27 Jahre ist es her, dass ein Eklat beim ZDF den direkten und unverschämten Einfluss der Politik deutlich sichtbar machte. Dabei ging es eigentlich um eine lächerliche Petitesse: Wie oft eine Kamera einen im Publikum sitzenden Spitzenpolitiker zeigte – und wie oft dessen Gegenspieler. Das macht deutlich, dass das Gerangel hinter den Kulissen um den parteipolitischen Einfluss noch viel verbissener sein muss. Das Gezerre darum beschrieb Günther Jauch kürzlich in einem Interview – das schlägt nun hohe Wellen.
Günther Jauch muss sich damals sehr darüber geärgert haben, dass er heute, 27 Jahre danach, noch eine scharfe Philippika zu diesem Vorfall loslässt. In dem Sender „Offener Kanal Bitburg“ erzählte er in einem Interview, dass die Spitzen-Parteipolitiker über die Auswahl der ZDF-Nachrichten und über die Auswahl der Moderatoren bestimmen konnten – und sicher auch heute noch können.
Der Anlass war das Dreistundenformat „Menschen des Jahres“ des ZDF in großer Halle mit vielen Zuschauern und Herrn Jauch als Moderator. Um die Inhalte geht es gar nicht, sondern darum, dass natürlich in den vordersten Reihen Politiker saßen, um Präsenz und Nahbarkeit zu demonstrieren. Aber eben nicht nur in der Halle, sondern vor allem im Fernsehen. Man zeigt sich dem Volke. „Guck mal, da sitzt auch der Beck …!“
Blöd nur: Der damalige rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck wurde bei Kameraschwenks ins Publikum deutlich weniger oft erfasst, als sein Gegenspieler von der Opposition, Johannes Gerster von der CDU.
Möglicherweise wäre das niemandem aufgefallen, wenn nicht die Ehefrau des rheinland-pfälzischen Staatssekretärs Karl-Heinz Klär (SPD) beim Fernsehgucken mitgezählt hätte: „Als der CDU-Landesvorsitzende zum 13. Mal ins Bild gerückt worden war, wollte meine Frau (…) das definitiv nicht mehr für Zufall halten.“ Ministerpräsident Beck soll nur viermal zu sehen gewesen sein und sei damit zum „Feigenblatt einer PR-Veranstaltung für seinen Wahlkampfgegner“ degradiert worden. Man vermutete in der SPD, dass „CDU-Kader in den mittleren ZDF-Etagen das Ding gedreht hätten: Den Gerster eingeladen und ihm einen schönen Platz besorgt; damit die Sache nicht auffällt, den Beck noch schnell dazugeladen.“
Ganz abwegig war das sicher nicht, denn es war Vorwahlkampfzeit in Rheinland-Pfalz. Drei Monate später, am 24. März, standen Landtagswahlen an. Günther Jauch, damals der Moderator der Sendung „Menschen des Jahres“ sagte, die Schwenks auf die politischen Kontrahenten Beck und Gerster seien reiner Zufall gewesen. Es sei völlig absurd, da irgendwas zu konstruieren. Herr Jauch zeigte sich damals auch etwas vergrätzt darüber, dass er in dieser Sendung – eben auch dem Titel entsprechend – ganz normale Bürger im Publikum sitzen haben wollte. Stattdessen waren die ersten Reihen immer für die Gremiumsmitglieder mit ihren Freikarten vom ZDF besetzt: „Fast alle Karten gingen an die Stützstrumpf-Fraktion.‘ Funktionäre im Saal statt Fans – klar, dass die Stimmung nicht sehr toll gewesen ist.“
Damals schon ein Aufreger, hat der Zorn des beliebten Moderators nicht an Verve verloren. In seinem Interview mit dem „Offenen Kanal Bitburg“ kommt seine Verärgerung in alter Frische wieder heraus. O‑Ton aus dem Gespräch:
„Ich hab 34 Jahre diese „Menschen“-Sendung gemacht. Jedes Jahr immer. Das war damals ne große Nummer und es war – das hat mir Frank Elstner im ZDF übergeben – ich war damals ganz jung. (…) diese Sendung fand jedes Jahr in der Rheingold-Halle in Mainz statt. Das war vom Ambiente noch deutlich unerotischer, als hier! Bloß 3.000 Leute! Und die ersten 10 Reihen waren immer voll mit Rundfunkräten, derer Gattinnen, irgendwelchen Leuten, die dann Karten bekommen haben, gelangweilte Redakteure, Hierarchen, etcetera … es war gruselig! … im Grunde genommen so ein gelangweiltes Publikum …“
Dann schildert er, dass unmittelbar nach der Sendung schon höchste Aufregung um die Anzahl der Schwenks auf die beiden Politiker herrschte – und wie dann die eingeforderte „Wiedergutmachung“ ausgekungelt wurde:
„… und das würde ein Nachspiel haben (…) und tatsächlich fand ein Deal statt danach, zwischen dem Intendant des ZDF und Kurt Beck, dass er sich drei Themen für die „Heute“-Sendung aussuchen durfte – Autobahneröffnung oder sonst irgendetwas – um da wieder entsprechend einen Ausgleich zu bekommen. Und als ich das mitbekommen habe, hab ich gesagt: Passt auf, Leute, das nächste Jahr machen wir mal ‘ne Denkpause, ich setz mal aus.“
Das ist aber noch nicht alles, was Günther Jauch an politischer Einflussnahme selbst erlebt hat. Er berichtet auch davon, dass sein Einstieg als zweiter Mann im „Heute-Journal“ einfach per Anruf aus der CSU gecancelt wurde:
„Ich hab ein ganz frühes Angebot einmal bekommen, dass ich zweiter Mann im Heute-Journal werden sollte hinter Ruprecht Eser (…) er war damals „Heute Journal“-Chef, das ist für mich das Größte gewesen und zwar deshalb: Auf diesen Posten hatte angeblich die CSU die Kralle drauf. Die haben gesagt, der Jauch ist doch beim Bayerischen Rundfunk, Bayerischer Rundfunk ist CSU, den können wir doch holen. Der Eser hat auch mit mir verhandelt etcetera. Und dann hat aber die CSU die Hände über’m Kopf zusammengeschlagen, weil sie mich ja kannten vom Bayerischen Rundfunk. Und ich war ja alles andere als CSU, ich war völlig unabhängig einfach. Aber ich hab freche Jugendsendungen beim BR gemacht – ich war für die da geeignet, wie der Igel zum Arschwischen – also, für die CSU, mein ich jetzt. Und dann hieß es: ja, neee, also Du bist nicht … der ist nicht zuverlässig genug. Das hat der Gottschalk wieder mitbekommen und hat gesagt: Du, ich kenn’ den Strauß gut. Ich sag dem mal, die sollen Dich da nehmen. Ich sag: Neee, das möcht’ ich irgendwie … irgendwie auch nicht. So. (…) und da hab ich gemerkt, dass ich eine politische … also ich da an eine gläserne Decke stoße, dass ich da immer zweite, dritte, vierte Reihe bleiben muss, wenn ich mich nicht verbiegen will. Und da stand für mit fest: da nimmst DU den Umweg über die Unterhaltung, die ist wenigstens lustig.“
Leider ist das Interview selbst nicht mehr auf dem Youtube-Kanal zu finden. Der Offene Kanal Bitburg hat es herausgenommen, heißt es. „Unklar bleibt, warum das Jauch-Interview auf dem Youtube-Kanal vom „Offenen Kanal Bitburg“ gelöscht wurde.“ Nun, dreimal darf man raten. Könnte es vielleicht, möglicherweise, eventuell so sein, dass das ZDF auf Herrn Jauchs Ausplaudern von ZDF-Internen Vorgängen mit einem sehr unangenehmen Rechtsanwaltsschreiben beantwortet hat? Und ein eilig befragter Rechtsanwalt Jauchs dem Offenen Kanal Bitburg dringend angeraten hat, das Video vom Sender zu nehmen?
Das hier sind nur die persönlichen Erfahrungen des Herrn Günther Jauch, der ja noch gar nicht ins Herz der politischen Redaktionen vorgestoßen war – und damit vergleichsweise wenig mit der Politik zu tun bekam. Man kann sich vorstellen, dass schon damals mit harten Bandagen in den politischen und Nachrichten-Redaktionen gekämpft wurde. Was heute in diesen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten an Ringkämpfen um die Deutungshoheit und die Volkserziehung abgeht, das dürfte noch um Dimensionen schlimmer sein. Mit seiner RTL-Sendung „Wer wird Millionär“ hat Günther Jauch sicher den besseren Griff getan.
Es ist an der Zeit, dieses Modell, für dessen aufdringliche Rund-um-die-Uhr-Indoktrination wir zwangsweise auch noch per GEZ-Gebühr bezahlen müssen, abzuschaffen.
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