Gar seltsame Nachrichten erreichen uns aus Spanien. Plötzlich und über Nacht, so scheint es von hier aus, wollen ein paar pensionierte, spanische Militärs die Regierung wegputschen. Eine Gruppe von 73 hochrangigen Offizieren – meist im Ruhestand – postet Aufrufe, die linke Regierung zu stürzen und massenhaft „Linke“ zu erschießen. Der König schweigt, die Medien drehen im roten Hochtourenbereich. Die zentrale Regierung scheint tatsächlich Angst zu haben und die Verteidigungsministerin Margarita Robles erstattete Strafanzeige gegen die Aufrührer.
Ein bisschen seltsam ist es schon, dass ca. 73 pensionierte, alte Haudegen mit knackig-rechten Parolen eine solche Staatskrise bewirken können. Welche Gefahr für den Staat oder die Regierung kann denn tatsächlich von ihnen ausgehen? Diese Seniorentruppe von der „dunklen Seite“ hat zwar einen Brief an den spanischen König Felipe geschrieben, in denen sie seiner Majestät nahebringen, dass die linke, spanische Regierung von „Terroristen und Separatisten“ unterstützt werde und die nationale Einheit Spaniens auf dem Spiel stehe. Doch König Felipe VI. schweigt, und gerät damit in die Kritik der linken Regierung. Sie fordern eine öffentliche Stellungnahme des Monarchen.
Wie groß die tatsächliche Macht der 73 Senior-Putschisten ist, hängt maßgeblich davon ab, wieviel Rückhalt sie im aktiven Militär haben. Das dürfte wahrscheinlich recht ausgeprägt sein. Und man darf auch nicht vergessen, dass das spanische Königshaus dem rechten Diktator Franco verdankt, dass es noch bzw. wieder auf dem spanischen Königsthron sitzt. Er restaurierte die spanische Bourbonen-Monarchie und verfügte, dass der spanische König sein Nachfolger und damit Chef des Militärs wird. Das spanische Königshaus hat den rechten Königstreuen seine Regentschaft zu verdanken. Es sind die Männer des Königs. Auch König Felipe ist Luftwaffenoffizier. Seine Majestät Felipe wird sich zweimal überlegen, seine Königstreuen in der Armee vor den Kopf zu schlagen. Unter den Linken wird er wenig Unterstützung finden, wenn es drauf ankommt.
Die Uniformierten Spaniens sind bekanntermaßen zum größten Teil auch nicht gerade linksgrün-divers. Es kamen schon mehrfach interne Chats der spanischen Polizei an die Öffentlichkeit, die eine starke Bindung nach rechtsaußen belegen. Da kommen in einer polizei-internen WhatsApp Gruppe schon mal Formulierungen vor á la, dass „Hitler ein guter Mann“ war und dass „die Schornsteine wieder rauchen sollten“. Die linke Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena wird als “Tochter der großen roten Hündin der schlecht geborenen Scheiße” tituliert. Es wird auch durchaus klar gemacht, dass man seine Ziele auch bereit ist, mit Gewalt zu erringen.
Auch die 73 altgedienten, hochrangigen Militärs diskutieren ihre Pläne rückhaltlos auf WhatsApp aus. Der ehemalige Generalmajor Francisco Beca, Mitunterzeichner des Briefes an den König, schreibt im Chat: „Es bleibt keine andere Wahl, als 26 Millionen Hurensöhne zu erschießen.“ Und er bezweifelt, dass das ausreichen würde: „Ich glaube, mit den 26 Millionen habe ich noch zu kurz gegriffen!“. Und: Es sei die einzige Möglichkeit, den „Krebs herauszuschneiden“. Mit dem „Krebs“ meint er die Linken und Sozialdemokraten in Spanien und er stellt klar, dass er ein treuer Anhänger des „Einzigartigen“ Franco ist. Damit steht er aber nicht allein da. Der pensionierte Hauptmann José Molina postet zurück. Er will, dass „sie alle und ihre Sippschaft sterben“. (Quiero que se mueran todos y toda su estirpe). Daraufhin gibt es eine Antwort: „Aber Curro (der freundschaftliche Spitzname für Molina), damit sie sterben, müssen sie erschossen werden und dazu brauchen wir 26 Millionen Kugeln!!!!!!!!!!“. („Pero Curro [apodo amistoso para Molina] para que mueran hay que fusilarlos y hacen falta 26 millones de balas!!!!!!!!!!“).
Offenbar hat niemand in dem Chat diesen Ausführungen widersprochen.
Das ist wahrscheinlich der Grund für die ausgeprägte Nervosität in Regierungskreisen. Man weiß, dass im Militär und in der Polizei ein hoher Anteil von Männern mehr oder weniger mit diesen Äußerungen konform geht. Auch in den Chat-Gruppen der rechtsnationalen spanischen VOX-Partei findet man solche Töne. Und man erinnert sich in Spanien noch gut an die Geschehnisse des 1981-Putsches. Damals war der spanische Bourbonen-König Juan Carlos de Borbón eine treibende Kraft und das Zentrum der Geschehnisse des 23. Februar 1981. Damals stürmte der paramilitärische Arm der Polizei, die Guardia Civil das Parlament, während das Militär mit Panzern die Hafenstadt Valencia unter Kontrolle brachte. Lesenswert der Bericht des Spiegels dazu aus 2012 im Rückblick.
Der deutsche Botschafter in Madrid, Lothar Lahn, verfasste einen Bericht im Anschluss an sein Treffen mit König Juan Carlos.
Darin hieß es:
„‘Der König ließ weder Abscheu noch Empörung gegenüber den Akteuren erkennen, sondern zeigte vielmehr Verständnis, wenn nicht gar Sympathie‘”. Laut Lahn erklärte Juan Carlos, dass ‚die Aufrührer lediglich nur das gewollt hätten, was wir alle erstrebten, nämlich Wiederherstellung von Disziplin, Ordnung, Sicherheit und Ruhe‘. Er wolle auf Regierung und Militärgerichte einwirken, damit den Putschisten ‚nicht allzu viel geschehe, die ja doch nur das Beste gewollt hätten‘. Den Putschversuch solle man ‚möglichst bald wieder vergessen‘.“
Die unverblümten Drohungen und Putsch-Aufrufe sind also kein folgenloses Säbelrasseln postpotenter Space-Cowboys. Man kann wahrscheinlich davon ausgehen, dass sich da in Spanien etwas durchaus Ernsthaftes zusammenbraut und dass der König sehr wahrscheinlich nicht einschreiten wird.
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