Angela Merkel hat ein Wahldesaster zu verantworten. Doch nicht sie, sondern ihre innerparteilichen Kritiker taumeln – Stanislaw Tillich, Wolfgang Bosbach, Wolfgang Schäuble und nun Horst Seehofer. Was wird aus Jens Spahn?
(Von Wolfram Weimer)
Sie nennen es bereits die „Kritikerpest“. Jeder ranghohe Unionspolitiker, der Angela Merkel in den vergangenen zwei Jahren kritisiert hat, wird selber siech. Die Fehler der Migrationskrise fallen nicht der Kanzlerin sondern ausgerechnet den Mahnern auf die Füße. Das Quintett der wichtigsten Gegenspieler zeigt eine verblüffende Zersetzung:
Wolfgang Bosbach gehörte zu den mutigsten Kritikern des Merkel-Kurses, in der Flüchtlingskrise wie in der Euro-Rettungspolitik. Er verweigerte der Kanzlerin sogar bei Abstimmungen im Bundestag die Gefolgschaft – und wurde daraufhin aus ihrem Umfeld persönlich diffamiert, das sei wohl sein 
Auch Stanislaw Tillich mahnte immer wieder Korrekturen an der Migrationspolitik Merkels an, warnte vor dem Aufstieg der AfD und sorgte sich ums konservative Profil der Union. Kurz nach der Wahl fasste er die Sorgen der Menschen so zusammen: “Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt.“ Am Ende wurde die AfD in Sachsen stärkte Partei. Nun ist der sächsische Ministerpräsident zurückgetreten, obwohl er fürs Wahldesaster der CDU eigentlich am wenigsten konnte.
Auch Wolfgang Schäuble hatte sowohl in der Griechenland- als auch in der Migrationskrise grundlegend andere Meinungen als Merkel. Allerdings äußerte er die vor allem hinter verschlossenen Türen. Und doch war Schäuble ihr gefährlichster Gegner, weil er von vielen in der Union als eine latente personelle Alternative angesehen wurde, als ein Kanzler in Wartestellung. Doch auch er ist nun aus dem Zentrum der Machtpolitik heraus gedrängt. Als neuer Bundestagspräsident bekleidet er ein nurmehr protokollarisch wichtiges Amt. Ein CDU-Abgeordneter meint dazu lakonisch: „Merkelkritik macht offenbar ohnmächtig.“
Der lautstärkste Merkel-Kritiker der Union kommt freilich aus Bayern. Horst Seehofer war monatelang nicht müde geworden, die Migrationskrise vehement zu beklagen. Er unterstellte Merkel gar eine „Herrschaft des Unrechts“ und drohte offen mit Verfassungsklage. Wo Bosbach verärgert, Tillich alarmiert und Schäuble besorgt waren, da war Seehofer regelrecht entsetzt. Nur in der Schlussphase des Wahlkampfs hielt er mit Kritik still. Doch auch er wird nun von der Kritikerpest erfasst. Auch ihm wird Merkels Wahldesaster zum Verhängnis. Der bayerische Ministerpräsident wankt und muss um sein politisches Überleben kämpfen – wenn er das denn überhaupt noch tun will.
Was wird aus Spahn?

Und so wächst es sich zu einer gewaltigen Ironie der Geschichte von CDU/CSU, dass eine Reihe ihrer mächtigsten Männer ausgerechnet aus dem Grund stürzen, den sie seit Monaten kritisieren. Oder wie ein Ex-Ministerpräsident der Union witzelt. „Früher überwand Angela Merkel ihre innerparteilichen Rivalen, indem sie auf deren Fehler wartete. Heute läßt sie sie ihren eigenen Fehler erleiden.“
Wolfram Weimer — TheEuropean.de
























