Bild: Sigmar Gabriel, Bildquelle: Wikimedia Commons, Olaf Kosinsky, Bildlizenz: CC BY SA 3.0

Möch­tegern Staa­ten­lenker Gabriel: Keile und Küsschen für Schäuble

Nach­rich­ten­agen­turen sind was unge­heuer Prak­ti­sches. Man setzt morgens jemanden an den Ticker, der schaut, was so im Angebot ist. Aha, copy & paste, einfach über­nehmen … viel­leicht noch ein bisschen umfor­mu­lieren, fertig.

So auch heute morgen. Mit ein paar kleinen Schnörkeln Unter­schied pinseln alle Main­stream­m­edien das­selbe ab. Sigmar Gabriel hat Wolfgang Schäuble gescholten, Europa in einen „Scher­ben­haufen“ ver­wandelt zu haben. Anlass: Schäuble wird Bundestagspräsident.

„Scher­ben­haufen“ klingt schonmal schön nach Rabbatz im Dschun­gelcamp Berlin, also kommt die Meldung rein.

Was aber steht wirklich drin in der Meldung? Ex-Außen­mi­nister Gabriel wirft seinem lang­jäh­rigen Kabi­netts­kol­legen und Finanz­mi­nister Schäuble vor, er habe mit „deut­scher Ober­leh­rer­haf­tigkeit“ und seiner „Starr­sin­nigkeit und finanz­po­li­ti­schen Ortho­doxie“ nahezu alle EU-Mit­glieds­staaten gegen Deutschland auf­ge­bracht. Und im Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds „für erheb­lichen Zünd­stoff“ gesorgt. In Wirk­lichkeit habe nicht einmal Deutschland es geschafft, seine Reformen ohne neue Schulden fer­tig­zu­bringen. Und Schäuble ver­lange von allen anderen aber das Gegenteil. Außerdem habe Schäuble einfach nur unglaublich Glück gehabt, in Zeiten nied­rigster Zinsen Finanz­mi­nister gewesen zu sein und seinen „guten Haushalt“ ver­danke er nur der dadurch ent­stan­denen Ein­sparung von 20 Mil­li­arden Euro.

Herr Gabriel hat als Außen­mi­nister eine sehr über­schaubare Per­for­mance hin­gelegt. Ange­sichts dieser, von kei­nerlei Sach­ver­stand getrübten Kritik bleibt nur Erleich­terung, dass er wenigstens nicht das Amt des Finanz­mi­nisters innehatte.

Die Schul­den­kurve der EU-Länder, die nicht zuletzt von der mehr oder weniger unaus­ge­spro­chenen Erwartung befeuert wird, dass das fette, reiche Deutschland am Ende schon den Löwen­anteil aller Schulden schultern müssen wird, wäre ohne Schäuble sehr wahr­scheinlich noch viel extremer hoch­ge­schossen. Allein über die Target-II Saldi haben die Zen­tral­banken der anderen EU-Länder bei der Deut­schen Bun­desbank fast eine Billion an Schulden ange­häuft. Ein Kredit der Deut­schen Bun­desbank an andere Nationale Zen­tral­banken, der – bei Lichte betrachtet – sich als unein­bringbar erweisen wird. Vom deut­schen Haf­tungs­anteil für die von der EZB auf­ge­kauften Schrott-Staats­an­leihen der EU-Süd­schiene und den eben­falls unein­bring­baren Grie­chenland-Kre­diten ganz zu schweigen. Bei der Vor­stellung, wie der juris­tisch unbe­leckte Gym­na­si­al­lehrer und Soziologe Gabriel als knall­harter Ver­handler mit dem IWF und der EZB, den Zen­tral­banken und Regie­rungen im Hai­fisch­becken EU um Ver­trags­klauseln, Haf­tungen und Sicher­heiten kämpfen soll, kann einem im Nach­hinein noch angst und bange werden. Wenn er dann auch noch davon spricht, dass “andere mühsam” den von Schäuble ange­rich­teten Schaden wieder repa­rieren müssen, so lasset uns alle inständig hoffen, dass Herr Gabriel sich dazu nicht berufen fühlen möge.

Ange­sichts des naiv-pat­zigen Vor­wurfs, Schäuble habe ja quasi nur durch den unver­dienten Dusel der Nied­rigst­zinsen einen relativ guten Haushalt hin­gelegt, bleibt nur zu sagen, dass es ja genau Zweck und Absicht der Nied­rigst­zinsen ist, den Schul­den­dienst trotz allem noch leistbar zu halten, um die Banken und Staaten vor dem Schul­den­kollaps zu bewahren. Das ist etwa so, als beschimpfe man einen Auto­fahrer als gewis­sen­losen Stra­ßen­rowdy, den nur der Halt an der roten Ampel vor einer Kol­lision auf der Kreuzung gerettet habe.

Abschluss der Tirade Gabriels ist dann ein Schwenk in Richtung eines all­gemein-ver­söhn­lichen „War-nicht-so-gemeint“- Köpf­chen­tätschlers für Schäuble, er habe ja auch „vieles richtig gemacht“. Nicht ohne mah­nende Worte des schei­denden Vize­kanzlers an den schei­denden Finanz­mi­nister, dieser möge seine Position als Bun­des­tags­prä­sident nutzen, um der AfD das Leben mög­lichst schwer zu machen.

Es ist doch immer wieder ein Genuss, stra­te­gisch bril­lanten Köpfen bei ihren genialen, schwer durch­schau­baren Schach­zügen bewun­dernd zuzusehen.