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«Europa hat die Selbst­be­stim­mungs­fä­higkeit ver­loren»: Viktor Orbán in der Schweiz – düstere Nie­der­gangs­pro­gnosen für die EU (+Videos) — Teil 2

Im Zürcher Nobel­hotel Dolder sprach der unga­rische Premier, Viktor Orban, vor einem voll­be­setzten Saal. Die Plätze waren schon weit vor dem Termin aus­ver­kauft. Und es waren nicht irgend­welche Rechte und “Reichs­bürger“, die sich dort ein­fanden. Die Begrüßung durch Roger Köppel dauerte bereits fast sieben Minuten, und seine Gruß­adressen richten sich an öster­rei­chische Natio­nalräte, Diplo­maten, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, Alt­bun­desrat Blocher, sogar Tsche­chiens Ex-Minis­ter­prä­sident Václav Klaus war anwesend. Premier Viktor Orbán sprach — und alle kamen. Sein Thema: Europas Nie­dergang und Zukunft. Schwer­punkt-Thema war die Migration.

Ein Bericht über eine his­to­rische Rede in zwei Teilen

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 Teil 2: 

Nach 1990 kolo­nia­li­sieren die Ame­ri­kaner nicht nur Europa, sondern global 

Die Ame­ri­kaner, erläutert Orbán, ver­suchen seit 1990, durch liberale, pro­gressive (Kampf-)Begriffe die Welt geistig zu kolo­nia­li­sieren. Das lesen wir in der Tages­presse der letzten 30 Jahre. Aber das sei nach hinten los­ge­gangen. Es hat quer durch die Welt Kriege ver­ur­sacht, und die nicht­west­liche Welt sieht die USA immer mehr als Feind.

„Dann wurden auch noch die Chi­nesen in dieses Frei­han­dels­system hin­ein­ge­bracht – und sie wurden viel schneller stark als wir dachten – und heute ist es China, das zum Ver­treter und Führer der vom Westen abge­schreckten und ent­täuschten Länder wurde.“ 

China könne mit diesen Ländern im Verbund gegen die Ame­ri­kaner sehr stark werden und ent­spre­chend auf­treten. Bis heute habe die USA weltweit ständig Posi­tionen ver­loren und tut es noch, und wir Europäer, die wir „uns an Amerika ange­kettet haben“, ver­lieren wichtige Posi­tionen, was ernst­hafte Folgen haben wird, mahnt Viktor Orbán:

„Sie sehen schon, dass es aus­reicht, wenn es irgendwo weltweit einen Kon­flikt gibt, wo vitale Inter­essen der USA  betroffen sind,  — aktuell in Nahost, in der Pazi­fik­region und in anderen Teilen der Welt, dann sind diese andren Teile der Welt plötzlich wich­tiger, als Europa.“ 

Viktor Orban erläutert das an dem Ukraine-Krieg. Was würde pas­sieren, wenn in den USA der poli­tische Kurs wechseln würde? Die Repu­bli­kaner über­nähmen die Regierung, sind nicht mehr an der Ukraine inter­es­siert, beenden das Ganze und ziehen sich zurück. Dann blieben wir Europäer auf diesem immensen, geo­po­li­ti­schen Kon­flikt sitzen. Die Ukraine ist der öst­liche Nachbar der EU, und daher müsse die Euro­päische Union ja eine Lösung finden für diese unmög­liche Situation und die gesamten Finanz­lasten schultern, die eine Berei­nigung der Situation erfor­derlich macht. Europa ist dabei, zu ver­armen. Für so ein Unter­nehmen, sagt Orbán, fehlt Europa das Geld.

Er wolle nur darauf hin­weisen, dass Europa sich an die USA kettet, anstatt eine eigenen Interesse zu ver­treten – und welche Folgen das haben kann und schon hat. Und er weist darauf hin, dass weltweit schon große Umbrüche stattfinden.

Zur poli­ti­schen Führung in der Euro­päi­schen Union

Die Euro­päische Union sei eine eigen­artige Kreatur. Dieses Kon­glo­merat werde poli­tisch von einer Kör­per­schaft ange­führt, die die 27 Staats- und Regie­rungs­chefs der Länder beinhaltet, und der Euro­parat heißt.

„In Wirk­lichkeit sehe ich, dass statt des Rats und den natio­nalen Spit­zen­po­li­tikern, immer mehr Ent­schei­dungen von den Brüs­seler Insti­tu­tionen getroffen werden. Eigentlich ist das kein Problem, denn ohne Insti­tu­tionen gibt es auch kein zivi­li­siertes Leben. Ein großes Problem ist es aber, wen die Insti­tu­tionen nicht die Arbeit ver­richten, die eigentlich ihre Arbeit wäre.“ 

Das sei aber leider so, sagt Viktor Orbán, denn diese Insti­tu­tionen setzen nicht die Ent­schei­dungen der Poli­tiker um, sondern ent­scheiden anstelle der Poli­tiker. Und das, ohne lange zu ana­ly­sieren, wie die euro­päische Struk­turen beschaffen sind. Wer die Tages­presse liest, habe ja den Ein­druck, dass Europa von der Euro­päi­schen Kom­mission, bzw. von der Prä­si­dentin der Kom­mission geführt wird. Sie gebe sich als Füh­rerin Europas, dabei sei sie doch „unsere Ange­stellte, unsere bezahlte Ange­stellte, die den Job hat, unsere Ent­schei­dungen umzusetzen!“

So falle es eigentlich nicht auf, dass Europa eigentlich gar keine Führung hat. Es läuft dann alles rou­ti­ne­mäßig. „Wenn’s aber kracht“, da braucht es eben Spit­zen­po­li­tiker, braucht es Anführer, sagt Viktor Orbán. Ein Spit­zen­po­li­tiker muss auf die ver­än­derten Situa­tionen reagieren können und neue Wege gehen, um Pro­bleme zu lösen und einen bes­seren Kurs ein­zu­schlagen. Das könne keine büro­kra­tische Insti­tution leisten, weil sie nur aus­füh­rendes Organ ist.

„Doch heute fehlen überall die Poli­tiker, und überall sind die Bürokraten“

Darüber hinaus bestehe das Problem auch darin, dass die admi­nis­tra­tiven Insti­tu­tionen von aus den USA impor­tierten, pro­gressiv-libe­ralen Posi­tionen geleitet werden. Statt Poli­tikern sitzen also in den lei­tenden Posi­tionen Büro­kraten, doch von ihrer Welt­an­schauung her sind diese Büro­kraten nicht neutral und machen einfach ihren Job, sondern sie sind enga­gierte Anhänger der liberal-pro­gres­siven, woken Agenda, die aus den USA gekommen ist und Europa besetzt hat. (Anmerkung: Was kein Wunder ist, weil diese Posten mit von den Ame­ri­kanern aus­ge­suchten Per­sonen besetzt werden.)

Wage man in Brüssel zu sagen, dass es einen starken Anführer brauche, kommen gleich negative Ver­ur­tei­lungen, das dürfe man dort über­haupt nicht sagen.

Welche Mög­lich­keiten haben Mit­tel­europa und Ungarn in dieser Situation?

Der unga­rische Pre­mier­mi­nister sieht sein Land in einer beson­deren Rolle. In Ungarn haben die libe­ralen Pro­gres­siven nicht die quasi alleinige Macht. Man habe in Ungarn Plu­ra­lismus, aber keine Hege­monie, und es gebe schon deshalb kein „Koa­li­tons­ge­plänkel“, weil es einen klaren Wäh­ler­willen und ‑auftrag für die christlich-kon­ser­vative Politik Orbáns gibt. Es gebe keine Unruhen in den Straßen, keine Migration, keinen ein­zigen Migranten.

Ungarn habe daher Zeit, über die Zukunft Europas nach­zu­denken, was eine gewisse Ver­ant­wortung mit sich bringe. Wenn wir die Struk­turen betrachten, so würden wir sehen, dass es in Ungarn ein anderes Modell gibt, was die Ungarn selbst als „unga­ri­sches Euro­pa­modell“ betrachten.

„Natürlich wissen wir, wo unsere Platz ist … ein 10 Mil­lionen-Land. Ich pflege zu sagen, wir können inter­es­sante, aber nicht wichtige Dinge sagen. Also, jetzt sagen wir etwas Inter­es­santes. Denn wir haben ein anderes Modell für die Wirt­schafts­ge­sell­schaft erar­beitet, als Brüssel. 

Nur eine kurze Skizze: Zum einen das Wirt­schafts­konzept ‚Welfare state‘ (Wohl­fahrts­staat) akzep­tieren wir nicht. Welfare State bedeutet in West­europa, dass der Staat ein bestimmtes Maß an Wohl­stand garan­tieren muss. Damit sind wir nicht ein­ver­standen. Bei uns gibt es einen ‚Workfare State‘. Zuerst muss man arbeiten. Wenn man arbeitet, dann ist das Ergebnis Wohl­stand. Und nicht anders­herum. Anders­herum geht’s nicht. Eben deshalb wollen wir natürlich auch Wohl­stand für die Jün­geren, das kann aber nicht der Staat garan­tieren, das gehört erwirt­schaftet, erar­beitet. Es braucht dafür Leistung. Und natürlich ist das ein ganz anders­ar­tiges soziales System, viel kälter, viel schroffer, als in West­europa gewohnt. 

Migranten kommen nicht nur deshalb nicht nach Ungarn, weil wir an der Grenze einen Rie­senzaun haben, um sie auf­zu­halten. Allein dieses Jahr sind 270.000 illegale Grenz­über­tritt-Ver­suche von Grenz­sol­daten ver­eitelt worden. Das ist ein Grund. Aber sie kommen auch deshalb nicht, weil sie nicht in Ungarn sein wollen. Unga­rische Gesetze besagen, dass ein Migrant in Ungarn sozial nur das bekommen kann, was ein unga­ri­scher Staats­bürger bekommt – und nachdem bei uns alles an Arbeit gekoppelt ist, ist unsere Anzie­hungs­kraft eher bescheiden. Und in der ‚Workfare Society‘ haben wir noch einen anderen Pfeiler für das unga­rische Modell. Statt durch Migration wollen wir die Her­aus­for­de­rungen der Demo­grafie durch Fami­li­en­po­litik lösen. (…) Ein solcher Pfeiler ist ‚flat Tax‘, also außer­or­dentlich niedrige Steuern, alle zahlen 15%, die, die Kinder haben, noch weniger. Es gibt auch keine Erbschaftssteuer.“

 Statt „Gender“ fördert Ungarn die Familien, in der Ver­fassung steht, dass zu einer Ehe ein Mann und eine Frau gehören und dass der Vater ein Mann ist und die Mutter eine Frau. Außerdem ist Ungarn für aus­län­dische Unter­nehmen sehr attraktiv, denn Ungarn hat die nied­rigste Kör­per­schafts­steuer in ganz Europa, was viele aus­län­dische Inves­toren ins Land holt.

Während die west­liche Welt unter Corona und den Folgen, dem Ukrai­ne­krieg und Inflation leidet, hat Ungarn 2022 einen Inves­ti­ti­ons­rekord ver­zeichnet und Platz 1 Europa belegt. Es gibt Beschäf­ti­gungs­rekord und Export­rekord und auch für 2023 zeichnet sich ein neuer Beschäf­ti­gungs­rekord und Inves­ti­ti­ons­rekord ab. Und das, obwohl die EU das kleine Land mit Sank­tionen über­zieht, weil es nicht der EU gehorcht, wie es soll.

Aus­blick auf eine Post-US-Hegemonie-Ära?

Sein Resümée ist klar und richtig, aber leider uto­pisch – zumindest zurzeit. Eine neue kon­ser­vative Politik muss her, eine neue Frie­dens­ordnung in Europa, denn er sieht kommen, dass die USA sich aus Europa zurück­zieht. Da der Ukrai­ne­krieg für den „Westen“ absehbar ver­loren ist, könnte das sogar in den nächsten Jahren kommen, zumal der Nie­dergang Europas den Kon­tinent für ame­ri­ka­nische Inter­essen weniger inter­essant macht. Europa muss wieder die Kon­trolle über die eigenen Grenzen erlangen. Eine neue Gene­ration tüch­tiger und kon­ser­va­tiver, christ­licher Poli­tiker müsse die Geschicke Europas lenken.

Sein hüb­scher Abschluss-Satz sei hier noch wiedergegeben:

„Meine Damen und Herren, ich möchte noch sagen, dass Ungarn kein schwarzes Schaf , sondern die erste Schwalbe ist. Wir warten auf die anderen.“