Die deutsche Familie im Biedermeier: Carl Spitzweg, "Der Sonntagspaziergang", gemeinfrei

„Deutschland geht den Bach runter“ – steht uns ein Nie­dergang bevor? Oder ein Neu­anfang von unten?

Das Kölner Rheingold-Institut hat eine „tie­fen­psy­cho­lo­gische Studie“ aus­ge­ar­beitet, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Mehrheit der deut­schen Bürger ihr Land vor einem deut­lichen Nie­dergang sieht. Stephan Grü­newald ist Experte für diese tie­fen­psy­cho­lo­gi­schen Unter­su­chungen und hat die Mei­nungen, aber auch die Reak­tionen auf dieses „Hin­ter­grund­gefühl“ aufgearbeitet.

Durch die All­ge­genwart schwerer Krisen ist die Bevöl­kerung ver­un­si­chert, das Ver­trauen in eine bessere Zukunft ist fun­da­mental erschüttert: Die Mehrheit der Deut­schen befindet sich in einem ‚No-Future‘-Modus. Gesell­schaft­lichen Her­aus­for­de­rungen und anste­henden Umbrüchen begegnet eine Mehrheit mit einer resi­gna­tiven Grund­haltung. Sie glaubt nicht daran, dass die großen Pro­bleme unserer Zeit gelöst werden können, die Leis­tungs­fä­higkeit des Staates und die Zukunfts­chancen Deutsch­lands werden sehr skep­tisch beur­teilt. Das Ver­trauen, dass Staat, Politik, Insti­tu­tionen und Par­teien die Krisen lösen können, ist ero­diert: Nur 26 Prozent stimmt das Wirken von Politik und Par­teien opti­mis­tisch für die Zukunft. Die Wahr­nehmung einer gesell­schaft­lichen Mehrheit: ‚Deutschland steht vor einem Nie­dergang‘ (61 Prozent) und ‚durch Krisen wie Corona und den Kli­ma­wandel stehen uns dras­tische Ver­än­de­rungen bevor‘ (88 Prozent).“

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Es ist nicht nur eine knappe Mehrheit, es sind zwei Drittel der Deut­schen, die eine sehr unan­ge­nehme Zeit auf uns zukommen sehen. Aller­dings muss man sagen, dass es dazu keiner Tie­fen­psy­cho­logie bedarf, wenn man nicht gerade in einem Elfen­beinturm lebt oder in Berlin im Regie­rungs­viertel. Was im Prinzip das­selbe ist. Nie­mandem, der mit nor­malen Men­schen zu tun hat, kann ent­gangen sein, dass die Aller­meisten mehr als skep­tisch in die Zukunft schauen. „Deutschland geht den Bach runter, wir gehen harten Zeiten ent­gegen“ ist ein Satz, den man nur allzu oft hört. Oder umge­kehrt: Wer glaubt eigentlich noch an eine gute Zukunft? Viele haben richtig Angst und viele alte Leute sagen, dass sie froh sind schon so alt zu sein und dass sie hoffen, das, was da kommt, nicht mehr mit­er­leben zu müssen.

Viele Bürger*innen befinden sich in einem akuten Mach­bar­keits-Dilemma. Sie erkennen die großen Zukunfts­pro­bleme, haben aber keine Idee, wie sich diese Jahr­hundert-Her­aus­for­de­rungen bewäl­tigen lassen. Daher ziehen sie sich zunehmend in ihr pri­vates Schne­ckenhaus oder ihre per­sön­lichen Nischen zurück. ‚Die Men­schen ver­schanzen sich in kleinen Wir­kungs­kreisen mit Gleich­ge­sinnten und ver­suchen in ihren per­sön­lichen Umfeldern zu retten, was noch zu retten ist‘, sagt Stephan Grü­newald, Psy­chologe und Gründer des auf tie­fen­psy­cho­lo­gische For­schung spe­zia­li­sierten Rheingold Instituts. Die globale, euro­päische oder gesamt­deutsche Per­spektive wird dabei ersetzt durch eine neue Selbst­be­züg­lichkeit. Das eigene Ich, die Familie oder das unmit­telbare soziale Umfeld stehen im Fokus. Private  ‚Nischen-Pro­jekte‘, das Kümmern um die eigene Welt und das Streben nach dem per­sön­lichen kleinen Glück stehen in der Folge hoch im Kurs. Opti­mismus für die Zukunft speist sich eher aus dem Glauben an sich selbst und die eigenen Fähig­keiten (79 Prozent), der eigenen Familie (79 Prozent) und dem per­sön­lichen Umfeld (81 Prozent).“

Das Ver­trauen in die Regierung und in staat­liche Instanzen ist nahe Null, bei einer Menge Bürgern – quer durch die poli­ti­schen Lager – bereits tief im Minus. Es herrscht regel­recht Miss­trauen. Mancher spricht von vor­re­vo­lu­tio­närer Stimmung. In der Tat ist der Rückzug ins Private, for­ciert durch die Lock­downs, der Stimmung des Bie­der­meier sehr ähnlich.

Über die Köpfe der Völker hinweg wurden damals 1815 auf dem Wiener Kon­gress Beschlüsse aus­ge­handelt, die Europa nach dem Willen der Mäch­tigen und der Adels­schicht in einer Wie­der­her­stellung der kon­ser­vativ mon­ar­chi­schen Ver­hält­nisse von vor der fran­zö­si­schen Revo­lution formte. Heute sehen wir fast das­selbe, nur in moderner Form: Die Welt-Elite der glo­balen Groß­kon­zerne und Leute, wie Klaus Schwab, Bill Gates, Rocke­fellers etc. wollen im Prinzip das­selbe: Den abso­lu­tis­ti­schen Welt­staat, in dem alle Men­schen die Leib­ei­genen dieser Ober­schicht sind und deren Geschicke und Lebens­ver­hält­nisse von dieser glo­balen Elite bestimmt werden. Denen sie nach Gut­dünken Rechte gewähren oder ent­ziehen können.

Die Karls­bader Beschlüsse, von Fürst Met­ternich im Dienst des öster­rei­chi­schen Kaisers durch­ge­setzt, bewirkten das­selbe, was wir heute erleben: Jede unge­liebte, poli­tische Tätigkeit und Mei­nungs­äu­ßerung wurde stark ein­ge­schränkt, eine strenge Zensur unter­drückte jedwede Ver­öf­fent­li­chung, ja sogar Musik­werke wurden zen­siert, wenn sie irgendeine auch nur ent­fernt zu wit­ternde Kritik am System ent­hielt. Heute berühmte Dichter und Denker, wie Georg Büchner und Heinrich Heine, blieb nichts anderes, als zu emi­grieren. Auch Karl Marx musste Deutschland verlassen.

Die Deut­schen zogen sich in ihr Schne­ckenhaus zurück und suchten Sicherheit und Idyll daheim oder in der Natur. Doch dann folgte die bür­ger­liche Revo­lution, bei der die Bürger zum bestim­menden Faktor der Staat­lichkeit wurden, sich zu Natio­nal­staaten mit selbst­ge­ge­bener Ver­fassung zusam­men­schlossen. Die Volks­sou­ve­rä­nität, die heute mit Füßen getreten wird, obwohl sie in unserem Grund­gesetz ver­ankert ist, war das tra­gende Prinzip. Der Rechts­staat war der Garant für aus­nahmslos alle Bürger, gerecht und gleich behandelt zu werden.

Jeder hatte das Recht, Vereine oder Par­teien zu gründen, die Reli­gi­onswahl war frei. Es durfte keine Zensur mehr ange­wandt werden, Presse- und Mei­nungs­freiheit sowie Ver­samm­lungs­freiheit wurde durch die Ver­fas­sungen garantiert.

Die Leib­ei­gen­schaft wurde auf­ge­hoben, jeder konnte sich Arbeit suchen, jeder konnte seine Pro­duk­tiv­kräfte frei ent­falten und über das erwirt­schaftete Ver­mögen oder sein Unter­neh­mens­ka­pital frei ent­scheiden. Das Pri­vat­ei­gentum war unantastbar.

All das steht jetzt wieder zur Dis­po­sition der Mäch­tigen, die uns „erlauben“ oder ver­bieten unsere garan­tierten bür­ger­lichen Grund­rechte aus­zuüben. Manche Bastion, wie Freiheit von Zensur, Ver­samm­lungs­recht, Mei­nungs­freiheit, ist schon gefallen. NOCH hält die Brand­mauer der kör­per­lichen Unver­sehrtheit, dass keinem Men­schen gegen seinen Willen eine im Expe­ri­men­tier­stadium befind­liche Sub­stanz mit noch unbe­kannten Folgen in den Körper gespritzt werden darf. Aber indirekt ist auch dieser Zwang längst da. Wem der Verlust des Arbeits­platzes droht, der tut sich schwer, zu ver­weigern. Für die, die irgendwann schwere Lang­zeit­folgen erleiden, wird es schrecklich werden.

Die Rhein­gold­studie „Deutsch­lands Zukunft zwi­schen No-Future-Modus und Gestal­tungs­kraft im kleinen Kreis“ stellt fest, was schon überall bekannt ist: Die Gesell­schaft spaltet sich, und die Gräben tun sich auch innerhalb der Familien auf. Die einen – geimpft/ungeimpft/rechts/links/konservativ … egal  – wachsen enger zusammen. Andere erfahren, dass selbst Geschwister, mit denen man sich immer gut ver­standen hat, plötzlich hys­te­risch aggressiv werden, wenn man als Unge­impfter zu Besuch kommen will. Unge­impfte Ver­wandte kappen jeden Kontakt zu Geimpften.

Auch diese Neigung, sich jetzt abso­lu­tis­tisch irgend­einer Lebens- oder Geis­tes­haltung in fast religiös-mis­sio­na­ri­schem Eifer zuzu­wenden, wird immer krasser. Ob es Kli­ma­wandel-Apostel, Veganer, Anti-Impfer oder Impf­ta­libans sind, alle anderen sind jeden­falls kom­plette Idioten.

„Auch im Hin­blick auf die kon­kreten pri­vaten Zukunfts-Stra­tegien zeigen sich bedeutsame Unter­schiede, die sich anhand von sechs Zukunfts-Typen dif­fe­ren­zieren lassen. Das Spektrum reicht von den Ein­ge­kap­selten, die Zukunfts­fragen am liebsten aus­blenden oder die Ver­gan­genheit ver­klären, über die Tri­ba­listen, deren Akti­ons­radius in der Nach­bar­schaft oder im Verein endet, bis hin zu den Mis­sio­nie­renden, die sich einer welt­ret­tenden Ideo­logie wie zum Bei­spiel dem Vega­nismus ver­schreiben.“ 

Aber, um mit Höl­derlin zu spreche, da, „wo aber Gefahr ist, da wächst das Ret­tende auch“. Das erleben wir ja auch, und plötzlich finden wir neue Ver­bin­dungen mit Leuten, die Struk­turen auf­bauen, für­ein­ander da sind, sofort helfen, wo gebraucht wird, Gras­wur­zel­be­we­gungen, die auf neue Ideen kommen und kurze Infor­ma­ti­onswege und unkon­ven­tio­nelle Lösungen. Leute, die sich zu Spa­zier­gängen und Gesprächen am Lager­feuer treffen, wo Pläne geschmiedet, Ideen aus­ge­tauscht, Ziele und Zukunft dis­ku­tiert werden. Men­schen, die man sonst nie ken­nen­ge­lernt hätte, aktive, selbst­be­stimmte Cha­raktere. Die Kom­mu­ni­kation findet nicht mehr in den zen­sierten Sozialen Medien statt. Dort funkt man nur noch unver­fäng­liche Dinge oder ver­ab­redete For­mu­lie­rungen, die man kennen muss.

Auch diese Gras­wurzel-Bewe­gungen finden die Studienautoren:

„Im Kleinen zeigt sich jedoch auch eine hoff­nungs­stif­tende Gras­wurzel-Men­ta­lität. Im eigenen Schaffen erleben viele Befragte Selbst­wirk­samkeit und Fort­schritte. Auf­bruchs­stimmung, Zukunft­selan und Gestal­tungs­wille zeigt sich bei einem Drittel der Befragten im Anpacken in der eigenen Lebenswelt. Viele ent­wi­ckeln das Gefühl, selbst etwas bei­tragen zu können und eine bessere Welt von unten zu fördern. Nach­bar­schaft­liche Initia­tiven, ver­än­derte Ernäh­rungs- und Kon­sum­ge­wohn­heiten, soziale und öko­lo­gische Netz­werke oder post-kapi­ta­lis­tische Geschäfts­mo­delle finden immer mehr Auf­merk­samkeit in der Welt der Befragten.“ 

Uns kriegen sie nicht klein.

Hier kann man sich die Stu­di­en­ergeb­nisse herunterladen.