Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Vergewaltigung einer Frau oder eines kleinen Mädchens in Indien berichtet wird. In Indien ist Gewalt an Mädchen und Frauen an der Tagesordnung. Mit Zehntausenden von Vergewaltigungsfällen, die jährlich gemeldet werden, wird Indien auch die „Vergewaltigungshauptstadt der Welt“ genannt. Sanft soll sie sein, schuften wie ein Esel und viele Söhne gebären. Und wenn ihr Mann die letzte Rupie versäuft, fremdgeht, sie vergewaltigt oder grün und blau schlägt, soll sie still sein und den Mund halten. In weiten Teilen Indiens wird von Frauen immer noch erwartet, dass sie sich klaglos in ihr Schicksal fügen. Und noch immer sterben Frauen durch Gruppenvergewaltigungen, wie eine junge Frau. Sie wurde von vier Männern zu Tode vergewaltigt, die ihr Rückgrat brachen und sie zwei Wochen lang qualvoll sterben ließen.
Statt die Männer zu bestrafen, vernichtete die Polizei die Beweise, indem sie die Leiche des Opfers mitten in der Nacht kurzerhand verbrannten. Nachdem im Jahr 2012 eine Studentin in einem fahrenden Bus in Neu-Delhi von sechs Männern vergewaltigt wurde und starb, löste dieser grausame Fall Proteste in vielen Städten Indiens und ein weltweites Medienecho aus. Der damalige Premierminister Manmohan Singh, wurde aufgrund seiner „emotionslosen“ Rede heftig kritisiert. Und so versprach Narendra Modi bei den Wahlen mehr Schutz für Mädchen und Frauen und die Frauenfeindlichkeit bekämpfen zu wollen. Am 26. Mai 2014 als er zum neuen indischen Premierminister vereidigt wurde, hat er Vergewaltigungen in Indien verurteilt. Doch auch nach neun Jahren unter seiner Regierung der Bharatiya Janata Party (BJP), eine rechtskonservative, auch als rechtsextrem bewertete hindu-nationalistische Partei, zeigen Daten, dass Verbrechen gegen Frauen unvermindert anhalten. Auch das Jahr 2022 war das Jahr der höchsten Anzahl von Verbrechen gegen Frauen aller Zeiten. Und nicht nur die Vergewaltigungen nehmen zu, sondern auch das Anzünden von Frauen und Mädchen und die Angriffe mit Säure. Viele grausame Taten kommen erst gar nicht ans Tageslicht, denn bevor die Kinder aussagen können, werden sie verbrannt. Damit die Welt nicht mehr erfährt, wie viele Mädchen und Frauen Gewalt erfahren, findet jetzt in Indien eine Zensur statt. In Indien werfen Journalisten der Regierung um Präsident Modi immer striktere Einschränkungen der Pressefreiheit vor. Doch es gibt sie noch, die indische Frauen-Gang. Indiens rabiate Frauen-Gang Gulabi verweist gewalttätige Ehemänner und korrupte Polizisten in die Schranken. Die Frauengruppe in ihren schreiend pinkfarbenen Saris, die sie so stolz wie Uniformen tragen, lehrt Schläger, Säufer, Hurenböcke und Vergewaltiger das Fürchten – und das notfalls auch mit dem Schlagstock.
Gewalt gegen Frauen in Indien muss enden
Ein begangener brutaler Angriff auf eine 19-jährige Dalit-Frau unterstreicht einmal mehr Indiens schreckliche Erfolgsbilanz in Bezug auf geschlechtsspezifische und Kastengewalt.
Eine 19-jährige Dalit-Frau im Bezirk Hathras im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh wurde von vier Männern der oberen Kaste gefoltert und vergewaltigt. Ihr Körper wurde schwer misshandelt; ihre Zunge wurde herausgerissen, Gliedmaßen gebrochen und das Rückenmark verletzt. Die Frau erlag vierzehn Tage später in einem Krankenhaus in Neu-Delhi ihren Verletzungen.
Ebenso schockierend wie die Bestialität der Vergewaltiger ist das elende Versagen oder besser gesagt der Widerwille der Polizei von Uttar Pradesh, ein ordentliches Verfahren einzuhalten. Offenbar beschuldigte die Polizei die Frau der Lüge, weigerte sich, eine Vergewaltigungsanzeige zu erstatten, und verzögerte die Einlieferung des Opfers in ein Krankenhaus zur Behandlung. Ein Polizeibeamter behauptete sogar, es habe keine Vergewaltigung stattgefunden, da kein Sperma am Körper des Opfers gefunden worden sei. Offenbar in dem Bestreben, Beweise zu vernichten, wurde die Leiche des Opfers mitten in der Nacht von der Polizei kurzerhand verbrannt. Die Familienangehörigen durften die Leiche weder sehen noch bei der Einäscherung anwesend sein.
Ein starres Kastensystem bedeutet, dass einige Familien Verwandte ermorden, die gegen die Regeln verstoßen. Zum Beispiel in Haryana ist es nicht nur ein Verbrechen sondern auch eine Sünde für Familien mit hohen Kasten, jemanden aus einer niedrigeren Kaste zu heiraten. In Maharashtra wurden eine 19-jährige schwangere Frau und ihr Ehemann von ihren Verwandten in Brand gesteckt. Sie hatten gegen die Regeln der Kasten verstoßen.
Nur ein Bruchteil der vergewaltigten Frauen erstattet Anzeige. Die meisten Opfer ziehen es vor, wegen des sozialen Stigmas, das mit Vergewaltigung verbunden ist, zu schweigen. Nicht selten werden dem Opfer Schuldzuweisungen oder Verleumdungen zuteil.
Indien ist eine zutiefst patriarchalische Gesellschaft. Die Populärkultur setzt Männlichkeit mit sexueller Aggression gleich und ermutigt Männer und Jungen, Frauen zu schikanieren und zu belästigen, sie sogar zu vergewaltigen, sie zu „zähmen“ und ihnen eine Lektion zu erteilen. n
Mit Zehntausenden von Vergewaltigungsfällen, die jährlich gemeldet werden, hat sich Indien den Beinamen „Vergewaltigungshauptstadt der Welt“ verdient.
„Gulabi Gang“ – Indische Frauen-Gang lehrt Männer das Fürchten
Die Gulabi Gang, eine Organisation, die die Stimme der Frauen erhebt, ist wieder in den Schlagzeilen. Ihre Kostüme und Stöcke der „Gulabi Gang“ werden in einem Museum in London ausgestellt.
Indiens Gulabi Gang, eine rein weibliche Bürgerwehrgruppe, die als Reaktion auf mangelnde staatliche Maßnahmen gegen männliche Gewalt, Korruption und Menschenrechtsverletzungen gegründet wurde. Die Mitglieder im Alter von 18–60 Jahren sind in Selbstverteidigung ausgebildet und für ihre rosa Kleidung bekannt
in seiner Ansprache an die Nation anlässlich des 75. Geburtstags Indiens am 15. August 2022 rief Premierminister Narendra Modi zu einem „Mentalitätswandel“ gegenüber Frauen auf und forderte die Bürger auf, Frauenfeindlichkeit zu bekämpfen.
„In unserem Verhalten hat sich eine Verzerrung eingeschlichen, und manchmal beleidigen wir Frauen. Können wir uns verpflichten, dies in unserem Verhalten zu beseitigen?“, schlug er vor und forderte die Menschen auf, „sich zu verpflichten, alles zu beseitigen, was Frauen im täglichen Leben erniedrigt“.
Dies war nicht das erste Mal, dass Modi über die Gleichstellung der Geschlechter und die Achtung der Frauen sprach. In seiner ersten Rede zum Unabhängigkeitstag als Premierminister im Jahr 2014 hatte er Vergewaltigungen in Indien verurteilt und gesagt: „Wenn wir von diesen Vergewaltigungen hören, hängen unsere Köpfe in Schande“.
Es war auch das Jahr, wo die „Gulabi Gang“- Indiens Kriegerinnen mediale Aufmerksamkeit erlangten. Auch wir berichteten in unserem Beitrag: „Gulabi Gang“ – Indische Frauen-Gang lehrt Männer das Fürchten, über diese mutigen Frauen.
Ein preisgekrönter Dokumentarfilm, der in Indien 2014 veröffentlicht wurde, feierte die Heldentaten der Gulabi Gang. Darin ist zu sehen, wie die Gründerin der „Frauen-Gang“ Sampat Pal Devi die Polizei drängt, ein Strafverfahren wegen des Todes eines 15-jährigen Mädchens einzuleiten, das Berichten zufolge von ihren Schwiegereltern verbrannt wurde.
Sie sind Indiens Antwort auf Robin Hood: die Gulabi Gang. Hunderte von Frauen in pinkfarbenen Saris, die mit Worten und Stockschlägen für ihre Rechte und gegen Korruption im Bundesstaat Uttar Pradesh kämpfen. Ihre Anführerin ist die 48-jährige Sampat Pal Devi. Trainiert in der traditionellen Stockkampfkunst Lathi patrouilliert die aus Eigeninitiative entstandene weibliche Garde die Dörfer. Sie halten Kinderhochzeiten auf, verprügeln – wenn nötig – gewalttätige Ehemänner, zwingen Polizisten dazu, Vergewaltiger zu verhaften und schleifen träge Beamte am Hemdkragen durch vernachlässigte Ortsteile, so die Beschreibung des Films, der 2017 auch in Deutschland gezeigt wurde.
Nishtha Jain, eine indische Filmregisseurin und Produzentin, hatte Devi und ihrer Gruppe fünf Monate begleitet und wurde vor allem für ihre Dokumentarfilme wie Gulabi Gang bekannt. Ihre Filme wurden mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet und auf internationalen Filmfestivals gezeigt , in internationalen Fernsehsendern ausgestrahlt und werden regelmäßig in Schulen und Hochschulen in Indien und im Ausland gezeigt.
Devi, die gründerin der „Gulabi Gang“ war nicht gerade beeindruckt von der kommerziellen Darstellung ihrer Bande. „Diese Bollywood-Tamasha [Show] ist eine erfundene Geschichte … Ich werde nicht zulassen, dass der Film veröffentlicht wird“, sagte sie damals, obwohl die Macher des Films bestreiten, dass es sich um ein Biografie über ihr Leben handelt.
Devi hat jedoch stattdessen alle Hände voll zu tun, größere Kämpfe zu führen. Angesichts der landesweiten Zunahme von Sexualverbrechen will sie, dass sich die Frauen organisieren und den Tätern eine Lektion erteilen. „Männer, die diese Gräueltaten begehen, sollten von Frauen verprügelt werden. Sie sollten gefasst werden und sich ein Tattoo mit der Aufschrift ‚Ich bin ein Vergewaltiger‘ auf die Stirn stechen lassen“, sagte sie.
Erstmals für landesweite Schlagzeilen sorgte Devi 2007, als sie mit ihren Mitstreiterinnen öffentlich einen Polizisten verdrosch, weil dieser ohne Anklage einen Bauern einer unteren Kaste für zwei Wochen im Gefängnis schmoren ließ. Später verprügelten sie Ordnungshüter, die sich weigerten, Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch zu untersuchen.
Häusliche Gewalt, Vergewaltigungen, Mitgiftmorde, gezielte Abtreibung weiblicher Föten – all das ist in Indien an der Tagesordnung. Frauen sind wenig bis gar nichts wert, eine Tochter möchte man erst gar nicht bekommen. Denn selbst wenn Schwangerschaft und Geburt überstanden sind, warten Kindstötungen, Kinderhochzeiten, Kinderhandel und vieles mehr auf die Mädchen.
Was für einen starken Charakter muss eine Frau haben, um im ärmsten Staat Indiens, dort wo die Kriminalität gegen Frauen am höchsten ist, gegen eine Tradition zu kämpfen, in der Frauen minderwertig sind, ja teilweise sogar regelrecht verachtet werden?
Nicht so Sampat Pal: Als Kind holte sie sich an Wissen, was sie brauchte. Weil sie als Mädchen nicht zur Schule gehen durfte, drohte sie einem kleineren Jungen Prügel an und brachte ihn so dazu, ihr alles beizubringen, was er gelernt hatte.
Mit zwölf Jahren wurde Sampat verheiratet. Obwohl für die Heirat von Mädchen in Indien bereits seit 1929 als Mindestalter 18 Jahre festgesetzt wurde, ist Indien nach wie vor das Land mit den meisten Kindsbräuten. Schätzungen zufolge ist bei etwa der Hälfte der Hochzeiten in Indien die Braut jünger als 18 Jahre.
Sampat Pal tat nach ihrer Hochzeit etwas, das in Indien eine Seltenheit ist. Sie überredete ihren Mann, mit ihr nicht wie üblich bei den Schwiegereltern wohnen zu bleiben, sondern in eine eigene Wohnung zu ziehen. So wie sie schon in ihrer Kindheit erreicht hatte, was sie wollte, erreichte sie auch dies. Mit 20 hatte Sampat 5 Kinder, 4 davon Mädchen.
Sie wollte eine Nähmaschine – sie bekam eine, mit der für sie üblichen List. Sie wollte etwas gegen die Gewalt gegen Frauen tun – sie tat es, obwohl häusliche Gewalt in Indien an der Tagesordnung ist. Sie wollte eine Selbsthilfegruppe – sie gründete eine, obwohl ihr Mann alles andere als begeistert war.
Die Hoffnung ist es auch, die Sampat Pal zu den Frauen in Uttar Pradesh bringt – und die Frauen zu ihr.
Heute haben sie Hunderttausende von Mitgliedern.
„Wir setzen uns ständig für die Rechte der Frauen und ihre Stärkung ein. Die Stärkung der Rolle der Frau ist ein wichtiges Konzept, das man verstehen muss, um ein positives Umfeld für alle zu schaffen. Wir ermutigen Frauen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und ihr Selbstwertgefühl zu stärken“
Ihre Vision : Schützen Sie die Machtlosen vor Missbrauch und bekämpfen Sie die Korruption, um die Grundrechte der Armen in ländlichen Gebieten zu gewährleisten und Traditionen wie Kinderehen zu unterbinden- gulabigang.in
Uttar Pradesh in Nordindien ist einer der ärmsten Bezirke des Landes und geprägt von einer zutiefst patriarchalischen Kultur, starren Kasteneinteilungen, weiblichem Analphabetismus, häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Kinderheirat und Mitgiftforderungen.
Mit mehr als 56.000 Fällen von Gewalt an Frauen und Mädchen führte der nördliche Bundesstaat Uttar Pradesh, der mit 240 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Indiens ist, erneut die Liste an. Es folgten Rajasthan mit 40.738 Fällen und Maharashtra mit 39.526 Fällen.
Kritiker sagen, dass die größte Demokratie der Welt wegen der Art und Weise, wie die Opfer und Überlebenden behandelt werden, einen schlechten Ruf hat – sie werden von der Gesellschaft stigmatisiert und oft auch von der Polizei und der Justiz beschämt.
Schon bei ihrer ersten Aktion war Sampat Pal klar: Einem starken Gegenspieler kann man nur mit einer gut organisierten Gruppe entgegen treten.
Netzfrau Doro Schreier
Quelle: netzfrauen.org
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