Collage Hanno Vollenweider - Bild Markus Söder - By Gerd Seidel (Rob Irgendwer) - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Bay­ernwahl: Söders Ret­tungsplan heißt “Freie Wähler” — Umfrage: CSU bei 36%, AfD beständig 14%

Die Bay­ernwahl rückt näher, doch die Umfragen für die CSU sind schlecht, für die SPD sind sie sogar desaströs. Zu einer Großen Koalition wird es in Bayern nicht kommen. Markus Söder hat einen anderen Plan, um seine Macht zu retten.
(Von Wolfram Weimer)
Markus Söder hat einen Geheimplan. Der baye­rische Minis­ter­prä­sident rechnet nicht mehr damit, die absolute Mehrheit noch retten zu können. “Wir werden in eine Koalition gezwungen”, heißt es in der CSU-Zen­trale mit Blick auf die schlechten Umfragewerte.
Doch während in München über die Optionen mit SPD (denen an der Wahlurne fast die Zer­schlagung droht), FDP (die mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpft) und Grünen (die zweit­stärkste Partei werden könnten) geraunt wird, hat Söder ein ganz anderes Ziel: Er bereitet ein Regie­rungs­bündnis mit den Freien Wählern vor.
Die Freien Wähler sind in Bayern tra­di­tionell unge­wöhnlich stark. Bei der Land­tagswahl 2013 erreichten sie mit 9,0 Prozent der Wäh­ler­stimmen und 19 Man­daten den dritten Platz noch vor den Grünen. Die Umfragen sagen ihnen auch diesmal ein ähn­liches Ergebnis voraus. Mit der CSU – auch mit einer stark geschwächten – scheint eine regie­rungs­bil­dende Mehrheit erreichbar, vor allem dann, wenn die FDP den Sprung ins Maxi­mi­lianeum nicht schafft. Die Kunst im Wahl­kampf der CSU wird nun darin bestehen, dies den Wählern zu ver­mitteln, ohne selbst Stimmen zu verlieren.
Welt­an­schaulich sind die Freien Wähler der CSU ziemlich nahe, wes­wegen sie zuweilen als “CSU light”, “Christ­so­ziale Freibier-Partei”, “Lokal­pa­trio­tische Ver­ei­nigung der CSU” oder als “Bau­ern­verband der CSU” ver­spottet werden. Dennoch sind sie lokal­po­li­tisch tief ver­wurzelt in Bayern und wirken vie­lerorts als die wert­kon­ser­va­tiven Boden­stands­bayern. Sie ver­folgen eine kon­se­quente Bür­gernähe und bringen es immerhin auf rund 600 Bür­ger­meister und 14 Landräte.
Ein Bil­der­buch­pro­vinzler
Das Ver­hältnis von Freien Wählern und CSU ist wie das von puber­tie­renden Söhnen selbst­ge­fäl­liger Väter. Ihr Lan­des­vor­sit­zender Hubert Aiwanger beschimpft Söder schon mal als “grö­ßen­wahn­sinnig”, macht aber im Land­tags­wahl­kampf keinen Hehl daraus, dass er gerne mit der CSU koalieren würde. Er ruft den Wählern mit jesui­ti­scher Schläue zu: “Ich möchte nicht, dass die AfD so stark wird, dass Bayern schwarz-grün regiert wird.” Aiwanger ist “der baye­rischste Bayer” (FAZ), ein “basis­de­mo­kra­ti­scher Bauer” (“Süd­deutsche Zeitung”) und damit eigentlich Fleisch vom Fleische der CSU.
Aiwanger ist Bil­der­buch­pro­vinzler, er wohnt im 70-Seelen-Dorf Rahstorf (Ortsteil Inkofen der Stadt Rot­tenburg an der Laaber) und bewirt­schaftet dort den elter­lichen Bau­ernhof. Er ist Vor­sit­zender im ört­lichen Jagd­schutz-Verband und enga­giert bei der Feu­erwehr. Der gelernte Landwirt stu­dierte an der Fach­hoch­schule Wei­hen­stephan (Diplom­in­ge­nieur der Land­wirt­schaft) aus­ge­rechnet mit Hilfe eines Sti­pen­diums der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Er wirkt in seinem Trach­ten­janker exakt so, wie man sich in Hamburg oder Düs­seldorf den typi­schen CSU-Kom­mu­nal­po­li­tiker vor­stellt – Fami­li­en­vater natürlich, in seiner Jugend Lektor und Vor­sit­zender in der Katho­li­schen Land­ju­gend­be­wegung. Wert­kon­ser­vativ durch und durch. Wo die CSU den Hei­mat­be­griff erst neu ent­deckt, ver­körpert Aiwanger ihn – genau so wie die Ver­nach­läs­sigung des länd­lichen Raums. Aiwangers Partei wildert mitten in der Kern­wäh­ler­schaft der CSU, weil sie aus ihr her­vor­ge­gangen ist.
Und so kri­ti­siert Aiwanger die CSU im Ton eines bes­ser­wis­senden Ver­wandten. Die CSU, so Aiwanger weiter, habe durchaus einiges richtig gemacht. Aber da sie durch die absolute Mehrheit auf niemand anderen hören müsse, laufe eben auch einiges falsch. Das führe dann dazu, dass “der Minis­ter­prä­sident ein mil­lio­nen­schweres Welt­raum­pro­gramm auflegt, aber nicht in der Lage ist, die Heb­ammen ordentlich zu bezahlen”.
Der Landes- und Bun­des­vor­sit­zende der Freien Wähler sowie deren Frak­ti­ons­vor­sit­zender im Landtag zählt gern die Erfolge seiner Land­tags­fraktion auf: die Abschaffung der Stu­di­en­ge­bühren, die Wie­der­ein­führung des neun­jäh­rigen Gym­na­siums und die Abschaffung der Stra­ßen­aus­bau­bei­träge. Tat­sächlich ist Aiwanger in der Ver­folgung seiner Ziele unge­wöhnlich fleißig und hart­näckig. Beim Thema Stra­ßen­ausbau hat er gebets­müh­len­artig mona­telang für sein Anliegen geworben und Unter­schriften gesammelt. Solange, bis es der CSU zu heikel wurde und Frak­ti­onschef Thomas Kreuzer ver­künden musste: “Wir werden rück­wirkend zum 1. Januar 2018 die Stra­ßen­aus­bau­bei­träge abschaffen.”
Die nächste Unter­schrif­ten­kam­pagne läuft schon
In der Flücht­lings­po­litik ist Aiwanger ganz auf Söders Linie von Kon­trolle und Grenz­set­zungen. Merkels Politik sei “poli­ti­sches Ver­sagen”, es sei “Gefahr im Verzug”, Asyl­be­werber seien “nur Gäste auf Zeit” und es brauche eine striktere Anwendung des Rechts. Öster­reich betreibe die richtige Politik, vor einem “Fami­li­en­nachzug in großen Stil” warnt er: “Wir können ja nicht ganz Syrien ins Land holen”. Auch den derzeit dis­ku­tierten “Spur­wechsel” von abge­lehnten Asyl­be­werbern in den Arbeits­markt lehnt er ab.
Das Par­tei­pro­gramm liest sich im Übrigen wie ein Akti­onsplan der Unions-Mit­tel­stands­ver­ei­nigung – ein­fa­chere Steuern nach dem Kirchhoff-Modell, Abschaffung von Erb­schafts­steuer und kalter Pro­gression, flä­chen­de­ckender Breit­band­ausbau, offensive Bauern- und Mit­tel­stands­för­derung. In der CSU wird ihm gerne das Etikett des “Freibier-Onkel” ans Revers geheftet. Aiwanger und seine Freien Wähler for­derten bei jedem Projekt immer noch etwas mehr an Wohl­taten – so wollen die Freien Wähler, dass die Kin­der­be­treuung in Bayern völlig kos­tenlos wird. Junge Familien in Bayern müssten bis zu 1000 Euro an Krip­pen­ge­bühren im Monat zahlen. “Ich finde es men­schen­ver­achtend, diese jungen Leute so hängen zu lassen.” Auch hierzu haben die Freien Wähler bereits eine Unter­schrif­ten­sammlung gestartet.
An diesen Themen würde eine Koalition mit der CSU kaum scheitern, dazu sind die Spiel­räume im baye­ri­schen Staats­haushalt viel zu groß. In der Frage des Münchner Flug­ha­fen­ausbaus könnte es freilich knir­schen. Denn Aiwangers Partei fordert eine “Stärkung des Flug­hafens Nürnberg statt 3. Startbahn in München”. Zudem ist Aiwanger nicht zim­perlich mit seiner Kritik an der Selbst­ge­fäl­ligkeit der CSU und Söders.
Die Freien könnten unbe­queme Zög­linge der Macht werden. Einen Vor­ge­schmack liefert Aiwangers Spott über Söders Pläne für ein baye­ri­sches Raum­fahrt­pro­gramm “Bavaria One”. Es sei lustig, wenn Söder Pläne einer “baye­ri­schen Welt­raum­fahrt” schmiede. “Das einzige was mich dabei ent­täuscht hat, dass Sie dabei an unbe­mannte Flug­körper denken, die sie zum Mond schicken wollen. Eigentlich gehört da schon ein Mann rein”, wit­zelte Aiwanger. Und nach dem Motto der CSU gehörten da “nur die Besten hinein” – nämlich Söder. “Und dann fliegen Sie mal los und grüßen uns vom Mond.”
Wahr­schein­licher ist, dass beide dem­nächst von der Regie­rungsbank in München aus grüßen. Aiwanger wird Söders Macht retten, denn er möchte vor allem, “dass Bayern weiter stabil regiert wird”. Das möchte Söder auch – solange er das Sagen hat. Und das ist vom Mond weniger gut möglich als mit dem unbe­quemen Bauern aus Rahstorf.


Wolfram Weimer für TheEuropean.de