, wenn das entfettete Hausgrillenpulver wie beabsichtigt als Nahrungsmittelzusatz verwendet wird. Wie nicht anders zu erwarten, ist das Panel zu dem Schluss gekommen, dass nicht zu erwarten sei, dass die hohe Menge von Mangan im entfetteten Hausgrillenpulver, auch nicht vor dem Hintergrund der durchschnittlichen Aufnahme von Mangan ohne diese Grillen, dazu führen wird, dass sich neurotoxische Effekte, der Nahrungsmittelzusatz also als Nervengift wirkt, einstellen werden:
“The highest estimated P95th intake of Mn from the NF ranges from 0.06 mg/day in infants to0.25 mg/day in adolescents. As compared to the highest mean background Mn intake estimates, theadditional intake of manganese from the NF would be 3.3% for young children, 4.2% for adolescentsand 4.0% for adults.The Panel considers that such an increase of Mn intake (<5% of the highest mean backgroundintake2) from the NF used as food ingredient is not of concern”.
Auch die Tatsache, dass in den fünf Chargen von entfettetem Hausgrillenpulver Oxalsäure, Gerbsäure und andere Polyphenole, die nicht zu den gesunden unter den Polyphenolen, sondern zu denen gehören, die ab einer bestimmten Menge gesundheitsschädlich sind, nachgewiesen wurden, hat die positive Meinung des EFSA-Panels nicht getrübt. Wenn man bemüht ist, an einer Sache nur Gutes zu finden, dann schaut man über Negatives mit Bemerkungen wie der folgenden hinweg:
“”Insects may contain hydrogen cyanide, antinutritional factors (ANFs) such as tannins, oxalates, phytate (Jonathan, 2012; Shantibala et al., 2014), thiaminases (Nishimune et al., 2000) and protease inhibitors (Eguchi, 1993). The applicant determined the concentrations of total polyphenols, tannic acid, oxalic acid, hydrocyanic acid in five independently produced batches of the NF (Table11). The reported values in the NF are comparable to the occurrence levels of these compounds in other foodstuffs”.
Das Zeug ist auch in anderen Nahrungsmitteln, also habt Euch nicht so.
Die Idee, dass sich gewisse Stoffe, wenn sie aus unterschiedlichen und immer mehr Nahrungsmittelquellen immer dem selben Organismus zugeführt werden, zu Mengen addieren können, die den Menschen, der zu dem Organismus gehört, um die Ecke bringen, die ist dem Panel offenkundig noch nie gekommen. Und so steht am Ende des Berichts auf Basis der Daten und nur der Daten, die Cricket One, das Start-up aus Vietnam, bereitgestellt hat, die Unbedenklichkeitserklärung, die dann zur Zulassung durch die EU-Kommission geführt hat:
“The Panel concludes that the NF is safe under the proposed uses and use levels. In addition, the Panel notes that allergic reactions may occur.”
Die Mitglieder des EFSA-Panel sind sich also darüber einig, dass gemahlenes entfettetes Hausgrillenpulver gesundheitlich nicht bedenklich ist. Sie wundern sich über den Hinweis am Ende: “allergische Reaktionen können sich einstellen”?
Der Satz zu dem dieses Fragment gehört, ist der Tatsache geschuldet, dass die allergischen Reaktionen, die sich auf entfettetes gemahlenes Hausgrillenpulver einstellen, weitgehend bis vollständig unbekannt sind, was natürlich nichts daran ändert, dass die Mitglieder des Panels das Grillenpulver für sicher halten und als Nahrungsmittel sehen wollen. Die Kunst, ein erfolgreiches Panelmitglied bei der EFSA zu sein, besteht offenkundig darin, aus den eigenen Wissenslücken eine Tugend zu machen und das, was man nicht weiß, nicht dem im Wege stehen zu lassen, was politisch gewünscht ist. Und das eigene Gewissen, das vielleicht etwas erregt ist, angesichts einer Empfehlung ins Blaue hinein, das beruhigt man dann so:
“The Panel recommends that research should be undertaken on the allergenicity to A. domesticus [Hausgrille], including cross-reactivity to other allergen”
Wenn diese Studien, die nach der Zulassung von gemahlenem entfettetem Hausgrillenpulver durchgeführt werden, dann etwas erbringen, was das “Nahrungsmittel” bedenklich macht, dann kann man immer sagen, das habe man nicht gewusst. Und in der Tat, die Panelmitglieder haben nicht gewusst, was die allergischen Reaktionen auf entfettetes gemahlenes Hausgrillenpulver sein werden, und es dennoch zur Zulassung empfohlen.
Und deshalb werden sie in Zukunft, wenn sie gemahlenes entfetttes Hausgrillenpulver NICHT essen wollen, bei Brot, Brötchen, Crackern, Kecksen, Nudeln, Backmischungen, Fertigmahlzeiten mit Kartoffeln und Gemüse, bei Hummus, Pizza, Getreidepulver, Fleischersatz, Gemüsesuppe, Nudelsalat, Bier und bierhaltigen Getränken, Schokolade, Chips und Fleischbällen, Burgern, Würstchen und Gemüsesaucen genau hinsehen müssen. Denn die Perversion nimmt ihren Lauf.
Achten Sie auf “Acheta Domesticus” unter den Zutaten.
Wohl bekomms.
Noch eine kleine Sneak Preview: Das Hausgrillenpulver ist nicht das erste Insektoide Nahrungsmittel, das für bzw. als Nahrungsmittel zugelassen wurde. Bereits am 7.Juli 2021 hat das EFSA-Panel gefrorene und getrocknete ganze Hausgrillen als sicheres Nahrungsmittel zur Zulassung empfohlen. Eine Empfehlung, der die EU-Kommission am 10. Februar 2022 nachgekommen ist. Es hat also nicht erst begonnen, es ist schon seit einiger Zeit am Laufen.
Regulation 2015/2283
NDA-Panel: Safety of partially defatted house cricket (Acheta domesticus) powder as a novel food pursuant to Regulation(EU) 2015/228
Bisher im Rahmen unserer Insektenstudiuen erschienen:
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zu Insektennahrung, an der wir gerade sitzen. Wenn Sie uns den Rücken freihalten und dafür sorgen wollen, dass wir intensiv am Thema bleiben können, dann ist eine kleine/mittlere/große Spende der richtige Weg dazu.
In einer früheren Version war von Magnesium anstelle von Mangan die Rede. Wir haben die Diskussion von Magnesium aus diesem Beitrag entfernt.
Quelle: sciencefiles.org
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