Wie schreibt man eine Geschichte, die man noch vor Jahren nicht für möglich gehalten hätte?
Wie macht man Verfolgungseifer und Lust, anderen zu schaden, in ihrer verwaltungsbeamtlichen Ausprägung, die es schon einmal im Extrem gab, nachvollziehbar?
Wie kann man Lesern vermitteln, dass eine wildgewordene Behörde Bürger auf Grundlage einer Phantasie verfolgt, die sich die Mitarbeiter unterschiedlicher Behörden gebildet haben.
Nicht so einfach, wie es scheint.
Zumal die Datenlage, die Grundlage dieses Posts ist, eine Ermittlunsgakte von rund 70 Seiten, etliche Briefe und Anworten, Behördenschreiben und etliches mehr umfasst.
Wie auch immer, fangen wir hinten an.
Einem unserer Leser wurde sein Waffenbesitzschein (Kleiner Waffenschein), der ihn zum Führen von Schreckschuss‑, Gas- und Signalwaffen berechtigt, eine Berechtigung, die er nie in den Kauf einer der entsprechenden Waffen umgesetzt hat, entzogen. Der Kleine Waffenschein hatte, seit er 2004 erteilt wurde, einer Reihe von amtlichen Überprüfungen stand gehalten, aber im Mai 2023 ist er dann gefallen.
Grund: Ein “Reichsbürger-Duktus” und eine Orgie in verwaltungsbeamtlicher Phantasie.
685 Euro will ein Bürgerdienstleister dafür, dass er einen Kleinen Waffenschein widerruft, sich die Mühe gemacht hat, in seiner von Steuerzahlern bezahlten Arbeitszeit eine Dienstleistung für Steuerzahler, die er sich offenkundig doppelt entgelten lassen will, zu erbringen.
Aber hat er sich tatsächlich Mühe gemacht oder lebt er nur eine ganz ureigene Phantasie aus?
Die Begründung, die vorgebracht wird, spricht für Letzteres. Das Ministerium des Innern habe mitgeteilt, dass unser Leser zur Reichsbürgerszene gehöre, was messerscharf daraus geschlossen wird, dass er Wahlunterlagen zurückgeschickt und einen Brief an das Sozialamt der Stadt Troisdorf “im Reichsbürger-Duktus” verfasst habe.
Bringen wir die Wahlunterlagen gleich hinter uns.
Unser Leser hat uns versichert, keinerlei Wahlunterlagen zurückgeschickt zu haben.
Bleibt der “Reichsbürger-Duktus”, der im Brief an das Sozialamt der Stadt Troisdorf enthalten sein soll. Der Brief liegt uns vor. Wir finden darin keinen Reichsbürger-Duktus. Wir finden einiges, was den Routine liebenden und am liebsten Kästchen abhakenden Verwaltungsbeamten in Bewegung und vermutlich ob dieser Bewegung in Rage versetzen kann, aber nichts, was einen “Reichsbürger-Duktus” nahelegt. Indes sind wir natürlich nicht so firm in Reichsbürger wie so mancher Verwaltungsbeamte das zu sein scheint. Besonders im Innenministerium von NRW scheinen in dieser Hinsicht Experten am Werk zu sein, die so voller (eingebildetem) Wissen sind, dass man sich fragen muss, ob nicht sie die Reichsbürger par excellence sind, denn im Reichsbürger-Duktus Kenntnisreiche scheint man außerhalt des Innenministeriums von NRW nicht zu finden.
Indes: Wie kommt ein Brief, der an das Sozialamt der Stadt Troisdorf gerichtet ist, zum Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen?
Gibt es in Deutschland keinen Datenschutz?
Kann ein Sozialamt oder ein Dienstvorgesetzter eines Sozialamts, z.B. ein Bürgermeister, einfach Briefe, deren Inhalt ihm nicht gefallen, an das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen schicken, ohne dass ihn die Europäische Datenschutz-Grundverordnung trifft wie ein fliegender Backstein?
Offenkundig gibt es Ausnahmen von der Grundverordnung.
Ausnahmen im Bereich der Denunziation.
Ausnahmen in Form einer inoffiziellen Mitteilung, denn eine solche muss es sein, da sich in der gesamten Ermittlunsgakte, die ein emsiger Verwaltungsbeamter gegen unseren Leser angelegt hat, KEIN Schreiben an das Sozialamt der Stadt Troisdorf findet, sich überhaupt KEIN Beleg dafür findet, dass unser Leser einen Reichsbürger-Duktus in Schreiben an die Stadt Troisdorf pflegt.
Das Ganze wirkt eher wie eine schäbige Form der Denunziation, wie sie in 1000 Jahren so häufig anzutreffen ist.
Und wie das bei Verwaltungsbeamten, die sich in Rage schreiben, erst Weichen stellen, dann ganze Güterzüge in Bewegung setzen, nun einmal so ist, so entwickelt auch unser Verwaltungsbeamter vom Polizeipräsidium Bonn eine ganz eigene Realität.
Unser Leser, so maßt sich dieser Mausschubser die Einschätzung an, sei “waffenrechtlich unzuverlässig”. Er sei “waffenrechtlich unzuverlässig”, weil er aufgrund der oben angeführten Erkenntnisse als Reichsbürger eingestuft werde. Die Erkenntnis, die oben angeführt sind, sind eine ministeriale Mitteilung, in der unserem Leser ein Reichsbürger-Duktus in einem Schreiben an das Sozialamt der Stadt Troisdorf, von dem nach wie vor unbekannt ist, wie es unter Wahrung der Datenschutz-Grundverordnung ins Ministerium gelangen konnte, vorgeworfen wird und behauptet wird, er habe Wahlunterlagen zurückgeschickt, was unser Leser nach wie vor bestreitet.
Weder der Brief an das Sozialamt, noch die angeblich zurückgeschickten Wahlunterlagen liegen dem emsigen Sachbearbeiter des Polizeipräsidiums vor. Aber das macht nichts, denn in seiner Phantasie ist aus dem Reichsbürger-Duktus, die Einstufung unseres Lesers als “Reichsbürger” geworden. Nicht nur ein klassischer Fehlschluss der Bejahung des Konsequens, auch eine Überhöhung des Subjektiven, wie man sie nur in faschistischen Regimen oder im Irrenhaus findet. In beiden Anstalten gilt das Diktat des Subjektiven, wie es gerade vorgegeben wird, entweder von der Parteiführung oder vom Irren selbst.
Noch einmal die Kette der “Beweisführung”.
- Unser Leser schreibt einen Brief an das Sozialamt der Stadt Troisdorf.
- Irgend ein kleiner Denunziant interpretiert das Geschriebene als Reichsbürger-Duktus.
- Irgendwie und unter Umgehung des Datenschutzes findet die Behauptung, unser Leser habe einen “Reichsbürger-Duktus”, ihren Weg zum Innenministerium in Nordrhein-Westfalen.
- Von dort wird eine Mitteilung zum “Reichsbürger-Duktus” unseres Lesers an das Polizeipräsidium in Bonn geschickt.
- Dort sitzen Personen, die keinerlei Kenntnisse in Logik zu haben scheinen, Leute, die einen von Dritten aninterpretierten Duktus als eindeutiges Zeichen einer Reichsbürgerschaft erkennen können und damit nicht genug, dem so Eingestuften gleich noch – ohne auch nur die Spur einer entsprechenden Kenntnis zu haben – entsprechende “Reichsbürger-Eigenschaften” zuzuschreiben.
Diese Reichsbürger-Eigenschaften sind nun das erste, das man intersubjektiv prüfen kann:
- Reichsbürger lehnen das politische System Deutschlands ab,
- Reichsbürger sprechen den gewählten politischen Repräsentanten Deutschlands die Legitimation ab,
- Reichsbürger definieren sich als außerhalb der Rechtsordnung stehend.
Nichts davon findet sich im Schreiben an das Sozialamt, das unser Leser verfasst hat. Und in den zurückgeschickten Wahlunterlagen kann sich auch nichts davon finden, das ist schon deshalb der Fall, weil es keine zurückgeschickten Wahlunterlagen gibt. Der Sachbearbeiter, der unserem Leser den Kleinen Waffenschein entziehen will, stützt sich auf Schreiben, die ihm nicht vorliegen, Schreiben, deren Inhalt er vom Hörensagen kennt, Schreiben, deren Inhalt kolportiert wird, von Personen, die unserem Leser nicht wohlgesonnen sind. Eine deratige Kette der Bösartigkeit genügt, um in Deutschland von Verwaltungsbeamten verfolgt zu werden.
Das gab es schon einmal.
Auf Seite vier seines Schreibens hat sich unser Verwaltungsbeamter dann vollständig in Rage geschrieben. Die Reichsbürgerschaft unseres Lesers, die mit nichts belegt ist, gilt ihm mittlerweile als sicher. Dass unser Leser die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verleugnet, was er im Schreiben, auf das sich der Verwaltungsbeamte angeblich stützt, definitiv nicht getan hat, gilt ihm als sicher. Besonders interessant ist die Sicherheit, die über die “Reichsbürgerschaft” besteht, bei einem Beamten, der eine Seite zuvor ausgeführt hat, dass es “die Reichsbürger” eigentlich gar nicht gibt, dass sie eine heterogene Masse darstellten, deren Mitglieder über irgendwelche Ideen verbunden seien, vermutlich die Ideen, die Leute im Innenministerium oder in der Stadtverwaltung Troisdorf dann als “Reichsbürger-Duktus” bezeichnen, ein reines Hirngespinnst derer, die der Einordnung Anderer als Reichsbürger offenkundig emotionale Höhepunkte entnehmen können.
In Deutsch: Wenn irgend ein Hanswurst in einer Verwaltung einem Bürger, den er nicht mag, einen Reichsbürger-Duktus unterstellt, diese Unterstellung über das Innenministerium an ein Polizeipräsidium lanciert, dann reicht diese Unterstellung, damit ein dort Beschäftigter sich in Phantasien ergeht, die man nicht mehr als normal bezeichnen kann, Phantasien, die in die Feststellung münden, dass jemand, dem nachgesagt wird, Reichsbürger zu unterstützen, also die Reichsbürger, die es als feste Organisation nach den Worten desselben Beamten gar nicht gibt, jemand, der auch nicht an entsprechenden reichsbürgerlichen Handlungen “aktiv-kämpferisch” teilnimmt, der also keinerlei Verhalten gezeigt hat, das ihn als Reichsbürger oder deren Sympathiesanten ausweisen würde, dennoch ein Reichsbürger ist, weil er nämlich einen Brief geschrieben hat, in dem ein anonymer Denunziant einen Reichsbürger-Duktus erkannt haben will. Eine Denunziation, die unser beflissener Beamter nicht prüft, nicht prüfen kann, denn ihm liegt das Schreiben nicht vor.
Das Ende dieser Verwaltungsorgie in Böswilligkeit ist die Unterstellung, dass unser Leser die Waffen, die er aufgrund seines kleinen Waffenscheins führen darf, aber nie besessen hat, missbräuchlich verwendet.
So einfach ist es, in der Phantasie entsprechend ideologisch Verblödeter zum Massenmörder zu werden. Hysterie war früher ein Grund, in eine geschlossene Anstalt eingewiesen zu werden, heute ist es offenkundig eine Voraussetzung, um im Staatsdienst zu enden.
Man könnte nun spekulieren, welche Eigenschaften des Verwaltungsbeamten sein Schreiben nahelegt, nein, man muss nicht spekulieren, die Sozialpsychologie ist voller Hinweise, die angewendet werden können. Und egal, aus welcher Ecke der Sozialpsychologie man kommt, immer wird man bei der Erkenntnis landen, es mit einer autoritären, einer obrigkeitshörigen, zu keiner eigenen Einschätzung bereiten oder fähigen Persönlichkeit zu tun zu haben. Jemand, der nur seine Pflicht oder Befehle ausführt. Auch Mitglieder in Erschießungskommandos haben nur ihre Pflicht oder Befehle ausgeführt.
Das ist eine Analogie, keine Äquivalenz.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei sciencefiles.org
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