Vor einigen Tagen strahlte Arte einen wunderbaren Film über Sting aus und Katja Riemann erklärte, warum die Deutschen so schrecklich sind, dass sie es unter ihnen alleine unmöglich aushalten könne. Was hat es mit unseren Künstlern auf sich und wird an ihnen womöglich das Grundproblem der westlichen Welt wie durch ein Brennglas sichtbar?
Sting – was für ein wunderbarer Musiker und Mann!
Was für ein wunderbarer Musiker und Mann! Unglaublich faszinierend. Ich liebe seine Musik. Egal, was er musikalisch anpackt, es wird immer gut, immer interessant, immer besonders. Stets unterwegs zu neuen musikalischen Ufern. Toll!
Was mir aber während des Films wieder deutlich wurde und das passt auch sehr gut zu dem Katja Riemann-Video von gestern: Dass er (und sie sowieso) manche Dinge, obschon er wirklich sehr intelligent, klug und weise ist, einfach nicht versteht. Aber das ist nicht seine Schuld und nicht die ihre. Wessen Schuld sonst?
Schuld am Niedergang des Westens sind die Intellektuellen, vor allem die Philosophen
Schuld ist meine Zunft. Schuld sind die Philosophen. Inwiefern? Weil wir die letzten Jahrzehnte furchtbar schlechte Philosophen hatten, oft aus dem Bereich der Soziologie (Sartre, Horkheimer, Adorno, Habermas …), bei denen ich mir manchmal gar nicht sicher bin, ob es sich wirklich um Philosophen handelt oder nicht eher um Soziologen mit philosophischem Anstrich, Personen die einerseits mehr Machtmenschen waren denn Wahrheitsliebhaber und die zum anderen tief traumatisiert waren von den fürchterlichen Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der unfassbaren NS-Verbrechen. In der Folge entwickelten sie völlig falsche Menschen- und Weltbilder sowie gesellschaftlichen Theorien, die geprägt waren aus ihren Traumata, welche wir endlich überwinden müssen. Hitler und seine Schergen halten uns noch immer gefangen und wir müssen uns endlich von ihnen befreien!
Künstler sind keine Denker
Durchschnittliche Menschen, auch Künstler, die über besondere künstlerische Begabungen verfügen – so wie Sting in ganz besonderem Maße – sind nicht in der Lage, große Gedanken zu entwickeln, das große Ganze zu sehen und vor allem in all seiner Komplexität zu verstehen. Aber die meisten Menschen haben doch ein Gespür dafür, wenn jemand etwas Richtiges sagt. Sie erkennen nicht immer, aber doch meist, wenn sie etwas Kluges, Wertvolles oder Richtiges hören, sofern es nicht zu weit von ihrem bisherigen Denken weg ist. Und Künstler sind meist mehr mit ihrer Innenwelt beschäftigt, versuchen, diese mit ihrer jeweiligen Kunst zu verarbeiten. Sie nehmen aber die Gedanken ihrer Zeit auf und vervielfachen diese, so dass ihnen eine sehr wichtige Funktion zukommt.
Entscheidend sind die Philosophen
Auch Einzelwissenschaftler sind nur bedingt fähig, das große Ganze zu sehen, zu verstehen und deuten zu können. Sie sind immer spezialisiert auf einen winzig kleinen Bereich, der noch dazu immer noch kleiner wird. Entscheidend sind die Philosophen. Sind die schlecht, wird nach unten hin auch das gesamte Gedankengebäude schlecht, da alle anderen – jeder auf seiner geistigen Stufe, die ihm gerade noch zugänglich ist – diese Ideen übernimmt. Die Menschen denken das in vereinfachter Form, was ihre überragenden Denker, die sich durchsetzen konnten, 20, 30, eher 50, 100 oder 200 Jahre zuvor dachten. Beispiel: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Dies ist eine Trivialisierung von David Hume, 18. Jahrhundert, die wahrscheinlich noch dazu falsch ist.
Deswegen ist übrigens auch Deutschland noch immer überragend, wenngleich dies immer mehr nachlässt. Weil es vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert die mit Abstand besten Denker der Welt hatte. Davon zehren wir noch immer.
Wir brauchen wieder erstklassige Denker und erstklassige kluge Vermittler
Was wir also brauchen, sind a) neue gute Denker von höchstem Rang und b) Vermittler, die das auf Stufe 15 Gedachte schrittweise nach unten weiter vermitteln. Hierbei kommt den Künstlern und Journalisten eine zweite Schlüsselfunktion zu, weil sie das auf Stufe 15, 14 und 13 Gedachte weiter nach unten brechen in den gehobenen mittleren Bereich, wo es die Lehrer aufnehmen und an die Kinder weitergeben usw. bis es irgendwann die gesamte Gesellschaft durchdringt.
Unsere gehobene Mittelschicht (geistiges Level ca. 8 bis 12), die die meisten Schlüsselpositionen der Gesellschaft inne hat, ist versaut von den schlechten Philosophen, die oft mehr Ideologen als Denker waren, und hat vor allem den Bezug zur Realität verloren. Die Menschen in der Mittel- und auch der Unterschicht spüren das, sind weniger von diesen falschen Gedanken beeinflusst, sind aber nicht in den Schlüsselpositionen und verfügen nicht über die geistige Kapazität, das der intellektuell gehobenen Mittelschicht dezidiert erklären zu können. Sie spüren es aber und sie haben Recht. Und die Hochintelligenten (Stufe 13 bis 15) haben sich meist zurückgezogen in ihre eigene Welt, siehe Sloterdijk (Stufe 15). Melden sie sich dann doch mal zu Wort, werden sie von den Feuilletonisten und Möchte-gern-Intellektuellen (Münkler und Konsorten) niedergemacht. Was ist zu also tun?
Die geistige Abkapselung muss aufgebrochen werden
Die Spitze muss sich mehr einmischen. Safranski und Sieferle melden sich ja zumindest ein klein wenig zu Wort, Letzterer aber quasi erst aus dem Grab heraus. Wir brauchen vor allem wieder überragende Denker, die überragende Gedanken entwickeln und diese nach unten weitergeben. Und wir brauchen exzellente Vermittler. Außerdem müssen wir wieder eine Kultur entwickeln, dass die Mitte und die unten alles Höhere besonders wertschätzen und nicht gering reden. Wir brauchen Qualität in sämtlichen Bereichen: geistig, künstlerisch, politisch, ökonomisch, handwerklich und vor allem ethisch. Und wir brauchen mehr Solidarität. Alle müssen sich als Mannschaft verstehen mit unterschiedlichen Aufgaben und Positionen. Der Torhüter muss keinen Kopfball können.
Sting und Riemann können nur bedingt etwas dazu, dass sie trotz ihrer Klugheit und ihres Talents an manchen Stellen so wenig verstehen. Sie sind Kinder ihrer Zeit und haben die Gedanken aufgenommen, die eben überall um sie herumschwirrten. Das machen Künstler fast immer. Andere müssen ihnen und all den anderen helfen, ihr Menschen- und Weltbild zu modifizieren, wenngleich die nichts modifizieren wollen, weil sie vollkommen von sich überzeugt und sich selbst gegenüber vollkommen kritikunfähig geworden sind. Das ist das größte Problem von allen: diese geistige Abkapselung. Diese gilt es aufzubrechen.
Der Schmerz wird unumgänglich sein
Das wird nicht ohne Schmerz vonstatten gehen. Den müssen wir diesen geistig Verkapselten zufügen, wenn wir unsere Kultur und unseren Kontinent retten wollen. Diese Verletzungen geschehen aber nicht um der Verletzung willen, sondern weil es sein muss, um diese fehlerhaften Muster zu zerbrechen, letztlich also zum Guten.
Ein Beitrag vom hervorragenden Blog von Jürgen Fritz — juergenfritz.com
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