Ekla­tanter Daten­miss­brauch: Bran­den­burgs Jus­tiz­mi­nis­terin will Daten der Corona-App zur Straf­ver­folgung nutzen

Sie glauben mitt­ler­weile, dass sie alles dürfen. Die Warner hatten recht: Darf der Staat aus­nahms­weise und in beson­deren Lagen Dinge, die nor­ma­ler­weise ver­boten sind, neigt er dazu, diese Situation auf­recht zu erhalten und seine Hand­lungs­freiheit zu Lasten der Bürger aus­zu­weiten. Kri­tiker sahen von Anfang an diese Gefahr in der Corona-Kontakt-Nach­ver­fol­gungs-App „Luca“. Können die Behörden erst einmal an die Infor­ma­tionen, werden sie sie auch miss­brauchen. Genau das sehen wir jetzt. Polizei und Staats­an­walt­schaft sollen „zur Ver­folgung schwerer Straf­taten“ in Zukunft auf die Kontakt-Daten der Luca-App zugreifen dürfen.

Der feuchte Traum jedes Regimes: Wer trifft sich mit wem? Welche Ver­bin­dungen unter Kri­ti­ker­gruppen gibt es? Wann und wo treffen sie sich? Dann hat noch irgendein Schnee­flöckchen das Handy während des Treffens an und man kann auch noch mithören.

Bran­den­burgs Jus­tiz­mi­nis­terin Susanne Hoffmann (CDU) fordert (!), sie FORDERT sogar, Daten der Coro­naApp Luca zur Nach­ver­folgung der Kon­takte zur Straf­ver­folgung durch Polizei und Staats­an­walt­schaft zu benutzen. Sie hat nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Natürlich nur zur Ver­folgung schwerer Straf­taten! Für „weniger schwere Taten“ werde die App nicht genutzt. Und wenn doch? Der Anfang ist dann gemacht. Das würde natürlich Schritt um Schritt erweitert werden. Wieder eine krude Ver­schwö­rungs­theorie? Ach ja?

Wurde uns nicht hoch und heilig ver­si­chert, dass diese Daten streng und aus­schließlich zur Ein­dämmung der Corona-Pan­demie benutzt werden würden, um die Infek­ti­onswege zu unter­brechen? Und sollte die App nicht auch abge­stellt werden, sobald die Pan­demie vorbei ist. Nun, die Pan­demie ist nie vorbei. Sie wird viel­leicht den Namen des Erregers ändern. Und außerdem, wo wir sie doch nun mal haben, warum nicht nutzen? Und dann die Aus­nahmen vom Daten­schutz immer weiter aus­bauen, bis man nicht nur Kri­mi­nelle, sondern auch Unge­horsame damit erwi­schen und kalt­stellen kann. Und deshalb wird nicht nur das Ver­sprechen gebrochen, sondern auch die App nicht wieder abge­stellt. Zur Kon­takt­ver­folgung bei Corona war sie zwar inef­fektiv, aber zum Aus­spio­nieren von ein­zelnen Per­sonen kann man sie doch prima nutzen.

Selbst­ver­ständlich sei sie “sich mit dem Gene­ral­staats­anwalt des Landes einig, dass das nicht infrage kommt, wenn es sich um weniger schwere Taten handle”, vesi­chert Minister Hoffmann treu­herzig. Genauso wie man sich im letzten Jahr einig war, dass diese Kon­takt­daten aus­schließlich zur Pan­demie-Bekämpfung benutzt werden dürfen … ?

Blöd nur, dass die Infek­ti­ons­schutz­ge­setze das aus­schließen. Zu dumm, dass da noch gesetz­liche Delikte aus der Zeit der Rechts­staat­lichkeit Sand ins Getriebe streuen. Da ist noch viel Arbeit zu leisten, bis das alles ent­fernt worden ist. Da müssen eben Ver­sprechen gebrochen, Ver­ein­ba­rungen umde­fi­niert, Gesetze gebrochen und Bestim­mungen miss­achtet werden. Wenn wir ver­sprechen, dass es nur für schwere Ver­brechen genutzt wird, wird das schon geschluckt. Wer will etwas gegen die Auf­klärung schwerer Ver­brechen vor­bringen? Keiner. Na, also. Und von da aus gehen wir weiter.

„Wenn die Minis­terin nun fordert, diese Infor­ma­tionen auch für gänzlich andere Zwecke zu nutzen, handelt es sich hierbei um einen Daten­miss­brauch“,  stellte Katrin Körber klar. Sie sieht im Vor­schlag der Jus­tiz­mi­nis­terin einen klaren Rechts­verstoß. Selbst die Betreiber der Luca-App wehren sich erschrocken dagegen.

Die FDP, lange nur irrele­vanter Appendix für die jeweils regie­rende Jamaika‑, Ampel- oder Sonstwas-Koalition, wenn ein paar Prozent zu knappen Mehrheit fehlten, gewinnt in der Oppo­sition an Kontur.

Matti Kar­stedt von der FDP Bran­denburg nannte den Vorstoß von Jus­tiz­mi­nister Susanne Hoffmann einen “Prä­ze­denzfall gegen ihre eigene Glaub­wür­digkeit. (…) Nachdem sich nun her­aus­ge­stellt hat, dass die Luca-App zum Zwecke der Pan­de­mie­be­kämpfung völlig unge­eignet war, sollen die Daten bei erster Gele­genheit zweck­ent­fremdet werden”, resü­miert Karstedt.

Bran­den­burgs Gesund­heits­mi­nis­terin Ursula Non­ne­macher (Grüne) machte schon Mitte Januar den Vor­schlag, den Vertrag mit dem Anbieter der Luca-App nicht mehr zu ver­längern. Sie nannte sogar  aus­drücklich Daten­schutz­pro­bleme als Grund. Gesund­heits­ämter laut einer Umfrage vom ver­gan­genen Jahr die App regel­mäßig nutze.

SPD-Rechts­experte Erik Stohn sagte im Aus­schuss, er halte die Nutzung von Daten bei schweren Straf­taten für ver­tretbar. Ist klar.

Inter­es­san­ter­weise hat laut Netzpolitik.org nur eines von 18 bran­den­bur­gi­schen Gesund­heits­ämtern die Luca App wirklich benutzt: „Seinen ursprüng­lichen Zweck, nämlich die Pan­de­mie­be­kämpfung, erfüllt die App schon lange nicht mehr. (…) Bislang haben Staats­an­walt­schaften in Bran­denburg noch nicht auf Luca-Daten zuge­griffen, sagte der Innen­mi­nister des Landes kürzlich im Innen­aus­schuss. Datenschützer:innen kri­ti­sieren seit Langem, dass zur Infek­ti­ons­be­kämpfung erhobene Daten für die Straf­ver­folgung zweck­ent­fremdet werden. Das Infek­ti­ons­schutz­gesetz sieht eine Zweck­ent­fremdung nicht vor. Schon bei der Ein­führung von Papier­listen in Bars und Restau­rants hatten Ermitt­lungs­be­hörden auf diese zuge­griffen, dies setzt sich nun bei der digi­talen Kon­takt­ver­folgung mit Luca fort. Luca hat sen­sible Daten, wer sich wann an welchem Ort ein­ge­checkt hat.“

Sogar unter den Grünen regt sich Wider­stand. Die grüne Land­tags­ab­ge­ordnete Marie Schäffer sagte  gegenüber netzpolitik.org: „Wenn der Staat Daten zur Kon­takt­nach­ver­folgung Daten erhebt und deren Nutzung auf die Bekämpfung der Pan­demie begrenzt, dann sollten Bürger:innen auch darauf ver­trauen können, dass die Daten nicht zweck­ent­fremdet werden.“ Sie rät als Lehre aus den gemachten Erfah­rungen, dass die Bürger die LucaApp auf ihren Handys löschen sollten. Wer eine solche App haben will, solle sich die wesentlich effi­zi­entere Corona-Warn App installieren.

Deren Daten sind nämlich lokal auf dem Handy gespei­chert und alle 10 Minuten wird auto­ma­tisch  eine neue zufällige ID erstellt. Nur dann, wenn man selbst aktiv im Falle Corona die Daten an den RKI-Server gibt, werden diese dort zum Zugriff bereit­ge­stellt, so dass andere diese zufäl­ligen ID´s  bei sich prüfen können, ob es einen Kontakt zu diesen ID’s gegeben hat.

Am besten ist es, seine Daten gar nicht so fröhlich zu ver­teilen. Es gibt zu viele Inter­es­senten dafür, die nicht Ihre Freunde sind.