Kontra Zen­tra­li­sierung und Mehr­heits­herr­schaft. Und: von den Grenzen des öffentlich Sagbaren

Die dieser Vorrede nach­fol­gende Abhandlung stellt die Wei­ter­führung von Gedanken dar, die von mir ursprünglich auf Ein­ladung des PRAG­MA­TICUS ver­fasst wurden und die inzwi­schen an diversen Orten, und auch in eng­li­scher Über­setzung, erschienen sind.[1] Sie wurden in der Absicht ver­fasst, meine ursprünglich am Bei­spiel der Euro­päi­schen Union (EU) ent­wi­ckelten theo­re­ti­schen Über­le­gungen und Ein­sichten auf den spe­zi­ellen Fall der Schweiz zu über­tragen und anzu­wenden. Dass meine Gedanken dem links-grünen Zeit­geist grund­legend zuwi­der­laufen und deshalb gegen­wärtig kei­nerlei Aus­sicht hatten und haben, Eingang in den medialen „Main­stream“ zu finden, war mir klar. Doch hatte ich die Hoffnung, dass die schwei­ze­rische WELT­WOCHE, die mit etwa 40.000 wöchent­lichen Ver­kaufs­exem­plaren am unteren Rand der soge­nannten Publi­kums­zeit­schriften anzu­siedeln ist, und die unter diesen die von mir – nach wie vor – meist-geschätzte Publi­kation im deutsch­spra­chigen Raum dar­stellt, meinen Gedanken gegenüber dennoch mög­li­cher­weise auf­ge­schlossen sein könnte. Diese Hoffnung ver­stärkte sich noch auf­grund eines Treffens mit dem Her­aus­geber und Chef­re­dakteur der WELT­WOCHE, Roger Köppel, anlässlich einer Fern­seh­sendung – PRAG­MA­TICUS bei SERVUS TV – zum Thema meines ursprünglich kom­mis­sio­nierten schrift­lichen Bei­trags. Köppel fun­gierte bei der Sendung als Mode­rator und Inter­viewer und ich war der Inter­viewte.[2]

(von Hans-Hermann Hoppe)

Die Ange­le­genheit verlief sachlich und freundlich und ich hatte den Ein­druck, dass Köppel meinen Aus­füh­rungen durchaus eine gewisse Sym­pathie ent­ge­gen­brachte. Dieser Ein­druck ver­tiefte sich noch im Anschluss an das Interview, im Verlauf einer län­geren per­sön­lichen Unter­haltung und eines zufäl­ligen gemein­samen Rück­flugs von Wien nach Zürich. Ange­sichts dessen bot ich ihm meine in nach­fol­gendem Artikel in abge­wan­delter Form dar­ge­legten Gedanken zur Ver­öf­fent­li­chung an. Mir war dabei durchaus klar und ich machte gegenüber Köppel auch keinen Hehl daraus, dass meine Sicht der Dinge und die seine sich in einigen zen­tralen Punkten grund­sätzlich unter­scheiden, aber er betonte seine intel­lek­tuelle Neugier und Offenheit und wies, wie zum Beweis, darauf hin, dass er in seinem Blatt doch auch von den eigenen liberal-kon­ser­va­tiven Über­zeu­gungen deutlich abwei­chende linke Bei­träge ver­öf­fent­liche. Das war dann aber auch schon das Ende unserer Begegnung. Kein Wort mehr, nicht einmal eine Absage bzw. Ablehnung, von einer Begründung ganz zu schweigen. Nichts, auch nicht auf Nach­fragen von dritter Seite hin.

Es würde nicht der Wahrheit ent­sprechen zu behaupten, dass ich von diesem Ausgang der Dinge nicht ent­täuscht war. Ande­rer­seits war ein solcher Ausgang aber auch keine wirk­liche Über­ra­schung für mich. Er bestä­tigte im Grunde nur Erfah­rungen, die ich schon während meiner frü­heren, über zwan­zig­jäh­rigen uni­ver­si­tären Lehr­tä­tigkeit in den USA gemacht hatte.

Am Bei­spiel meines eigenen Lehr­meisters, Murray N. Rothbard, wie auch dessen Mentor, Ludwig von Mises, eines der großen unbe­sun­genen intel­lek­tu­ellen Genies des 20. Jahr­hun­derts, konnte ich, zum Teil beinah hautnah, erfahren, wie der Hase im gegen­wär­tigen „ame­ri­ka­ni­schen Zeit­alter“ bzw. im „demo­kra­ti­schen Westen“ derzeit läuft. Solange Rothbard sich darauf beschränkte, ein­zelne wirt­schafts­po­li­tische Maß­nahmen als wider­sinnig und kon­tra­pro­duktiv zu kri­ti­sieren bzw. ein­zelne poli­tische Ent­schei­dungs­träger als inkom­petent oder unsozial zu kri­ti­sieren, wie bissig diese Kritik auch sein mochte, gelang es ihm doch, ins­be­sondere am Beginn seiner Kar­riere, gele­gentlich auch bis in den medialen „Main­stream“ vor­zu­dringen. Sobald er mit seiner Kritik aber die Insti­tution des Staates (als eines ter­ri­to­rialen Mono­po­listen ulti­ma­tiver Recht­spre­chung) und den diesem zugrun­de­lie­genden ideo­lo­gi­schen „Eta­tismus“ als zen­trale und fun­da­mentale Ursache eines der­ar­tigen Wider­sinns iden­ti­fi­zierte bezie­hungs­weise der­ar­tiger Inkom­petenz oder Bös­wil­ligkeit, standen eigentlich nur noch „alter­native Medien“ für ihn offen. Und je mehr Roth­bards Ruf als eines radi­kalen, kom­pro­miss­losen „Anar­cho­ka­pi­ta­listen“ (und also: „unnach­gie­bigen Extre­misten“) sich ver­fes­tigte, um so mehr blieben ihm „Mainstream“-Medien auch generell ver­schlossen. Meine eigenen dies­be­züg­lichen Erfah­rungen ver­liefen ganz ähnlich, nur erfolgte die Ent­wicklung in meinem Fall viel schneller, da ich nahezu von Anbeginn als Roth­bar­dianer ein­ge­ordnet und abge­stempelt war oder wurde.

Und noch eine weitere wichtige Erfahrung ergab sich in diesem Zusam­menhang. Es stellte sich heraus, dass es oft gerade Per­sonen aus klas­sisch-libe­ralem intel­lek­tu­ellen Milieu waren und sind, die zu den eif­rigsten Ab- und Aus­grenzern gehören und als besonders ver­bies­terte intel­lek­tuelle Tür­steher der „Mainstream“-Medien fun­gieren. Durch Anar­chisten bzw. Befür­worter einer staa­ten­losen Pri­vat­rechts­ge­sell­schaft à la Rothbard sehen sie ihr der­zei­tiges Allein­stel­lungs­merkmal als ver­meintlich letztes Bollwerk gegen den Vor­marsch des Sozia­lismus bzw. der Sozi­al­de­mo­kratie und der „Linken“ ins­gesamt bedroht. Denn in der Tat ent­larvt die anar­cho­ka­pi­ta­lis­tische Kritik ja selbst diesen Per­so­nen­kreis und seinen „Libe­ra­lismus“ und seine „Markt­wirt­schafts­ordnung“ noch als Geis­tes­kinder des Sozia­lismus. Die cha­rak­te­ris­tische Antwort von ihrer Seite gegenüber der anar­cho­ka­pi­ta­lis­ti­schen Her­aus­for­derung war und ist darum ent­weder das sys­te­ma­tische Tot­schweigen oder die Diffamierung.

Meine nach­fol­genden Erfah­rungen in Europa bestä­tigten im Wesent­lichen das von mir in den USA gewonnene Bild. Nur unter­lagen und unter­liegen selbst „alter­native“ Medien in Europa, und zumal in den deutsch­spra­chigen Ländern, einer noch schär­feren Zensur als in den USA. In den USA konnte und kann man buch­stäblich alles sagen und schreiben und auch ein dazu pas­sendes alter­na­tives Medium finden. Bestraft wird man dafür dort im schlimmsten, aller­dings immer häu­figer auf­tre­tenden Fall „nur“ mit der Ver­nichtung seiner wirt­schaft­lichen Existenz. In Europa drohen bei Über­schreitung bestimmter, immer weiter gezo­gener staat­licher Tabu­grenzen dagegen im schlimmsten Fall sogar Gefäng­nis­strafen, was sich natürlich unmit­telbar auf die gesamte hiesige Medi­en­land­schaft aus­wirkt. Doch wie in den USA, so sind es auch hier­zu­lande oft gerade besonders „fromme“ Liberale, die sich im Abwehr­kampf gegen die „gefähr­lichen“ Anar­cho­ka­pi­ta­listen her­vortun.[3]

Vor diesem Erfah­rungs­hin­ter­grund gewinnt nicht nur das ein­gangs ange­spro­chene Ver­halten Köppels bzw. der WELT­WOCHE an Ver­ständ­lichkeit, sondern gleich­zeitig wird so auch die Frage bezüglich der Grenzen des im gegen­wär­tigen Europa – tat­sächlich: im abge­sehen vom Fürs­tentum Liech­ten­stein frei­heit­lichsten Land Europas, der Schweiz – öffentlich Sag­baren beleuchtet.

Köppel und sein Blatt sind in meinen Augen das Beste, was es derzeit im deutsch­spra­chigen Raum an polit-kul­tu­rellem Jour­na­lismus gibt. Seine Zeit­schrift gehört, wenn auch nur am Rand, zu den Main­stream Medien, und Köppel selbst ist neben der Schweiz auch in Deutschland und in Öster­reich regel­mäßig medial präsent und ent­spre­chend bekannt. Er ist ein scharfer Kri­tiker der EU und ein strikter Gegner eines EU-Bei­tritts der Schweiz. Er steht fest für poli­tische Kleinheit und Dezen­tra­li­sierung, für Neu­tra­lität und Wehr­haf­tigkeit, für kon­trol­liert-beschränkte Ein­wan­derung, Markt­wirt­schaft und einen christlich geprägten Kon­ser­va­tismus. Und gegen­wärtig, fast allein unter allen nam­haften deutsch­spra­chigen Jour­na­listen, beteiligt er sich nicht an der ein­sei­tigen Lob­preisung der Ukraine und „Hei­lig­spre­chung“ von Selenskyj und der umge­kehrten ein­sei­tigen Ver­teu­felung Russ­lands und Putins, sondern er bekräftigt statt­dessen die Neu­tra­lität der Schweiz und wirbt für eine rea­lis­tische, sorg­fältig abwä­gende und his­to­risch infor­mierte Beur­teilung beider Kriegs­par­teien. Dies, in Summe, macht ihn zu einer Aus­nah­me­erscheinung im deutsch­spra­chigen Jour­na­lismus, und es bezeugt vor allem seine Son­der­stellung im stetig kleiner wer­denden Kreis eta­blierter Jour­na­listen, die sich (immer noch) dem liberal-kon­ser­va­tiven poli­ti­schen Lager zurechnen. Und dies war auch der Grund dafür, mir aus­ge­rechnet Köppel und seine Zeit­schrift als mög­liche Andock­stelle für meine nach­fol­gende Abhandlung auszusuchen.

Köppel und sein Blatt sind in meinen Augen das Beste, was es derzeit im deutsch­spra­chigen Raum an polit-kul­tu­rellem Jour­na­lismus gibt.

Dabei gab und gibt es neben unseren vielen ersicht­lichen Gemein­sam­keiten auch zwei gewichtige Diver­genzen. Köppel ist zwar ein Pro­ponent kleiner poli­ti­scher Ein­heiten, aber die Vor­stellung einer staats­losen Gesell­schaft, eines frei­wil­ligen Bünd­nisses diverser eigen­stän­diger, frei­wil­liger Genos­sen­schaften ist für ihn Ana­thema (auch wenn er davon schon einmal gehört haben sollte). Und damit eng ver­bunden, und ein zweiter für Köppel ver­mutlich noch gewich­ti­gerer Gegensatz betrifft unsere kon­träre Beur­teilung der Insti­tution der Demokratie.

Zwar ist Köppel ein scharfer Kri­tiker der reprä­sen­ta­tiven Demo­kratie, namentlich in Deutschland. Und in der Tat, wie kann man ein posi­tives Wort für eine Regie­rungsform finden, die Regenten wie die der­zeitige deutsche „Ampel“ her­vor­bringt? Aber ande­rer­seits ist Köppel stets und immer wieder voll des Lobes für das Schweizer Modell einer direkten Demo­kratie. Und dies, obwohl er und seine anderen regel­mä­ßigen Kolum­nisten doch nicht umhin­können, immer wieder die zahl­reichen irr­lich­ternden Gestalten gerade auch der Schweizer Politik ans Tages­licht zu fördern. Das „Niveau“ des großen Nachbarn Deutschland wird dort zwar nicht ganz erreicht, aber auch die kleine Schweiz wird nicht gerade von strahlend hellen Kerzen erleuchtet.

Weiters scheinen Köppel bei seinen Lob­prei­sungen der direkten Demo­kratie die Berech­nungen seines Lands­manns David Dürr ent­gangen zu sein, die z.B. bezüglich bun­des­staat­licher Gesetze bzw. Erlasse nach­weisen, dass „die Theorie, dass sich in der Schweiz die Rechts­un­ter­wor­fenen ihre Gesetze selbst geben, stimmt im Umfang von 0,33%. Die Aus­nahme macht 99,67% aus.“[4] Noch scheint ihm die Unver­ein­barkeit des zehnten bibli­schen Gebots des von ihm geprie­senen Chris­tentums mit der Demo­kratie, hier als Mehr­heits­prinzip ver­standen, ob direkt oder indirekt, zu stören oder über­haupt bewusst zu sein. Statt­dessen lässt er einen Phi­lo­sophen zu Wort kommen, Andreas Urs Sommer, der die her­ku­lische Aufgabe über­nimmt, zu erklären, warum die Welt auf direkt-demo­kra­ti­schem Weg „ver­schweizern“ muss, um den Ansprüchen der Gegenwart gerecht zu werden. Das erledigt der Phi­losoph, indem er die ent­schei­dende Frage bezüglich des phi­lo­so­phi­schen Status eines demo­kra­ti­schen Staates einfach igno­riert oder aus­blendet: Welche Recht­fer­ti­gungs­gründe gibt es für eine nach Mehr­heits­prinzip funk­tio­nie­rende Zwangs­in­sti­tution, d.h. eine Ein­richtung oder Genos­sen­schaft, aus der man nicht aus­treten kann, und deren Ent­schei­dungen und Ver­ord­nungen man deshalb bedin­gungslos und dau­erhaft, ohne jede Ab- oder Aus­weich­mög­lichkeit unter­worfen ist? Dazu, wenig über­ra­schend, kommt von dem Phi­lo­sophen nichts. Und es gibt auch kei­nerlei Andeutung bezüglich der desas­trösen öko­no­mi­schen Kon­se­quenzen nach dem Mehr­heits­prinzip ver­fasster Zwangs­or­ga­ni­sa­tionen.[5]

Welche Recht­fer­ti­gungs­gründe gibt es für eine nach Mehr­heits­prinzip funk­tio­nie­rende Zwangs­in­sti­tution, d.h. eine Ein­richtung oder Genos­sen­schaft, aus der man nicht aus­treten kann und deren Ent­schei­dungen und Ver­ord­nungen man deshalb bedin­gungslos und dau­erhaft ohne jede Ab- oder Aus­weich­mög­lichkeit unter­worfen ist?

Nun müssen auch gewichtige Mei­nungs- und Auf­fas­sungs­un­ter­schiede nicht zwangs­läufig dazu führen, dass die Ver­öf­fent­li­chung eines Manu­skripts abge­lehnt wird. Ich kann bezüglich der Gründe für Köppels mir gezeigte kalte Schulter aber natürlich nur spe­ku­lieren – wenn auch in der Hoffnung, dass meine Spe­ku­la­tionen etwas zur Erhellung der gegen­wär­tigen Medi­en­land­schaft und Mei­nungslage bei­tragen mögen.

Man kann sicher unter­stellen, dass Köppel den Artikel inhaltlich begreift und auch die Wich­tigkeit des Themas erkennt, dass er zwar hier und da Zweifel anmeldet, dass er aber wohl nicht umhin kann zu befinden, dass da „etwas dran ist an der Sache“. Es ist also sicher nicht Ver­ständ­nis­lo­sigkeit, die Grund der Ablehnung ist. Sind es wirt­schaft­liche Gründe? Würde die Repu­tation oder würden die Ver­kaufs­zahlen der WELT­WOCHE durch einen Beitrag wie den meinen geschädigt? Ich weiß es nicht, aber es fällt mir schwer, das zu glauben. Die WELT­WOCHE ist ohnehin schon der Lieb­lings­feind der ver­einten Links-Grünen. Welchen Unter­schied sollte da ein ein­zelner Artikel von mir machen? Selbst wenn er dem links-grünen Zeit­geist noch so sehr zuwider läuft? Und seitens der „rechten“ Stamm­le­ser­schaft der Zeit­schrift mag der Beitrag durchaus als eine inter­es­sante, intel­lek­tuell anre­gende Berei­cherung betrachtet werden. Oder war da ein „frommer Influencer“ am Werk, der Köppel geraten hat, sich nicht auf meine Person ein­zu­lassen? Oder gab es einen ganz anderen – poli­ti­schen – Grund für seine Ent­scheidung und ist Köppel viel­leicht selbst ein „Tor­wächter“ des medialen Main­streams, der um die Bewahrung seines Allein­stel­lungs­merkmals im der­zei­tigen „rechten“, liberal-kon­ser­va­tiven intel­lek­tu­ellen Milieu besorgt ist und in dieser Stellung nicht von „rechts-anar­chis­ti­scher“ Seite über­boten werden möchte?

Ich weiß es nicht. Aber durch Erfahrung belehrt schließe ich diese Mög­lichkeit auch nicht kate­go­risch aus. Immerhin ist Köppel nicht nur Jour­nalist und Ver­leger. Er ist auch Poli­tiker. Er ist seit vielen Jahren Mit­glied des Schweizer Par­la­ments, des Natio­nalrats, und sein großes Vorbild ist Christoph Blocher, erfolg­reicher Unter­nehmer, ehe­ma­liger Schweizer Bun­desrat und graue Eminenz der SVP, der stim­men­kräf­tigsten poli­ti­schen Partei der Schweiz. Und gewiss ist auch schon der lei­seste Ver­dacht anar­cho­ka­pi­ta­lis­ti­scher Sym­pa­thien im gegen­wär­tigen Umfeld eines domi­nanten links-grünen Zeit­geistes einer poli­ti­schen Kar­riere nicht gerade för­derlich; während umge­kehrt Links-Abwei­chungen vom „rechten Pfad,“ wie sie Köppel in seiner Zeit­schrift durchaus – nicht einmal selten – zulässt, einer poli­ti­schen Kar­riere ver­mutlich eher dienlich sind. – Ist das der Grund?! Poli­ti­sches Kalkül?

Die durchaus rea­lis­tische Mög­lichkeit einer solchen Inter­es­senlage erfordert für den Anar­cho­ka­pi­ta­listen bzw. den Befür­worter einer Pri­vat­rechts­ge­sell­schaft eine sorg­fältige Über­prüfung und eine mög­liche gründ­liche Um- und Neu­ori­en­tierung hin­sichtlich bis­he­riger intel­lek­tu­eller Alli­anzen und Stra­tegien. Wer in unserem (meinem) intel­lek­tu­ellen Lager wünschte sich nicht mehr Blo­chers und Köppels, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Öster­reich und ganz besonders in Deutschland? Aber sind sie und ähnlich gestellte pro­mi­nente Per­sön­lich­keiten andernorts tat­sächlich die Helden, als die sie uns oft erscheinen, wenn sie doch unser Gedan­kengut sys­te­ma­tisch aus allen Main­stream-Medien ver­bannen? Oder erweisen sie sich damit in Wahrheit als „Steig­bü­gel­halter und Tor­wächter“ der Linken, die sie angeblich bekämpfen, die sie aber tat­sächlich befördern, indem sie sämt­liche ihrer eta­tis­ti­schen Grund­an­nahmen teilen? Und müssen wir sie in dem Fall nicht genau so als unsere intel­lek­tu­ellen Gegner iden­ti­fi­zieren und behandeln wie den offi­zi­ellen, beken­nenden links-grünen Poli­tik­be­trieb, anstatt uns ihnen anzubiedern?

Ich bin mir der Antwort nicht sicher, erachte die Frage aber jeden­falls als beden­kenswert. Doch damit genug der Vorrede und der Spe­ku­lation und auf zum eigent­lichen Stein des Anstoßes.

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Staaten, gleich welcher Ver­fassung, sind keine wirt­schaft­lichen Unter­nehmen. Im Unter­schied zu letz­teren finan­zieren sich Staaten nicht durch den Verkauf von Pro­dukten und Dienst­leis­tungen an frei­willig zah­lende Kunden, sondern durch Zwangs­ab­gaben: durch Gewalt­an­drohung und ‑anwendung ein­ge­triebene Steuern (und durch von ihnen buch­stäblich aus dem Nichts geschaf­fenes Papiergeld). Bezeich­nen­der­weise haben Öko­nomen Regie­rungen, d.h. die Inhaber staat­licher Gewalt, deshalb auch als sta­tio­näres Ban­di­tentum bezeichnet. Regie­rungen und alle Per­sonen, die auf ihrer Gehalts­liste stehen, leben von den Mitteln, die man von anderen Per­sonen unter Androhung von Zwang erhalten hat. Sie erhalten ihre Mittel auf Kosten und zu Lasten einer unter­wor­fenen Bevölkerung.

Hieraus ergeben sich eine Reihe wei­terer Einsichten.

Natur­gemäß bevor­zugen die Pro­fi­teure erzwun­gener Abgaben eine größere Aus­beute gegenüber einer klei­neren. D.h.: Staaten werden stets ver­suchen, ihr Steu­er­auf­kommen zu erhöhen und ihre Aus­gaben durch Papier­geld­ver­mehrung weiter zu steigern. Je grösser die Aus­beute, umso mehr Gefäl­lig­keiten können sie sich selbst, ihren Ange­stellten und ihren Unter­stützern erweisen. Doch sind diesem Treiben natür­liche Grenzen gesetzt.

Zum einen müssen sie darauf achten, dass sie den pro­duk­tiven Steu­er­zahler, dessen Arbeit und Leistung ihre Existenz ermög­licht, nicht so stark belasten, dass dieser seine Arbeit ein­stellt. Und zum anderen müssen sie befürchten, dass die Betrof­fenen – und ins­be­sondere die pro­duk­tivsten unter ihnen – aus ihrem Herr­schafts­be­reich abwandern und sich andernorts ansiedeln.

Vor diesem Hin­ter­grund werden eine Reihe his­to­ri­scher Ten­denzen und Pro­zesse begreiflich.

Zunächst wird begreiflich, warum es eine Tendenz zur ter­ri­to­rialen Expansion und poli­ti­schen Zen­tra­li­sierung gibt: Damit gelingt es Staaten immer mehr Pro­duktive unter ihre Kon­trolle zu bringen und deren Abwan­derung in fremde Ter­ri­torien zu erschweren. Man erwartet dadurch eine größere Aus­beute. Und es wird ein­sichtig, warum der gedank­liche End­punkt dieses Pro­zesses, die Ein­richtung eines Welt-Staates, mit­nichten ein Segen für die ganze Menschheit wäre, wie oft behauptet wird. Denn aus einem Welt-Staat kann man nicht aus­wandern, und insofern gibt es kei­nerlei Mög­lichkeit, sich staat­lichen Über­griffen durch Abwan­derung zu ent­ziehen. Deshalb ist es zu erwarten, dass mit der Ein­richtung eines Welt-Staates Umfang und Ausmaß staat­licher finan­zi­eller Repres­sionen – indi­ziert u.a. durch die Höhe staat­licher Ein­nahmen und Aus­gaben, durch Geld­in­flation, Anzahl und Umfang soge­nannter „öffent­licher Güter“ und im „öffent­lichen Dienst“ beschäf­tigter Per­sonen – über jedes bis dahin bekannte Maß hinaus weiter ansteigen wird. Und das ist gewiss kein Segen für die Betrof­fenen, die diesen staat­lichen Überbau zu erwirt­schaften haben!

Zweitens wird ein zen­traler Grund für den Auf­stieg des „Westens“ zur weltweit füh­renden Wirtschafts‑, Wis­sen­schafts- und Kul­tur­region begreiflich. Im Unter­schied ins­be­sondere zu China war Europa seit dem frühen Mit­tel­alter bis in die jüngere Ver­gan­genheit hinein durch ein hohes Maß an poli­ti­scher Dezen­tra­li­sierung gekenn­zeichnet, mit hun­derten oder gar tau­senden unab­hän­gigen Herr­schafts­ge­bieten. Manche His­to­riker haben diesen Zustand als „geordnete poli­tische Anarchie“ beschrieben. Und es ist heute unter Wirt­schafts­his­to­rikern gängig, in diesem quasi-anar­chi­schen Zustand einen wesent­lichen Grund für das soge­nannte „Euro­päische Wunder“ zu erkennen. Denn in einem Umfeld mit einer großen Vielfalt unab­hän­giger klein­räu­miger Herr­schafts­be­reiche in unmit­tel­barer Nach­bar­schaft zuein­ander ist es ver­gleichs­weise einfach, mit den Füssen abzu­stimmen und sich den Zugriffen staat­licher Herr­scher durch Abwan­derung zu ent­ziehen. Zur Abwehr dieser Gefahr und um ansässige Pro­du­zenten bei der Stange zu halten, stehen diese Herr­schaften darum ständig unter hohem Druck, sich hin­sichtlich ihrer finan­zi­ellen Repres­sionen zu mäßigen. Und diese Mäßigung befördert umge­kehrt das wirt­schaft­liche Unter­neh­mertum, die wis­sen­schaft­liche Neugier und die kul­tu­relle Kreativität.

Im Unter­schied ins­be­sondere zu China war Europa seit dem frühen Mit­tel­alter bis in die jüngere Ver­gan­genheit hinein durch ein hohes Maß an poli­ti­scher Dezen­tra­li­sierung gekennzeichnet …

Dann wird im Licht der vor­ste­henden Betrach­tungen eine fun­dierte his­to­rische Ein­ordnung und Ein­schätzung der Euro­päi­schen Union (EU) möglich: Die EU ist ein Mus­ter­bei­spiel der ange­spro­chenen Tendenz zur ter­ri­to­rialen Expansion und poli­ti­schen Zen­tra­li­sierung, mit den sich hieraus erge­benden Folgen: einer Zunahme finan­zi­eller staat­licher Repression und einem ent­spre­chenden Wachstum des staat­lichen Überbaus (Stichwort: Brüssel).

Kon­kreter: Die EU und die Euro­päische Zen­tralbank (EZB) sind die ersten Schritte hin zur Ein­richtung eines euro­päi­schen Super­staats, der schließlich in einer Eine-Welt-Regierung, domi­niert von den USA und ihrer Zen­tralbank, der FED, auf­gehen soll.

Im Gegensatz zu wohl­klin­genden poli­ti­schen Ver­laut­ba­rungen ging es bei der EU und der EZB nie um freien inter­na­tio­nalen Handel und Wett­bewerb. Dafür benötigt man keine aber­tausend Seiten Papier, voll mit Ver­ord­nungen und Regu­lie­rungen. Vielmehr ging es immer und vor allem um eine Auf­wärts-Har­mo­ni­sierung der Steuer‑, Gesetzes- und Rege­lungs­vor­schriften sämt­licher Mit­glieds­staaten, um auf diese Weise allen wirt­schaft­lichen Stand­ort­wett­bewerb zu ver­ringern oder zu eli­mi­nieren. Denn wenn die Steu­er­sätze und die staat­lichen Regu­lie­rungen überall gleich sind oder immer stärker ange­glichen werden, dann gibt es für pro­duktive Per­sonen immer weniger wirt­schaft­liche Gründe, ihre Tätig­keiten an einen anderen Standort zu ver­legen, und umso unge­störter können die poli­ti­schen Akteure deshalb in ihrer Tätigkeit des Besteuerns und Ver­teilens fort­fahren. – Hinzu kommt, dass die der­zeitige EU als ein Kartell diverser Regie­rungen nur deshalb und nur so lange zusam­menhält, wie die wohl­ha­ben­deren Staaten, die von pro­duk­ti­veren Steu­er­zahlern zehren können, allen voran die deut­schen Regie­rungen, Willens und in der Lage sind, ihre bedürf­ti­geren Kol­legen im Süden und Osten mit ihren weniger pro­duk­tiven Steu­er­zahlern dau­erhaft und in großem Stil finan­ziell zu unter­stützen. Auf Kosten der hei­mi­schen Produzenten.

… wenn die Steu­er­sätze und die staat­lichen Regu­lie­rungen überall gleich sind oder immer stärker ange­glichen werden, dann gibt es für pro­duktive Per­sonen immer weniger wirt­schaft­liche Gründe, ihre Tätig­keiten an einen anderen Standort zu verlegen …

Man kann aber nicht kon­ti­nu­ierlich Pro­duk­ti­vität und wirt­schaft­lichen Erfolg bestrafen, während man Ver­schwendung und wirt­schaft­lichen Miss­erfolg belohnt, ohne dadurch ein Desaster her­bei­zu­führen. Die EU wird von einer wirt­schaft­lichen Krise in die nächste taumeln und schluss­endlich auseinanderbrechen.

Schließlich wird vor diesem Hin­ter­grund auch die besondere Stellung der Schweiz begreiflich. Einer­seits als Klein­staat, umringt von EU-Mit­glieds­staaten, muss die Schweiz pro­duk­tiven bzw. wert­schöp­fenden Per­sonen attrak­tivere Stand­ort­vor­teile als die EU anbieten, um eine Abwan­derung und einen ent­spre­chenden wirt­schaft­lichen Nie­dergang zu ver­hindern. D. h., die staat­liche Aus­beute muss ver­gleichs­weise geringer aus­fallen. Das ist bisher tat­sächlich der Fall: Während z.B. EU-Deutschland pro­duktive Per­sonen ver­liert, ver­zeichnet die Schweiz einen Zuzug pro­duk­tiver, netto-steu­er­zah­lender Per­sonen. Und die im Ver­gleich nied­rigere Staats­quote und der daraus erwach­sende wirt­schaft­liche Stand­ort­vorteil haben der einst armen Schweiz inzwi­schen zu einem Wohl­stands­niveau ver­holfen, das jenes aller umlie­genden EU-Staaten deutlich übertrifft.

… als Klein­staat, umringt von EU-Mit­glieds­staaten, muss die Schweiz pro­duk­tiven bzw. wert­schöp­fenden Per­sonen attrak­tivere Stand­ort­vor­teile als die EU anbieten …

Der EU ist diese Kon­kurrenz ein Dorn im Auge, und Brüssel ver­sucht darum, Bern mittels Zuckerbrot und Peitsche zu einem EU-Bei­tritt der Schweiz zu drängen. Für die poli­tische Klasse ver­spricht ein Bei­tritt in der Tat erheb­liche Vor­teile: mehr Behörden und Posi­tionen, mehr Kom­pe­tenzen, mehr Reisen, mehr lukrative Ver­bin­dungen und mehr Geld – und diese Herr­schaften befinden sich von daher in stän­diger Ver­su­chung. Für die Schweiz ins­gesamt dagegen wäre ein Bei­tritt mit einem merk­baren Wohl­stands­verlust ver­bunden, da man mit einem EU-Bei­tritt nicht nur den eigenen Stand­ort­vorteil aufgibt, sondern darüber hinaus auch noch die Miss­wirt­schaft andernorts finan­ziell sub­ven­tio­nieren muss.

Zum anderen bietet die Schweiz selbst ein auf­schluss­reiches Bei­spiel poli­ti­scher Zen­tra­li­sierung und ihrer Kon­se­quenzen. Die Schweiz ist nicht nur ein Klein­staat. Mit einer Vielzahl sepa­rater Kantone weist sie darüber hinaus auch ein hohes Maß an interner Dezen­tra­li­sierung auf. Doch dieses hohe Maß an Dezen­tra­li­sierung und der damit ein­her­ge­hende inter­kan­tonale Wett­bewerb, mit seinen wirt­schafts­be­för­dernden gesamt­schwei­ze­ri­schen Aus­wir­kungen, hat im Zeit­verlauf immer stärker abge­nommen. Immer mehr kan­tonale Macht­be­fug­nisse wurden von der Zen­tral­re­gierung an sich gerissen. Und während dies zu einem ste­tigen Wachstum des staat­lichen Überbaus in Bern führte, wurde gleich­zeitig der inter­kan­tonale Stand­ort­wett­bewerb durch viel­fältige Harmonisierungs‑, Sub­ven­tio­nie­rungs- und soge­nannte Finanz­aus­gleichs­maß­nahmen schritt­weise immer weiter ein­ge­schränkt. Im Grunde betreibt Bern nach Innen die­selbe Politik wie – in viel grö­ßerem Maßstab – Brüssel. Und der­selbe gute Grund, aus dem Bern jeden­falls bisher einen EU-Bei­tritt und eine Unter­werfung gegenüber Brüssel ver­weigert hat, triff auch auf das Ver­hältnis von Kanton zu Zen­tral­re­gierung zu: Ein wirt­schaftlich erfolg­reicher Kanton hat keinen wirklich guten Grund, sich einer Zen­tral­re­gierung anzu­schließen und ihren Befehlen bedin­gungslos zu unter­werfen. Warum sollte er sich dann nicht auch, als Aus­druck wirt­schaft­licher Ver­nunft, aus einer bestehenden Ver­bindung mit dem Zen­tral­staat lösen oder von diesem ange­maßte Kom­pe­tenzen zurück­fordern wollen?

… während dies zu einem ste­tigen Wachstum des staat­lichen Überbaus in Bern führte, wurde gleich­zeitig der inter­kan­tonale Stand­ort­wett­bewerb durch viel­fältige Harmonisierungs‑, Sub­ven­tio­nie­rungs- und soge­nannte Finanz­aus­gleichs­maß­nahmen schritt­weise immer weiter eingeschränkt.

Während die Kleinheit und interne Dezen­tra­li­sierung der Schweiz wesent­liche Gründe für ihren Wohl­stand und ihre wirt­schaft­liche Stärke sind, hat die direkte oder indi­rekte Demo­kratie ent­gegen viel­be­schwo­rener Schweizer Folklore wenig oder gar nichts damit zu tun. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Demo­kratie, wird sie anti­li­beral als Mehr­heits­herr­schaft ver­standen und nicht als Selbst­be­stimmung, ist eine Form des Sozia­lismus bzw. Kom­mu­nismus. Pri­vat­ei­gentum wird zu Gemein­ei­gentum. Eine Mehrheit ent­scheidet darüber, was mir gehört oder nicht und was ich damit tun darf oder nicht. Und Demo­kratie im Sinne der Mehr­heits­herr­schaft legi­ti­miert und befördert das, was das zehnte biblische Gebot ver­bietet: Neid und Ega­li­ta­rismus. Sie erlaubt es Mehr­heiten, sich am Eigentum anderer Per­sonen zu ver­greifen und berei­chern, sie befördert Miss­gunst und sie erzeugt eine Per­so­nen­klasse (Poli­tiker), die sich zeit­auf­wendig mit der Beschaffung von Mehr­heiten zwecks Durch­setzung diverser „popu­lärer Maß­nahmen“ befasst: von Ent­eig­nungs- und Umver­tei­lungs­maß­nahmen zum eigenen Vorteil und dem ihrer Anhänger. Ein demo­kra­ti­sches Umfeld ist so immer und überall eine Belastung und Bedrohung für Pri­vat­ei­gen­tümer und ins­be­sondere alle pro­duk­tiven, pri­vat­wirt­schaftlich tätigen Unter­nehmer. (Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Mit­glieder z.B. einer Genos­sen­schaft oder eines Vereins sich ein­ver­nehmlich auf ein mehr­heit­liches Ent­schei­dungs­ver­fahren bezüglich der Ver­waltung ihres – und nur ihres – gemein­samen Genos­sen­schafts­ei­gentums geeinigt haben.)

Doch die von dem Mehr­heits­prinzip aus­ge­hende Bedrohung für Eigen­tümer und wirt­schaft­liche Unter­nehmer kann vari­ieren: sie ist umso grösser, je grösser die ent­schei­dende Mehrheit, und umge­kehrt. Den geringsten Schaden richtet sie demnach auf dörflich-lokaler Ebene an. Da, wo jeder jeden kennt, ist es schwierig, Mehr­heiten für Ent­eig­nungen und Umver­tei­lungs­maß­nahmen zu finden. Noch mehr dann, wenn die Befür­worter solcher Maß­nahmen nicht anonym bleiben, sondern ihr Gesicht in öffent­lichen Abstim­mungen zeigen müssen. Denn da, wo man den Per­sonen, an deren Eigentum man sich ver­greifen möchte, regel­mäßig begegnet und in die Augen sehen muss, ist man zurück­haltend damit, dieser Begierde auch öffentlich Aus­druck zu ver­leihen. Je grösser und anonymer dagegen die Mehrheit ist und je unper­sön­licher das Ver­hältnis zu den Betrof­fenen ihrer Ent­schei­dungen, umso mehr fallen alle mora­li­schen Hem­mungen, das Eigentum anderer zu begehren.

Da, wo jeder jeden kennt, ist es schwierig, Mehr­heiten für Ent­eig­nungen und Umver­tei­lungs­maß­nahmen zu finden.

Tat­sächlich weist die dörf­liche Demo­kratie, bei der mehr­heitlich nur über ört­liche Belange ent­schieden wird, in aller Regel ein gerin­geres Maß an Zwangs­ab­gaben und Umver­tei­lungs­maß­nahmen auf als die städ­tische Demo­kratie. Die kan­tonale Demo­kratie, bei der es um kan­tonale und lokale Belange geht, ist übli­cher­weise „linker“ – ab- und aus­ga­ben­freu­diger bzw. umver­tei­le­ri­scher – als die lokale Demo­kratie. Große Kantone sind ten­den­ziell linker als kleine. Und das weitaus größte Ausmaß an Zwangs­ab­gaben und Umver­teilung aller Art ist das Ergebnis „all­ge­meiner“ demo­kra­ti­scher Wahlen und die gesamte Schweiz betref­fender Mehr­heits­ent­schei­dungen. Gele­gentlich werden die Ent­schei­dungen der indirekt-demo­kra­ti­schen Behörden dabei per Refe­rendum durch die direkte Demo­kratie kon­ter­ka­riert und über­stimmt, aber dies ändert nichts an der kon­sta­tierten Tendenz, dass eine Aus­dehnung der Demo­kratie mit einer zuneh­menden links- bzw. links-grün-Ver­schiebung des gesamten poli­ti­schen Spek­trums ein­hergeht. Und damit mit einer fort­schrei­tenden Pri­vat­ei­gentums-Feind­schaft, einer zuneh­menden Belastung wirt­schaft­lichen Unter­neh­mertums und, umge­kehrt, einem ste­tigen Anwachsen des gesamten von der Pro­duk­ti­vität der Netto-Steu­er­zahler zeh­renden staat­lichen Überbaus. Zwar hinkt die Schweiz bei diesem scheinbar unauf­halt­baren Marsch in den Sozia­lismus im Ver­gleich zu den umlie­genden EU-Staaten noch merkbar hin­terher. Doch auch hier ist der Ein­fluss links-grüner poli­ti­scher Kräfte, die diesen Marsch befördern, stetig ange­wachsen, wie am Ausgang diverser Refe­renda unschwer abzulesen.

[Noch] … hinkt die Schweiz bei diesem scheinbar unauf­halt­baren Marsch in den Sozia­lismus im Ver­gleich zu den umlie­genden EU-Staaten … merkbar hinterher.

Um diese Tendenz umzu­kehren (wenn man dies denn will) und die Schweizer Wirt­schafts­kraft zu befördern, anstatt sie weiter fort­laufend zu schwächen, ist darum dringend von jeder wei­teren „Stärkung der Demo­kratie“, ob indirekt oder direkt, abzu­raten. Das nicht frei­willig ver­ein­barte, sondern erzwungene Mehr­heits­prinzip ist ein sozia­lis­ti­sches Prinzip und es befördert den Sozia­lismus. Und es befördert auch den poli­ti­schen Zen­tra­lismus. Denn wenn eine Mehr­heits­ent­scheidung qua Mehr­heits­ent­scheidung besondere Dignität geniest, dann ist eine größere Mehrheit (Stichwort: EU) offen­sichtlich noch wür­diger als eine kleinere. Statt­dessen ist es geboten, sich auf das wahre Geheimnis des Schweizer Erfolgs, ihre interne Dezen­tra­li­sierung, zu besinnen und alle Anstren­gungen darauf zu richten, mehr und mehr der durch den Zen­tral­staat im Zeit­verlauf mehr­heitlich-demo­kra­tisch ange­maßten Kom­pe­tenzen und Befug­nisse wieder zurück an die diversen Kantone und Loka­li­täten zu über­tragen. Und wenn man denn aus nost­al­gisch-folk­lo­ris­ti­schen Gründen von der Demo­kratie nicht ganz lassen kann, dann gilt es, wenigstens die dezen­trale zu bestärken: kan­tonale und lokale Demo­kratie gegenüber – und auf Kosten – der zen­tralen, gesamt­staat­lichen Version.

Das nicht frei­willig ver­ein­barte, sondern erzwungene Mehr­heits­prinzip ist ein sozia­lis­ti­sches Prinzip … Und es befördert auch den poli­ti­schen Zentralismus.

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[1] https://www.misesde.org/2022/03/dezentral-und-neutral/

[2] https://www.youtube.com/watch?v=asfpZv6AcDg

[3] Siehe zu diesem gesamten Themenkomplex

https://ef-magazin.de/2021/08/22/18964-das-intellektuelle-erbe-hayeks-1-ayn-rand-sollte-recht-behalten

und

https://ef-magazin.de/2021/09/26/19068-das-intellektuelle-erbe-hayeks-2-roland-baader-allein-zuhause

[4] David Dürr, Staats-Oper Schweiz. wenige Stars, viele Staa­tisten, Bern 2011, S. 61

[5] https://weltwoche.ch/story/die-welt-muss-verschweizern/


Quelle: misesde.org