Die Macht über die Energie (Öl) — Eine weitere Säule zum Bau eines Impe­riums — Teil 2

Fiat-Geld, Militär und Reser­ve­währung: Die drei Säulen der Hege­mo­ni­al­macht – und wieso sie zu wackeln scheinen — Teil 2 von 3

(von Ben­jamin Mudlack)

Die anglo­ame­ri­ka­nische Angst, die „sieben Geschwister“ und das Öl als dritte Säule der Macht

Die große Macht­be­drohung für die anglo­ame­ri­ka­nische Seite war seit dem indus­tri­ellen Auf­stieg Deutsch­lands die Sorge, dass deutsche Technologie/Wissenschaft sich mit den rus­si­schen Boden­schätzen (Öl, Erdgas usw.) ver­einen könne. Der Erste Welt­krieg und die sich anschlie­ßende kom­mu­nis­tische Revo­lution im Jahre 1917 in Russland ver­hin­derten eine ent­spre­chende wirt­schaft­liche Koope­ration zwi­schen Deutschland und Russland. Auch durch den aktu­ellen Krieg in der Ukraine  liegt ein Keil zwi­schen einer wirt­schaft­lichen Koope­ration von Deutschland bzw. West­europa mit Russland.

Hier bestellen!

In diesem Zusam­menhang sei noch auf die soge­nannte Heartland- oder Herzland-Theorie hin­ge­wiesen. Diese besagt, dass der­jenige die Welt kon­trol­liert, der das „Herz der Welt“ unter seiner Kon­trolle weiß. Das Herz der Welt ist nach dieser Theorie die Eura­sische Platte. Hier leben kumu­liert die meisten Men­schen und auch die Summe der Boden­schätze ist auf anderen Erd­teilen nicht vor­zu­finden. Unab­hängig davon, was von dieser Theorie geo­po­li­tisch – oder gar ethisch – zu halten ist, wird sie in der geo­po­li­ti­schen Debatte diskutiert.

Der Erste Welt­krieg beendete die Kolo­ni­alzeit Deutsch­lands und den Zugang zum Öl im Nahen und Mitt­leren Osten. Von da an und später nach dem Zweiten Welt­krieg domi­nierten die soge­nannten „Seven Sisters“ den glo­balen Ölmarkt. Allesamt wurden von US-ame­ri­ka­ni­schen und bri­ti­schen Unter­nehmen kon­trol­liert. Standard Oil (Exxon­Mobil bzw. Rocke­feller), Royal Dutch Shell, Anglo-Persian Oil Com­panie, British Petroleum (BP), Chevron, Texaco und Cono­co­Philips sind an dieser Stelle zu nennen. Ins­be­sondere seit Anfang der 1970er-Jahre wurden sämt­liche Öl-Trans­ak­tionen auf der Welt in US-Dollar abge­rechnet. Der Name Petro-Dollar war ent­standen und der US-Dollar erfuhr durch das schwarze Gold quasi eine neue Roh­stoff­de­ckung – ein Faktor, der für die Geld­druck- und Ver­schul­dungs­orgien der USA immens schwer wiegt und den die jewei­ligen Macht­haber mit allen Mitteln zu ver­tei­digen versuchen.

Macht­haber, die ihr Öl nicht mehr in US-Dollar fak­tu­rieren, leben gefährlich …

Es gibt durchaus pro­mi­nente Bei­spiele dafür, was pas­siert, wenn Staaten auch nur damit drohen, ihr Erdöl nicht mehr in US-Dollar abzu­rechnen. Libyens Ex-Dik­tator Gaddafi ist ebenso als Bei­spiel anzu­führen wie der ehe­malige ira­kische Autokrat Saddam Husein.

Im Fall Hus­seins legte der damalige US-Außen­mi­nister Colin Powell am 5. Februar 2003 angeb­liche Beweise vor, dass der Irak trotz der UN-Sank­tionen weiter an der Pro­duktion von ato­maren, bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Mas­sen­ver­nich­tungs­waffen arbeiten würde. Bis zu 16.000 Raketen könne die ira­kische Armee mit che­mi­schen Kampf­stoffen bestücken, führte Powell in seiner 76-minü­tigen Aus­führung aus. Die Fakten sollten, so die Aussage, auf seriösen geheim­dienst­lichen Quellen beruhen. Auf dieser Basis begannen die USA mit ihren Ver­bün­deten dann den Angriffs­krieg im Irak. In der Folge wurde seither eine gesamte Region desta­bi­li­siert und Mil­lionen Men­schen kamen zu Tode.

Die angeb­lichen Beweise ent­puppten sich später bekanntlich als Fäl­schung. Der Angriff durch die von den USA ange­führten Alli­ierten Mili­tär­ver­bände war somit ein völ­ker­rechts­wid­riger Krieg.

Es wird in der öffent­lichen Debatte vielfach ange­führt, dass die USA den Irak nicht ter­ri­torial bean­sprucht hätte. Darum ging es nach meiner Ein­schätzung auch über­haupt nicht. Es ging aus meiner Sicht darum, den kurzen Weg Chinas zu den ira­ki­schen Ölquellen abzu­schneiden, das Öl unter US-Kon­trolle zu bringen und so den US-Dollar und das Geld­schöp­fungs­po­tential der USA zu stärken.

Das Leid der eigenen Sol­daten und Bevöl­kerung in der Region wurden – wenn dies so war – bil­ligend in Kauf genommen. Die Geschichte schreiben eben die Sieger und folglich fand, zumindest nach meiner Beob­achtung, keine auf­richtige Auf­ar­beitung der Gescheh­nisse rund um die Fäl­schung der angeb­lichen Beweise statt.

Muammar al-Gaddafi wollte mut­maßlich noch einen erheb­lichen Schritt wei­ter­gehen. Er plante für Afrika scheinbar den soge­nannten Gold Dinar. Während seiner Prä­si­dent­schaft im Rahmen der Afri­ka­ni­schen Union schlug er im Jahre 2009 den Afri­ka­ni­schen Staaten eine vom US-Dollar unab­hängige gold­ge­deckte Währung vor. Die Ein­nahmen aus den Exporten (vor­nehmlich Ölex­porte) sollten nach Fak­tu­rierung zeitnah in Gold kon­ver­tiert und in einen von den west­lichen Banken unab­hän­gigen Fonds ein­ge­bracht werden. Nigeria, Tunesien, Ägypten und Angola sollen bereit gewesen sein, diesem Vor­schlag zu folgen. Ver­öf­fent­licht wurden diese angeb­lichen Pla­nungen von der Internet- und Ent­hül­lungs­plattform Wiki­leaks. Das Portal berief sich auf Infor­ma­tionen, die aus ungefähr 3.000 E‑Mails aus US-ame­ri­ka­ni­schen Regie­rungs­kreisen „geleakt“ worden sein sollen.

Die afri­ka­ni­schen Staaten konnten den Plan nicht umsetzen. Nach dem Beginn des soge­nannten „Ara­bi­schen Früh­lings“ im Dezember 2010 in Tunesien kam es im Januar 2011 in Algerien und Ägypten zu Auf­ständen und später zur Ent­machtung der Regie­rungen. Im Februar 2011 begannen die Unruhen in Libyen. Die NATO griff mili­tä­risch ein und schließlich wurde Gaddafi im Oktober 2011 umge­bracht. Das Land war kom­plett desta­bi­li­siert und es folgte im Jahr 2014 ein mehr­jäh­riger Bürgerkrieg.

Die Rolle der NATO und der Ver­ei­nigten Staaten von Amerika im Falle Libyens ist sehr umstritten. Der Spiegel sprach mit Verweis auf den Mili­tär­einsatz von einer „groß­zü­gigen“ völ­ker­recht­lichen Aus­legung. Die Indizien, worum es hier tat­sächlich ging, zeigen jedoch, wie auch im Fall von der Ent­machtung Huseins, in eine andere Richtung. Auch die auf­kom­mende Nähe Gad­dafis zu China und anderen nicht-westlich ori­en­tierten Ländern wird in den USA nicht wohl­wollend auf­ge­nommen worden sein.

China, die BRICS und die Geld Zeitenwende?

Im Ver­gleich zu China sind Irak und Libyen kleine Fische. Seit einigen Jahren meldet China nun Welt­gel­tungs­an­sprüche an und unter­mauert diese auch recht ein­drucksvoll. Unter anderem durch das Projekt der Neuen Sei­den­straße. Das Projekt ist auf Jahr­zehnte aus­gelegt, erstreckt sich über die kom­plette eura­sische Platte und die glo­balen Seewege. So wird ein Tief­see­hafen in Nica­ragua ebenso gebaut wie eine Alter­native zum Pana­ma­kanal – der gigan­tische Nica­ragua-Kanal. Auch der Hafen von Piräus wurde 2016 mehr­heitlich unter die Kon­trolle des chi­ne­si­schen Logistik-Kon­zerns Cosco gebracht. Darüber hinaus halten die Chi­nesen Anteile an den Häfen in Hamburg und Duisburg.

China kopiert die Stra­tegie der USA bzw. des IWF und leiht roh­stoff­reichen Ländern (von Interesse sind auch fruchtbare, land­wirt­schaftlich nutzbare Flächen) oder Ländern, die sich an geo­stra­te­gisch inter­es­santen Stand­orten befinden, liquide Mittel um die Pro­jekte der Sei­den­straße zu finan­zieren. Die Bedingung ist die Beauf­tragung chi­ne­si­scher Unter­nehmen. So behält China die Kon­trolle und pro­fi­tiert auch wirt­schaftlich. Als Sicherheit dienen Grund und Boden an den jewei­ligen Stand­orten bezie­hungs­weise in den jewei­ligen Ländern. Kommt ein Land dem Kapi­tal­dienst, bestehend aus Zins und Tilgung, nicht mehr nach, geht der besi­cherte Besitz in chi­ne­sische Hände über.

Auch in punkto Sicherheit wurde ein Pendant zur west­lichen NATO instal­liert. Bereits im Jahr 1996 wurde die „Shanghai Five“ gegründet. Seit 2001 nennt sich die Insti­tution Shang­haier Orga­ni­sation für Zusam­men­arbeit (SOZ). Sie reprä­sen­tiert rund 40 Prozent der Welt­be­völ­kerung. Teil­neh­mer­staaten sind neben den soge­nannten BRICS-Ländern (Bra­silien, Russland, Indien, China, Süd­afrika) unter anderem der Iran, Kasachstan, Pakistan. Zudem gibt es „Dia­log­partner“ wie zum Bei­spiel die Türkei. Wei­terhin haben sich einige Öl-Emirate (Bahrein, Ver­ei­nigte Ara­bische Emirate, Kuwait, Saudi-Arabien) als Dia­log­partner beworben. Gerade im Fall von Saudi-Arabien sollte das auf­horchen lassen. So stand das ölge­segnete Land doch über viele Jahr­zehnte unter dem mili­tä­ri­schen Schutz der USA. Brö­ckelt diese Allianz zugunsten einer durch China domi­nierten Welt?

Diese Frage vermag ich nicht zu beant­worten. Inter­essant ist jedoch, wie China es über mehrere Jahr­zehnte geschafft hat, suk­zessive die Macht­po­sition aus­zu­bauen und stra­te­gische Part­ner­schaften zu errichten. Auch ein in chi­ne­si­scher Währung deno­mi­nierter Öl-Ter­min­kon­trakt wurde eta­bliert. Auch wenn dieses Finanz­in­strument noch nur schwache Umsätze auf­weist, der Fin­gerzeig ist ein­deutig. Im Jahr 2014 wurde die New Deve­lo­pment Bank (ehemals BRICS Deve­lo­pment Bank) von den BRICS-Staa­ten­ge­gründet. Sie soll die Unab­hän­gigkeit von den westlich domi­nierten Insti­tuten IWF und Weltbank ermöglichen.

Dynamik erfuhren die Bemü­hungen einer etwaigen „Ent-Dol­la­ri­sierung“ der Welt nun im Zuge des Ukraine Krieges. Bereits im März 2022 wurden Mel­dungen laut, Saudi-Arabien akzep­tiere für Öl-Lie­fe­rungen nun auch chi­ne­sische Yuans. Einige andere Bei­spiele folgten, so auch ähnlich lau­tende offi­zielle Mit­tei­lungen aus Indien. Die Han­dels­um­sätze mit Russland schossen in die Höhe und wurden natürlich eben­falls nicht mehr in US-Dollar oder Euro abgerechnet.

Quelle: Grafik Ben­jamin Mudlack

Daten­quelle: JP Morgan – Eye on the Market, Hong Kong Monetary Authority

Rus­si­sches Pri­vat­ver­mögen in US-Dollar, Euro und anderen west­lichen Wäh­rungen wurde nach Beginn des Krieges in der Ukraine ein­ge­froren. Das Ver­trauen in die Inte­grität der west­lichen Wäh­rungen und Rechts­ord­nungen (Respekt vor dem Pri­vat­ei­gentum) wurde erschüttert. So wird ver­mutlich immer mehr Ver­mögen aus der west­lichen „US-Dollar-Welt“ abge­zogen. Dieser Effekt schwächt die globale Dollar-Dominanz.

China, Indien und andere Länder der SOZ stärken Russland eher den Rücken, als die west­lichen Sank­tionen mit­zu­tragen. Sie nutzen die nun güns­tigen Beschaf­fungs­mög­lich­keiten rus­si­scher Boden­schätze. Teil­weise werden die rus­si­schen Res­sourcen anders eti­ket­tiert und in die Länder der EU wei­ter­ver­kauft. Über­haupt scheint die Sym­biose aus chi­ne­si­scher Wirt­schafts­kraft und rus­si­scher Atom- und Mili­tär­macht aktuell sehr viel Sinn mit Blick auf die stra­te­gi­schen Bemü­hungen Chinas zu ergeben.

Zusätzlich gibt es immer wieder heiße Dis­kus­sionen, die res­sour­cen­starken BRICS-Länder  könnten eine roh­stoff­ge­deckte Währung lan­cieren um die schul­den­ge­deckte US-Dollar Welt aus den Angeln zu heben. Wie so oft in der Welt­ge­schichte  bereits geschehen, ist zu erwarten, dass es irgendwann wieder zu einer Wach­ab­lösung mit Blick auf die Welt­leit­währung und die domi­nie­rende Welt­macht kommen wird. Auch wenn der Weg zum jet­zigen Zeit­punkt noch weit ent­fernt zu sein scheint. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine ange­hende globale Super­macht mit roh­stoff­ge­decktem Geld die ersten Phasen des Auf­stiegs einläutet.

Ein wei­teres Indiz für diese Ent­wicklung: in den letzten zwei Dekaden haben die Zen­tral­banken der BRICS-Länder Russland, China und auch Indien ihre Gold­be­stände erheblich aufgestockt.

Daten­quelle: World Gold Council

—————————————————

Die im Text ver­wen­deten Quellen werden im 3. Teil dieser Arti­kel­serie veröffentlicht.

Ben­jamin Mudlack ist gelernter Bank­kaufmann und hat an der Fach­hoch­schule Dortmund das Diplom zum Wirt­schafts­in­for­ma­tiker erworben. Er ist Vor­stands­mit­glied der Atlas Initiative, Mit­glied der Friedrich August von Hayek Gesell­schaft und begleitet aktiv einige andere frei­heit­liche Pro­jekte, wie zum Bei­spiel das jüngst neu gegründete Free Eco­nomic Forum.

Zudem betreibt Ben­jamin Mudlack den YouTube-Kanal „Der öko­no­mische IQ“ mit der Ziel­setzung, mög­lichst vielen Men­schen die öster­rei­chische Schule der Natio­nal­öko­nomie anhand von tages­ak­tu­ellen Themen zugänglich zu machen.

Durch seine unter­neh­me­ri­schen Tätig­keiten, unter anderem auch in dem seit mehr als fünf Gene­ra­tionen bestehenden mit­tel­stän­di­schen Fami­li­en­un­ter­nehmen, erhielt Ben­jamin Mudlack tiefe Ein­blicke in die reale Wirt­schaftswelt. Die theo­re­ti­schen Kennt­nisse und der prak­tische Bezug zum Mit­tel­stand haben ihn zu einem Befür­worter von kleinen effi­zi­enten Ein­heiten auf Basis dezen­traler („vor Ort“) Struk­turen werden lassen, mit den damit ver­bun­denen sinn­vollen emo­tio­nalen wie auch wirt­schaft­lichen Haftungsprozessen.

Ben­jamin Mudlack ist zudem Autor des im Licht­schlag Verlag erschienen Buches „Geld-Zei­ten­wende – vom Ent­eig­nungsgeld zurück zum gedeckten Geld.“ Neben einigen Inter­views sind zahl­reiche Artikel von ihm erschienen zum Thema Geld bzw. Geld­system und Mit­tel­stand wie bei­spiels­weise im Smart Investor, bei Tichys Ein­blick oder im Sachwert Magazin.


Quelle: misesde.org