Macron will die Pro­teste der Gelb­westen einfach aus­sitzen – Geht die Rechnung auf?

Die Gelb­westen-Bewegung scheint zu erlahmen. Dennoch möchte ich einen detail­lierten Blick auf die Ereig­nisse am Wochenende werfen, denn ich sehe mit großer Ver­wun­derung, wie die Bericht­erstattung über die Gelb­westen in Deutschland kaum mehr statt­findet, während zum Bei­spiel rus­sische Nach­rich­ten­agen­turen wie die TASS am Wochenende zahl­reiche und detail­lierte Artikel ver­öf­fent­licht haben.
Die Bericht­erstattung über die Gelb­westen erinnert ein wenig an Pegida. Ohne jetzt eine Wertung über die Ziele der Demons­tra­tionen vor­nehmen zu wollen oder sie gar in ein und die­selbe Ecke stellen zu wollen, will ich nur ein Muster aufzeigen.

NEU! Hier bestellen!

Zunächst berichtete die Presse in Deutschland aus­führlich über die Demons­tra­tionen von Pegida und stellte sie in ein mög­lichst nega­tives Licht. Anscheinend will man damit zukünftige Teil­nehmer abschrecken, sich den Demons­tra­tionen anzu­schließen. Bei Pegida war der O‑Ton „alles rechte, Deppen und Neo­nazis“ und wer will schon mit solchen Leuten in einen Topf geworfen werden? Als dies jedoch nicht funk­tio­nierte und die Demons­tra­tionen weiter gingen, wurde eben einfach nicht mehr berichtet und die Demons­tra­tionen wurden medial totgeschwiegen.
Das gleiche Muster sehen wir bei den Gelb­westen: Zuerst viele Berichte darüber, dass es alles Chaoten und Gewalt­be­reite seien, die die Polizei angreifen. Nachdem dies in Frank­reich die Men­schen nicht auf­halten konnte, zu demons­trieren und sich auch in Deutschland trotz der nega­tiven Bericht­erstattung über die Gelb­westen Sym­pathie für sie zeigte, da wurden die Berichte weniger. Am letzten Samstag gab es in Deutschland kaum noch Berichte über die lan­des­weiten Demons­tra­tionen in Frankreich.
Nun scheint den Gelb­westen tat­sächlich ein wenig die Puste aus­zu­gehen, über­ein­stim­mende Berichte melden seit Wochen sin­kende Teil­neh­mer­zahlen. Ob man den offi­zi­ellen Zahlen des fran­zö­si­schen Innen­mi­nis­te­riums glauben kann, sei einmal dahin­ge­stellt. Die Ver­an­stalter nennen größere Teil­neh­mer­zahlen und Videos wecken an den offi­zi­ellen Zahlen durchaus Zweifel.
Aber die fran­zö­sische Regierung scheint der Lage Herr zu werden. Das wurde wohl durch eine aus­ufernde Poli­zei­gewalt und andere Repres­salien, wie einer Ver­schärfung des Demons­tra­ti­ons­rechtes, erreicht. Die Men­schen haben inzwi­schen einfach Angst, zu demons­trieren, denn es wurden bereits hun­derte Men­schen schwer ver­letzt, haben Augen oder Glied­maßen ver­loren, weil die Polizei mit dafür gar nicht gedachten Gewehren auf die Köpfe und Körper der Men­schen schießt. Dazu gibt es ein inter­es­santes Interview bei NuoViso, in dem ein deut­scher Ret­tungs­sa­ni­täter, der jeden Samstag in Paris frei­willig als Helfer im Einsatz ist, von seinen Erfah­rungen berichtet. Natürlich ist das seine sub­jektive Sicht der Dinge, aber es deckt sich schon sehr stark, mit dem, was man auf YouTube Videos, aber nicht in den deut­schen Nach­richten, sehen kann.
Noch im Dezember gab es Aufrufe der Poli­zei­ge­werk­schaften, sich den Gelb­westen anzu­schließen, und Poli­zisten ver­wei­gerten die Befehle, wenn sie Gelb­westen-Demos gewaltsam auf­lösen sollten. Inzwi­schen wurden diese Poli­zisten, die sich durchaus mit den For­de­rungen der Gelb­westen iden­ti­fi­zieren, aus­sor­tiert und nicht mehr bei den Demos ein­ge­setzt. Und seitdem hat die Poli­zei­gewalt stark zugenommen.
Auch der Versuch Macrons, eine Gegen­be­wegung der „Roten Schals“ ins Leben zu rufen ist trotz ent­spre­chender Medi­en­kam­pagne gescheitert, es gab nur eine kleine Demo, danach nichts mehr. Nur Poli­zei­gewalt und Angst scheinen gegen die Gelb­westen zu wirken. Am Samstag wurde in der rus­si­schen Provinz ein Demons­trant von Poli­zisten mit Knüppeln zusam­men­ge­schlagen, der nicht aggressiv war, sondern sich nur an einem Geländer fest­hielt. Das Video (es ist nichts für schwache Nerven!) dazu wurde laut Spiegel, der zur Abwechslung mal darüber berichtet hat, über 700.000 Mal angeschaut.
Am Samstag zum Bei­spiel haben die Gelb­westen reagiert, indem sie Frauen in die ersten Reihen gestellt haben, in der Hoffnung, dass die Poli­zisten mehr Hem­mungen haben, auf Frauen zu schießen als auf Männer. Ob die Rechnung auf­ge­gangen ist, ist nicht ersichtlich, aber die Polizei in Paris hat die Gelb­westen trotzdem wieder mit Was­ser­werfern aus­ein­ander getrieben.
Man kann die Gelb­westen ver­stehen. In Frank­reich sind die Abgaben so hoch wie nir­gendwo sonst in Europa und sogar Wohnraum ist nicht mehr bezahlbar. Im Gebiet Île-de-France, zu dem Paris gehört, sind die Qua­drat­me­ter­preise auf fast 6.000 Euro gestiegen. Im Stadt­zentrum von Paris sind es fast 10.000, in gefragten Stadt­teilen sogar über 17.000 Euro. Wenn aber selbst eine 50-Qua­drat­me­ter­wohnung außerhalb der Stadt schon astro­no­mische 300.000 Euro kostet, wird das Wohnen unbe­zahlbar. Um so etwas zu finan­zieren, müsste man min­destens 60.000 Euro Eigen­ka­pital ansparen und anschließend würde die Hypothek ca. 1.000 Euro pro Monat kosten. Wer soll das bezahlen?
Und mit den Immo­bi­li­en­preisen steigen ja immer auch die Mieten. Eine durch­schnitt­liche fran­zö­sische Familie, die viel­leicht als Ver­käufer, Büro­kraft, Bus­fahrer oder ähn­liches arbeiten, dürften da bereits an ihre Grenzen stoßen.
Hier bestellen!

Aber außer kleinen Brocken hat Macron den Men­schen keine Zuge­ständ­nisse gemacht. Steu­er­erhö­hungen wurden nicht rück­gängig gemacht, neue Steu­er­erhö­hungen nur ver­schoben und die Wie­der­ein­führung der gerade abge­schafften Ver­mö­gens­steuer steht gar nicht zur Debatte. Offen­sichtlich setzt Macron auf Aus­sitzen in Kom­bi­nation mit Angst verbreiten.
Es wäre schlimm, wenn solch ein Konzept in einer Demo­kratie aufgeht. Aber um seine Wie­derwahl muss sich Macron keine Sorgen machen, die scheint ohnehin aus­ge­schlossen. Wenn er das bereits akzep­tiert hat, dann muss er seinen Kurs nur durch­halten und kann sich nach seiner Prä­si­dent­schaft auf her­vor­ragend bezahlte Bera­ter­ver­träge von denen freuen, denen er die Steuern gesenkt hat.
Das Ver­trauen der Fran­zosen in ihre Medien ist erschüttert, nach einer neuen Umfrage halten 72% der Fran­zosen die Bericht­erstattung für ein­seitig. Das wird sich bei den nächsten Wahlen sicherlich wider­spiegeln, wenn die Men­schen nicht mehr den von den Medien als gut dar­ge­stellten Poli­tikern ihre Stimme geben.
Zumal Macron sich – völlig unbe­achtet von den (deut­schen) Medien – mit ganz anderen Skan­dalen her­um­schlagen muss, seit sein Leib­wächter, der in Per­so­nal­union auch noch stell­ver­tre­tender Leiter der Prä­si­di­al­ver­waltung war und Schlag­zeilen gemacht hat, weil er in Poli­zei­uniform selbst Gelb­westen zusam­men­ge­schlagen hat, inzwi­schen in Unter­su­chungshaft sitzt. Sollte er unter dem Druck der Staats­an­walt­schaft plaudern, kann das für Macron wesentlich unan­ge­nehmer werden als alle Gelb­westen zusammen.
 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru