Dieser Text ist schon vor einiger Zeit entstanden, aber hat durch aktuelle Ereignisse ganz neue Brisanz erhalten.
Hier eine Eingangs-Überlegung (früher „Verschwörungstheorie“):
Wenn es die Intention des ZDF war, dem deutschen Gebührenzahler den x‑ten Beweis für die dringend notwendige Schrumpfkur beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen unmissverständlich darzustellen, dann könnte der unten analysierte Beitrag nicht besser gemacht sein – das ZDF drängt sich auf den vordersten Platz der Streichliste.
Haupttext:
Das Zweite Deutsche Fernsehen hat ein mir bis dato noch nicht sonderlich bekanntes Format: „Die Spur“ mit der Titelunterzeile auf der Webseite „Missstände, Skandale, Verbrechen“- es soll wohl eine Art von Investigativ-Journalismus sein.
Dieses Format brachte am 5. Juli „Der Fall Maaßen“ – man kann sich das Original in der ZDF-Mediathek ansehen: Aber Vorsicht, dieses öffentlich-rechtliche Machwerk ist nur schwer erträglich.
Extrem raunig-reißerisch wird eine inhaltlich ganz dünne Suppe zu einem Diffamierungsversuch aufgekocht, was jeden Zuschauer, der es irgendwie schafft, durch die 30min Propaganda durchzukommen, fassungslos zurücklässt.
Laut Eigendarstellung des ZDF startet „Die Spur“ immer mit einem Schlüsselmoment und der Frage: „Wie kann das sein?“ – bei dem Maaßen-Stück ist das die ZDF-Frage: „Wie wurde aus dem obersten Verfassungsschützer ein Provokateur, der sich heute sogar mit internationalen Ultrarechten vernetzt?“
Ok, „Provokateur“ ist ja eigentlich in den klassischen Medien mittlerweile schon jeder, der den Kurs des deutschen Narrenschiffs kritisiert. Aber vielleicht hat ja das ZDF „die Spur“ zu „internationalen Ultrarechten“ aufgenommen?
Leider nein: Als Eingangsbelege („die Spur“) wird Maaßen mit Kritik an der Geschlechteridentitätsdebatte zitiert (das muss die „Provokation“ sein) und dann wird versucht, sein politisches Netzwerken zu skandalisieren: Victor Orban, Premierminister des EU-Mitglieds Ungarn, sowie Alt-US-Präsident Trump und sein Ex-Stratege Steve Bannon: Das sind für das ZDF offenbar „internationale Ultrarechte“.
Really?
Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man sich ob der schieren Lächerlichkeit eigentlich amüsieren.
Und dann kommt der ZDF-Killer-Vorwurf: Maaßen plane eine neue politische Kraft in Deutschland zu etablieren!?
Ja, gibt es denn so etwas? In einer Demokratie über eine Parteigründung nachdenken?
Weiß der Alt-Verfassungsschutzpräsident denn nicht, dass es in Deutschland verboten ist, den etablierten politischen Parteien und ihren Freunden beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Konkurrenz zu machen? Es ist doch der ungeschriebene Geist des Grundgesetzes, dass die Gründung von politischen Parteien nur nach Gesinnungsprüfung durch öffentlich bestellte Beauftragte oder wahlweise staatsnahe Medien möglich ist – eine Aufnahme in den demokratischen Block erfolgt erst nach einer zwei- bis zwanzigjährigen Probezeit. Ironie off.
Das ZDF unterbietet mit diesem Beitrag selbst die untersten Grenzen des Böhmermann-Denunziantentums und hat dabei offenbar auch keinerlei Selbstreflexion: Obwohl Verschwörungstheorie eigentlich immer das Totschlagargument gegen jegliche Form von Regierungskritik ist (und auch in diesem Stück ständig in Richtung Maaßen insinuiert wird), stellt das ZDF gleich selbst die finsterste Verschwörungstheorie an den Anfang (1:20): „Wir fragen uns, wurde der deutsche Inlandsgeheimdienst jahrelang von einem verkappten Rechtsradikalen geleitet?“.
Was bietet das ZDF für diese wirklich haarsträubende These?
Aus meiner Sicht: Nichts! Rein gar nichts!
Das gedankenpolizeiliche Rumpopeln in seinen aktuellen Tweets (Achtung! Er hat Roland Tichy verbreitet! – das muss wohl der „investigative“ Teil der Arbeit an dieser „Spur“ gewesen sein) ist absoluter Kinderkram, aber fördert interessanterweise auch wirklich nichts zu Tage, außer die Geschichte aus der die CDU meinte, ein Parteiausschlussverfahren kochen zu können – das Verfahren ist ja mittlerweile krachend gescheitert – der inhalts- und ideenlose Partei-Karrierist Mario Czaja hat darüber seinen Generalsekretärsposten verloren – eine Art Notbremse von Friedrich Merz, der selber in inhaltlichen und personellen Fragen ziemlich planlos agiert.
Gegen Minute 8:00 holt das ZDF dann zum großen Schlag aus: Sie analysieren die Doktorarbeit von Hans-Georg Maaßen – Kronzeuge ist hier Ronen Steinke, auch promovierter Jurist, Buchautor und Journalist. Ob und gegebenenfalls was Steinke eigentlich an der 97er Promotion („Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht – Überlegungen zu den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen einer europäischen Asylrechtsharmonisierung“) findet, bleibt zumindest mir eher unklar.
Was kritisiert das ZDF eigentlich?
Ist die Universität Köln eine akademische No-Go-Zone (man beachte die örtliche Nähe zum damaligen Regierungssitz Bonn! Hochverdächtig!)?
Ist die (Best-)Bewertung „summa cum laude“ zu skandalisieren?
Oder vielleicht der Umstand, dass Hans-Georg Maaßen Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes war?
Immerhin waren auch Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Horst Mahler und (deutet das nicht auf eine ganz besonders sinistre, verzwickte Verschwörung hin?) Frauke Petry und Carla Reemtsma auch in diesem illustren, staatlich geförderten Klub. Handelt es sich hier um eine heimliche Kaderschmiede für Staatsfeinde aus deren Tiefe Maaßen geschickt wurde? Ironie off (man kann das nicht oft genug betonen).
Nein, der Fragenkomplex Asyl und Flucht und die Sonderreglungen des deutschen Grundgesetzes sind ein politisches und juristisches Minenfeld erster Ordnung, wo keiner leichtfertig einfache Antworten geben kann. Es ist der aktuelle Kern einer intensiven politischen Debatte auf EU-Ebene, wo es auch immer und immer wieder um die unsägliche Sonderstellung von Deutschlands Asylparagraphen geht, seiner Interpretation durch momentan deutsche Politiker und aktivistische NGO und die daraus erfolgenden schlimmen Probleme.
Aber ich will nicht nur kritisieren, sondern an dieser Stelle auch zwei deutliche Lobe aussprechen: Es gibt in diesem unsäglichen ZDF-Stück auch Zitate von politisch Anständigen: Zunächst Alt-Innenminister Friedrich (CSU), der Maaßen berufen hat (ab ca. 14:00): Hans-Peter Friedrich kommt der Hexerjagd des ZDF nicht einen Millimeter entgegen. Ganz ähnlich verhält sich Alt-BND-Chef Schindler, der zum Ende des Stücks zitiert wird.
Vorher kommt aber gegen 18:30 (die Zuschauerinnen und Zuschauer sind angesichts der zäh-quälenden und auch schlicht sturz-langweiligen Machwerks schon ziemlich erschöpft) der „Höhepunkt“ – die Absetzung von HG Maaßen durch Merkel und Seehofer im Zuge der Chemnitzer-„Hetzjagden“-Affäre.
2018 wird bei ein Chemnitzer mit kubanischer Wurzel bei einem Stadtfest getötet, zwei weitere Chemnitzer werden schwer verletzt – die Täter sind Asylbewerber („Flüchtlinge“) – 2019 wird ein Haupttäter, ein Syrer wegen gemeinschaftlichen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung schuldig befunden. Der andere Täter ist flüchtig und wohl wieder in Regionen (Irak), aus denen er nach Deutschland kam.
In 2018 kam es unmittelbar nach dieser Bluttat nach massiven Großprotesten der Chemnitzer, inklusive heftiger Kritik an der völlig planlosen Asyl‑, Migrations‑, Integrations- und Innere Sicherheitspolitik der Merkelregierung zum Gegenschlag: Das anonyme Twitteraccount „Antifa Zeckenbiss“ veröffentlichte ein Videoschnipsel eines Gerangels am Rand einer Protestdemonstration und setzt den Aufreger-Spin: „Hetzjagden in Chemnitz“ – denn in dem gezeigten Gerangel rennt ein Deutscher am Rande der großen Demo in Chemnitz ein Stück auf einen Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu. Das große Nichts (das ZDF postuliert „Ausschreitung“) ist zu 19:20 noch mal dokumentiert: „Hase, Du bleibst hier“ – ein Wortgefecht und Gerangel – mehr nicht (und natürlich provoziert, wie spätere Recherchen ergeben – siehe den wichtigen Beitrag von Tichys Einblick mit weiteren Hintergründen unten als Quelle).
In der realexistierenden Bundesrepublik macht die Regierung daraus die von Antifa-Zeckenbiss vorgelegten „Hetzjagden“ – Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen widerspricht. Völlig zu Recht: Das „Hase, Du bleibst hier“-Video, das Antifa-Zeckenbiss illegal aus einer geschlossenen Chatgruppe extrahiert hat, zeigt nichts, was auch nur irgendein ernstzunehmender Verantwortlicher als einen Beleg für „Hetzjagden“ werten kann – aber in der Perzeptions-Republik Deutschland reicht natürlich ein medial befeuertes Kollektivgefühl („die Ossis wieder“) – und Hans-Georg Maaßen wird völlig ungerechtfertigt abserviert.
Ein loyaler Beamter wird von der Regierung für die Kaschierung der eigenen Überforderung geopfert.
Damit komme ich zu meinem zweiten großen Lob:
Das ZDF sendet immerhin die klaren Statements des Weg- und vor allem Verantwortungsgefährten von BVS-Präsident Maaßen aus der ersten Hälfte von Merkel III – dem damaligen BND-Chef Gerhard Schindler (ging 2016 regulär in Ruhestand): Schindler sagt die Kernsätze, die so selbstverständlich, wie für das Zweite Diffamierungs Fernsehen Deutschland sicherlich nicht angenehm sind. Ab Minute 21:50: „Dass er (Hans-Georg Maaßen) auf dem Boden des Grundgesetztes steht, ist außer Zweifel“ – dem kann das ZDF nur das wenige Tage später jämmerlich gescheiterte Parteiausschlussverfahren entgegenhalten: Laut Parteiführung verwende er Codes, wo manche offenbar die Empfindung zu haben meinen, dass man die Verwendung solcher Wörter, egal wie der offenkundig widerläufige Zusammenhang auch sein möge, als anti-semitische Anklänge diffamieren kann. Die CDU-Führung hat sich da mutmaßlich auch vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, inspirieren lassen, der zu einer Art medialen Verdacht-Stichwortgeber zu mutieren scheint, der sich zu gefühlt jedem woke-Konflikt äußert, der gerade ansteht (zur causa Rammstein hat sich Felix Klein auch gemeldet, kürzlich spekulierte er über eine Regierungs-Gesinnungsprüfung für Kandidatinnen und Kandidaten von Parteien, die der Regierung, die ihn berufen hat, gefährlich werden können – für mich persönlich eine ganz klar demokratie- und freiheitsgefährende Autokratie-Idee).
Den ganzen verquirlten Wahnsinn dieser Gesinnungs-Verdachts-Logik des ZDF legt Gerhard Schindler dann ganz sauber auf die Bretter (22:15): „finde ich unterirdisch“.
Dass das ZDF nur wenige Tage von dem krachenden Scheitern des CDU-Rauswurf-Versuchs diesen als quasi-Tatsache gegen Schindler im off ins Feld führt: Geschenkt – die Zuschauerinnen und Zuschauer wundern sich an dem Punkt des Beitrags längst über nichts mehr:
Journalistischen Fairness-Standards? Braucht doch ein gebührenfinanzierte Medienanstalt offenbar nicht.
Aber vielleicht fühlten sich die Journalisten auch durch das Verhalten von Landesverfassungschef Thüringen Stephan Kramer ermuntert, dem einzigen echten Kronzeugen der ZDF-Anklage: Der macht etwas, was meines Erachtens sich gegen allen Beamten‑, Kollegen- und Auftrags-Kodex stellt (aber natürlich ein Bürgergrundrecht ist): Er greift Hans-Georg Maaßen politisch an – die O‑Töne von Kramer sind für mich der journalistische und politische Tiefpunkt eines eh schon unterirdischen Diffamierungsstücks – Kramer wird hier zur Belastung für seine Zunft. Ich persönlich kann nur hoffen, dass er den beruflichen Anstand besitzt, seine Position zu räumen, bevor in Thüringen jemand Innenminister wird, der von den gesellschaftlichen Kräften getragen wird, die den Verfassungsschutz und alle anderen Organe der staatlichen Gewalt wieder auf den Kurs des Geist der freiheitlich-demokratischen Grundordnung führen, wo ein Behördenchef nicht als verlängerter Politik-Kommentator der aktuellen Bundes- oder Landesregierung gesehen werden kann.
Übrigens, wenn Sie wissen wollen, was Hans-Georg Maaßen zu den „Vorwürfen“ des ZDF zu sagen hat, spulen Sie einfach bis zum Ende des Beitrags.
Ab 28:25 gibt es auf drei „Fragen“ drei wirklich klare Antworten – ich würde Ihnen nur raten, den Ton abzuschalten – die grässliche ZDF-Untermalung ist an dieser Stelle besonders unerträglich – glücklicherweise ist der Beitrag danach dann auch zu Ende.
Wenn wir uns die ZDF-„Die Spur“-Frage stellen: „Wie kann das sein?“:
Meine Antwort lautet: Es ist vermutlich wirklich nur die pure subventionierte, ideologische Übereifer-Unfähigkeit: Wer hier eine Verschwörung am Werk sieht (zur Selbstdemontage des ÖRR), der sieht auch Hetzjagden in „Hase-Du-bleibst-hier“-Videoschnipseln.
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Quellen:
ZDF-Stück im Original
Verurteilung des Hauptttäters von Chemnitz:
https://www.sueddeutsche.de/politik/chemnitz-urteil-messerattacke‑1.4572001
Recherche bei Tichys Einblick über das Video von Chemnitz:
Vera Lengsfeld — Erstveröffentlichung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de
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