"Die Ärzte", Wikimedia Commons, Nela König, hot Action Records, CC BY-SA 3.0

Band „Die Ärzte“ distan­ziert sich von „fatshaming“-Lied – Die Zähmung der Rabauken ist geglückt

Sie surften immer hart an der Grenze und das war ihr Mar­ken­zeichen. Bis­weilen ging es auch über Geschmack- und Rück­sichts­lo­sigkeit hinaus und war schon belei­digend oder sit­ten­widrig. Sie waren damit aber ein Ventil für viele, denen die zuneh­mende Poli­tical Cor­rectness auf den Geist ging oder die einfach mal zumindest verbal über die Stränge schlagen wollten. Jetzt geben sich die Musik­ra­bauken plötzlich „achtsam“. Sie weigern sich, ihre alten Kult-Songs aufzuführen.

Das Stück  „Elke“ der Ber­liner Band „die Ärzte“ ist bei ihren Fans Kult. Bei einem ihrer Auf­tritte wollten die Fans den Song hören – aber zu deren Erstaunen bekamen sie nicht den Song, sondern eine knappe, mora­lische Zurecht­weisung zu hören. Die Ansage von Band­leader Farin Urlaub (Jan Vetter, 58):

„Neee, Leute. Elke ist fats­haming und misogyn. Sowas spielen wir nicht mehr, das ist letztes Jahrtausend.“

Damit man mal einen Ein­druck davon bekommt, hier das Ori­ginal im Video:

 

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und hier der inkri­mi­nierte Text:

 

Es fing an, als sie mich anrief, da war ich gleich verlorn

Ihre Stimme klang so zärtlich und so sanft in meinen Ohren

Sie schickte mir ein Foto, mein Herz blieb beinah stehn

Sie sah aus wie eine Pizza, sie war wunder-wunderschön

Ich schrieb ihr einen Lie­bes­brief mit Rosenduft sogar

Und zwei Wochen später waren wir ein Liebespaar

 

Elke, die fette Elke

 

Wir haben uns getroffen allein bei mir zu Haus

Sie sah noch viel, viel dicker als auf dem Foto aus

Ich schloss sie in die Arme, das heißt, ich habs versucht

Ich stürzte in ihr Fett­gewebe wie in eine Schlucht

Sie ist ein echter Brocken, 3 Meter im Kubik

Sie sieht so aus wie Puten­brust mit Gurke in Aspik

 

Elke, die fette Elke

 

Ich war mit Elke essen, ganz schick mit Kerzenschein

Ich aß ein bisschen Tofu, sie aß ein ganzes Schwein

Elke ist so niedlich, Elke ist mein Schwarm

Im Sommer gibt sie Schatten, im Winter hält sie warm

Sie hat zent­ner­schwere Schenkel, sie ist unendlich fett

Neulich hab ich sie bestiegen – ohne Sauerstoffgerät!

 

Die fette Elke, Elke, die wider­wärtige Elke

Ich nannte sie mein Nil­pferd, natürlich nur im Scherz

Doch ich brach damit ihr dickes, fettes Herz

Sie ist daran gestorben, mein süßer, kleiner Schatz

Ich konnt sie nicht begraben. Auf dem Friedhof war kein Platz.

 

Nun gibt es eine Geschichte hinter dieser „Elke“. Die Band fühlte sich von zwei kor­pu­lenten, hart­nä­ckigen Ver­eh­re­rinnen namens Elke und Daniela belästigt. Als diese das Des­in­teresse der Band igno­rierten und ständig anriefen, zahl­reiche Briefe schickten und ihnen auch noch noch drei Fotos von sich schickten und sich dauernd unbe­dingt treffen wollten, drohte Band­leader Farin, ein Lied über sie zu schreiben, wenn sie keine Ruhe geben. Anscheinend hörten die Auf­dring­lich­keiten aber nicht auf – und so brachten „die Ärzte“  dieses Lied heraus. Show­leute, Schau­spieler, Musiker und andere Publi­kums­lieb­linge müssen aber nun mal mit dem Problem leben, auch die uner­wünschte „Liebe“ unan­ge­nehmer  Fans auf sich zu fokus­sieren. Das ist die dunkle Seite des Ruhms. Davon können die „Cele­brities“ der Welt alle ein Liedchen singen. Aber gleich so ein giftig-böses Liedchen?

Das ist in der Tat ziemlich gemein. Nun gehören Texte, die jede Scham­grenze über­schreiten, zum „Image“ und dem Selbst­ver­ständnis der Band. In diesem Fall wird aber eine ganz kon­krete und nicht eine fiktive Person, nämlich „Elke“ öffentlich bla­miert und beleidigt. Das ver­letzt eine ganz kon­krete Frau auf üble Weise und ist mora­lisch und rechtlich das wahre Problem. Denn Songs wie „Männer sind Schweine“ redu­zieren den Mann ja auch höchst bös­artig auf eine ver­werf­liche, amo­ra­lische, rück­sichtslose Kreatur, die Frauen degra­diert und einfach nur benutzt, um seinen Sex­trieb abzu­re­agieren. Da gibt es aber anscheinend keine Distan­zierung. Kein Wunder: Der Mann – und zwar aus­schließlich der weiße Mann – ist nicht schutz­würdig, sondern die Ursache allen Übels auf dieser Welt. Keine Gruppe der mensch­lichen Welt­be­völ­kerung ist mehr dem Hass, dem Spott und der Kritik ausgesetzt.

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Um einen miesen, per­sön­lichen Angriff auf eine dicke Frau, nur, weil sie dick ist, zu ver­ur­teilen, braucht es keine neu­mo­di­schen Vokabeln wie „fats­haming“. Hier geht es auch gar nicht wirklich um die Adi­po­sitas der beiden Ver­eh­re­rinnen, sondern in erster Linie um eine  sehr unfaire und über­zogene Abwehr von Beläs­tigung. Das hätte man auch anders lösen können. Und das Adjektiv „misogyn“ passt nicht, weil das ja alle Frauen beträfe, was hier ja nicht der Fall ist. Warum geht es nicht einfach menschlich und anständig? Viel­leicht so: „Das war sehr unfair von uns und wir sind nicht stolz darauf – wir haben jemandem sehr weh getan — und wir werden das nicht wieder spielen.“?

Nein, „die Ärzte“ ver­suchen auch noch, sich zu adeln, indem sie mit den PC-Mode­be­griffen „misogyn“ und „fats­haming“ um sich werfen – und nun damit eigentlich ihre eigenen Fans dieser Untu­genden zu bezich­tigen, weil die unmo­ra­li­scher­weise das Lied hören wollen. Aus dieser Äußerung spricht nicht Reue und Bedauern, sondern Kon­for­mismus. Und das ist es auch, was die Fans ihnen ihnen übel­nehmen. Wer Ärzte-Fan ist, der will dieses Auf­be­gehren, das „wider-den-Stachel-löken“, das Unge­zü­gelte, das sagen, was nicht gesagt werden darf. Die Ärzte werden einen guten Teil ihrer Fans ver­lieren. „Go woke, get broke“, heißt es im Eng­li­schen (wenn du „achtsam“ wirst, gehst du pleite).

„Die Ärzte“ haben/hatten noch ein paar Songs im Reper­toire, die  ganz gezielt gesell­schaft­liche Total­tabus brechen. Das Lied „Claudia“ handelt von einer sexu­ellen Beziehung einer Frau mit ihrem Schä­ferhund. „Geschwis­ter­liebe“ the­ma­ti­siert die die Inzucht zwi­schen Bruder und Schwester.

Das „Elke“-Lied ist übrigens schon seit vielen Jahren nicht mehr auf­ge­führt worden. Weder sollte man darum jetzt plötzlich so ein Auf­hebens machen, noch muss man sich hier als „poli­tisch Kor­rekter“ und Bekehrter dar­stellen und an die Mei­nungs­dik­tatur anbiedern.