Das rus­sische Fern­sehen über die Kriegs­gefahr im Per­si­schen Golf

In der rus­si­schen Sendung „Nach­richten der Woche“ ging es am Sonntag auch um die Iran-Krise. Da diese Krise und die wach­sende Kriegs­gefahr im Golf auch in Deutschland die Schlag­zeilen beherrscht, ist es inter­essant zu sehen, wie Russland diese Situation beur­teilt. Ich habe daher den Beitrag übersetzt. 
Beginn der Übersetzung:
Im Iran ist die Situation wie bei einem Pul­verfass im Fun­kenflug. Es ist sehr gefährlich für die ganze Welt. Ange­fangen hat Amerika, als es im ver­gan­genen Jahr ohne Grund aus dem soge­nannten Atom­ab­kommen mit dem Iran aus­ge­stiegen ist. Allein und sogar gegen den Willen seiner NATO-Ver­bün­deten. Trotz der War­nungen Russ­lands und Chinas. Den USA ist die Meinung anderer wurscht. Danach ver­hängten die Ame­ri­kaner illegale Sank­tionen gegen den Iran und ver­boten Anfang Mai allen Ländern der Welt, Öl, Stahl, Kupfer und Alu­minium aus dem Iran zu kaufen. Der Iran drohte als Reaktion, sich nicht mehr an die frei­willig über­nom­menen Beschrän­kungen des Atom­ab­kommens zu halten. Trump war sauer und schickte eine Armada von sieben Kriegs­schiffen an die Küsten des Iran. Jetzt sind sie da und bereit zum Kampf.
Welche Schiffe sind das? Der Flug­zeug­träger „Abraham Lincoln“, der bis zu 90 Flug­zeuge und Hub­schrauber tragen kann. Zwei ame­ri­ka­nische Zer­störer, „McFaul“ und „Gon­zalez“, sind bereits im Per­si­schen Golf. Jedes dieser Schiffe verfügt über 90 Tomahawk-Marsch­flug­körper. Am Eingang zum Per­si­schen Golf befindet sich auch das uni­ver­selle Amphi­bi­en­schiff „Kear­sarge“. An Bord sind bis zu 30 Flug­zeuge und Hub­schrauber, dar­unter super­mo­derne Jagd­bomber der fünften Gene­ration vom Typ F‑35 B.
In die gleiche Region wurde das Lan­dungs­schiff „Arlington“ ent­sandt, das bis zu 700 Sol­daten und 14 Fahr­zeuge auf­nehmen kann. Zu der Kampf­gruppe gehören auch der ame­ri­ka­nische Rake­ten­kreuzer „Leyte Gulf“, der Zer­störer „Bain­bridge“ und für den Anschein, Partner zu haben, die spa­ni­schen Fre­gatte „Mendez Nunez“. (Anm. d. Übers.: Die „Mendez Nunez“ hat den Verband mitt­ler­weile ver­lassen, weil Spanien sich nicht in einen mög­lichen Krieg am Golf hin­ein­ziehen lassen möchte) Zudem wird das Luft­abwehr-und Rake­ten­system Patriot wieder in die Region gebracht. Das Pen­tagon erklärte, dies sei not­wendig, um die Trä­ger­gruppe und die US-Air-Force zu stärken.
Das ist die Situation. Nun zu den offi­zi­ellen Ver­laut­ba­rungen. Trump sagt, er hoffe, einen Krieg mit dem Iran zu ver­meiden. Okay, aber warum ist dann so viel ame­ri­ka­ni­sches Eisen dort hin­ge­schickt worden? Im Iran erklärt Aja­tollah Ali Cha­menei auch, dass er nicht die Absicht habe, mit den Ver­ei­nigten Staaten zu kämpfen, aber der Wider­stand gegen Amerika werde wei­ter­gehen. Über Krieg wird auch in Saudi-Arabien gesprochen und das ist der wich­tigste Ver­bündete der Ver­ei­nigten Staaten in der Region. Der Außen­mi­nister des König­reichs, Adel Al-Jubeir, sagte, Riad wolle keinen Krieg in der Region und werde sich bemühen, ihn zu ver­hindern, aber Saudi-Arabien würde „mit aller Kraft und Ent­schlos­senheit“ reagieren, „wenn die andere Seite sich für Krieg ent­scheidet“. Wie wir sehen, sprechen alle drei – die USA, der Iran und Saudi-Arabien – über den Krieg, benutzen dieses Wort, obwohl sie hin­zu­fügen, dass sie ihn nicht wollen. Ein schlechtes Zeichen.
Par­allel dazu wird der psy­cho­lo­gische Krieg gegen den Iran von den USA bereits heftig geführt. Das ame­ri­ka­nische Magazin Newsweek hat seine Leser mit den Plänen des Pen­tagon ver­traut gemacht: „Eine Quelle beim Pen­tagon sagte, die Optionen deuten auf eine mächtige Kam­pagne von Rake­ten­an­griffen hin, in dem Versuch, Teheran an den Ver­hand­lungs­tisch mit Washington zu bringen. Es hängt von der Eska­lation der Gewalt ab. Aber unab­hängig von den Äuße­rungen aus dem Iran: Wenn 500 Raketen am Tag auf ein Land abge­schossen werden, tut das sehr weh und das ist das Ziel. Wenn der Gegner geschwächt ist, kann man mehr herausholen.“
Und Trump selbst ist sich sicher, dass der Iran unter so starkem Druck gezwungen sein wird, Ver­hand­lungen mit den USA auf­zu­nehmen. Trumps Ver­trauen darauf wird nur von wenigen geteilt. Der oberste Führer des Iran, Aja­tollah Ali Cha­menei, jeden­falls schrieb auf Twitter, dass es keine Ver­hand­lungen geben könne: „Kein edler und kluger Iraner wird über seine Stärken ver­handeln. Natürlich ist niemand unter unseren Weisen bereit, mit den USA zu ver­handeln“. Cha­menei nannte Gespräche mit Amerika „Gift“ und fügte hinzu, die der­zeitige Regierung der USA sei noch toxischer.
Aber für einen Krieg braucht man einen Grund oder zumindest einen Vorwand. Als Zünd­funken braucht es eine Pro­vo­kation. Die Funken, über die ich schon gesprochen habe, fliegen bereits um das Pul­verfass. Jemand – es ist unbe­kannt, wer genau – hat kürzlich zwei sau­dische Tanker in den Gewässern der Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate ange­griffen. Öl ist nicht aus­ge­treten, sie waren leer, ver­letzt wurde niemand, es wird aber berichtet, dass die Tanker beschädigt wurden. Sie wurden ange­griffen, aber anscheinend nur ganz zärtlich.
Die Emirate haben den Angriff ver­ur­teilt. Das taten auch Ägypten, Jor­danien und der Iran. Doch trotz alledem zeigt man mit Hinweis auf ame­ri­ka­nische Geheim­dienst­in­for­ma­tionen mit dem Finger auf den Iran. Angeblich ist er das Böse selbst und will keinen Frieden.
Auch auf zwei Pump­sta­tionen einer sau­di­schen Ölpipeline gab es einen Angriff Unbe­kannter mit spreng­stoff­be­la­denen Drohnen. Wessen Drohnen es waren, ist unbe­kannt. Doch es wird laut der Ver­dacht auf die Huthis gelenkt, die vom Iran unter­stützt werden. Die Spannung ist so groß, dass auch Fake-News ver­breitet werden. In den Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emi­raten sprengte angeblich jemand sieben Tanker, nur bestätigt wurde das nicht…
Am 18. Mai kün­digte König Salman von Saudi-Arabien die Ein­be­rufung von drei Gip­fel­treffen in Mekka im Zusam­menhang mit der Ver­schlech­terung der Bezie­hungen zum Iran an. Die Staats-und Regie­rungs­chefs des Golf­rates, der Liga der Ara­bi­schen Staaten und der Orga­ni­sation isla­mi­scher Zusam­men­arbeit wurden für den 30. Juni nach Mekka ein­ge­laden. Man geht davon aus, dass wieder die ira­nische Bedrohung besprochen wird und dass es einen wei­teren Ver­suchs geben wird, die soge­nannte „ara­bische NATO“ zu gründen. Den Namen des Blocks unter der Schirm­herr­schaft der USA gibt es schon: MESA, was für „Stra­te­gische Allianz des Nahen Ostens“ steht.
Den Block zu gründen, wird wohl nicht gelingen, zu groß sind die Wider­sprüche der poten­zi­ellen stra­te­gi­schen Ver­bün­deten. Doch ob es Krieg zwi­schen den USA und den Saudis auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite geben wird, ist aktuell die hei­ßeste Frage. Der Kom­mandeur der See­streit­kräfte der Isla­mi­schen Revo­lu­ti­ons­garde, Ali Reza Tansiri, hat jeden­falls im April gesagt, der Iran werde die Straße von Hormus blo­ckieren, wenn Teheran sie wegen der US-Sank­tionen nicht mehr nutzen könne. Die Bedrohung ist real. Bereits 2012 ver­si­cherte der Kom­mandeur der ira­ni­schen Marine, Admiral Sayyari, dass es „ein­facher ist, die Straße von Hormus zu blo­ckieren, als ein Glas Wasser zu trinken“.
Was die Straße von Hormus ist, wird schon bei einem flüch­tigen Blick auf die Land­karte deutlich. Es genügt zu sagen, dass 40% der welt­weiten Öltrans­porte auf dem Seeweg sie durch­queren. Es ist schwer zu sagen, wie sich die Dinge in einem solchen Fall in der Welt ent­wi­ckeln werden. Doch die USA scheinen bereit zu sein, mit dem Feuer zu spielen.
Und was ist mit Russland? Es hat bereits alles an der diplo­ma­ti­schen Front getan und sowohl Amerika als auch Europa und dem Iran auf die Gefahr einer Kon­fron­tation hin­ge­wiesen. Werden wir in diese Geschichte hin­ein­ge­zogen? Putin gab bei einer Pres­se­kon­ferenz am 15. Mai eine klare Antwort: „Russland ist keine Feu­erwehr, wir können nicht alles retten, was nicht von uns abhängt“.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Die poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Allein­gänge der USA hat Putin immer wieder heftig kri­ti­siert und in dem Buch sind dazu viele Bei­spiele zu finden, in denen Putin mal bitter-ernst, mal mit schwarzem Humor die Politik der USA kommentiert.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“