Bild: Günther Jauch, Wikimedia Commons, Raimond Spekking, CC BY-SA 4.0

Massive poli­tische Ein­fluss­nahme auf die GEZ-Sender – Günther Jauch packt aus (+Video)

27 Jahre ist es her, dass ein Eklat beim ZDF den direkten und unver­schämten Ein­fluss der Politik deutlich sichtbar machte. Dabei ging es eigentlich um eine lächer­liche Peti­tesse: Wie oft eine Kamera einen im Publikum sit­zenden Spit­zen­po­li­tiker zeigte – und wie oft dessen Gegen­spieler. Das macht deutlich, dass das Gerangel hinter den Kulissen um den par­tei­po­li­ti­schen Ein­fluss noch viel ver­bis­sener sein muss. Das Gezerre darum beschrieb Günther Jauch kürzlich in einem Interview – das schlägt nun hohe Wellen.

Günther Jauch muss sich damals sehr darüber geärgert haben, dass er heute, 27 Jahre danach, noch eine scharfe Phil­ippika zu diesem Vorfall los­lässt. In dem Sender „Offener Kanal Bitburg“ erzählte er in einem Interview, dass die Spitzen-Par­tei­po­li­tiker über die Auswahl der ZDF-Nach­richten und über die Auswahl der Mode­ra­toren bestimmen konnten – und sicher auch heute noch können.

Der Anlass war das Drei­stun­den­format „Men­schen des Jahres“ des ZDF in großer Halle mit vielen Zuschauern und Herrn Jauch als Mode­rator. Um die Inhalte geht es gar nicht, sondern darum, dass natürlich in den vor­dersten Reihen Poli­tiker saßen, um Präsenz und Nah­barkeit zu demons­trieren. Aber eben nicht nur in der Halle, sondern vor allem im Fern­sehen. Man zeigt sich dem Volke. „Guck mal, da sitzt auch der Beck …!“

Blöd nur: Der damalige rheinland-pfäl­zische SPD-Minis­ter­prä­sident Kurt Beck wurde bei Kame­ra­schwenks ins Publikum deutlich weniger oft erfasst, als sein Gegen­spieler von der Oppo­sition, Johannes Gerster von der CDU.

Mög­li­cher­weise wäre das nie­mandem auf­ge­fallen, wenn nicht die Ehefrau des rheinland-pfäl­zi­schen Staats­se­kretärs Karl-Heinz Klär (SPD) beim Fern­seh­gucken mit­ge­zählt hätte: „Als der CDU-Lan­des­vor­sit­zende zum 13. Mal ins Bild gerückt worden war, wollte meine Frau (…) das defi­nitiv nicht mehr für Zufall halten.“ Minis­ter­prä­sident Beck soll nur viermal zu sehen gewesen sein und sei damit zum „Fei­gen­blatt einer PR-Ver­an­staltung für seinen Wahl­kampf­gegner“ degra­diert worden. Man ver­mutete in der SPD, dass „CDU-Kader in den mitt­leren ZDF-Etagen das Ding gedreht hätten: Den Gerster ein­ge­laden und ihm einen schönen Platz besorgt; damit die Sache nicht auf­fällt, den Beck noch schnell dazugeladen.“

Ganz abwegig war das sicher nicht, denn es war Vor­wahl­kampfzeit in Rheinland-Pfalz. Drei Monate später, am 24. März, standen Land­tags­wahlen an. Günther Jauch, damals der Mode­rator der Sendung „Men­schen des Jahres“ sagte, die Schwenks auf die poli­ti­schen Kon­tra­henten Beck und Gerster seien reiner Zufall gewesen. Es sei völlig absurd, da irgendwas zu kon­stru­ieren. Herr Jauch zeigte sich damals auch etwas ver­grätzt darüber, dass er in dieser Sendung – eben auch dem Titel ent­spre­chend – ganz normale Bürger im Publikum sitzen haben wollte. Statt­dessen waren die ersten Reihen immer für die Gre­mi­ums­mit­glieder mit ihren Frei­karten vom ZDF besetzt: „Fast alle Karten gingen an die Stütz­strumpf-Fraktion.‘ Funk­tionäre im Saal statt Fans – klar, dass die Stimmung nicht sehr toll gewesen ist.“

Damals schon ein Auf­reger, hat der Zorn des beliebten Mode­rators nicht an Verve ver­loren. In seinem Interview mit dem „Offenen Kanal Bitburg“ kommt seine Ver­är­gerung in alter Frische wieder heraus. O‑Ton aus dem Gespräch:

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„Ich hab 34 Jahre diese „Menschen“-Sendung gemacht. Jedes Jahr immer. Das war damals ne große Nummer und es war – das hat mir Frank Elstner im ZDF über­geben –  ich war damals ganz jung. (…) diese Sendung fand jedes Jahr in der Rheingold-Halle in Mainz statt. Das war vom Ambiente noch deutlich unero­ti­scher, als hier! Bloß 3.000 Leute! Und die ersten 10 Reihen waren immer voll mit Rund­funk­räten, derer Gat­tinnen, irgend­welchen Leuten, die dann Karten bekommen haben, gelang­weilte Redak­teure, Hier­archen, etcetera … es war gru­selig! … im Grunde genommen so ein gelang­weiltes Publikum …“

Dann schildert er, dass unmit­telbar nach der Sendung schon höchste Auf­regung um die Anzahl der Schwenks auf die beiden Poli­tiker herrschte – und wie dann die ein­ge­for­derte „Wie­der­gut­ma­chung“ aus­ge­kungelt wurde:

„… und das würde ein Nach­spiel haben (…) und tat­sächlich fand ein Deal statt danach, zwi­schen dem Intendant des ZDF und Kurt Beck, dass er sich drei Themen für die „Heute“-Sendung aus­suchen durfte – Auto­bahn­er­öffnung oder sonst irgend­etwas –  um da wieder ent­spre­chend einen Aus­gleich zu bekommen. Und als ich das mit­be­kommen habe, hab ich gesagt: Passt auf, Leute, das nächste Jahr machen wir mal ‘ne Denk­pause, ich setz mal aus.“ 

Das ist aber noch nicht alles, was Günther Jauch an poli­ti­scher Ein­fluss­nahme selbst erlebt hat. Er berichtet auch davon, dass sein Ein­stieg als zweiter Mann im „Heute-Journal“ einfach per Anruf aus der CSU gecancelt wurde:

„Ich hab ein ganz frühes Angebot einmal bekommen, dass ich zweiter Mann im Heute-Journal werden sollte hinter Ruprecht Eser (…) er war damals „Heute Journal“-Chef,  das ist für mich das Größte gewesen und zwar deshalb: Auf diesen Posten hatte angeblich die CSU die Kralle drauf. Die haben gesagt, der Jauch ist doch beim Baye­ri­schen Rundfunk, Baye­ri­scher Rundfunk ist CSU, den können wir doch holen. Der Eser hat auch mit mir ver­handelt etcetera. Und dann hat aber die CSU die Hände über’m Kopf zusam­men­ge­schlagen, weil sie mich ja kannten vom Baye­ri­schen Rundfunk. Und ich war ja alles andere als CSU, ich war völlig unab­hängig einfach. Aber ich hab freche Jugend­sen­dungen beim BR gemacht – ich war für die da geeignet, wie der Igel zum Arsch­wi­schen – also, für die CSU, mein ich jetzt. Und dann hieß es: ja, neee, also Du bist nicht … der ist nicht zuver­lässig genug. Das hat der Gott­schalk wieder mit­be­kommen und hat gesagt: Du, ich kenn’ den Strauß gut. Ich sag dem mal, die sollen Dich da nehmen. Ich sag: Neee, das möcht’ ich irgendwie … irgendwie auch nicht. So. (…) und da hab ich gemerkt, dass ich eine poli­tische …  also ich da an eine glä­serne Decke stoße, dass ich da immer zweite, dritte, vierte Reihe bleiben muss, wenn ich mich nicht ver­biegen will. Und da stand für mit fest: da nimmst DU den Umweg über die Unter­haltung, die ist wenigstens lustig.“ 

Leider ist das Interview selbst nicht mehr auf dem Youtube-Kanal zu finden. Der Offene Kanal Bitburg hat es her­aus­ge­nommen, heißt es. Unklar bleibt, warum das Jauch-Interview auf dem Youtube-Kanal vom „Offenen Kanal Bitburg“ gelöscht wurde.“ Nun, dreimal darf man raten. Könnte es viel­leicht, mög­li­cher­weise, even­tuell so sein, dass das ZDF auf Herrn Jauchs Aus­plaudern von ZDF-Internen Vor­gängen mit einem sehr unan­ge­nehmen Rechts­an­walts­schreiben beant­wortet hat? Und ein eilig befragter Rechts­anwalt Jauchs dem Offenen Kanal Bitburg dringend ange­raten hat, das Video vom Sender zu nehmen?

Das hier sind nur die per­sön­lichen Erfah­rungen des Herrn Günther Jauch, der ja noch gar nicht ins Herz der poli­ti­schen Redak­tionen vor­ge­stoßen war – und damit ver­gleichs­weise wenig mit der Politik zu tun bekam. Man kann sich vor­stellen, dass schon damals mit harten Ban­dagen in den poli­ti­schen und Nach­richten-Redak­tionen gekämpft wurde. Was heute in diesen öffentlich-recht­lichen Sen­de­an­stalten an Ring­kämpfen um die Deu­tungs­hoheit und die Volks­er­ziehung abgeht, das dürfte noch um Dimen­sionen schlimmer sein. Mit seiner RTL-Sendung „Wer wird Mil­lionär“ hat Günther Jauch sicher den bes­seren Griff getan.

Es ist an der Zeit, dieses Modell, für dessen auf­dring­liche Rund-um-die-Uhr-Indok­tri­nation wir zwangs­weise auch noch per GEZ-Gebühr bezahlen müssen, abzuschaffen.