Das Gegen­mittel zur Tyrannei ist die Freiheit, nicht die Demo­kratie oder eine inter­na­tionale Regierung

Die poli­tische Sprache mani­pu­liert die poli­tische Debatte. Abtrei­bungs­gegner, die sich selbst als “Pro-Life” defi­nieren, machen Abtrei­bungs­be­für­worter seman­tisch zu “Pro-Death”. Abtrei­bungs­be­für­worter, die sich selbst als “Pro-Choice” defi­nieren, machen jede Oppo­sition seman­tisch zu “Anti-Choice”. Wer will schon “Pro-Tod” oder “Anti-Wahl­mög­lichkeit” sein? Das ist das Wesen der Politik. Worte sind Waffen: Wenn sie geschickt ein­ge­setzt werden, bestimmen sie das Schlachtfeld in unserem Kopf.

Was bedeutet es also, wenn west­liche Poli­tiker heut­zutage so viel von Demo­kratie, aber so wenig von indi­vi­du­ellen Rechten sprechen? Oder dass sie die Tugenden inter­na­tio­naler Insti­tu­tionen pre­digen, während sie den Natio­na­lismus als frem­den­feindlich und gefährlich ver­teufeln? Es bedeutet, dass die nationale Sou­ve­rä­nität und die natür­lichen, unan­tast­baren Rechte überall im Westen direkt ange­griffen werden.

Für euro­päische und ame­ri­ka­nische Poli­tiker ist es üblich geworden, die Welt in “demo­kra­tische” und “auto­ritäre” Nationen auf­zu­teilen, wobei die ers­teren als von Natur aus gut und die letz­teren als exis­tenz­be­drohend für den Pla­neten bezeichnet werden. Natürlich ist es nach mehr als zwei Jahren COVID-19-bezo­gener Masken‑, Impf- und Rei­se­vor­schriften, die im Westen oft durch ein­seitige Exe­kutiv- oder Ver­wal­tungs­maß­nahmen – und nicht durch den Willen der Legis­lative oder ein öffent­liches Refe­rendum – durch­ge­setzt wurden, etwas schwierig zu behaupten, dass demo­kra­tische Nationen frei von auto­ri­tären Impulsen sind.

Wenn Prä­si­denten und Pre­mier­mi­nister unter dem Vorwand von “Not­stands­be­fug­nissen” ihre eigenen Gesetze erlassen und durch­setzen, dann sollten die Bürger nicht über­rascht sein, wenn ihre Führer einen end­losen Vorrat an “Not­fällen” ent­decken, die drin­gende Maß­nahmen erfordern. Sollte man an dieser Wahrheit zweifeln, braucht man nur einen Blick auf die eiserne Ent­scheidung des kana­di­schen Pre­mier­mi­nisters Justin Trudeau zu werfen, der Anfang des Jahres die fried­lichen Pro­teste der Trucker des Freedom Convoy gegen expe­ri­men­telle Impf­stoffe mit der Beschlag­nahmung von Bank­konten und gewalt­samen Ver­haf­tungen nie­der­schlug, ohne Rück­sicht auf ein ordent­liches Ver­fahren oder die Mei­nungs­freiheit der Kanadier. Der von Trudeau aus­ge­rufene “Not­stand” über­trumpfte die indi­vi­du­ellen Rechte der kana­di­schen Bürger.

Es ist auch wahr, dass die Demo­kratie an sich keine Garantie für eine edle und gerechte Gesell­schaft ist. In einer gut funk­tio­nie­renden Demo­kratie mit hundert Bürgern können ein­und­fünfzig darüber abstimmen, den anderen neun­und­vierzig Eigentum, Freiheit und sogar das Leben zu ver­weigern. Sollte ein Mit­glied der Min­derheit vom Staat ver­sklavt oder zum Tode ver­ur­teilt werden, nur weil die Mehrheit es so will, wird es nicht das Lob der Demo­kratie singen, während ihm der Hals durch die Schlinge gezogen wird.

Die Grund­sätze des Föde­ra­lismus (bei dem die Zustän­digkeit der sou­ve­ränen Regierung zwi­schen einer zen­tralen Behörde und ihren lokalen Bestand­teilen auf­ge­teilt ist) und der Gewal­ten­teilung (bei der die Funk­tionen der Justiz, der Legis­lative und der Exe­kutive auf ver­schiedene und unab­hängige Zweige der Regierung auf­ge­teilt sind) bieten starke Kon­trollen gegen die Kon­zen­tration und den Miss­brauch von zu viel Macht.

Den größten Schutz gegen unge­rechte Regie­rungs­gewalt (ob demo­kra­tisch oder nicht) bietet jedoch das tra­di­tio­nelle Bekenntnis des Westens zu den natür­lichen Rechten, die unab­hängig von der ver­fas­sungs­mä­ßigen Auto­rität bestehen und ihr über­ge­ordnet sind. Wenn die natür­lichen Rechte als unan­tastbar ange­sehen werden, wie es in der Unab­hän­gig­keits­er­klärung der USA der Fall ist, kann die freie Mei­nungs­äu­ßerung nicht einfach deshalb zen­siert werden, weil die Regierung mit ihr nicht ein­ver­standen ist. Wenn Pri­vat­ei­gentum als inhä­rentes Recht des Ein­zelnen ver­standen wird, könnte Trudeau nicht so einfach auf private Bank­konten zugreifen, wann immer er einen “Notfall” aus­rufen möchte. Wenn jedoch die natür­lichen Rechte des Ein­zelnen als bloße “Geschenke” der Regierung betrachtet werden, ver­schwinden sie schnell, wann immer die Regierung es für zweck­mäßig hält.

Immer häu­figer werden die Rechte des Ein­zelnen als “ego­is­tisch” und dem “Gemeinwohl” zuwi­der­laufend ange­griffen. Sollten die Regie­renden die Bürger davon über­zeugen, dass per­sön­liche Rechte nicht exis­tieren oder nicht exis­tieren sollten, dann werden auto­ritäre Regie­rungen mit ver­schie­denen Aus­prä­gungen des Kom­mu­nismus oder Faschismus an die Tür klopfen.

Die Rechts­staat­lichkeit ent­schuldigt keine Tyrannei, nur weil etwas Unrechtes demo­kra­tisch beschlossen wurde. Wenn eine stimm­be­rech­tigte Min­derheit den Launen der Mehrheit aus­ge­liefert ist, dann kommt dieser Min­derheit auch eine demo­kra­tische Regierung äußerst auto­ritär vor. Und wenn Ihr Leben, Ihre Freiheit oder Ihr Eigentum auf dem Spiel stehen, ziehen Sie viel­leicht die Beur­teilung eines gütigen Dik­tators den For­de­rungen eines rach­süch­tigen, aber “demo­kra­ti­schen” Pöbels vor.

Das Gegenteil von Tyrannei ist nicht Demo­kratie, sondern Freiheit und indi­vi­duelle Rechte. Ist es da nicht erstaunlich, dass west­liche Führer die Demo­kratie preisen, aber den per­sön­lichen Frei­heiten so wenig Respekt zollen? Sicherlich sollte die west­liche Zivi­li­sation die hart erkämpften Siege der Rede­freiheit, der Reli­gi­ons­freiheit und des freien Willens wür­digen. Sicherlich sollte der Fort­schritt der mensch­lichen Freiheit als ein Triumph der Ver­nunft und Ratio­na­lität über feudale Macht­systeme und ihre her­ri­schen Formen der Kon­trolle gefeiert werden. Sicherlich unter­scheidet sich jede “freie” Gesell­schaft von auto­ri­tären Regimen durch den uner­schüt­ter­lichen Schutz unan­tast­barer Men­schen­rechte, die unab­hängig vom gesetz­lichen Recht gelten. Doch von Freiheit, Unge­bun­denheit und indi­vi­du­ellen Rechten ist selten die Rede. Statt­dessen preisen die poli­tisch Ver­ant­wort­lichen die “Tugenden” der Demo­kratie an und sonst nichts. Es ist, als ob ein sprach­licher Taschen­spie­ler­trick die west­lichen Bürger ihres wert­vollsten Erbes beraubt hätte.

Wenn die poli­ti­schen Führer des Westens rhe­to­ri­sches Voodoo benutzt haben, um die “indi­vi­duelle Freiheit” durch vage Vor­stel­lungen von “Demo­kratie” zu ersetzen, haben sie sich auf eine ähn­liche Hexerei ver­lassen, um die nationale Sou­ve­rä­nität durch inter­na­tionale Regie­rungs­formen zu ersetzen. Was sind die Euro­päische Union, die Ver­einten Nationen und die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sation anderes als insti­tu­tio­nelle Struk­turen zur Schwä­chung des indi­vi­du­ellen Wahl­rechts der Bürger einer Nation, indem sie einst sou­veräne nationale Befug­nisse an Nicht-Bürger abgeben?

Ist es nicht seltsam, dass west­liche Führer die Demo­kratie gegenüber dem Auto­ri­ta­rismus loben, während sie gleich­zeitig die Macht ihrer Wähler schmälern und die Auto­rität aus­län­di­scher Insti­tu­tionen stärken? Sollten “demo­kra­tische” Nationen nicht selbst über ihr Schicksal ent­scheiden? Wenn nicht, wenn sie sich der Auto­rität der EU, der UNO oder der WHO beugen müssen, können ein­zelne Nationen dann noch behaupten, demo­kra­tisch regiert zu werden?

“Natio­na­lismus” ist heut­zutage zu einem Schimpfwort ver­kommen, als ob alles, was im Interesse einer bestimmten Nation geschieht, per se ver­dächtig wäre. Bürger, die patrio­ti­schen Stolz auf ihre Kultur und nationale Geschichte zum Aus­druck bringen, werden oft als eng­stirnig oder geradezu bigott abgetan. Poli­tische Bewe­gungen, die für nationale Selbst­be­stimmung ein­treten (wie Prä­sident Trumps MAGA-Koalition in den USA und Brexit in Groß­bri­tannien), werden rou­ti­ne­mäßig als “faschis­tisch” oder “neo­na­zis­tisch” ver­spottet. Selbst wenn sie in demo­kra­ti­schen Wahlen siegen, werden sie als “Bedrohung” für die Demo­kratie abgestempelt.

Warum aber sollten größere, umfas­sendere inter­na­tionale Regie­rungs­formen als tugend­hafter und weniger korrupt ange­sehen werden als ihre natio­nalen Formen? Als die Römische Republik zum Römi­schen Reich wurde, wurden da die inter­na­tio­nalen Insti­tu­tionen von Natur aus ver­trau­ens­wür­diger? Als das Heilige Römische Reich große Teile Europas ver­ei­nigte, erschienen da seine Kaiser weniger auto­ritär? Wäre es Hitlers Nazi­partei gelungen, ganz Europa zu erobern, hätte dann seine “Euro­päische Union” mehr Legi­ti­mität ver­dient als die natio­nalen Regie­rungen von Polen, Belgien oder Frankreich?

Es ist sicherlich ebenso absurd, inter­na­tionale Insti­tu­tionen ohne Rück­sicht auf ihre Form gegenüber natio­nalen Regie­rungen zu loben, wie es absurd ist, die Demo­kratie ohne Rück­sicht auf per­sön­liche Frei­heiten und indi­vi­duelle Rechte zu loben. Sicherlich ist es ein­facher, die Taten eines lokalen Poli­tikers zu über­wachen, als einen weit ent­fernten Regie­rungs­be­amten in Washington, D.C., New York City, Brüssel oder Genf zur Ver­ant­wortung zu ziehen. Dennoch wird inter­na­tio­nalen Gremien heute großer Respekt gezollt, während nationale Gremien oft mit Gering­schätzung behandelt werden. Es ist, als sei die nationale Sou­ve­rä­nität zer­stört worden, weil man den Stimmen der demo­kra­ti­schen Nationen nicht trauen kann, wenn es um inter­na­tionale Inter­essen geht. Wenn die west­lichen Staats- und Regie­rungs­chefs die Sprache des Welt­wirt­schafts­forums nach­plappern, scheint es nicht so, als ob sie ihre Marsch­be­fehle von ihren eigenen Wählern erhalten. Sich auf nicht gewählte, intrans­pa­rente und nicht rechen­schafts­pflichtige Orga­ni­sa­tionen zu ver­lassen, scheint ein ziemlich selt­samer Weg zu sein, um Auto­ri­ta­rismus zu bekämpfen.

Wenn natio­nalen Bevöl­ke­rungen die Selbst­be­stimmung ver­weigert wird und per­sön­liche Frei­heiten als Pri­vi­legien und nicht als Rechte behandelt werden, dann ist die Tyrannei nie weit davon ent­fernt, Fuss zu fassen. Diese Rea­lität hinter sprach­lichen Mani­pu­la­tionen zu ver­stecken, ändert nichts an ihrer starken Wahrheit. Damit werden lediglich strittige poli­tische Kämpfe auf einen spä­teren, bri­san­teren Tag verschoben.

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JB Shurk schreibt über Politik und Gesellschaft.


Quelle: gatestoneinstitute.org