Beginn der Übersetzung:
Im Iran ist die Situation wie bei einem Pulverfass im Funkenflug. Es ist sehr gefährlich für die ganze Welt. Angefangen hat Amerika, als es im vergangenen Jahr ohne Grund aus dem sogenannten Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen ist. Allein und sogar gegen den Willen seiner NATO-Verbündeten. Trotz der Warnungen Russlands und Chinas. Den USA ist die Meinung anderer wurscht. Danach verhängten die Amerikaner illegale Sanktionen gegen den Iran und verboten Anfang Mai allen Ländern der Welt, Öl, Stahl, Kupfer und Aluminium aus dem Iran zu kaufen. Der Iran drohte als Reaktion, sich nicht mehr an die freiwillig übernommenen Beschränkungen des Atomabkommens zu halten. Trump war sauer und schickte eine Armada von sieben Kriegsschiffen an die Küsten des Iran. Jetzt sind sie da und bereit zum Kampf.
Welche Schiffe sind das? Der Flugzeugträger „Abraham Lincoln“, der bis zu 90 Flugzeuge und Hubschrauber tragen kann. Zwei amerikanische Zerstörer, „McFaul“ und „Gonzalez“, sind bereits im Persischen Golf. Jedes dieser Schiffe verfügt über 90 Tomahawk-Marschflugkörper. Am Eingang zum Persischen Golf befindet sich auch das universelle Amphibienschiff „Kearsarge“. An Bord sind bis zu 30 Flugzeuge und Hubschrauber, darunter supermoderne Jagdbomber der fünften Generation vom Typ F‑35 B.
In die gleiche Region wurde das Landungsschiff „Arlington“ entsandt, das bis zu 700 Soldaten und 14 Fahrzeuge aufnehmen kann. Zu der Kampfgruppe gehören auch der amerikanische Raketenkreuzer „Leyte Gulf“, der Zerstörer „Bainbridge“ und für den Anschein, Partner zu haben, die spanischen Fregatte „Mendez Nunez“. (Anm. d. Übers.: Die „Mendez Nunez“ hat den Verband mittlerweile verlassen, weil Spanien sich nicht in einen möglichen Krieg am Golf hineinziehen lassen möchte) Zudem wird das Luftabwehr-und Raketensystem Patriot wieder in die Region gebracht. Das Pentagon erklärte, dies sei notwendig, um die Trägergruppe und die US-Air-Force zu stärken.
Das ist die Situation. Nun zu den offiziellen Verlautbarungen. Trump sagt, er hoffe, einen Krieg mit dem Iran zu vermeiden. Okay, aber warum ist dann so viel amerikanisches Eisen dort hingeschickt worden? Im Iran erklärt Ajatollah Ali Chamenei auch, dass er nicht die Absicht habe, mit den Vereinigten Staaten zu kämpfen, aber der Widerstand gegen Amerika werde weitergehen. Über Krieg wird auch in Saudi-Arabien gesprochen und das ist der wichtigste Verbündete der Vereinigten Staaten in der Region. Der Außenminister des Königreichs, Adel Al-Jubeir, sagte, Riad wolle keinen Krieg in der Region und werde sich bemühen, ihn zu verhindern, aber Saudi-Arabien würde „mit aller Kraft und Entschlossenheit“ reagieren, „wenn die andere Seite sich für Krieg entscheidet“. Wie wir sehen, sprechen alle drei – die USA, der Iran und Saudi-Arabien – über den Krieg, benutzen dieses Wort, obwohl sie hinzufügen, dass sie ihn nicht wollen. Ein schlechtes Zeichen.
Parallel dazu wird der psychologische Krieg gegen den Iran von den USA bereits heftig geführt. Das amerikanische Magazin Newsweek hat seine Leser mit den Plänen des Pentagon vertraut gemacht: „Eine Quelle beim Pentagon sagte, die Optionen deuten auf eine mächtige Kampagne von Raketenangriffen hin, in dem Versuch, Teheran an den Verhandlungstisch mit Washington zu bringen. Es hängt von der Eskalation der Gewalt ab. Aber unabhängig von den Äußerungen aus dem Iran: Wenn 500 Raketen am Tag auf ein Land abgeschossen werden, tut das sehr weh und das ist das Ziel. Wenn der Gegner geschwächt ist, kann man mehr herausholen.“
Und Trump selbst ist sich sicher, dass der Iran unter so starkem Druck gezwungen sein wird, Verhandlungen mit den USA aufzunehmen. Trumps Vertrauen darauf wird nur von wenigen geteilt. Der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, jedenfalls schrieb auf Twitter, dass es keine Verhandlungen geben könne: „Kein edler und kluger Iraner wird über seine Stärken verhandeln. Natürlich ist niemand unter unseren Weisen bereit, mit den USA zu verhandeln“. Chamenei nannte Gespräche mit Amerika „Gift“ und fügte hinzu, die derzeitige Regierung der USA sei noch toxischer.
Aber für einen Krieg braucht man einen Grund oder zumindest einen Vorwand. Als Zündfunken braucht es eine Provokation. Die Funken, über die ich schon gesprochen habe, fliegen bereits um das Pulverfass. Jemand – es ist unbekannt, wer genau – hat kürzlich zwei saudische Tanker in den Gewässern der Vereinigten Arabischen Emirate angegriffen. Öl ist nicht ausgetreten, sie waren leer, verletzt wurde niemand, es wird aber berichtet, dass die Tanker beschädigt wurden. Sie wurden angegriffen, aber anscheinend nur ganz zärtlich.
Die Emirate haben den Angriff verurteilt. Das taten auch Ägypten, Jordanien und der Iran. Doch trotz alledem zeigt man mit Hinweis auf amerikanische Geheimdienstinformationen mit dem Finger auf den Iran. Angeblich ist er das Böse selbst und will keinen Frieden.
Auch auf zwei Pumpstationen einer saudischen Ölpipeline gab es einen Angriff Unbekannter mit sprengstoffbeladenen Drohnen. Wessen Drohnen es waren, ist unbekannt. Doch es wird laut der Verdacht auf die Huthis gelenkt, die vom Iran unterstützt werden. Die Spannung ist so groß, dass auch Fake-News verbreitet werden. In den Vereinigten Arabischen Emiraten sprengte angeblich jemand sieben Tanker, nur bestätigt wurde das nicht…
Am 18. Mai kündigte König Salman von Saudi-Arabien die Einberufung von drei Gipfeltreffen in Mekka im Zusammenhang mit der Verschlechterung der Beziehungen zum Iran an. Die Staats-und Regierungschefs des Golfrates, der Liga der Arabischen Staaten und der Organisation islamischer Zusammenarbeit wurden für den 30. Juni nach Mekka eingeladen. Man geht davon aus, dass wieder die iranische Bedrohung besprochen wird und dass es einen weiteren Versuchs geben wird, die sogenannte „arabische NATO“ zu gründen. Den Namen des Blocks unter der Schirmherrschaft der USA gibt es schon: MESA, was für „Strategische Allianz des Nahen Ostens“ steht.
Den Block zu gründen, wird wohl nicht gelingen, zu groß sind die Widersprüche der potenziellen strategischen Verbündeten. Doch ob es Krieg zwischen den USA und den Saudis auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite geben wird, ist aktuell die heißeste Frage. Der Kommandeur der Seestreitkräfte der Islamischen Revolutionsgarde, Ali Reza Tansiri, hat jedenfalls im April gesagt, der Iran werde die Straße von Hormus blockieren, wenn Teheran sie wegen der US-Sanktionen nicht mehr nutzen könne. Die Bedrohung ist real. Bereits 2012 versicherte der Kommandeur der iranischen Marine, Admiral Sayyari, dass es „einfacher ist, die Straße von Hormus zu blockieren, als ein Glas Wasser zu trinken“.
Was die Straße von Hormus ist, wird schon bei einem flüchtigen Blick auf die Landkarte deutlich. Es genügt zu sagen, dass 40% der weltweiten Öltransporte auf dem Seeweg sie durchqueren. Es ist schwer zu sagen, wie sich die Dinge in einem solchen Fall in der Welt entwickeln werden. Doch die USA scheinen bereit zu sein, mit dem Feuer zu spielen.
Und was ist mit Russland? Es hat bereits alles an der diplomatischen Front getan und sowohl Amerika als auch Europa und dem Iran auf die Gefahr einer Konfrontation hingewiesen. Werden wir in diese Geschichte hineingezogen? Putin gab bei einer Pressekonferenz am 15. Mai eine klare Antwort: „Russland ist keine Feuerwehr, wir können nicht alles retten, was nicht von uns abhängt“.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Die politischen und militärischen Alleingänge der USA hat Putin immer wieder heftig kritisiert und in dem Buch sind dazu viele Beispiele zu finden, in denen Putin mal bitter-ernst, mal mit schwarzem Humor die Politik der USA kommentiert.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“