Olle Kamelle mit AK-47 im stillen Käm­merlein – wenn freie Jour­na­listen frei drehen

Bei Hannes Stein ist mal wieder Zeit für eine Phil­ippika gegen gewisse Trends in seinem Gastland USA, von wo er mit großer Geste und starker poli­ti­scher Schlag­seite berichtet. Ich ver­folge die Ent­wick­lungen dort aller­dings auch und frage mich beim Lesen seines WELT-Artikels, ob der Hannes und ich da wirklich das­selbe beob­achtet haben und beschreiben. Es besteht aller­dings durchaus die Mög­lichkeit, dass nicht Hannes Stein, sondern ich kom­plett daneben liege mit meiner Betrachtung. Das kann man ja nie aus­schließen. Aber zumindest die Fakten richtig dar­zu­stellen, nichts Wich­tiges aus­zu­lassen oder zu ver­biegen und keine Vor­ver­ur­tei­lungen und groben Belei­di­gungen aus­zu­stoßen, sollte schon drin sein. Wenn ich als kleiner Blogger das meist hin­be­komme, kann man doch an gestandene Jour­na­listen diesen Maßstab auch anlegen, finden Sie nicht? Aber ich will auch das Positive und die Gemein­sam­keiten nicht unter­schlagen, schon weil es so wenige sind. Der erste: auch Hannes Stein kann sich den Sei­tenhieb auf den dus­se­ligen Atom­aus­stieg der Deut­schen nicht ver­kneifen. Den Punkt gebe ich ihm gern. Doch dann raspelt er mit grober Feile über einige aktuelle US-Events und kommt immer nur zu einem Schluss: alle Repu­bli­kaner sind gefähr­liche Extre­misten, Idioten oder heim­liche Lan­des­ver­räter. Hier gebe ich frech mir selbst einen Punkt, weil ich solch haltlose Pau­schal­ur­teile nicht einmal über die ehe­malige Skla­ven­hal­ter­partei, die Demo­kraten, fällen würde. Doch schauen wir in die Details und erfahren, was Hannes Stein auf der Seele brennt.

Der falsche Richter!

Hannes Stein mag Cla­rence Thomas nicht, den 1991 von George H. Bush zum Obersten Gerichtshof beru­fenen Richter. Da wäre einer­seits die in der Senats­an­hörung vor über 30 Jahren von Anita Hill erho­benen Vor­würfe der sexu­ellen Beläs­tigung, die Stein genüsslich zele­briert. Einfach mal eine Schaufel alten Dreck werfen, es wird schon was beim Leser hängen bleiben. Doch Cla­rence Thomas wurde damals bestätigt, allen Anschul­di­gungen zum Trotz. Am schärfsten ging 1991 übrigens ein Senator der Demo­kraten, ein gewissen Joe Biden gegen Hills Anschul­di­gungen vor. Biden hat sich später (da war er schon Prä­sident) bei Hill für den Ton ent­schuldigt. Nicht jedoch für den Inhalt.

Doch Schluss mit den ollen Kamellen, es gibt neues und gar schreck­liches über Thomas zu berichten: er macht Urlaub bei und auf Kosten von einem reichen Freund – und das seit 20 Jahren! Ich stelle mir Steins leuch­tende Augen vor, als er den Artikel in Pro­pu­blica las, mit all den Bildern von Lofts und Angel­aus­flügen und Häusern und Bänken vor Wald­pan­oramen und anderem Zuckerwerk des Neides. Das sieht alles ganz toll, also nicht gut für Thomas aus. Der vom Corpus Poli­ticus aus­ge­plün­derte Deutsche erinnert sich an günstige Kredite für den Wulff’schen Klin­kerbau in Groß­burg­wedel und Okto­ber­fest­ein­la­dungen im Wert von hundert Euro und ist ver­stimmt. Jetzt hat er uns, der Stein und wer unter uns ohne Schuld ist, der werfe den ersten.

Doch ach, daneben! Ich zitiere in der Causa die Dai­lymail mal im Wortlaut: „The Supreme Court, unlike other federal courts, doesn’t subject its members to an official Code of Conduct – alt­hough Chief Justice John Roberts has urged jus­tices to consult it for guidance.“

Mit anderen Worten: diese Art von Geschenken ist zwar uner­wünscht und hat sicher G‘schmäckle, ist aber nicht illegal. Da ist noch nicht mal eine mehr als medial ver­wertbare Grauzone, ganz gleich, was man per­sönlich davon halten mag. Steins Zorn möge sich an die ame­ri­ka­nische Legis­lative wenden, diesen Miss­stand zu ändern.

Im stillen Kämmerlein!

Hannes Stein mag auch Ron DeS­antis nicht, den repu­bli­ka­ni­schen Gou­verneur von Florida. Aber irgendwie ist ihm beim Schreiben Wut oder Tinte aus­ge­gangen, denn er widmet ihm nur einen ein­zigen, dürren Satz:

„Ron DeS­antis, der Gou­verneur von Florida, unter­zeichnet unter­dessen für seinen Bun­des­staat im stillen Käm­merlein ein Abtrei­bungs­verbot nach der sechsten Schwangerschaftswoche.“

Die Ver­kürzung der Fris­ten­re­gelung, für und gegen die es sicher gute Argu­mente gibt, ist aber gar nicht der Stein des Anstoßes. Der Stein stößt der Para­phierung nur das kon­spi­rative Element „stilles Käm­merlein“ nach, ganz so, als zöge sich DeS­antis in geheimer Klausur zurück, um hämisch grinsend irgend­welche kruden Joker-Gesetze zu machen. Doch es waren die gewählten Abge­ord­neten, die Legis­lative Flo­ridas, die das Gesetz so ver­ab­schiedet haben. Das stille Käm­merlein ist nur das Sur­rogat eines Vor­wurfs. Stein konnte auf die Schnelle wohl kein anderes finden, musste DeS­antis aber in seiner Gott­sei­beiuns-Liste gar schröck­licher Repu­bli­kaner unter­bringen. Hätte DeS­antis das Gesetz umringt von Abge­ord­neten, Pro-Life-Akti­visten und der Presse mit 20 Kugel­schreibern unter­zeichnet, wäre es Hannes Stein sicher auch nicht recht gewesen.

In Texas Herzenssache!

Auch Greg Abbott, den repu­bli­ka­ni­schen Gou­verneur von Texas, mag Hannes Stein nicht. Denn der überlegt, von seinem Begna­di­gungs­recht Gebrauch zu machen, um einen ver­ur­teilten Mörder aus dem Knast zu holen. Nun gibt es Gegenden in den USA, dar­unter auch D.C., New York, Washington State oder Kali­fornien, da landen manche Mörder nicht einmal vor Gericht, geschweige denn, dass sie einen Knast von innen sehen. Aber hier ist die Sache etwas kom­plexer. Stein schreibt:

„Der Mörder arbeitete im Sommer 2020 als Fahrer eines „Uber“ in Austin, als er auf eine Demons­tration von Anhängern der „Black Lives Matter“-Bewegung stieß. Er geriet in einen Streit mit dem 28-jäh­rigen Garrett Forster; er hatte eine AK 47 dabei. Er erschoss Forster aus dem Auto­fenster heraus. Natürlich behauptete er, er habe in Notwehr gehandelt, aber die Geschwo­renen ver­ur­teilten ihn.“

Was wirklich pas­sierte, ist dies: Der Uber-Fahrer, der nicht „Mörder“, sondern Daniel Perry heißt, „stieß“ nicht auf eine Demons­tration, sondern wurde von dieser an der Wei­ter­fahrt gehindert. Die „fried­lichen Demons­tranten“ umringten das Auto häm­merten gegen die Scheiben und ver­langten, dass Perry aus­steige. Und Garrett Forster, der direkt vor dem Auto stand, hatte die AK-47 auch nicht nur einfach „dabei“, sondern „ready“ in seinen Händen. Perry sprach von „High ready“, also auf ihn angelegt, die Anklage – und der folgte die Jury – sprach von „Low ready“, also zwar feu­er­bereit, aber zum Boden gerichtet. Die Zeu­gen­aus­sagen und Video­stills sind wider­sprüchlich. Dieser kleine Unter­schied machte in den Augen der Jury die Selbst­ver­tei­digung in einer äußerst bedroh­lichen Situation zum Mord.

Die Umstände, das umzingelt sein von brül­lenden BLM-Akti­visten und die offen­sichtlich zum Schuss bereite Waffe in den Händen von Forster zählten nicht. Gou­verneur Abbott sieht das offenbar anders. Aber Kom­men­ta­toren wie Stein, die jeden Amoklauf eines geistig deran­gierten Mit­tel­schülers der Waf­fen­lobby und den „Weapons of War“ in die Schuhe schieben, tun dies hier nicht. Eine AK-47, also eine tat­säch­liche voll­au­to­ma­tische Kriegs­waffe, haben BLM-Demons­tranten eben „dabei“, während jede halb­au­to­ma­tische AR-15 (das „AR“ – und man kann das nicht oft genug sagen – steht übrigens für die Firma „ArmaLite“, nicht für Auto­matic Rifle) in den Händen eines Repu­bli­kaners stets ein zu unter­bin­dendes Ver­brechen ist. Perry schoss übrigens mit einer Pistole, nicht mit einer AR-15.

„Abbott dem es ein Her­zens­be­dürfnis zu sein scheint, einen ras­sis­ti­schen Psy­cho­pathen auf die Menschheit loszulassen.“

Mit Her­zens­be­dürf­nissen texa­ni­scher Poli­tiker und der men­talen Gesundheit von Ange­klagten schein sich Hannes Stein bestens aus­zu­kennen. Und zum Glück kommt auch pas­sende Hilfe aus dem Off:

„Seither sind Text­nach­richten aufgetaucht.“

Text­nach­richten zwi­schen Perry und seinen Freunden nämlich, die belegen sollen, dass Perry durch und durch Rassist und Mordbube ist. Man fragt sich, warum diese Text­nach­richten erst jetzt auf­tauchen und nicht im Prozess, wo sie doch die Basis für die Mord­an­klage hätte sein müssen. Es gibt zwei Mög­lich­keiten. Ent­weder sind die Nach­richten doch nicht von solcher Brisanz und taugen nicht zur Kon­struktion eines Motivs. Oder die Art und Weise, wie sie „auf­ge­taucht“ sind, ist nicht ganz ver­fas­sungs­konform und/oder gerichtsfest. Noch wahr­schein­licher trifft beides zu.

Ich finde es merk­würdig, wie oft das in letzter Zeit pas­siert. Also das mit den „auf­tauchen“ von pri­vater Kom­mu­ni­kation in der Öffent­lichkeit. In Tucker Carlsons (End-to-End ver­schlüs­seltem) Signal-Account konnte das FBI mit­lesen, das Handy von Dai­lyWire Kom­men­tator Matt Walsh wurde gehackt und auch das undi­plo­ma­tische private Geplapper von Springer-Chef Mathias Döpfner fand unver­hofft den Weg in die Öffent­lichkeit. Alles Zufall? Im Interview mit Tucker Carlson ver­blüffte Elon Musk erst vor wenigen Tagen die Öffent­lichkeit mit der lapi­daren Fest­stellung, ame­ri­ka­nische Geheim­dienste hätte bis zu seiner Twit­ter­über­nahme die Pri­vat­nach­richten aller User mit­ge­lesen und erst in den nächsten Tagen werde eine Ver­schlüs­selung optional möglich sein.

Und hat nicht unsere Faeser-Nancy gerade gefordert, die Platt­form­be­treiber sollten zwecks „Bekämpfung von Hass und Hetze“ sogar noch in den sichersten heimlich-heimlich Ver­schlüs­se­lungen Hin­ter­türchen für den Schnüf­fel­staat offen­lassen? Alles nur zu unserem Besten, ver­steht sich! Was sind schon Bür­ger­rechte, Pri­vat­sphäre, Unschulds­ver­mutung, Anwalt-Man­danten-Ver­hältnis oder ärzt­liche Schwei­ge­pflicht gegen die Auf­klärung von Gedan­ken­ver­brechen oder das drin­gende und moral­ver­brämte Bedürfnis, jemanden fertig zu machen, dessen man mit legalen oder argu­men­ta­tiven Mitteln nicht habhaft werden kann. Rechtlich sind all diese „Zufalls­funde“ kaum zu ver­werten, aber sie sind Klickgold in jeder Schmier­kam­pagne gegen Kon­ser­vative und wer, wenn nicht Hannes Stein, würde sich damit die Brote buttern!

Überall Repu­bli­kaner, Nazis und Verräter!

Apropos Geheim­nisse. In der Rechtsruck-Apo­ka­lypse von Hannes Stein darf natürlich der neueste Abgrund von Lan­des­verrat nicht fehlen, das Leak von Geheim­in­for­ma­tionen aus dem US-Verteidigungsministerium.

„Wir wissen jetzt, wer zur Freude aller Feinde Ame­rikas eine geballte Ladung hoch­ge­heimer Doku­mente aus dem Pen­tagon im Internet ver­öf­fent­licht hat. Hinter dem Geheim­nis­verrat steckte ein blut­junger Ange­hö­riger der Natio­nal­garde des Bun­des­staates Mas­sa­chu­setts, Abteilung Luft­waffe — Jack Teixeira der werte Name.“

Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Freude bei den Feinden Ame­rikas wirklich so groß war. Für Putin könnte es geradezu ein Schock gewesen sein, wie tief US-Geheim­dienste in allen rele­vanten mili­tä­ri­schen Orga­ni­sa­tionen Russ­lands ein­ge­graben sind. Außerdem glaube ich, dass der Ärger gerade bei den Freunden Ame­rikas und ganz besonders den steu­er­zah­lenden Ame­ri­kanern selbst rie­sengroß war, als sie aus den Doku­menten erfahren mussten, wofür so manches Dol­lar­mil­li­önchen in die Ukraine floss, um dort zu ver­si­ckern. Zum Bei­spiel, damit ukrai­nische Olig­archen mit ame­ri­ka­ni­schem Steu­ergeld Öl und Gas aus­ge­rechnet in Russland kaufen und kräftig in die eigene Tasche wirt­schaften. Krieg und Kor­ruption haben natürlich mehr gemeinsam als nur den Anfangs­buch­staben, aber das Ausmaß der Lügen, die absichtsvoll medial vor den Ame­ri­kanern und Euro­päern aus­ge­breitet werden, ist bedenklich.

Die älteren Semester werden sich viel­leicht noch an den Viet­nam­krieg erinnern, in welchem die poli­tisch-mediale Dar­stellung in krassem Miss­ver­hältnis zur tat­säch­lichen mili­tä­ri­schen Lage stand. Heute ist es offenbar kaum anders. Mit einem feinen, aber ent­schei­dendem Unter­schied: damals standen die USA in einem erklärten Krieg und man findet stets allerlei tak­tische Begrün­dungen, warum die Lüge zur Auf­recht­erhaltung der Moral manchmal dien­licher sein kann als die Wahrheit. Heute geht es jedoch in erster Linie darum, die Geduld und die Taschen der Steu­er­zahler so lange wie möglich offen zu halten und die im Raum ste­hende Frage nach dem Sinn und Warum medial mit Jubel­mel­dungen zu über­tönen. Dass solches einer Demo­kratie, einer Republik und einem Rechts­staat, der sorgsam mit den Geldern umzu­gehen hat, die er seinen Bürgern abpresst, unwürdig ist, sollte selbst jemand begreifen, der auf dem auto­ri­tären Auge blind ist.

„Wir wissen jetzt außerdem, dass Mr. Teixeira ein Nazi ist. Er äußerte oft seine Abscheu gegen Dun­kel­häutige und Juden und bewundert offenbar Wla­dimir Putin. Jetzt kommt natürlich die große Frage: Warum hatte dieser Nazi über­haupt Zugang zu hoch­ge­heimen Dokumenten?“

Ist es möglich, dass uns Hannes Stein hier gerade den Deckel einer meter­dicken Pro­zessakte hin­wirft, in der es von Beweisen nur so wimmelt? Wenn das so ist, hat er diese Akte exklusiv. Falls nicht, haben wir hier leider mal wieder nichts anderes als eine der Stein’schen stand­recht­lichen Pau­schal­ver­ur­tei­lungen. Wir wissen nämlich nicht wirklich, dass Teixeira ein Nazi ist. Er habe bei den Bal­ler­spielen, über die er und zwei Dutzend andere auf dem Discord-Server sprachen, „abfällig Bemer­kungen“ gemacht. Welche das waren? Keine Infor­ma­tionen. Nazi-Bezug? Unbe­wiesen. Putin-Fan? Wissen wir auch nicht. Katholik ist er, was jedoch noch nicht strafbar ist.

Mit einiger Gewissheit lässt sich aber genau deshalb die Frage beant­worten, wie „dieser Nazi“ über­haupt Zugang zu hoch­ge­heimen Doku­menten bekommen konnte. Wahr­scheinlich war Teixeira einfach keiner, sondern ein naiver, um Auf­merk­samkeit und Relevanz bemühter 21-jäh­riger Ger­negroß, der sich mit der Ver­öf­fent­li­chung von Material, auf das er Zugriff hatte, wichtig machen wollte. Er ging offenbar davon aus, dass seine wich­tig­tue­ri­schen Posts geheimer Pen­tagon-Interna, die seine Mit­spieler oft kaum glauben konnten, diese eine Spie­le­gruppe auf diesem einen Discord-Server nicht ver­lassen würde. Ein Super­spion, fürwahr!

„Jeden­falls dauerte es nur Stunden, bis der Lan­des­ver­räter Jack Teixeira zum Helden der Repu­bli­ka­ni­schen Partei wurde. Mar­jorie Taylor Greene, eine der mäch­tigsten Frauen im Reprä­sen­tan­tenhaus, schrieb auf Twitter, Teixeira sei weiß, männlich und ein Christ — darum werde er jetzt vom „Biden-Regime“ ver­folgt. Dar­aufhin wurde Mar­jorie Taylor Greene umgehend aus dem Aus­schuss für „Homeland Security“, der sich um Ame­rikas öffent­liche Sicherheit kümmert, ent­fernt … nein, Stopp, das war jetzt natürlich ein Spaß: Mar­jorie Taylor Greene sitzt weiter in diesem wich­tigen Ausschuss.“

Ob Teixeira Lan­des­verrat begangen hat, glaubt zumindest Stein, die Staats­an­walt­schaft selbst jedoch offenbar nicht. Der 21-jährige hat einfach nicht das Zeug zum Snowden. Es fehlt auch der Vorsatz und die „andere Seite“, also ein Land oder eine Orga­ni­sation, an das oder die Teixeira die Infor­ma­tionen wei­ter­ge­leitet hätte. Der Hannes möge also die Füße still und seine Injurien vorerst trocken halten und ein Urteil abwarten. Denn das Teixeira für einige Jahre ein­fährt, darf als sehr sicher gelten. Was aller­dings Steins Intim­feind­schaft zu Mar­jorie Taylor Green angeht (die übrigens nicht die repu­bli­ka­nische Partei ist und für sie Helden defi­niert, sondern der Partei nur angehört), holt den Herrn Stein so schnell keiner von der Palme. Nicht mal der Verweis aus den 1. Ver­fas­sungs­zusatz, demnach es durchaus statthaft ist, unan­ge­messene und sogar dumme Tweets abzu­setzen, ohne dass man dafür gleich aus Kon­gress-Aus­schüssen fliegt. In Amerika werden Wahlen und Ernen­nungen nicht mal von Süd­afrika aus rück­gängig gemacht, so rück­ständig sind die Amis!

„Wir können uns dunkel an eine Zeit erinnern, als Repu­bli­kaner Lan­des­verrat noch nicht als Hel­dentat feierten…“

Der Unter­schied zwi­schen Lan­des­verrat und Whist­le­b­lower ist übrigens der Ort der Ver­öf­fent­li­chung. Sage übrigens nicht ich, sondern die New York Times. Denn wäre Teixeira zur NYT gegangen, statt die Doku­mente in einen Discord-Server zu schütten, hätte er dort gern Quel­len­schutz haben können. So jedoch war es die NYT, die Teixeiras Iden­tität erst ermit­telte und dann ver­öf­fent­lichte. Statt die Geschichte, die die Doku­mente erzählen, auf­zu­schreiben und sie dann wie geheißen geräuschlos zu beer­digen, machte man Teixeira selbst zur Geschichte. Oh, wie schön ist die Ablenkung mit dem Kaninchen, während der Magier die bri­santen Doku­mente hinter seinem Rücken wieder ver­schwinden lässt! Es macht eben einen Unter­schied, ob man eine Ent­hüllung für oder gegen die Inter­essen des Geheim­dienstes ver­öf­fent­licht. Das haben wir in der Causa „New York Post And The Laptop From Hell“ gelernt.

Das Stein-Fazit

„Ziehen wir nun die Summe all dieser Nach­richten aus der ver­gan­genen Woche: Eine der beiden poli­ti­schen Par­teien in Amerika hat Tollwut — sie knurrt und geifert, ihr steht der giftige Schaum vor dem Mund. Patrio­tismus? Schtonk. Kampf gegen Kor­ruption? Schtonk. „Law and order“? Schtonk. Ehre und Höf­lichkeit? Schtonk. Bür­ger­rechte für Mino­ri­täten? Schtonk. Die Meinung der schwei­genden Mehrheit? Schtonk. Demo­kratie? Schtonk.“

Wenn ich die Ston­kerei und all die Nazi­re­mi­nis­zenzen mal mit den kom­pri­mierten Aus­las­sungen von Hannes Stein anrei­chere, ergibt sich gerade fol­gendes Gesamtbild der Ver­ei­nigten Staaten: Geheim­nis­verrat durch einen Nazi, Lan­des­ver­räter sind für die Repu­bli­kaner Helden, ein schwarzer Richter, der ver­bo­te­ner­weise ein Kon­ser­va­tiver ist und mit einer „ultra­rechten“ weißen Agi­ta­torin ver­hei­ratet ist, pfeift auf Regeln, die es gar nicht gibt, der oberste Gerichtshof, der ver­bo­te­ner­weise nicht von den Dems domi­niert wird, ist lächerlich. Repu­bli­kaner heulen nur rum, Foxnews ist ein ras­sis­ti­scher Sender, Trump, der Ver­brecher, der unter Rea­li­täts­verlust leidet und Dik­ta­toren liebt, schwafelt nur rum, Gou­verneur Abbott hat ein Herz für Mörder und Ron DeS­antis unter­zeichnet Gesetze im „stillen Käm­merlein“. Ein Abgrund, ein Sün­den­babel, how dare you, Republicans!

Und jetzt frage ich Sie, liebe Leser, wer hier eigentlich wie toll­wütig knurrt und geifert und wem der „giftige Schaum“ vor dem Munde steht. Ich weiß es nicht, ich bin nur ein naiver Blogger, der keine Ahnung hat.

Ach, fast ver­gessen: wir müssen Steins Ein­gangs­frage noch beant­worten, nämlich was Europa tut, wenn Trump – was Stein auf Schäumchen-komm-raus zu ver­hindern sucht – die nächste Wahl gewinnt. Zeit, ein paar Erin­ne­rungs­beerchen zu naschen. Member „Tscheinah“? Member Straf­zölle? Member „Tscheinah Virus“? Member, wie die EU damals auf Trumps China-Powerplay reagierte und Peking zur Seite sprang? Immer gegen den irren Orange Man? Baerbock war gerade recht blass ums teuer gepu­derte Näschen, als die nach ihrem Besuch in Peking davon sprach, dass dort alles noch viel schlimmer sei als gedacht. Gleich­zeitig machen wir uns gerade von Wär­me­pumpen abhängig, bei denen China – ähnlich wie bei den PV-Anlagen zuvor – den Markt auf­zu­rollen droht.

Wir betreiben also das Out­sourcing unserer Wär­me­ver­sorgung nach China, weil das Out­sourcing unserer Ener­gie­ver­sorgung nach Russland ja so gut funk­tio­niert hat. Ein Prä­sident Trump 2.0 könnte darauf bestehen, sich auf die Aus­ein­an­der­setzung mit China zu kon­zen­trieren und uns emp­fehlen, gemeinsam mit Macron den ame­ri­ka­ni­schen Part der Ver­tei­digung der Ukraine zu über­nehmen, nachdem dieser so groß­zügig Taiwan zu „not my cup of tea“ erklärt hat. Anders als die Familie Biden hat Trump ja keine wirt­schaft­lichen Inter­essen in der Ukraine. So gesehen könnten die gele­akten Pen­tagon-Doku­mente einen Zweck erfüllen, den little Airman Teixeira wohl kaum inten­diert haben kann: den Euro­päern zu zeigen, in welchem Schla­massel die USA sie lassen könnte, falls zwi­schen Lis­sabon und Riga jemand zu oft „Let’s go Brandon!“ ruft oder wisse will, wer denn nun wirklich die Pipelines…ich breche hier besser ab.

Was China und den Krieg in der Ukraine angeht, liegt Hannes Stein meiner Meinung nach zwar in der Analyse falsch, seine Schluss­fol­ge­rungen sind jedoch richtig. Auch diese zweiten Punkt kann ich ihm geben. Mehr sind es leider nicht geworden. Und jetzt alle: „Orange Man Bad! Orange Man Bad! Orange Man Bad!“


Quelle: unbesorgt.de