EU kann US-Sank­tionen gegen Iran nicht neutralisieren

von Soeren Kern / Gatestone Institue

  • “Jeder, der mit dem Iran Geschäfte macht, wird KEINE Geschäfte mit den Ver­ei­nigten Staaten machen”, so US-Prä­sident Donald J. Trump.
  • “Die EU ver­langt von ihren größten Kon­zernen, für ein paar Krümel mehr den gesamten Kuchen zu ris­kieren”, kom­men­tiert der Brüs­seler ARD-Kor­re­spondent Samuel Jackisch.
  • “Die Strafen belaufen sich heut­zutage auf etliche Mil­li­arden, darum ist es das nicht wert, ein solches Risiko ein­zu­gehen wegen ein paar klei­nerer Geschäfte oder um euro­päische Regie­rungen glücklich zu machen”, zitiert Reuters einen Investmentbanker.

Die Euro­päische Union hat neue Erlasse ange­kündigt, mit denen sie euro­päische Unter­nehmen vor den Aus­wir­kungen der US-Sank­tionen gegen den Iran schützen will. Die Maß­nahmen wurden von euro­päi­schen Wirt­schafts­kom­men­ta­toren skep­tisch auf­ge­nommen und werden kaum Erfolg haben: Von euro­päi­schen Firmen wird nämlich erwartet, ihre Geschäfts­in­ter­essen auf dem US-Markt aufs Spiel zu setzen, nur um weiter auf dem viel klei­neren ira­ni­schen Markt präsent zu sein.
Das soge­nannte “Blo­cking-Statut” trat am 7. August in Kraft, dem­selben Tag, an dem auch die erste Runde von US-Sank­tionen gegen den Iran offi­ziell wie­der­ein­ge­setzt wurde.
Diese Sank­tionen richten sich gegen den Ankauf von US-Dollar durch den Iran – die wich­tigste Währung für inter­na­tionale Finanz­trans­ak­tionen und den Ölmarkt –, ebenso wie gegen die Auto‑, Flugzeug‑, Kohle‑, Indus­trie­software- und Metall­branche. Eine zweite, wesentlich hef­tigere Runde von Sank­tionen, die auf Irans Ölex­porte zielt, wird am 5. November in Kraft treten.
Diese Maß­nahmen kommen im Zuge der von US-Prä­sident Donald J. Trump am 8. Mai getrof­fenen Ent­scheidung, sich aus dem 2015 von der Obama-Regierung aus­ge­han­delten Atom­ab­kommen mit dem Iran (Joint Com­pre­hensive Plan of Action, JCPOA) zurück­zu­ziehen. Im Gegenzug für ein Ein­frieren des Atom­pro­gramms hatte Obama die Sank­tionen aufgehoben.
Die Trump-Admi­nis­tration sagte, der unter Obama aus­ge­han­delte Deal sei unzu­rei­chend, um das ira­nische Atom­waf­fen­pro­gramm ein­zu­dämmen – geschweige denn das Pro­gramm zur Ent­wicklung und Her­stellung bal­lis­ti­scher Raketen sowie Irans schäd­liches Handeln im Nahen Osten und darüber hinaus.
Die wieder ein­ge­setzten US-Sank­tionen betreffen nicht nur ame­ri­ka­nische Bürger und Unter­nehmen, sondern auch Per­sonen und Firmen von außerhalb der USA. Das juris­tische Konzept der Extra­ter­ri­to­ri­a­lität besagt, dass auch jede aus­wärtige Firma sich an ame­ri­ka­nische Sank­tionen zu halten hat, sofern sie für Trans­ak­tionen den US-Dollar benutzt, ame­ri­ka­nische Toch­ter­un­ter­nehmen hat oder von Ame­ri­kanern kon­trol­liert wird.
In einer Pres­se­er­klärung vom 6. August sagte Trump:
“Die Ver­ei­nigten Staaten bekennen sich ganz und gar zur Durch­setzung all unserer Sank­tionen, und wir werden eng mit Nationen zusam­men­ar­beiten, die mit dem Iran Geschäfte machen, um die voll­ständige Beachtung sicher­zu­stellen. Indi­viduen oder Enti­täten, die ihre Akti­vi­täten mit dem Iran nicht zurück­fahren, ris­kieren ernste Konsequenzen.”
In einem Tweet vom 7. August wie­der­holte Trump diese Drohung:
“Die Iran-Sank­tionen sind offi­ziell ver­ab­schiedet. Es sind die schmerz­haf­testen Sank­tionen, die je ver­hängt worden sind, und im November werden sie noch einmal auf eine höhere Stufe geschraubt. Jeder, der mit dem Iran Geschäfte macht, wird KEINE Geschäfte mit den Ver­ei­nigten Staaten machen.”
In einer gemein­samen Erklärung gaben die EU-Außen­be­auf­tragte Federica Mog­herini und die Außen­mi­nister Frank­reichs, Deutsch­lands und Groß­bri­tan­niens offen zu, dass es der EU bei dem Iran-Deal allein ums Geld geht und ver­sprachen, euro­päische Firmen vor Strafen aus den USA zu beschützen:
“Wir sind ent­schlossen, die wirt­schaft­lichen Akteure Europas, die legitime Geschäfte mit dem Iran betreiben, im Ein­klang mit EU-Recht und der Reso­lution 2231 des UN-Sicher­heitsrats zu schützen. Darum wird am 7. August das aktua­li­sierte Blo­cking-Statut in Kraft treten, um EU-Unter­nehmen, die legitime Geschäfte mit dem Iran betreiben, vor den Folgen der extra­ter­ri­to­rialen Sank­tionen der USA zu schützen.”
“Die ver­blei­benden Par­teien des JCPOA haben sich ver­pflichtet, unter anderem an der Bei­be­haltung und Pflege effi­zi­enter Finanz­kanäle mit dem Iran sowie der Fort­setzung der ira­ni­schen Öl- und Gas­ex­porte zu arbeiten. Unsere Arbeit hieran wie auch an anderen Themen geht weiter und bezieht auch Dritt­länder [China und Russland] mit ein, die daran inter­es­siert sind, das JCPOA zu unter­stützen und Wirt­schafts­be­zie­hungen zum Iran beizubehalten.”
Das Blo­cking-Statut, das von der EU ursprünglich 1996 ein­ge­führt wurde, um euro­päi­schen Unter­nehmen zu helfen, US-Sank­tionen gegen Kuba zu umgehen, wurde 2018 aktua­li­siert, um auch die erneut ver­hängten US-Sank­tionen gegen den Iran zu erfassen. In dem mit EU-Jargon bela­denen Dokument heißt es:
“Durch die Blo­cking-Ver­ordnung erhalten EU-Wirt­schafts­teil­nehmer die Mög­lichkeit, für Schäden, die ihnen aus der Anwendung von durch die Ver­ordnung erfassten extra­ter­ri­to­rialen Sank­tionen ent­stehen, von den natür­lichen oder juris­ti­schen Per­sonen oder Stellen, die sie ver­ur­sachen, Scha­den­ersatz zu ver­langen. Außerdem werden Urteile aus­län­di­scher Gerichte, die zur Durch­setzung der Sank­tionen ver­hängt werden, in der EU nicht aner­kannt. Ferner untersagt die Ver­ordnung Per­sonen aus der EU, sich an diese Sank­tionen zu halten, es sei denn, die Kom­mission hat dies aus­nahms­weise in Fällen genehmigt, in denen durch die Nicht­ein­haltung die Inter­essen dieser Per­sonen oder der Union schwer geschädigt würden.”
Mit anderen Worten: Die EU ver­bietet es EU-Bürgern und ‑Firmen, sich US-Sank­tionen zu beugen und auto­ri­siert EU-Firmen, die von US-Sank­tionen betroffen sind, die US-Regierung vor euro­päi­schen Gerichten auf Scha­den­ersatz zu verklagen.
Zusätzlich laufen euro­päische Unter­nehmen, die sich ohne Geneh­migung der Euro­päi­schen Kom­mission aus dem Iran zurück­ziehen, Gefahr, von EU-Mit­glieds­staaten ver­klagt zu werden.
Viele euro­päische Kom­men­ta­toren glauben nicht, dass der EU-Plan funk­tio­nieren wird, vor allem nicht für mul­ti­na­tionale euro­päische Kon­zerne, die Geschäfts­in­ter­essen in den Ver­ei­nigten Staaten haben.
Die Lon­doner Financial Times schreibt:
“Diplo­maten und Juristen haben ernst­hafte Zweifel, was die Fähigkeit der EU betrifft, euro­päische Geschäfte im Iran vor den US-Maß­nahmen zu schützen.”
“Das Blo­cking-Statut, das zuerst 1996 erar­beitet wurde, ist bislang kaum erprobt. Ein hoch­ran­giger EU-Offi­zi­eller sagte, es gebe für Richter in den EU-Mit­glieds­ländern kaum juris­tische Prä­ze­denz­fälle, um von Dritt­ländern wie den USA Scha­den­ersatz zu ver­langen, falls Firmen Klagen ein­reichen.
Die fran­zö­sische Tages­zeitung Le Figaro schreibt, die Antwort der Euro­päi­schen Kom­mission auf die US-Sank­tionen sei “hastig” und im Wesent­lichen eine “poli­tische Geste”.
Le Monde beschreibt die EU-Maß­nahme als ein “poli­ti­sches Signal an das ira­nische Regime, das von den Euro­päern Zeichen der Unter­stützung für das Atom­ab­kommen ver­langt hat”.
L’Ex­press merkt an:
“Wenn ein Unter­nehmen in dem großen US-Markt und dem kleinen ira­ni­schen Markt aktiv ist, pro­fi­tiert es nicht besonders davon, dass seine Akti­vi­täten in Europa und dem Iran geschützt sind, nicht aber in den Ver­ei­nigten Staaten.”
Der öffent­liche Rund­funk­sender Radio Frank­reich Inter­na­tionale (RFI) glaubt, die Kon­se­quenzen des Blo­cking-Statuts seien “eher sym­bo­li­scher als öko­no­mi­scher Natur”. RFI fügt hinzu:
“Das Gesetz nützt eher kleinen und mit­tel­stän­di­schen Unter­nehmen, die im Iran aktiv sind. Für große Unter­nehmen liegt die Lösung darin, mit den Ver­ei­nigten Staaten Aus­nah­me­ge­neh­mi­gungen aus­zu­handeln. Doch ent­spre­chende For­de­rungen von­seiten Frank­reichs, Deutsch­lands und Groß­bri­tan­niens wurden von Washington bereits zurückgewiesen.”
La Croix schreibt:
“Man kann sagen, dass die Durch­setzung des Blo­cking-Gesetzes sehr hypo­the­tisch bleibt, da es in unsi­cheres juris­ti­sches Gelände führt.”
“Unter­nehmen, die im Iran inves­tieren, scheinen nicht sehr an die Effek­ti­vität des Regel­werks zu glauben. Der Ölkonzern Total, die Ree­derei Maersk oder der Auto­her­steller Peugeot haben bereits ent­schieden, den Iran zu ver­lassen. Der deutsche Daimler-Konzern kün­digte gestern seinen Rückzug an. Diese Firmen haben mehr Angst vor der Fähigkeit der USA, Sank­tionen durch­zu­setzen, als vor dem Zorn der EU.”
In Deutschland ver­öf­fent­lichte die ARD einen Mei­nungs­beitrag des Brüs­seler Kor­re­spon­denten Samuel Jackisch mit dem Titel “Gut gebrüllt, Papier­tiger – EU wehrlos gegen US-Sank­tionen”. Die neue EU-Politik, so Jackisch, sei “logisch, aber weit­gehend sinnlos” und ein Versuch der EU-Außen­be­auf­tragten Federica Mog­herini, ihr “poli­ti­sches Erbe zu ver­tei­digen”. Er fügte hinzu:
“Die EU kann sich und ihre trans­at­lan­ti­schen Bezie­hungen zwar auf den Kopf stellen, am Ende sitzen die USA trotzdem am län­geren Hebel.”
“Das Geschäft deut­scher Export­in­dustrie mit dem Iran mag mit rund drei Mil­li­arden Euro nicht gerade klein sein. In die USA expor­tieren die­selben Unter­nehmen aber unterm Strich das 35-Fache. Die EU ver­langt von ihren größten Kon­zernen, für ein paar Krümel mehr den gesamten Kuchen zu riskieren.”
Das ZDF kom­men­tiert:
“Bleibt die eigen­tüm­liche Kon­struktion der Ver­ordnung: Gewöhnlich ver­bieten Ver­ord­nungen und Gesetze etwas. Bei­spiels­weise ver­bietet ein Anti-Dumping-Gesetz, dass Unter­nehmen Preis­dumping betreiben, um Kon­kur­renten aus dem Markt zu drängen. Das EU-Abwehr­gesetz aber wäre eine Hand­lungs­auf­for­derung: Betreibe mit dem Iran Handel und lass’ dich nicht von Ver­boten des US-Prä­si­denten davon abbringen!”
Die West­deutsche All­ge­meine Zeitung zitiert den Vor­sit­zenden der Deut­schen Industrie- und Han­dels­kammer (DIHK), Martin von Wans­leben, der die EU-Maß­nahme als eine “hilflose poli­tische Reaktion” beschreibt. Den Zweck sieht er darin, zu zeigen, dass die EU sich nicht US-Sank­tionen unter­werfe. Für ein­zelne Unter­nehmen sei die Blo­cking-Ver­ordnung “ohne Relevanz”.
Der öster­rei­chische Standard schreibt:
“Doch die Blo­cking-Ver­ordnung ist nicht das effektive Gegen­mittel zu US-Sank­tionen, wie das his­to­rische Bei­spiel nahelegt. … Auch wenn Washington auf extra­ter­ri­to­riale Sank­tionen ver­zichten sollte, der US-Markt ist für Kon­zerne zu wichtig, um sich zu exponieren.”
Die ita­lie­nische Website Süd­tirol News zitiert den Bör­sen­ex­perten Robert Halver von der Baader Bank:
“Auf­grund der Sank­tionen der Ame­ri­kaner gegen den Iran wird die deutsche Industrie den Iran links liegen lassen. Wenn man sich vor Augen führt, dass die deutsche Industrie das Hun­dert­fache an Geschäften in Amerika macht, wird man nicht mit dem Iran Geschäfte machen, weil dann ja auch die Sank­tionen gegen deutsche Firmen existent sind. Von daher: Der Iran wird im Moment sicherlich sehr stark bluten.”
Die euro­päische Ausgabe von Politico schreibt:
“Einige Experten sagen, die Schritte der EU würden wohl kaum den erwünschten Effekt haben und argu­men­tieren, das Blo­cking-Statut sei für euro­päische Kon­zerne eine juris­tische Bürde, ohne dabei zu ver­hindern, dass die USA ihre ame­ri­ka­ni­schen Geschäfts­zweige und Ver­mö­gens­werte ins Visier nehmen. Für viele Unter­nehmen ist das Risiko, von den Geschäften in den USA abge­schnitten zu werden – ein viel grö­ßerer Markt als der Iran –, genug, um sie dazu anzu­halten, Washingtons For­de­rungen nachzukommen.”
Ein von Reuters zitierter Invest­ment­banker sagt:
“Es wäre Selbstmord, mit dem Iran oder mit ihm zusam­men­hän­genden Firmen irgend­welche neuen Geschäfte zu machen oder Finan­zie­rungen zu geben, ohne von der US-Regierung aus­drück­liche Garantien zu haben. Sie hat uns am Kragen, weil ein so großer Teil des Geschäfts in Dollar abge­wi­ckelt wird. Die Strafen belaufen sich heut­zutage auf etliche Mil­li­arden, darum ist es das nicht wert, ein solches Risiko ein­zu­gehen wegen ein paar klei­nerer Geschäfte oder um euro­päische Regie­rungen glücklich zu machen.”
Wie, um das zu belegen, hat der deutsche PKW- und LKW-Her­steller Daimler kurz vor Inkraft­treten der US-Sank­tionen gegen den Iran seine Pläne eines Ausbaus des Iran-Geschäfts fal­len­ge­lassen. “Die ohnehin ein­ge­schränkten Akti­vi­täten” in dem Land würden nun in Ein­klang mit den Sank­tionen beendet, teilte Daimler in einer Pres­se­er­klärung mit.
Daimler folgt damit ähn­lichen Ent­schei­dungen von: Adidas (Deutschland); Allianz(Deutschland); AP Moller-Maersk (Dänemark); Ciech (Polen); Citroen(Frank­reich); CMA CGM (Frank­reich); DZ Bank (Deutschland); Engie(Frank­reich); ENI (Italien); Lloyds (UK); Lukoil (Russland); Maersk Tankers(Dänemark); Oberbank (Öster­reich); Opel (Deutschland); Peugeot (Frank­reich); PGNiG (Polen), Renault (Frank­reich); Scania (Schweden); Siemens (Deutschland); Swiss Re (Schweiz) und Total (Frank­reich).


Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute.