Das dubiose “Gold-Visa”-Geschäft der EU mit zwie­lich­tigen Reichen aus Ländern mit zwei­fel­haftem Ruf

Gebt den „Goldvisa“ den gol­denen Schuss! Während z.B. von Isla­misten ver­folgte Christen aus dem Irak um ihren Auf­ent­halts­status bangen müssen, ver­geben EU-Staaten sündhaft teure Visa an zwie­lichtige Reiche aus Ländern mit zwei­fel­haftem Ruf. Das Geschäft lohnt sich. Aber es muss aufhören!

(Von Wolf Wiegand)
Halb­seidene Wohl­ha­bende und gesottene Gangster aus aller Welt haben in der Euro­päi­schen Union (EU) so etwas wie Nar­ren­freiheit. Sie erwerben einfach für viel Geld ein soge­nanntes „Gold­visum“ zur Ein­reise in ein EU-Land und sichern sich damit – schwupps – die nor­ma­ler­weise kaum erreichbare jeweilige Staats­bür­ger­schaft inklusive Nie­der­las­sungs- wie Wohnrecht.
Das gehe wirklich zu weit, moniert jetzt die Abge­ordnete Sophie in ’t Veld für die liberale Fraktion im Euro­päi­schen Par­lament: „Goldvisa sind unfair und ein Ein­fallstor für Kri­mi­nelle!“ Auch die weltweit aktive Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sation Trans­pa­rency Inter­na­tional warnt: „Die Goldvisa stellen für Europa eine erheb­liche Kor­rup­ti­ons­gefahr dar.“ Euro­päische Länder ver­kauften den Zugang zur kon­troll­be­freiten Schengen-Zone „ohne merk­liche Über­prüfung, Trans­parenz oder ange­messene Sorgfalt.“
Erfunden wurde der gold­werte Handel mit Visa vor gut dreißig Jahren in der son­nigen Karibik. Doch inzwi­schen ist den Angaben zufolge fast jeder zweite EU-Staat in diese frag­wür­digen Deals ver­wi­ckelt. Genannt werden Belgien, Bul­garien, Zypern, Grie­chenland, Groß­bri­tannien, Lettland, Litauen, Malta, Öster­reich, Por­tugal und Spanien sowie die an das Schengen-Abkommen gekop­pelten Länder Schweiz und Monaco.
Mit­ar­beiter des nicht­kom­mer­zi­ellen Inves­ti­ga­tiv­zen­trums Crime and Cor­ruption Reporting Project (OCCRP) haben bei mona­te­langen Recherchen erfahren müssen, dass alle Goldvisa-Pro­gramme von Geheim­nis­krä­merei umgeben sind. Die Namen der Per­sonen, die sich in die EU ein­kaufen, bleiben unge­nannt. „Das ver­schafft tätigen und ehe­ma­ligen Poli­tikern die Chance, einer Anklage zu ent­gehen und illegal Ver­mögen über Grenzen zu schieben.“
Auf Malta, so ist bekannt, gehören schwer­reiche Russen und Ukrainer zu den Antrag­stellern. Die im vorigen Herbst auf der Insel ermordete Jour­na­listin Daphne Galizia Caruana hatte genau dieses Thema im Visier. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
• Wie lukrativ das Geschäft ist, zeigt sich beim Insel­staat Zypern. Er zog laut ZEIT allein 2016 aus dem Verkauf von Pässen rund vier Mil­li­arden Euro. Der Tou­rismus habe im gleichen Zeitraum nur 2,5 Mil­li­arden Euro abgeworfen.
• In Lettland sind laut eigener Sta­tistik im besten Geschäftsjahr 2014 rund 6.000 Anträge bear­beitet worden. Damit wurden vor allem Russen, aber auch Chi­nesen, Ukrainer, Kasachen und Usbeker über Nacht Staats­bürger des kleinen Baltenstaates.
• Beim EU-Bei­tritts­kan­di­daten Mon­te­negro sollen ein ehe­ma­liger Premier aus Thailand und ein Ex-Sicher­heitschef aus Palästina ein­ge­bürgert worden sein.
Geworben wird für das dunkle Geschäft ganz offen im Hellen. So stößt man nach kurzem Googlen auf die Website goldenvisas.com, die nach eigenen Angaben Kunden aus über 60 Ländern betreut. „Resi­dency by investment“ (Wohn­recht gegen Investment) heißt das Pro­gramm im Namen der fünf EU-Länder Por­tugal, Spanien, Grie­chenland, Zypern und Malta. „Wir machen das, was wie eine teure und schwierige Option aus­sieht, erschwinglich und frei von Kom­pli­ka­tionen… Wir ver­stehen Ihre Gründe und haben die beste Lösung für Ihre Lage.“
Tat­sächlich – und das ist der Skandal – tun die betei­ligten Länder nichts Ille­gales. Doch die ethisch-mora­lische Frage stellt sich wohl. Denn mit dem Verkauf einer Staats­bür­ger­schaft vergibt ein Land seinen viel­leicht wert­vollsten Besitz an womöglich windige oder satu­rierte Per­sonen. Zugleich wissen echte schutz­be­dürftige Flücht­linge aus Kriegs­ge­bieten womöglich jah­relang nicht, wie es mit ihnen weitergeht.
Nur ein Land unter den Ausweis-Dealern hat bislang kalte Füße bekommen: Ungarn. Das Land des EU-Abweichlers Victor Orbán hat sein Gold­visum-Pro­gramm 2017 nach hef­tiger Kritik am Ver­kaufs­system abge­brochen. Bis dahin – so die OCCRP-Experten – habe die Ein­tritts­karte via Budapest in die EU bis zu 300.000 Euro gekostet. Auf­gebaut hatte die Gold­grube sieben Jahre zuvor ein spä­terer Kabi­nettschef Orbáns.
Das EU-Par­lament hat jetzt über Goldvisa debat­tiert. Die Libe­ralen ver­langten dabei „Trans­parenz“. Die Goldvisa hätten weit­reiche Aus­wir­kungen für Europas Sicherheit und den Rechts­staat. Es gehe unter anderem um „dubiose Aktionen aus­län­di­scher Olig­archen, die sich inter­na­tio­nalen Fahn­dungen entziehen.“
Den EU-Abge­ord­neten lag ein Arbeits­papier vor. Darin heißt es, das Euro­päische Par­lament habe bereits früher sein „Unbe­hagen“ zum Aus­druck geracht und die Besorgnis geäußert, dass „nationale Pro­gramme, die den direkten oder unver­hoh­lenen Verkauf der Uni­ons­bür­ger­schaft mit sich bringen, die Idee der Uni­ons­bür­ger­schaft an sich unter­graben.“ Das war bereits im Jahre 2014.
Geschehen ist seitdem nichts. Und das ist auch kein Wunder, unter­liegt die Erteilung von Goldvisa doch natio­nalen Gesetzen, in die sich die EU nicht ein­mi­schen darf. Es besteht also derzeit wenig Hoffnung, dass jemand den Goldvisa einen „gol­denen Schuss“ ver­passt – und es war wohl ein Mene­tekel, dass die Debatte im Euro­päi­schen Par­lament wegen Feu­er­alarms früh­zeitig abge­brochen werden musste.
 


Wolf Wiegand für TheEuropean.de