In der Sendung gab es zwei Beiträge zu dem Thema, die ich hier beide übersetzt habe. Zunächst kam ein Beitrag aus dem Studio, dann eine Reportage aus dem Iran.
Beginn der Übersetzung:
Der globale Ölmarkt ist nervös. Seit dem 16. September hat es einen Preissprung um 15% nach oben gegeben, kurzzeitig sogar um 19%, dann kam ein teilweiser Rückgang, aber die allgemeine Unsicherheit blieb. Die Ursachen sind ein Luftangriff und ein Brand in der weltgrößten Ölraffinerie Abkaik im Osten Saudi-Arabiens und an Förderquellen im größten Ölfeld Hurays.
Der Angriff ereignete sich in der Nacht des 14. September. Bilder von brennenden Anlagen und dickem, schwarzen Rauch verbreiteten sich auf der ganzen Welt und es ist schwer vorstellbar, was für ein Alptraum am Brandort herrschte. Menschen starben nicht, aber der Schaden war so groß, dass die Saudis ihre Ölproduktion halbierten. Daher die Panik an den Märkten.
Dann begann das Unvorstellbare. Die Amerikaner in Person von US-Außenminister Pompeo machten sofort den Iran für den Angriff verantwortlich. Fast gleichzeitig mit der Nachricht von dem Luftangriff kam die Nachricht von Pompeo, dass es der Iran war. Natürlich wusste niemand genau, wer angegriffen hat, aber für Pompeo ist der Iran ein Reflex: Wenn etwas passiert, ist der Iran schuld.
Und Pompeos Argument ist interessant: „Wir haben keine anderen Informationen.“ Informationen, das muss man sagen, hatten die Amerikaner zu dem Zeitpunkt gar keine, aber der Iran ist schuld.
Wenig später übernahmen die Huthis die Verantwortung für den Angriff, oder besser gesagt die Ansar-Alla-Gruppe, die den Nordwesten des Jemen kontrolliert. Sie kämpfen gegen Saudi-Arabien, das das Ziel hat, die Huthis dort entweder zu besiegen, zu vernichten oder zu vertreiben. Bisher klappt das nicht, im Gegenteil. Jetzt drohen die Huthis den Saudis mit neuen Angriffen.
„Wir warnen Unternehmen und Ausländer davor, sich an Orten aufzuhalten, die von unseren Schlägen getroffen wurden, weil das weiterhin unsere Ziele sind und jederzeit neue Angriffe ausgeführt werden können“ sagte ein Armeesprecher im Huthi TV-Sender Al-Masirah.
Am 18. September berichtete der jemenitische Huthi-Fernsehsender Al-Masirah, dass die Drohnen nur vier Sprengköpfe trugen und von drei verschiedenen Positionen gestartet wurden. Dabei handelte es sich um Drohnen der Typen „Kasef“ und „Sammad‑3“ mit einer Reichweite von 1.700 Kilometern. Das reicht aus, um vom westlich gelegenen Jemen bis Riad und weiter zu feuern. Um die saudische Luftabwehr zu täuschen, starteten sie außer den mit Sprengköpfen bestückten auch andere Fluggeräte. Die Huthis präsentierten sogar Luftaufnahmen des Ziels vor und nach dem Angriff, um ihre technischen Möglichkeiten zu demonstrieren.
Ein Vertreter des saudischen Verteidigungsministeriums lud seinerseits Journalisten in Riad zu einer Vorführung der Wrackteile iranischer Raketen und Drohnen ein, angeblich diejenigen, die die saudische Ölinfrastruktur trafen. Die Vorführung wurde mit Unterstützung amerikanischer Geheimdienste organisiert und sollte beweisen, dass es der Iran war, der die Saudis angegriffen hat. Der Iran bestreitet kategorisch alles. Und ehrlich gesagt hat der Iran kein Motiv für einen derart provokativen Angriff.
Interessanterweise war Präsident Trump selbst am 16. September noch nicht bereit, mit hundert prozentiger Sicherheit zu sagen, dass der Iran für den Anschlag verantwortlich war. Nachdem Pompeo beispielsweise mit dem Finger auf den Iran zeigte, sagte Trump auf einer Pressekonferenz vorsichtig zweimal an verschiedenen Stellen: „Wir wollen genau wissen, wer das getan hat. Wir wollen definitiv verstehen, wer es getan hat.“ Und dann fügte er hinzu, dass er keinen Krieg mit dem Iran wolle und dass die USA nicht versprochen hätten, Saudi-Arabien zu verteidigen.
Doch wie wir uns erinnern, hat Trump 2017 amerikanische Waffen im Wert von 110 Milliarden Dollar an die Saudis verkauft, es war der größte Waffendeal in der Geschichte der Menschheit. Diesmal allerdings schützte das teure amerikanische Arsenal nicht vor den Waffen der Armen. Drohnen sind viel billiger und effizienter.
Aber Sie und ich interessieren uns dafür, mit was und von wo die Saudis angegriffen wurden. Um das zu verstehen, schauen wir uns die Karte an, die wir für Sie erstellt haben, nachdem ich persönlich mit einem hochrangigen Gesprächspartner im russischen Verteidigungsministerium gesprochen habe. (Anm. d. Übers.: Wenn Sie die im Beitrag gezeigten Karten sehen möchten, finden Sie die entsprechende Stelle ab Minute 5 in diesem Beitrag)
Hier ist der Persische Golf. Hier ist der Iran. Hier ist Saudi-Arabien. Hier sind die Anlagen, die angegriffen wurden. Dies ist das Schema der Luftverteidigungssysteme Saudi-Arabiens, das auf den amerikanischen Patriot-Raketensystemen basiert. Es gibt 88 Trägersysteme auf der saudischen Seite des Golfes gegenüber dem Iran. Es ist ein leistungsfähiges System. Das Radarfeld ist ein mehrschichtiges Feld. Kontrollierte Zoneninstallationen überlappen einander mehrfach. Wenn wir über die Systeme selbst sprechen, dann sind 36 von ihnen vom Typ „PAC‑2“, ein gutes System, und 52 sind vom Typ „PAC‑3“, das heißt, die Mehrheit sind die modernste Modifikation. Aber das ist noch nicht alles.
Im Moment gibt es drei amerikanische Zerstörer im Persischen Golf, „Nitze“, „Gonzalez“ und „Bainbridge“. Jeder ist mit dem neuesten automatisierten Raketenabwehrsystem, Aegis, ausgestattet. Dies ist die Schutzmauer gegen den Iran, die auf dem Weg zu den Küsten Saudi-Arabiens errichtet wurde. Da kommt keine Fliege durch. Und dann erzählt Pompeo uns, dass die Apparate aus dem Iran gestartet wurden und keiner auf dem Weg abgeschossen wurde. Niemand hat auch nur gezuckt. Und uns wird von Riad dieser Schrott gezeigt, der angeblich unbemerkt diese Schutzmauer überwunden hat.
Das führt uns zu einem interessanten, logischen Rätsel. Entweder sind die ganzen teuren US-Flug- und ‑raktenabwehrsysteme Müll und die offiziellen technischen Charakteristika entsprechen nicht der Realität, oder der Angriff kam von woanders her, von den Huthis. Von Süden. Wie Sie sehen können, ist die Verteidigung dort schwächer. Die Saudis sagen, dass 18 Drohnen und sieben Marschflugkörper aus dem Iran abgefeuert wurden. Wenn dem so ist, ist es eine Schande, eine Demütigung für die Vereinigten Staaten.
Was Russland betrifft, so hat unser Außenministerium die Angriffe in einer Erklärung verurteilt. Und Putin hat kurz vor seinem Besuchs in Riad im Oktober den Saudis angeboten, russische S‑400-Systeme von uns zu kaufen, bevor es zu spät ist.
Es ist klar, dass das Angebot um Längen besser ist. Unser System schützt auch gegen Drohnen. Wir haben solche Systeme und sie sind effektiv, was wir wiederholt bei der Verteidigung des russischen Luftwaffenstützpunkts Hmeimim in Syrien unter Beweis gestellt haben. Hier sieht man sie, die abgeschossenen Drohnen aus Syrien.
Dies ist jedoch ihre Entscheidung. Aber die Konsequenzen betreffen alle. Aber nachdem die Amerikaner im 21. Jahrhundert in den Nahen Osten und Zentralasien eingedrungen sind und hier die übliche Lebensweise stören, ist nichts besser geworden. Der Tod des ehemaligen tunesischen Präsidenten Ben Ali in Saudi-Arabien hat das erneut in Erinnerung gerufen.
Ben Ali starb am 19. September im Alter von 84 Jahren. Ben Ali wurde zuerst vom Westen gefördert und dann fallen gelassen. 2011 wurde er durch die sogenannte zweite Jasminrevolution gestürzt. Mit ihr begann eine Reihe von Unruhen und Staatsstreichen während des „arabischen Frühlings“, der von den Vereinigten Staaten unterstützt wurde.
Nach Tunesien folgten in unterschiedlichem Ausmaß Algerien, Libyen, Jemen, Ägypten, Syrien und anderen Länder in der Region. Später nicht nur ein Versuch in der Türkei, bis hin zum versuchten Militärputsch im Jahr 2016. Vorher waren noch Afghanistan und der Irak am der Reihe.
Apropos Afghanistan. Kürzlich gab es eine Explosion in der Nähe des Wahlkampfbüros von Präsident Ashraf Ghani in der Provinz Parwan. 38 Tote, mehr als 80 Verletzte. Unklar ist auch, wer den Luftangriff in der Provinz Nan Garhar durchgeführt hat. Auf einem Bauernhof wurden 30 Menschen getötet und 45 verletzt. Und daraufhin sprengten Terroristen ein Auto in der Nähe des Zentralkrankenhauses von Kalat in die Luft. Nach UN-Angaben wurden mindestens 20 Menschen getötet, etwa hundert wurden verletzt.
Wenn so etwas in Europa oder den Vereinigten Staaten passiert wäre, würden ihre Medien verrückt spielen, aber wenn diese Angriffe in Afghanistan stattfinden, brauchen sie darüber gar nicht oder nur im Kleingedruckten berichten. Nach der amerikanischen Einordnung von Informationen sind Menschenleben in verschiedenen Regionen der Welt unterschiedlich viel wert. Es gibt unterschiedliche humanitäre Standards und unterschiedliche Verhaltensregeln für sich selbst. Der Nahe Osten und Zentralasien hatten in diesem Sinne Pech. Dort brachten die Amerikaner zuerst „Al-Kaida“ und dann die Terroristen eines barbarischen Pseudo-Kalifats hervor. Die Region wurde von radikalen Islamisten überschwemmt und die breiten sich nun auf anderen Kontinenten aus. Es gibt so viele Lügen, wie nie zuvor. Aber Amerika kann es kaum erwarten, den Iran nach Vorbild des „irakischen Modells“ zu bearbeiten und das mit Lügen vorzubereiten.
US-Verteidigungsminister Mark Esper kündigte an, dass Präsident Trump zusätzliche Truppen in den Nahen Osten entsendet, um Saudi-Arabiens Verteidigung zu stärken. Esper fügte hinzu, Trump glaube nach wie vor, dass der Iran für den Angriff auf die saudischen Ölanlagen verantwortlich sei. Von all dem kann man also nichts Gutes erwarten. Der Iran ist eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Und dort stehen bereits russische S‑300.
Aus dem Iran berichtet unser Korrespondent
Die jährliche Parade zum Gedenken an den Beginn des Iran-Irak-Krieges ist eine Gelegenheit, den beunruhigten Nachbarn und der gesamten westlichen Welt unter Führung der Vereinigten Staaten militärische Macht zu demonstrieren. Die Führung der Islamischen Republik hat wiederholt erklärt, dass sie keine aggressiven Pläne hat. Aber der Iran wird keine Aggression gegen sich zulassen.
Der Stolperstein und der Grund für neue US-Sanktionen ist nun der jüngste Angriff auf eine saudische Raffinerie. Die Täter wurden schon gefunden. Jemenitische Rebellen haben die Verantwortung für den Drohnenangriff übernommen. Aber ihre Erklärung wurde in den Vereinigten Staaten nicht gehört. Ohne Beweise beschuldigt man den Iran.
Es gab auch einen vorsichtigen Versuch, den Iran und Saudi-Arabien auf einander zu hetzen. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif sagte damals, dass arabisches Öl für die Vereinigten Staaten wertvoller sei, als arabisches Blut. Aber selbst normale Menschen verstehen, dass eine militärische Konfrontation mit dem Iran für die Saudis tödlich ist.
„Die saudische Regierung muss sich der Tatsache stellen, dass kein Konflikt zwischen unseren Ländern nötig ist. Das ist nur vorteilhaft für die westlichen Länder, die hier ihren Einfluss ausüben. So können sie leichter ihre Macht ausüben“ glauben die Iraner.
Teheran schickte über die Schweizer Botschaft eine Protestnote nach Washington und erklärte, dass es nicht an den Angriffen auf die saudische Ölanlage beteiligt sei.
„Natürlich leugnen die Iraner kategorisch jede Beteiligung an diesen Drohnenangriffen. Aber ich denke, sie sind im Recht. Klare, unwiderlegbare Beweise müssen vorgelegt werden, bevor jemand beschuldigt werden kann. Zuerst die Beweise, dann die Anklage“ sagte Levan Jagaryan, Russlands Botschafter im Iran.
Die iranische Erklärung wurde nicht beachtet. Die USA deuteten sogar die Möglichkeit von Luftschlägen gegen den Iran an. Daraufhin bekamen sie eine deutliche Warnung.
„Wenn unser Land bedroht ist, wird unsere Antwort sehr einfach sein. Wir haben bereits mit Gewalt auf die amerikanische Aggression reagiert und sind bereit, das erneut zu tun“ sagte der iranische Verteidigungsminister Amir Chatami.
Übrigens haben die Kollegen der US-Koalition eine abwartende Haltung eingenommen, aber gleichzeitig Washingtons Meinung nicht in Frage gestellt. Das Schweigen wurde von den USA als Zustimmung gewertet. Und es wurden Sanktionen gegen die iranische Nationalbank verhängt. Es ist ein Versuch, das Land vollständig vom internationalen Finanzsystem abzuschneiden. Nicht der erste. Aber, wie sie hier im Iran sagen, dunkler als schwarz kann es nicht werden. Mit anderen Worten, es wird nicht schlimmer. Der Iran ist von den Sanktionen nicht überrascht worden, er steht seit Jahrzehnten unter Sanktionen. Was Donald Trump als eine wichtige und vorrangige Entscheidung bezeichnete, ist nichts anderes, als ein weiterer Test für den Iran.
Diejenigen, die versuchen, den Iran mit Sanktionen zu zerschlagen, verstehen nicht, wer die Iraner sind. Das sind Menschen, die nicht gebrochen werden können. Sie sind bereit, 24 Stunden am Tag zu arbeiten und sind sehr fleißig. Nur ein Beispiel. In den Felsen über Teheran wuchsen ganze Gärten in 40-Grad-Hitze.
Geld verdienen ist hier derzeit nicht einfach. Teheran ist wie Moskau in den 1990er Jahren, sie kommen aus dem ganzen Land, um hier zu arbeiten. „Alles ist durch die US-Sanktionen teurer geworden. Amerika muss das beenden, denn die Sanktionen treffen die einfachen Menschen“ sagen die Iraner.
Familien leben oft weit von ihren Ernährern entfernt. Sie können in der Hauptstadt arbeiten, aber es ist teuer, hier zu leben. Askar Heidari hatte früher einen eigenen Laden. Er hat ihn von seinem Vater geerbt. Das profitable Geschäft zerbrach allmählich. Seit 10 Jahren schläft er in einer Gasse auf dem Rücksitz seines Autos.
Leute wie Askar haben keine Angst vor Krieg. Und mit denen, die ihn nicht für einen Menschen halten, wird er auf jeden Fall kämpfen. Jeder Mann hier hat in der Armee gedient. Und wenn man mit Menschen auf der Straße spricht, merkt man, dass sie ihre Heimat nicht aufgeben werden. Warum sonst ertragen sie das alles?
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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