Fiat-Geld und die Corona- und Klima-Politik: Die Real exis­tie­rende Postmoderne

Was haben das unbe­grenzte Geld­drucken und das Corona- und Klima-Regime gemeinsam? Offen­sichtlich ist Ers­teres die Vor­aus­setzung für Letztere: Ohne die Mög­lichkeit für Regie­rungen, will­kürlich Geld aus dem Nichts zu schaffen, könnte es weder die Corona-Lock­downs noch die Wende hin zu inef­fi­zi­enten und unzu­ver­läs­sigen Ener­gie­quellen geben, weil dann die Men­schen die wirt­schaft­lichen Folgen dieser Politik direkt im Porte­monnaie spüren würden. Aber die Par­allele geht tiefer, wie ich in diesem Beitrag argu­men­tieren werde: Fiat-Geld läutet die erste, wirt­schaft­liche Phase dessen ein, was man als „real exis­tie­rende Post­mo­derne“ bezeichnen kann; das Corona- und das Klima-Regime läuten dessen zweite, tota­litäre Phase ein, die alle Bereiche des Zusam­men­lebens betrifft.

(von Michael Esfeld)

Fiat-Geld läutet die erste, wirt­schaft­liche Phase dessen ein, was man als „real exis­tie­rende Post­mo­derne“ bezeichnen kann; das Corona- und das Klima-Regime läuten dessen zweite, tota­litäre Phase ein, die alle Bereiche des Zusam­men­lebens betrifft.

Die Post­mo­derne ist in erster Linie eine geistige Strömung, die mit den Säulen der modernen Epoche bricht. Nach der schmerz­haften Erfahrung der Reli­gi­ons­kriege im 16. und 17. Jahr­hundert ent­wi­ckelten sich sowohl die moderne Wis­sen­schaft als auch der moderne Rechts­staat als Befreiung davon, dass Macht aus­geübt wird, indem eine bestimmte Auf­fassung von Gemeinwohl und See­lenheil all­gemein durch­ge­setzt wird.

In der Wis­sen­schaft spielt Auto­rität keine Rolle. Man muss Beweise und Argu­mente für die Behaup­tungen liefern, die man auf­stellt, und diese Behaup­tungen werden einer rigo­rosen Prüfung unter­zogen. Der moderne Rechts­staat ver­zichtet darauf, eine bestimmte Auf­fassung eines Gemein­wohls umzu­setzen. Er ist statt­dessen auf den Schutz der Frei­heits­rechte eines jeden Men­schen aus­ge­richtet: Jede Person ist frei, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für gut und richtig hält, solange sie allen anderen Per­sonen die gleiche Freiheit ein­räumt. Dem­entspre­chend sind die Men­schen­rechte aus­schließlich Rechte gegen unge­wollte äußere Ein­griffe in die eigene Lebensführung.

Hier kommt die Wis­sen­schaft ins Spiel: Jede Behauptung nega­tiver Exter­na­li­täten, durch die eine Person mit ihrer Lebens­ge­staltung andere Per­sonen in deren Lebens­ge­staltung schädigt, muss auf objek­tiven und für alle nach­voll­zieh­baren Tat­sachen beruhen – im Gegensatz zu sub­jek­tiven Gefühlen oder Ansichten darüber, was gut oder schlecht ist. Um ein gän­giges Bei­spiel zu nennen: Die Tat­sache einer robusten sta­tis­ti­schen Kor­re­lation zwi­schen Rauch­ex­po­sition und Lun­gen­krebs legi­ti­miert die Regu­lierung des Rau­chens im öffent­lichen Raum unter der nor­ma­tiven Prä­misse der Abwehr­rechte gegen Schädigungen.

Wis­sen­schaft und Rechts­staat­lichkeit sind daher die beiden Säulen der Moderne: Die moderne Gesell­schaft wird nur durch die Achtung der Men­schen­rechte aller und die Aner­kennung objek­tiver Tat­sachen zusam­men­ge­halten, die von Wis­sen­schaft und All­tags­ver­stand ent­deckt werden, nicht aber von einer bestimmten Sicht eines ver­meint­lichen All­ge­meinguts. Beides, die moderne Wis­sen­schaft und der moderne Rechts­staat mit seinen „checks and balances“ (gegen­seitige Kon­trolle und Gewal­ten­teilung), sind der Versuch, durch den Einsatz von Ver­nunft die Aus­übung von Macht zu begrenzen.

Die Post­mo­derne als intel­lek­tuelle Strömung lehnt es dagegen ab, die Ver­nunft als Mittel zur Begrenzung von Macht­aus­übung ein­zu­setzen. Sie stellt den Gebrauch von Ver­nunft als eine weitere Form der Aus­übung von Zwang dar. Es gibt keine objek­tiven Tat­sachen, die mit Ver­nunft ent­deckt werden können, und es gibt keine uni­ver­sellen Men­schen­rechte, die jeder Person auf­grund dessen zustehen, dass sie mit Ver­nunft im Denken und Handeln aus­ge­stattet ist. Die Post­mo­derne ist jedoch kein Rela­ti­vismus, in dem jeder oder jede Gruppe ihre eigene Rea­lität kon­struiert und in ihr lebt.

Der US-Kul­tur­his­to­riker Michael Rec­tenwald schreibt treffend in seinem Artikel „Social justice and the emer­gence of Covid tyranny“ (Soziale Gerech­tigkeit und der Auf­stieg der Covid-Tyrannei), erschienen beim Mises-Institut der USA : „Ohne objektive Kri­terien gibt es keine andere Beru­fungs­in­stanz als die Macht“. In seinem 2018 publi­zierten Buch Springtime for snow­flakes (Für die Schnee­flocken wird es Frühling, New English Review Press) dia­gnos­ti­ziert Rec­tenwald unter Bezug­nahme auf die woke- und cancel culture den Übergang zur „prak­ti­schen Post­mo­derne“ (S. xiii, 114–117), der auf reine Tyrannei hin­aus­läuft. In der Tat liegt die Par­allele auf der Hand: Der Sozia­lismus als eine von Marx und Engels initi­ierte geistige Strömung wurde zum Tota­li­ta­rismus des „real exis­tie­renden Sozia­lismus“, als er poli­tisch umge­setzt wurde. Genauso wird aus der Post­mo­derne als geis­tiger Strömung eine neue Form des Tota­li­ta­rismus, sobald sie zu einer poli­ti­schen Macht wird.

Fiat-Geld

1971 setzte Prä­sident Nixon die Defi­nition des US-Dollars durch eine bestimmte Gold­menge (damals 1/35 Feinunze) aus. Im Jahr 2002 lobte Willem Dui­senberg, der damalige Prä­sident der Euro­päi­schen Zen­tralbank, den Euro als die erste Währung der Welt, die durch nichts gedeckt ist. Das ist die real exis­tie­rende Post­mo­derne in der Wirt­schafts- und Finanz­po­litik: die Kon­struktion einer Rea­lität in Form der Kauf­kraft des Geldes für reale Güter und Dienst­leis­tungen aus dem Nichts, per Fiat, durch eine unge­deckte und damit poten­ziell unbe­grenzte Geld­schöpfung. Dies ist eine post­fak­tische Rea­lität: Es gibt keine Tat­sachen, die diese Rea­lität bestimmen und damit ein­schränken. Solange eine Währung hin­gegen an Gold, Silber oder einen Warenkorb gebunden ist, wird ihre Kauf­kraft durch die ihr zugrunde lie­genden Sach­werte bestimmt. Deren Ver­füg­barkeit ist begrenzt. Sie können nicht durch poli­tische Ent­schei­dungen ver­mehrt werden.

Die Gold­bindung des US-Dollars brach 1971 zusammen, weil der Staat immer mehr Wohl­fahrts­an­sprüche nach innen befrie­digen wollte, ohne Wohl­stand zu schaffen (Johnsons „Great Society“) und Macht­an­sprüche auch mit mili­tä­ri­schen Mitteln nach außen durch­setzte (Viet­nam­krieg). Vor die Wahl gestellt, diese Ansprüche der Rea­lität anzu­passen oder die Illusion einer Rea­lität zu schaffen, um diese Macht­an­sprüche zu befördern, ent­schieden sich die USA – und darüber hinaus alle anderen Staaten – für Letz­teres. Schließlich hat auch die Schweiz 1999 jede Form der Bindung ihrer Währung an Gold aufgegeben.

Das ist die real exis­tie­rende Post­mo­derne, die mit dem Rechts­staat bricht: Dessen Aufgabe ist der Schutz der Abwehr­rechte gegen unge­wollte, äußere Ein­griffe in die Freiheit zur selbst­be­stimmten Lebens­führung. Der Wohl­fahrts­staat hin­gegen wird durch die Gewährung von Anspruchs­rechten auf alle Arten von Leis­tungen zusam­men­ge­halten; dabei handelt es sich um Ansprüche auf Leis­tungen, die nicht aus pri­vat­recht­lichen Ver­trägen zwi­schen Ein­zel­per­sonen zum Aus­tausch von Waren und Dienst­leis­tungen stammen. Diese Anspruchs­rechte werden von der Staats­gewalt geschaffen, um deren Ein­fluss aus­zu­weiten. Ihre Erfüllung wird schließlich von der unbe­grenzten Schöpfung von Fiat-Geld abhängig. Solange sich dieses Regime jedoch auf Brot und Spiele – den Wohl­fahrts­staat und seine mediale Insze­nierung – beschränkt, ist der Ein­griff in die Pri­vat­sphäre der Men­schen und ihre Lebens­ge­staltung begrenzt. Es wird kein kol­lek­tives Gemeinwohl pos­tu­liert, das allen auf­ge­zwungen wird.

Solange sich dieses Regime jedoch auf Brot und Spiele – den Wohl­fahrts­staat und seine mediale Insze­nierung – beschränkt, ist der Ein­griff in die Pri­vat­sphäre der Men­schen und ihre Lebens­ge­staltung begrenzt. Es wird kein kol­lek­tives Gemeinwohl pos­tu­liert, das allen auf­ge­zwungen wird.

Post­mo­derner Totalitarismus

Mit dem Corona- und dem Klima-Regime tritt die real exis­tie­rende Post­mo­derne in ihre zweite, tota­litäre Phase ein: Sie umfasst nun alle Lebens­be­reiche. Es gibt keine Pri­vat­sphäre mehr: Die Corona-Lock­downs regu­lieren soziale Kon­takte auch innerhalb der Kern­fa­milie. Nicht einmal der eigene Körper unter­liegt mehr der Selbst­be­stimmung: Er steht dem Staat zur Ver­fügung, wie die Corona-Impf­kam­pagne bis hin zu Impf­an­wei­sungen zeigt. Das Klima-Regime erlaubt beliebige Ein­griffe bis in die Intim­sphäre hinein, wie Anwei­sungen zum kalten Duschen oder sich mit Wasch­lappen zu begnügen statt zu duschen. Mit der Ergänzung des Klima-Regimes durch die Russland-Sank­tionen sollen wir für die Freiheit frieren und generell eine Ein­schränkung unserer Lebens­qua­lität und unserer Mög­lich­keiten, ein selbst­be­stimmts Leben zu führen, hin­nehmen – als ob Freiheit mit wirt­schaft­lichem und sozialem Rück­schritt statt Fort­schritt ver­bunden wäre. Gemeinsam ist all diesem eine absichtlich her­bei­ge­führte Ver­knappung von Res­sourcen, um ein Regime umfas­sender sozialer Kon­trolle zu installieren.

Tota­li­ta­rismus ist nicht unbe­dingt mit der Aus­übung phy­si­scher Gewalt ver­bunden. Diese tritt erst auf, wenn die Bevöl­kerung das Nar­rativ, auf dem das Regime basiert, nicht mehr glaubt.

Tota­li­ta­rismus ist nicht unbe­dingt mit der Aus­übung phy­si­scher Gewalt ver­bunden. Diese tritt erst auf, wenn die Bevöl­kerung das Nar­rativ, auf dem das Regime basiert, nicht mehr glaubt. Tota­li­ta­rismus ist gekenn­zeichnet durch die unein­ge­schränkte Regu­lierung des Lebens der Men­schen durch eine poli­tische Auto­rität mit Zwangs­gewalt im Namen eines ver­meint­lichen Gemein­wohls (wie Gesundheit-Schutz, Klima-Schutz, Schutz vor einem Feind wie Russland etc.).

Ein erster Aspekt, der das gegen­wärtige Regime als spe­zi­fisch post­modern kenn­zeichnet, ist die Kon­struktion einer post­fak­ti­schen Rea­lität, die allen auf­ge­zwungen wird. Die Corona-Wellen sind eine Tat­sache. Aber es gibt keine Fakten, die belegen, dass dieser Virus­aus­bruch gefähr­licher wäre als frühere Viren­aus­brüche wie die Hongkong-Grippe 1968–70 oder die Asia­tische Grippe 1957–58, die stets allein mit medi­zi­ni­schen Mitteln behandelt wurden. Kli­ma­wandel ist eine Tat­sache. Aber es gibt keine Fakten, die eine reelle – statt lediglich in Modellen her­bei­ge­rechnete – Gefahr eines men­schen­ge­machten, lebens­be­droh­lichen Kli­ma­wandels beweisen, oder Fakten, die die Fähigkeit von Wis­sen­schaft und Politik belegen, dass diese durch Zwangs­maß­nahmen und Ver­stöße gegen die Men­schen­rechte den Wandel des Welt­klimas steuern könnten.

In der real exis­tie­renden Post­mo­derne gewährt der Staat Frei­heiten als Pri­vileg für Konformität.

Diese Kon­struktion einer post­fak­ti­schen Rea­lität ist darüber hinaus insofern post­modern, als sie das Ver­hältnis von Recht und Staat umkehrt: In der Moderne war es Aufgabe des Staates, die Grund­rechte zu schützen. In der real exis­tie­renden Post­mo­derne gewährt der Staat Frei­heiten als Pri­vileg für Kon­for­mität. Der Mecha­nismus, der auch viele Wis­sen­schaftler, die von sich aus keine Sym­pathie für die intel­lek­tuelle Post­mo­derne haben, ver­führt hat, ist dieser: Es wird sug­ge­riert, dass man das Wohl­ergehen anderer gefährdet, indem man seinem nor­malen, all­täg­lichen Lebens­wandel nachgeht. Jede Form von direkter sozialer Inter­aktion kann zur Ver­breitung des Coro­na­virus bei­tragen. Jede Akti­vität hat Aus­wir­kungen auf die nicht­mensch­liche Umwelt, die zum Kli­ma­wandel bei­tragen können.

Gewohnte, all­täg­liche Lebens­weisen als gefährdend dar­zu­stellen, dem dienen die Kon­struk­tionen einer Corona- ebenso wie einer Kli­ma­krise und die dadurch geschürte Angst und Hys­terie. Die Wis­sen­schaft lässt sich dafür genauso ein­spannen wie die Religion in vor­mo­derner Zeit: Mit Modell­rech­nungen, bei denen man die berück­sich­tigten Variablen und deren Anfangs­werte will­kürlich ansetzen kann, lassen sich beliebige Kata­stro­phen­sze­narien an die Wand malen. Die Dominanz von Modellen gegenüber empi­ri­scher Evidenz passt perfekt zur post­fak­ti­schen Kon­struktion von Rea­lität in der Postmoderne.

Mit Modell­rech­nungen, bei denen man die berück­sich­tigten Variablen und deren Anfangs­werte will­kürlich ansetzen kann, lassen sich beliebige Kata­stro­phen­sze­narien an die Wand malen.

Von dem Gene­ral­ver­dacht, durch den eigenen, all­täg­lichen Lebens­wandel andere zu schä­digen, befreit man sich durch den Erwerb eines Sozi­al­passes – wie des Impf­passes oder einer anderen Form eines Zer­ti­fikats –, mit dem man seinen Gehorsam gegenüber dem Regime beweist. Der zer­ti­fi­zierte Mensch ersetzt so den mün­digen Bürger. Beloh­nungen für Kon­for­mität treten an die Stelle von Grundrechten.

Um die Willkür dieser Anord­nungen zu ver­schleiern, wird ein Kult errichtet: Das Tragen von Masken, die öffent­liche Offen­legung des Impf­status und so weiter haben mitt­ler­weile den Status von Sym­bolen eines reli­giösen Kultes erlangt. Genauer gesagt ist es keine ehr­würdige Religion, sondern Aber­glaube: Es ist der Glaube an magische Kräfte, um das böse Virus aus­zu­treiben – wie magische Kräfte des gene­rellen Tragens von Masken in der Öffent­lichkeit (im Unter­schied zu Masken, die geschultes Per­sonal in bestimmten Situa­tionen trägt) und medi­zi­ni­scher Behand­lungen, die als Imp­fungen der all­ge­meinen Bevöl­kerung und sogar Kindern auf­ge­zwungen werden, obwohl von dem Virus gar keine spe­zi­fisch erhöhte Gefahr für die all­ge­meine Bevöl­kerung ausgeht.

Genauso ist es nichts anderes als Aber­glaube, zu denken, durch inef­fi­ziente, unzu­ver­lässige und wenn groß­flächig ange­wendet auch umwelt­zer­stö­re­rische Ener­gie­träger wie Wind und Sonne bei uns die Energie erzeugen zu können, die die Men­schen brauchen, um ein selbst­be­stimmtes Leben führen zu können. Kurz gesagt, ein reli­giöser, eigentlich aber­gläu­bi­scher Kult ist zurück als eine Form des gesell­schaft­lichen Zusam­men­halts, der von einer zen­tralen poli­ti­schen Instanz kon­trol­liert und durch den Anspruch wis­sen­schaft­licher Erkennt­nisse legi­ti­miert wird.

Kurz gesagt, ein reli­giöser, eigentlich aber­gläu­bi­scher Kult ist zurück als eine Form des gesell­schaft­lichen Zusammenhalts …

Der wich­tigste Unter­schied zwi­schen dem aktu­ellen post­mo­dernen Tota­li­ta­rismus und frü­heren Tota­li­ta­rismen ist aber dieser: Das große Nar­rativ eines absolut Guten – die klas­senlose Gesell­schaft als Endziel der Geschichte im Kom­mu­nismus, die ras­sisch reine Gesell­schaft im Natio­nal­so­zia­lismus – wird durch viele kleine Nar­rative ersetzt von Teil­gütern, wie Gesund­heits­schutz, Kli­ma­schutz et cetera. Jede dieser Erzäh­lungen impli­ziert, wenn sie dominant ist, eine ebenso umfas­sende soziale Kon­trolle wie einst die großen Erzäh­lungen. Hierin liegt die Gefahr der real exis­tie­renden Post­mo­derne: Wenn ein solches Nar­rativ zusam­men­bricht – wie derzeit das Corona-Nar­rativ –, ist dies nicht das Ende des tota­li­tären Regimes. Man kann leicht von einer kleinen Erzählung zur nächsten wechseln – von Corona über das Klima zu ver­schie­denen Arten von „sozialer Gerech­tigkeit“ und so weiter –, um das Regime einer all­um­fas­senden sozialen Kon­trolle aufrechtzuerhalten.

Man kann leicht von einer kleinen Erzählung zur nächsten wechseln – von Corona über das Klima zu ver­schie­denen Arten von „sozialer Gerech­tigkeit“ und so weiter –, um das Regime einer all­um­fas­senden sozialen Kon­trolle aufrechtzuerhalten.

Der post­mo­derne Tota­li­ta­rismus ist kein spe­zi­fisch tech­no­kra­ti­scher Tota­li­ta­rismus. Jeder Tota­li­ta­rismus hängt von den zu seiner Zeit ver­füg­baren tech­no­lo­gi­schen Mitteln ab, um das Regime der totalen sozialen Kon­trolle zu instal­lieren. Es gibt keinen Tota­li­ta­rismus ohne eine Ideo­logie, eine angeb­liche Wis­sen­schaft, die diese Ideo­logie unter­stützt, und einen aber­gläu­bi­schen Kult. In jedem Tota­li­ta­rismus werden all diese Mittel ein­ge­setzt, um einen neuen Men­schen zu schaffen. Im aktu­ellen Fall geht es um eine Trans­for­mation der mensch­lichen Natur dahin­gehend, dass Men­schen sich nicht mehr gegen­seitig mit Viren anstecken, keine Energie mehr so ver­brauchen, dass sie die Umwelt belasten und so weiter.

Die Zukunft der Freiheit

Wenn diese Dia­gnose auf dem rich­tigen Weg ist, ist es wichtig, aber nicht aus­rei­chend, das Corona-Nar­rativ, das Klima-Nar­rativ et cetera zu ent­larven. Man muss die real exis­tie­rende Post­mo­derne an ihren Wurzeln packen. Das bedeutet eine Rück­be­sinnung auf die Grund­lagen der Moderne: Rechts­staat­lichkeit besteht in der Durch­setzung nega­tiver Freiheit, nämlich der Nicht­ein­mi­schung in die Lebens­ge­staltung der ein­zelnen Men­schen. Wann immer man die Rolle des Staates erweitert, um im Namen der „sozialen Gerech­tigkeit“ oder eines ver­meint­lichen Gemein­wohls Anspruchs­rechte zu fördern, sind der Regu­lierung des Lebens der Men­schen letztlich keine Grenzen mehr gesetzt. Man geht dann unwei­gerlich den Weg in die Knecht­schaft, um es mit Hayek zu sagen. Dies wird erneut deutlich in der Art und Weise, wie die Corona- und Kli­ma­wis­sen­schaft und ‑politik eine neue, spe­zi­fisch post­mo­derne Form tota­li­tärer Gesell­schafts­kon­trolle ein­läuten (siehe auch Philip Bagus et al., „Covid-19 and the poli­tical economy of mass hys­teria“).

Macht­kon­zen­tration ist immer ein Übel. Sie führt mit der Zeit unwei­gerlich zu Missbrauch.

Wieder einmal brauchen wir den Mut, die Ver­nunft als Mittel zur Macht­be­grenzung ein­zu­setzen. Macht­kon­zen­tration ist immer ein Übel. Sie führt mit der Zeit unwei­gerlich zu Miss­brauch. Es ist eine Illusion zu glauben, dass es einen guten, mit Zwangs­gewalt aus­ge­stat­teten Staat geben könnte, der die Gesell­schaft im Sinne von „sozialer Gerech­tigkeit“ regu­lieren könnte (der Wohl­fahrts­staat mit seiner Abhän­gigkeit von Fiat-Geld) oder, noch schlimmer, ein all­ge­meines Gut durch die Regu­lierung auch des Pri­vat­lebens durch­setzen könnte. Der Weg zurück in die Freiheit besteht darin, uns von dieser Illusion zu befreien.

In seinem berühmten Aufsatz „Beant­wortung der Frage: Was ist Auf­klärung?“ defi­niert Immanuel Kant 1784 Auf­klärung als den „Ausgang des Men­schen aus seiner selbst ver­schul­deten Unmün­digkeit“. Wenn man in diesem Aufsatz „Religion“ durch „Wis­sen­schaft“ und „Vor­münder“ durch „Experten“ ersetzt, zeichnet er ein tref­fendes Bild der heu­tigen Situation. Der öffent­liche Gebrauch der Ver­nunft muss nach Kant jederzeit und unter allen Bedin­gungen frei sein, um Auf­klärung zu ermög­lichen. Es ist daher von größter Bedeutung, gegen die „cancel culture“ anzu­gehen. Wis­sen­schaftler und Intel­lek­tuelle sollten ihrer Ver­ant­wortung gegenüber den Bürgern, die sie durch ihre Steuern finan­zieren, in ihrem öffent­lichen Gebrauch der Ver­nunft nach­kommen, anstatt in Selbst­zensur zu gehen und sich von Poli­tikern und deren Sprach­rohren in den Medien vor­schreiben zu lassen, was man sagen darf und was nicht.

„Habe Mut, dich deines eigenen Ver­standes zu bedienen!“ ist das Motto der Auf­klärung nach Kant. Wenn genügend Men­schen diesen Mut wieder auf­bringen, werden wir wieder den Weg ein­schlagen, der zum fried­lichen Zusam­men­leben führt, zum tech­no­lo­gi­schen und wirt­schaft­lichen Fort­schritt und damit zu mehr Lebens­qua­lität und Ent­wick­lungs­chancen für ein selbst­be­stimmtes Leben für alle: Das ist der Weg der fak­ten­ba­sierten Wis­sen­schaft und eines Rechts­staates, der die Grund­rechte jedes Men­schen wahrt.

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Dieser Artikel ist die über­ar­beitete Über­setzung des Artikels „Fiat money and the covid regime: actually existing post­mo­dernism“, der am 14. Sep­tember 2022 auf der Homepage des Brown­stone Institute erschien . Eine kurze Fassung der Gedanken zum Zusam­menhang von Fiat-Geld und Corona-Regime ist unter dem Titel „Fiatgeld und Corona-Regime: Die real exis­tie­rende Post­mo­derne“ im Smart Investor 9/2022, S. 22–23, erschienen.

Michael Esfeld ist Pro­fessor für Wis­sen­schafts­phi­lo­sophie an der Uni­ver­sität Lau­sanne, Mit­glied der Deut­schen Natio­nal­aka­demie Leo­poldina und Mit­glied im Stif­tungsrat des Libe­ralen Instituts der Schweiz.


Quelle: misesde.org