Ener­gie­krise: Hilfe, der Winter kommt – und der Frust wächst!

Alle reden vom kom­menden Winter und meinen die Ener­gie­preise, die so teuer sind wie ewig nicht mehr. Im Hin­ter­grund läuft der Streit zwi­schen Frank­reich und Deutschland über die Rolle der Kern­energie. Paris drängt darauf, die Kern­kraft als ‚grüne‘ Ener­gieform ein­zu­stufen. Der fran­zö­si­schen Position schlossen sich Polen und mehrere andere mittel- und ost­eu­ro­päische Länder an, die beim Aus­stieg aus der Stein- und Braun­kohle in einer Über­gangs­phase auch die Gas­energie als kli­ma­freundlich aner­kennen lassen wollen.

Zahl­reiche EU-Staaten ver­suchen bereits, besonders ärmere Haus­halte zu ent­lasten. Die Steue­rungs­me­cha­nismen der EU treiben die Preise für fossile Brenn­stoffe in die Höhe, während nicht aus­rei­chend in erneu­erbare Energien inves­tiert wird. In Ver­bindung mit zu wenig Wind und zu viel Regen beschränkt das die Pro­duktion. Gleich­zeitig läuft eine Dis­kussion darüber, welche Ener­gie­pro­duktion als nach­haltig gelten kann. Eigentlich sollten die Regeln längst fest­stehen. Aber die beiden schwie­rigsten Fragen sind wei­terhin offen: Was soll mit Gas und mit Atom­energie passieren?

Die einsame Ent­scheidung der deut­schen Regierung, genauer: Merkels, nach dem Atom­unfall von Fuku­shima 2011, die Kern­kraft­werke bis 2022 still­zu­legen, hat die Ener­gie­krise ange­heizt. Son­nen­en­ergie und Was­ser­kraft sollen mehr Strom liefern. Doch die Rechnung ist nicht auf­ge­gangen. Jetzt werden in Europa Gas­kraft­werke in Betrieb genommen, sie sind etwas sau­berer als Koh­le­kraft­werke. Mit anderen Worten, wenn es eng wird, gerät das Ziel des Kli­ma­schutzes in den Hin­ter­grund. Aber die Atom­energie ist eine zuver­lässige Tech­no­logie und sollte Teil der Lösung sein.

Und es zeigt sich wieder mal, dass es gefährlich ist, ener­gie­po­li­tische Ent­schei­dungen zu treffen, die von grünen Lobbys dik­tiert werden und den Argu­menten von Experten wider­sprechen. Die Folgen einer solchen Politik sind kata­strophal: Erschre­ckend hohe Ener­gie­preise bedrohen die Wett­be­werbs­fä­higkeit der Industrie und den Alltag der Bürger. In einigen Ländern herrscht große Panik.

Ange­sichts hoher Kos­ten­sprünge beim Heizen und Tanken rücken Preis­bremsen für viele Haus­halte in den Blick. Die Ver­brau­cher­zen­tralen fordern nun die amtie­rende Bun­des­re­gierung auf, noch direkt Vor­ar­beiten für ein höheres Wohngeld in die Wege zu leiten, um vor allem Men­schen mit geringen Ein­kommen zu unterstützen.

In der Dis­kussion sind daneben auch Steu­er­ent­las­tungen. Dabei geht es über die akute Preis­krise hinaus um grund­sätz­liche Wei­chen­stel­lungen, um eher stei­gende Ener­gie­preise für mehr Kli­ma­schutz sozial abzu­federn. Der Chef des Ver­brau­cher­zen­trale Bun­des­ver­bands (vzbv), Klaus Müller, for­derte eine Erhöhung des Wohn­gelds, „damit niemand in diesem Winter frieren muß“. Auf die Höhe eines Auf­schlags legten sich die Ver­brau­cher­schützer nicht fest. Es sollte ein genauer Blick darauf geworfen werden, wie sich die Preise im November ent­wi­ckeln, sagte Müller. Mit „signi­fi­kanten Wei­ter­gaben“ an die Kunden sei dann wohl im Dezember, Januar, Februar zu rechnen.

Zur Zeit bleibt nur die Hoffnung, daß die hohen Gas- und Strom­preise bald wieder sinken. Die euro­päi­schen Behörden haben wenig Mittel in der Hand; denn bei Gas liegt die Abhän­gigkeit von Importen bei 90 Prozent. Wie machtlos die EU ist, wurde zuletzt deutlich, als die Kom­mission ihre Werk­zeug­kiste vor­stellte. Gemeinsame Gas­ein­käufe, Studien für größere Vorräte, mehr erneu­erbare Energien – das alles sind Maß­nahmen, die keine kurz­fristige Erleich­terung bewirken. Wir können nur auf einen milden Winter hoffen – und auf den guten Willen des rus­si­schen Prä­si­denten Wla­dimir Putin, der mit kaum ver­hüllter sata­ni­scher Freude an der Preis­schraube dreht.

Russland ist mit­ver­ant­wortlich, da es kaum zusätz­liches Erdgas liefert. Das nährt den Ver­dacht, damit wolle das Land Druck auf eine schnelle Inbe­trieb­nahme der Gas-Pipeline Nord­stream 2 machen.  Die rus­sische Regierung betont indes, man liefere nach den bestehenden Ver­trägen das Maximum. Die ganze Wahrheit wäre aber zu sagen, mehr sei nur nach Aus­handlung neuer Abkommen möglich.

Der Haupt­grund  für die enorm stei­genden Preise ist viel­fältig: Teil­weise „schuld“ ist die Pan­demie, hinzu kommt das Ungleich­ge­wicht zwi­schen Angebot und Nach­frage durch das abrupte Her­unter- und Her­auf­fahren der Wirt­schaft. Aber ein Grund ist auch die Ener­gie­wende. Die Preise für Gas, Strom und Benzin steigen rasant an und belasten Ver­braucher wie Unter­nehmen zunehmend. Die Ver­brau­cher­preise in Deutschland haben inzwi­schen den Höchst­stand seit 28 Jahren erreicht. Mit 4,1 Prozent liegt die Teuerung so hoch wie seit 1993 nicht mehr und über­steigt erstmals seitdem die Vier-Prozent-Marke.

Weitere Gründe für die hohen Preise liegen zum einen in der wirt­schaft­lichen Erholung der Staaten nach der Corona-Krise. Die starke Nach­frage treibt die Rohöl- und Gas­preise in die Höhe. Zudem hat der kalte zurück­lie­gende Winter Lager­be­stände geleert. Die bereits hohen Ener­gie­preise treffen gerade jetzt auf die Gespräche zur Regie­rungs­bildung und die Bemü­hungen, die Kli­ma­schutz­ziele zu erreichen, was ganz sicher zu wei­teren Preis­er­hö­hungen führen wird. Unter anderem der Preis auf den CO2-Ausstoß ver­teuert fossile Brenn­stoffe weiter. Außerdem sind in Deutschland seit Januar durch die Ein­führung der CO2-Bepreisung 25 Euro je Tonne Koh­len­dioxid fällig, das beim Ver­brennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.

Ange­sichts stark gestie­gener Ener­gie­preise will die EU-Kom­mission einen gemein­samen Gas-Einkauf der Staaten prüfen. Man werde unter­suchen, ob so ein Vor­gehen den Ländern Vor­teile bringe, erklärte die Kom­mission am Mittwoch (13.10.2021) in Brüssel. „Die aktuelle Lage ist außer­ge­wöhnlich, der Energie-Bin­nen­markt hat uns aber 20 Jahre genutzt“, sagte Energie-Kom­mis­sarin Kadri Simson. Sie stellte eine soge­nannte Toolbox mit Werk­zeugen vor, die EU-Länder anwenden können, ohne gegen die euro­päi­schen Wett­be­werbs­regeln zu verstoßen.

Unter anderem schlägt die Kom­mission direkte Zah­lungen, Steu­er­erleich­te­rungen und Sub­ven­tionen für kleine Unter­nehmen vor. Sie erwägt aber auch mit­tel­fristige Reformen, um den euro­päi­schen Ener­gie­markt auf lange Sicht robuster zu machen. Auch soll die Kon­struktion des euro­päi­schen Ener­gie­marktes unter die Lupe genommen werden. Die mit­tel­fris­tigen Maß­nahmen der „Toolbox“ sollen bei einem EU-Gipfel noch im Oktober besprochen werden. Lang­fristig sollen Inves­ti­tionen in erneu­erbare Energien für stabile Preise und mehr Unab­hän­gigkeit sorgen.

Der „Green Deal“ – Europas Kampf gegen den Kli­ma­wandel (Begrenzung der Erd­er­wärmung) – ist für die EU die eines der Top-Themen. Der Green Deal soll dazu bei­tragen, dass Europa im Jahr 2050 erster kli­ma­neu­traler Kon­tinent wird. Um das zu schaffen, müssen bis­herige Kli­ma­ziele ver­schärft werden. Und das wird teuer!

Die Politik könne Preise drosseln, die Frage sei aber, ob sie das sollte, sagte Götz Rei­chert, Wirt­schafts- und Ener­gie­ex­perte am Centrum für Euro­päische Politik am 13.10.2021 im Dlf. „Die Politik sollte kurz­fristige Härten abfedern – ins­be­sondere für ein­kom­mens­schwache Haus­halte.“ Seiner Ansicht nach aber wäre es „gefährlich“, ständig an der Preis­schraube zu drehen. Es gebe ein Span­nungsfeld zur Kli­ma­po­litik, die ja eben auf stei­gende Preise für fossile Energien setze. „Und das ist ja auch poli­tisch so gewollt“, sagte Reichert.

Dieser Len­kungs­effekt über lange Zeit sei von den poli­tisch Ver­ant­wort­lichen in Deutschland und in Europa beab­sichtigt, um mehr für den Kli­ma­schutz zu tun. Europa solle aber gemeinsam Gas ein­kaufen, um als Block einen güns­ti­geren Preis zu zahlen. Aloys Prinz, Finanz­wis­sen­schaftler von der Uni­ver­sität Münster, erwartet für 2020 und 2021 stei­gende Ener­gie­preise. Prinz machte am 5.10.2021 im Deutsch­landfunk die Null­zins­po­litik der EZB für die Lage mit­ver­ant­wortlich. Es zeigten sich jetzt die wahren Folgen dieser Politik.

Der Ökonom Jens Südekum sieht in der hohen Inflation im Ener­gie­be­reich ein „tem­po­räres Phä­nomen“, ver­ur­sacht durch Son­der­ef­fekte, u.a. die tem­poräre Mehr­wert­steu­er­senkung, die nun zurück­ge­nommen wurde. Auch der Inter­na­tionale Wäh­rungs­fonds (IWF) gehe derzeit davon aus, daß die Infla­ti­onsrate wieder zum Vor-Pan­demie-Niveau von unter zwei Prozent zurück­kehren werde. Südekum sprach von „deutlich ent­spannten Infla­ti­ons­raten“ ab Mitte 2022.

Er warnte zudem vor Panik­re­ak­tionen – ver­frühte geld­po­li­tische Maß­nahmen wie Zins­er­hö­hungen durch die EZB seien vorerst nicht nötig. Das würde die Situation nur verschlimmern.

Südekum schlug vor, eine „große Rücklage“ in Deutschland ein­zu­richten, solange die Schul­den­bremse noch außer Kraft gesetzt sei. Eine solche Rücklage könne „für alles Mög­liche“ ver­wendet werden. Unter anderem ließe sich damit der zusätz­liche Aus­ga­ben­bedarf in Deutschland von rund 75 Mil­li­arden pro Jahr für Inves­ti­tionen und die Kli­ma­wende auf­fangen. Denn auch die Mehr­ein­nahmen durch eine globale Min­dest­steuer reichten dafür nicht aus. Im Fol­gejahr könnte die „große Rücklage“ dann auf­gelöst werden.

Der gemeine Ver­braucher bleibt eini­ger­maßen ratlos zurück. Sein Blick ins eigene Porte­monnaie wird zunehmend trüber. Gegenüber einer Politik, die offen­sichtlich die Sorgen und Nöte der Bürger nicht spürt, macht sich ohn­mächtige Wut und Ent­täu­schung breit. Und die Aus­sicht auf eine mehr­heitlich „grün“ akzen­tu­ierte Politik ver­tieft die Sorgen.

Die Angst vor wach­sender „Ener­gie­armut“ in Europa wächst und befördert For­de­rungen, dem kurz­fristig mit Heiz­kos­ten­zu­schüssen und Ener­gie­steu­er­sen­kungen zu begegnen.

 


Dieser lesens­werte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com