Von Christian Wolf, www.c-w-design.de, CC BY-SA 3.0 de, Link

Deutsche Bank & Com­merzbank: Die Zwangs­fusion, die nie­mandem nützt

Deutsche Bank und Com­merzbank sollen fusio­nieren, so will es zumindest Finanz­mi­nister Olaf Scholz. Doch warum eigentlich? An den fun­da­men­talen Pro­blemen der Banken in Deutschland würde sich kaum etwas ändern. Andere Maß­nahmen könnten viel besser helfen.
Nun scheint es doch so weit zu kommen. Deutsche Bank und Com­merzbank sollen nach tat­kräf­tiger Hilfe aus dem Bun­des­fi­nanz­mi­nis­terium zur Fusion schreiten. Finanz­mi­nister Olaf Scholz treibt das voran zur Sicherung deut­scher Wirt­schafts­in­ter­essen und damit als Bei­spiel für die neue Indus­trie­po­litik der Regierung. Für jeden anderen, der sich nur ein wenig mit den Pro­blemen des (deut­schen) Ban­ken­marktes beschäftigt, ist es aber eine Aktion, die keines der vor­han­denen Pro­bleme löst und statt­dessen weitere schafft.
Dazu muss man sich zunächst diese Fragen stellen: Warum geht es den deut­schen Banken so schlecht? Warum spielen wir trotz der unstrit­tigen Stärke der deut­schen Wirt­schaft all­gemein im Bank­wesen schon seit Jahr­zehnten nicht in der ersten Liga? Und warum sind deutsche Banken im inter­na­tio­nalen Ver­gleich so klein und vor allem so unprofitabel?
Der Markt in Deutschland ist unattraktiv
Deutsche Banken ver­dienen im Schnitt nur 0,2 Prozent auf ihr Ver­mögen, während Banken in Frank­reich und den Nie­der­landen mehr als doppelt so viel ver­dienen, in den USA sogar fünfmal so viel.
Der erste und wohl auch ent­schei­dende Grund für die schwache Pro­fi­ta­bi­lität deut­scher Banken ist die Struktur des Ban­ken­marktes hier­zu­lande. Ein Ban­ken­markt ist umso pro­fi­tabler, je kon­zen­trierter er ist, also je weniger Markt­teil­nehmer es gibt. Damit ist keine Mono­pol­bildung gemeint, sondern das Ent­stehen von Banken, die groß genug sind, um Grö­ßen­vor­teile zu rea­li­sieren und so Kosten zu senken. Der deutsche Markt ist der frag­men­tier­teste in Europa. Und auch eine Fusion von Deut­scher Bank und Com­merzbank würde an dieser Tat­sache nichts ändern.
Dies hat mit einer wei­teren deut­schen Beson­derheit zu tun, dem hohen Anteil staat­licher und genos­sen­schaft­licher Spieler im Markt: Spar­kassen, Volks­banken und Raiff­ei­sen­banken führen nicht nur zu einer wei­teren Frag­men­tierung des Marktes, sondern ver­folgen auch nicht aus­schließlich das Ziel der Gewinn­ma­xi­mierung. Sie sehen ihre Auf­gaben auch in der För­derung der regio­nalen Wirt­schaft und in der Unter­stützung ihrer Mit­glieder. Damit senken sie das Preis­niveau im Markt und redu­zieren die Pro­fi­ta­bi­lität für alle Banken in Deutschland.
Aus Sicht der Kunden mag dies zunächst erfreulich sein. In Wahrheit ver­hindert dies aber die Rea­li­sierung von Kos­ten­vor­teilen durch Größe und Fokus­sierung. Das führt zu struk­turell höheren Kosten für alle Betei­ligten – Banken wie Kunden. Auch daran würde eine Fusion von Deut­scher Bank und Com­merzbank nichts ändern.
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Politik der EZB setzt Banken unter Druck
Zu diesen struk­tu­rellen Beson­der­heiten des deut­schen Marktes kommen seit meh­reren Jahren die Neben­wir­kungen der Politik der Euro­päi­schen Zen­tralbank. Mit immer aggres­si­veren Maß­nahmen ver­sucht die EZB, den Euro zu „retten“. Das führt zu immer tie­feren Zinsen ange­sichts der unge­lösten struk­tu­rellen Pro­bleme der Eurozone (Ver­schuldung, diver­gie­rende Wett­be­werbs­fä­higkeit der Mit­glieds­länder) und dem Ver­sagen der Politik, diese Pro­bleme zu lösen. Nied­rigere Zinsen sind aber nicht nur für Sparer ärgerlich, sondern für Banken exis­tenz­be­drohend. Sie ver­dienen an der Dif­ferenz zwi­schen den Zinsen, die sie ihren Kunden für die Ein­lagen oder der EZB bezahlen und den Zinsen, die sie für Kredite bekommen.
Je tiefer das Zins­niveau, desto geringer auch die Zins­marge und damit der Druck auf die Pro­fi­ta­bi­lität der Banken. Zwar haben sie in den ver­gan­genen Jahren ver­schiedene Gebühren deutlich erhöht, um die Ein­nah­men­seite zu ver­bessern, dennoch bleiben die Gewinne nach­haltig unter Druck. Eine Fusion von Deut­scher Bank und Com­merzbank ändert auch an diesen Umständen nichts. Wenn sich die Bun­des­re­gierung um die deut­schen Banken sorgt, sollte sie lieber der EZB helfen und die Krise der Eurozone an der Wurzel packen.
Die Banken stehen vor tech­no­lo­gi­schem Umbruch
Zu allem Über­fluss steht das Ban­ken­wesen vor einem radi­kalen Wandel, getrieben von den neuen tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­keiten. Inno­va­toren wie die Inter­netbank N26 und Ver­mö­gens­ver­walter wie „Sca­leable“ und „Liqid“ zeigen, dass das bestehende Geschäfts­modell der Banken keine Zukunft hat. Niemand braucht in Zukunft eine Bank­fi­liale mit per­sön­licher Betreuung für seine täg­lichen Bank­ge­schäfte. Für die eta­blierten Spieler im Ban­ken­markt bedeutet dies eine zwei­fache Her­aus­for­derung. Sie müssen neue inter­net­ba­sierte Dienst­leis­tungen auf­bauen und zugleich die vor­han­denen alten Struk­turen abbauen. Die Erfahrung aus anderen Indus­trien zeigt, dass es nur wenigen Unter­nehmen gelingt, einen solchen Wandel erfolg­reich zu bewäl­tigen. Zu groß sind die Behar­rungs­kräfte der alten Struk­turen. Auch hieran ändert eine Fusion von Deut­scher und Com­merzbank nichts.
Folgen des Missmanagements
Nicht ver­gessen dürfen wir in diesem Zusam­menhang die Fehl­leis­tungen der ver­ant­wort­lichen Manager in den ver­gan­genen Jahr­zehnten. Gerade die Deutsche Bank hat zunehmend Zuflucht in den inter­na­tio­nalen Märkten und im Invest­ment­banking gesucht ange­sichts der schwie­rigen Markt­struktur hier­zu­lande. Ver­kannt wurde dabei aber, dass auch in diesem Markt Größe eine ent­schei­dende Rolle spielt. Eine besondere Her­aus­for­derung ist zudem, die besten Mit­ar­beiter zu finden und zu halten. Letz­teres führt bei allen Banken dazu, dass ein Großteil der erwirt­schaf­teten Gewinne nicht bei der Bank landen, sondern als Bonus aus­ge­schüttet werden.
Die Risiken für Ver­luste ver­bleiben aber bei der Bank und den Aktio­nären. Besonders schwierig wird es dann, wenn man feh­lende Größe und Präsenz dadurch zu kom­pen­sieren ver­sucht, dass außer­or­dentlich hohe Risiken ein­ge­gangen werden. Dass der IWF die Deutsche Bank als die gefähr­lichste Bank der Welt bezeichnete, ist nicht als Lob, sondern als ver­nich­tendes Urteil zu sehen. Zwar ist das aktuelle Management bemüht, die Risiken abzu­bauen. Dies dauert aber an und wird durch eine mög­liche Fusion mit der Com­merzbank nicht beschleunigt, sondern eher behindert.
Es gäbe Alternativen
Es ist also offen­sichtlich, dass eine Fusion der beiden Banken nichts an den grund­le­genden Pro­blemen der beiden Institute und des Ban­ken­marktes hier­zu­lande ändert. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass die Fusion so viel an Energie, Manage­ment­ka­pa­zität und ‑auf­merk­samkeit bindet, dass es den betei­ligten Banken mehr schadet als nutzt.
Wollte die Politik den deut­schen Ban­ken­markt stärken, sollte sie Kon­zen­tration und Pro­fes­sio­na­li­sierung fördern, zum Bei­spiel, indem sie den Spar­kas­sen­sektor kon­so­li­diert. Dieser könnte per­spek­ti­visch mit der Deut­schen Bank fusio­niert werden, weil dann ein starker natio­naler Spieler mit ent­spre­chender inter­na­tio­naler Ver­flechtung ent­stehen würde.
Statt­dessen kon­zen­triert sich die Politik darauf, zwei Banken in eine Fusion zu zwingen, deren Manager wissen, dass sie ihnen nichts nutzt. Am Ende werden – allen Beteue­rungen zum Trotz – Steu­er­gelder fließen, um die Fusion und die Sanierung zu ermög­lichen. So bleibt auch dies ein wei­teres Bei­spiel für die fehl­ge­leitete Politik hier­zu­lande, die lieber an Sym­ptomen her­um­doktert, anstatt die Ursachen zu adressieren. 

 


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com
→ cicero.de: „Die Zwangs­fusion, die nie­mandem nützt“, 19. März 2019