Anleih­blase geplatzt? Falsche Anreiz­systeme lassen Staats­schulden und Geld­menge explodieren

Die „Markt­ge­staltung“ durch die Zen­tral­banken. Eine Spurensuche

Die west­lichen Staaten haben eine große Gemein­samkeit: die Staats­ver­schuldung wächst in Relation zur Wirt­schafts­leistung stetig und durch die neu ent­stan­denen Staats­schulden wird per Buchungssatz neues Geld geschaffen. Die Geld­menge in der Eurozone wurde unter anderem durch diesen Umstand von 1999 bis Ende 2021 mehr als ver­drei­facht. Diese Auf­blähung (von lat. inflare) der Geld­menge ist auch das, was die Öko­nomen der öster­rei­chi­schen Schule der Natio­nal­öko­nomie als Inflation bezeichnen. Mit jedem neu geschaf­fenen Euro sinkt der Tauschwert bezie­hungs­weise die Kauf­kraft. Man könnte auch sagen, dass der Euro an Tauschwert gegen relativ knapp gebliebene Güter ein­gebüßt hat bezie­hungs­weise der Grenz­nutzen des Euro durch seine Ver­viel­fäl­tigung sinkt. Während die Auf­blähung der Geld­menge folglich die Ursache ist, sind die Kauf­kraft­min­de­rungen in Form von Güter­preis­stei­ge­rungen das Symptom der Inflation.

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Es wäre trans­pa­renter, die Men­schen über das Wachstum der Geld­menge zu infor­mieren, anstatt eine Preis­stei­ge­rungsrate in Form eines beliebig ver­än­der­baren sta­tis­ti­schen Maßes zu ver­öf­fent­lichen. Die meisten Leser kennen das Klein­reden und Klein­rechnen des Infla­tions-Pro­blems. Der Anreiz liegt auf der Hand, denn mit der Ver­öf­fent­li­chung des Wachstums der Geld­menge, also dessen, was Inflation tat­sächlich ist, würden die Folgen der lockeren Geld­po­litik und der aus­ufernden Staats­ver­schuldung sicht­barer. Es liegt an dieser Stelle ganz offen­sichtlich ein Inter­es­sens­kon­flikt vor.

Die durch die Aus­weitung der Staats­ver­schuldung gene­rierte finan­zielle Bein­freiheit ist für Regie­rungen von enormer Bedeutung. Die Aus­wir­kungen der restrik­tiven Corona-Lockdown-Politik und die damit ver­bun­denen Umsatz­aus­fälle wurden vor­nehmlich durch neue Staats­schulden finan­ziert. Auch die unter großem Ein­fluss der Finanz­in­dustrie ste­hende Euro­ret­tungs­po­litik und die Ret­tungs­ak­tionen rund um die Finanz­krise nach 2007/08 wurden auf diese Weise finan­ziert. Ebenso der mitt­ler­weile über­bor­dende Sozialstaat.

Der Haupt­anreiz der Poli­tiker ist die Wie­derwahl. Insofern liegt die Maxi­mierung der Stim­men­anzahl im Zentrum sämt­licher Über­le­gungen. Das Zulassen von Krisen führt mög­li­cher­weise zum Verlust von Arbeits­plätzen und das wie­derum kostet Wäh­ler­stimmen. Im Umkehr­schluss erhöhen kost­spielige poli­tische Ent­schei­dungen, wie zum Bei­spiel das Bür­gergeld oder eine Anhebung der Pen­sionen und Renten den Stimm­anteil mut­maßlich. Auf Basis dieser sys­tem­in­hä­renten Anreiz­struktur ist es erklärbar, dass die Staats­ver­schuldung sowohl durch Wahl­ge­schenke als auch durch Maß­nahmen zur Kri­sen­ab­mil­derung immer weiter ansteigt.

Ungleich­ge­wichte der Finanz- und Eurokrise

In Folge der Finanz­krise und der dar­auf­fol­genden Euro­krise kam es zu Fehl­ent­wick­lungen und Ungleich­ge­wichten, die zum Bei­spiel im Rahmen der Immo­bi­li­en­spe­ku­la­ti­ons­blase auf­gebaut wurden. Um die Ungleich­ge­wichte abzu­bauen, hätte sich der Staat raus­halten und das Scheitern zulassen können. So hätten sich die Fehl­ent­wick­lungen kor­ri­gieren und Ungleich­ge­wichte abbauen lassen. Man wählte den Weg des Inter­ven­tio­nismus und kaufte bei­spiels­weise die Com­merzbank im Rahmen der Teil­ver­staat­li­chung heraus. Noch kost­spie­liger waren die Maß­nahmen zum Erhalt des Euro. Die EZB kaufte die Staats­an­leihen der in Not gera­tenen süd­lichen Euro­länder aus den Bilanzen der Banken, Kapi­tal­sam­mel­stellen und Invest­ment­häuser heraus. Staats­pleiten ließ man nicht zu und so konnten auch in diesem Fall die ent­stan­denen Ungleich­ge­wichte nicht abgebaut werden. Abermals zog man es vor, geld­plan­wirt­schaftlich zu agieren, um eine größere Krise abzu­wenden. Durch diese Inter­ven­ti­ons­po­litik wurde die Geld­menge erhöht und die Zinsen gesenkt. Idealer Nähr­boden für Spekulationsblasen!

Pen­si­ons­kassen unter Druck – Eng­lische Notenbank interveniert

Die kon­ti­nu­ier­liche Absenkung der Zinsen ließ die Bar­werte sämt­licher Ver­mö­gens­werte und somit auch die Kurse für Staats­an­leihen steigen. Pen­si­ons­kassen sind regu­la­to­risch ange­halten, Staats­an­leihen zu kaufen. In Groß-Bri­tannien beliehen Pen­si­ons­kassen die Staats­an­leihen, um mit diesem Fremd­ka­pital wie­derum Staats­an­leihen zu erwerben. Auch das wirkte kurs­treibend, sodass sich eine Spe­ku­la­ti­ons­blase bildete.

Das Spiel geht natur­gemäß so lange gut, bis die Anlei­he­kurse zu fallen beginnen, denn dann müssen die Halter der Papiere die Kurs­ver­luste abschreiben. Mit dem Anheben der Leit­zinsen kehrte sich der Trend um und die Kurse fielen. Erst langsam, dann sehr dyna­misch. Die Dynamik ergab sich aus der Tat­sache, dass einige Pen­si­ons­kassen in England auf­grund des Kurs­ver­falls durch ihre Kre­dit­geber soge­nannte Margin Calls erhielten, also die Auf­for­derung, Sicher­heiten oder Geld zur Deckung mög­licher Aus­fälle zur Ver­fügung zu stellen. Die Anleihen waren durch den Abverkauf am Markt weniger wert und näherten sich dem Kre­dit­limit. Die Pen­si­ons­kassen sowie andere Markt­teil­nehmer mussten ihre Posi­tionen zwangs­weise liqui­dieren, um die Kredite zurück­zu­zahlen. Im Zuge der Steu­er­sen­kungs­pro­gramme der dama­ligen Truss-Regierung schwand das Ver­trauen in die Bonität des Ver­ei­nigten König­reichs und so stießen immer mehr Markt­teil­nehmer die Papiere ab. Das Angebot an bri­ti­schen Staats­an­leihen über­stieg die Nach­frage und die Preise fielen ab August 2022 ins Bodenlose.

Abbildung 1: Kurs­verlauf der 10jährigen Staats­an­leihe des Ver­ei­nigten Königreichs
Zeitraum: Ende Juli 2021 bis Anfang Dezember 2022
Dar­stel­lungsform: Ker­zen­chart, eine Kerze stellt einen Han­delstag dar
Daten­quelle: TradingView

Die Anlei­heblase auf der Insel war geplatzt. Um den Bankrott der Pen­si­ons­kassen abzu­wenden, inter­ve­nierte die Bank of England, kaufte massiv Staats­an­leihen und stoppte vorerst den Abwärts­trend. Der Ein­griff der Zen­tralbank ist im Chartbild der 10jährigen UK-Anleihe gut ersichtlich (Abbildung 1). Vom Hoch- zum Tief­punkt hatten die Papiere fast ein Drittel an Wert ver­loren. Ein ähn­licher Preis­verfall ist auch bei US-Staats­an­leihen und deut­schen Staats­an­leihen zu beob­achten. Besitzer der Anleihen bekommen, bedingt durch den Abschrei­bungs­bedarf, enorme bilan­zielle Pro­bleme. Da auch Banken signi­fi­kante Anlei­he­be­stände halten, droht eine Bankenkrise.

Abbildung 2: Kurs­verlauf auf Basis des welt­weiten Staatsanleihenindex
Daten­quellen: Bloomberg, Sta­tista & Tradingeconomics

“Tech­nische Pleite” der EZB möglich?

Das Zusam­men­spiel von Zins und Wert bezie­hungs­weise Kurs einer Anleihe läuft ent­ge­gen­ge­setzt. Steigt der Zins, fällt der Kurs der Anleihe und umge­kehrt. Eine Anleihe hat eine feste Ver­zinsung, wird zu nominal 100 aus­ge­geben und nach der Laufzeit wieder zu 100 zurück­ge­nommen. Während der Laufzeit wird die über die Laufzeit fest­ste­hende Nomi­nal­ver­zinsung zumeist aus­ge­schüttet und in einigen Fällen auch ange­sammelt. Je nach Zins­ent­wicklung schwankt der Kurs. Die Kurs­schwankung gleicht die sich aus der fixen Nomi­nal­ver­zinsung erge­benden Zins­dif­ferenz aus. Ein Käufer der schon am Markt befind­lichen Anleihe ist in punkto Rendite nicht schlechter gestellt als der Käufer eines neu emit­tierten Papieres. Die Zins­ver­än­derung wird mit der Rest­laufzeit der schon am Markt gehan­delten Anleihe mul­ti­pli­ziert. Wurden die Zinsen ange­hoben fällt der Preis um das Produkt aus Zins­ver­än­derung und Rest­laufzeit, damit die geringere Nomi­nal­ver­zinsung durch die Kauf­mög­lichkeit „unter Nennwert“ (unter 100) und der spä­teren Rück­nahme zu 100 aus­ge­glichen wird. Im Falle einer Zins­senkung steigt der Kurs entsprechend.

Der ehe­malige Chef-Volkswirt der Deut­schen Bank, Prof. Dr. Thomas Mayer, schrieb kürzlich auf­grund der stei­genden Zinsen von einer womöglich dro­henden tech­nische Pleite der Euro­päi­schen Zen­tralbank. Die EZB hält bei einer Gesamt­geld­menge von etwas über 16.000 Mil­li­arden (Mrd.) Euro mitt­ler­weile Staats­an­leihen mit einem Gegenwert von rund 5.000 Mrd. Euro.

Durch die Erhöhung des Leit­zinses um 1 Pro­zent­punkt haben diese Bestände 400 Mrd. Euro (8 Jahre durch­schnitt­liche Rest­laufzeit mal 1 Prozent vom ursprüng­lichen Gesamtwert) an Wert eingebüßt.

Bei wei­teren Zins­er­hö­hungen würde das Eigen­ka­pital der EZB schnell abschmelzen und Geschäfts­banken und andere Besitzer von Staats­an­leihen würden in exis­tenz­be­dro­hende Lagen manö­vriert. Zwar kann eine Notenbank theo­re­tisch in ihrer eigenen Währung auch bei Über­schuldung nicht zah­lungs­un­fähig werden, aber bei Geschäfts­banken und anderen Kapi­tal­sam­mel­stellen führte eine tat­säch­liche Über­schuldung zur Insolvenz. Laut Mayer erlebt die Welt derzeit den größten Bond-Crash des Jahr­hun­derts. Die Zen­tral­banker hätten agiert wie Hedge­fonds und ihr Urver­trauen in ihre eigenen mathe­ma­ti­schen Modelle würde nun das Eigen­ka­pital gefährden. In seiner jet­zigen Form, so Mayer weiter, hätte der Euro keine Chance zu überleben.

Kurs- und damit Zins­bildung in einer tat­säch­lichen Marktwirtschaft

Bezogen auf das erste Halbjahr 2021 wurden 115 Prozent der neuen Staatschulden der Eurozone auf der Ver­mö­gens­seite (Aktiva) der Bilanz der EZB plat­ziert. Mehr als 100 Prozent heißt nichts anderes, als dass auch ältere Anleihen aus den Port­folios von Banken, Kapi­tal­sam­mel­stellen oder Ähn­lichem her­aus­ge­kauft wurden. Ganz offen­sichtlich sind den Markt­teil­nehmern die Risiken der Euro­länder in Bezug auf Zah­lungs­aus­fälle zu hoch und sie stoßen die Papiere ab.

Würde die EZB nicht kaufen, würde das Angebot an Staats­an­leihen die Nach­frage massiv über­steigen. In der Folge würden die Anleihen im Kurs abstürzen, die Zinsen würden für die Staaten ins Untragbare ansteigen.

Die Haus­halte der Euro­länder würden unter Druck geraten. Die daraus resul­tie­renden Liqui­di­täts­lücken könnten in Staats­pleiten münden. Eine Markt­wirt­schaft sieht der­artige Ent­wick­lungen vor und auch das wirt­schaft­liche Scheitern von Wirt­schafts­sub­jekten. Fal­lende Kurse und stei­gende Zinsen wären eine Warnung und deu­teten deutlich auf erhöhte Risiken hin. Die Ver­gütung für das Risiko eines Gläu­bigers wäre dann eine ent­spre­chend höhere und es gäbe markt­ge­rechte Zinsen.

Die EZB aber greift aktiv in den Anlei­he­markt ein, schaltet wichtige markt­wirt­schaft­liche Funk­tionen aus und hält so ein eigentlich dys­funk­tio­nales System auf Basis einer geld­plan­wirt­schaft­lichen Struktur künstlich „am Leben“. Die Anlei­he­käufe werden nicht mit durch Kon­sum­ver­zicht ersparten liquiden Mitteln getätigt, sondern durch die Schaffung neuen Geldes. Wies die EZB in ihrer Eröff­nungs­bilanz zu Beginn des Euro­systems im Jahre 1999 etwas über 690 Mrd. Euro als Bilanz­summe aus, so erreicht sie in Kürze die 9.000 Mrd. Euro Marke. Wir sprechen von dem Faktor 13! Mit jedem Euro, der für die Staa­ten­fi­nan­zierung neu geschaffen wird, setzt die EZB den Tauschwert des Geldes herab und unter­mi­niert ihr Mandat der Geldwertstabilität.

Die EZB ist mitt­ler­weile nahezu in Gänze auf die Staa­ten­fi­nan­zierung aus­ge­richtet. In Fach­kreisen spricht man von fis­ka­l­orien­tierter Zentralbankpolitik.

In freien Märkten, in denen kein Teil­nehmer mit der schier uner­schöpf­lichen „Lizenz zum Geld­drucken“ die Kurse bewegt, würden sich die Zinsen nicht derart gestalten lassen. Wenn den Inhabern der Staats­an­leihen die Papiere „zu heiß“ würden, also das Risiko eines Staats­bank­rottes zu groß werden würde, dann würden sie die Anleihen abstoßen. Der Kurs­ab­sturz wäre ein Warn­signal für Kre­dit­geber, dass mit den Staats­fi­nanzen des jewei­ligen Staates „etwas faul“ ist. Das Ver­trauen wäre dahin und die Regierung wäre auf­ge­rufen, wieder Ver­trauen durch Sanie­rungs- und Spar­pläne zu schaffen. Gelingt dies nicht und der Staat würde in den Zah­lungs­ausfall laufen, würden die Geld­geber (Inhaber der Staats­an­leihen) große Teile oder ihr ganzes inves­tiertes Kapital verlieren.

Wie würde sich der Zins in einer freien Markt­wirt­schaft bilden?

Der betref­fende Staat (wie auch jeder andere Kre­dit­nehmer) müsste, um liquide Mittel ein­werben zu können, seine Kre­dit­wür­digkeit nach­weisen und trans­parent dar­legen, wie es um die Staats­fi­nanzen steht. Im nächsten Schritt würde der Staat seinen Finan­zie­rungs­bedarf, die Kre­dit­laufzeit und die zu finan­zie­renden Pro­jekte offe­rieren. Auch die Fragen der Besi­cherung per Grund­schuld oder der Hin­ter­legung von Gold oder der­gleichen könnten unter Umständen eine Rolle spielen. Es geht um die maximale Sicherheit für den Kredit- oder Geld­geber. Etwas ver­ein­facht gesagt wird dann per Auk­ti­ons­ver­fahren der mark­t­räu­mende Zins ermittelt. Das ist der Preis, zu dem das gesamte Anlei­he­vo­lumen von den Geld­gebern gekauft wird.

Ein Auk­ti­ons­ver­fahren ist ein freier Markt, in dem durch Angebot und Nach­frage ein Gleich­ge­wichts­preis ermittelt wird. Im letzten Teil dieser Aus­ar­beitung wird auf die Markt­auktion noch etwas detail­lierter eingegangen.

Was ist eine Anleihe über­haupt? Wie geht es in einer freien Markt­wirt­schaft weiter?

Eine Anleihe ist die Ver­briefung einer Schuld. Durch die Ver­briefung ist es möglich, dass das Papier vor Ablauf der Laufzeit den Besitzer wechselt. Die Schuld wird durch die Ver­briefung kapi­tal­markt­fähig, sie ist also an der Börse han­delbar. Durch diesen Umstand ergeben sich einige positive Aspekte:

Erstens: Die Kapi­tal­geber sind fle­xibel, weil sie im Zweifel, bei­spiels­weise bei einem Liqui­di­täts­bedarf oder ähn­lichem, vor Ende der Laufzeit das Papier über die Börse ver­äußern können.

Zweitens: Durch die Han­del­barkeit öffnet sich für den Kre­dit­nehmer die „große Bühne“ der Kapi­tal­märkte. Die Refi­nan­zie­rungs­mög­lichkeit wird gesteigert.

Drittens: Durch die Vielzahl der Markt­teil­nehmer ent­wi­ckelt sich eine Art „Schwarm­in­tel­ligenz“. Poten­zielle Geld­geber nehmen den Emit­tenten der Anleihe unter die Lupe und schauen genau hin, wie es um die Kre­dit­wür­digkeit des Staates (oder auch anderer Schuldner bezie­hungs­weise Anlei­he­emit­tenten) gestellt ist. Wird die Kre­dit­wür­digkeit hoch ein­ge­schätzt, steigt die Nach­frage nach der Anleihe. Sie steigt dar­aufhin im Kurs, wodurch wie­derum die Zins­be­lastung für den Schuldner bei der Ausgabe neuer Anleihen sinkt. Daraus folgt übrigens auch der Effekt oder positive Anreiz, dass ein jeder (normale) Schuldner sich um eine gute Kre­dit­wür­digkeit bemühen muss.

Über­bor­dende Haus­halts­de­fizite würden am Kapi­tal­markt nicht hono­riert, sondern getadelt. In diesem Fall würden die Markt­teil­nehmer in der Summe die Papiere abstoßen. Dadurch über­steigt das Angebot an diesen Anleihen die Nach­frage und der Preis (Kurs) sinkt. Sin­kende Anlei­he­kurse indi­zieren erhöhte Aus­fall­ri­siken. Kurz gesagt: Je tiefer der Preis der Anleihe, desto höher ist das Risiko einer Zah­lungs­un­fä­higkeit des Kre­dit­nehmers. Aus dieser Skiz­zierung folgt, wie wichtig Preis­si­gnale sind, und es ist absehbar, welche Folgen es hat, wenn die Preise künstlich mani­pu­liert werden. Preise über dem markt­ge­rechten Preis gaukeln Markt­teil­nehmern eine bessere Kre­dit­wür­digkeit vor.

Zins­bildung auf Basis der Kre­dit­wür­digkeit – markt­wirt­schaft­licher Zins

Sobald die jeweilige Anleihe am Kapi­tal­markt gehandelt wird, ergibt sich durch den Handel damit der zukünftige Zins für neue Schulden des Anlei­he­emit­tenten. Erlauben Sie mir diesen The­men­komplex an dem fol­genden ver­ein­fachten Bei­spiel festzumachen:

Aus­gangs­si­tuation

Zins der Anleihe durch die Auktion vor Bör­sen­ein­führung: 5 Prozent

Laufzeit der Anleihe: 10 Jahre

Ausgabe zu 100 Euro und Rück­nahme nach 10 Jahren zu 100 Euro

Ent­wicklung nach Markt­ein­führung: Sze­nario 1 – Bonität ver­schlechtert sich

Kon­se­quenz: Die Papiere werden ver­mehrt ver­kauft, der Preis fällt.

Neuer Preis der Anleihe: 90 Euro

Rest­laufzeit: 10 Jahre (der Umstand ergab sich also kurz nach Börseneinführung)

Berechnung des neuen Zinses:

    • Aus­ga­bekurs (100 Euro) – neue Kurs (90 Euro) = 10 Euro
    • 10 Euro geteilt durch die Rest­laufzeit von 10 Jahren = 1
    • Die neue markt­wirt­schaftlich ermit­telte nominale Ver­zinsung für Neu­ver­schuldung läge dann bei 6 Prozent:
      Alter Zins (5%) plus Risi­ko­auf­schlag (1 Pro­zent­punkt) durch Bonitätsverschlechterung.

Ent­wicklung nach Markt­ein­führung: Sze­nario 2 – Bonität ver­bessert sich

Kon­se­quenz: Die Papiere werden ver­mehrt nach­ge­fragt, der Preis der Anleihe steigt.

Neuer Preis der Anleihe: 110 Euro

Rest­laufzeit: 10 Jahre (der Umstand ergab sich also kurz nach Börseneinführung)

Berechnung des neuen Zinses:

    • Aus­ga­bekurs (100 Euro) – neue Kurs (110 Euro) = – 10 Euro
    • – 10 Euro geteilt durch die Rest­laufzeit von 10 Jahren = – 1
    • Die neue markt­wirt­schaftlich ermit­telte nominale Ver­zinsung läge dann bei 4 Prozent: Alter Zins (5%) abzüglich Risi­ko­ab­schlag (1Prozentpunkt) im Zuge der Bonitätsverbesserung.

Fazit: Nur durch den freien Handel der Anleihen ist es möglich, einen markt­ge­rechten und den Risiken ent­spre­chenden Zins zu ermitteln. Gehen die Kapi­tal­markt­teil­nehmer von einer sich ver­schlech­ternden Kre­dit­wür­digkeit des Schuldners (Staaten, Unter­nehmen etc.) aus, ver­kaufen sie per Saldo Anleihen. Der Kurs fällt und dadurch steigt der Zins bezie­hungs­weise die Rendite für Anleihen die neu aus­ge­geben werden.

Ver­bessert sich die Kre­dit­wür­digkeit des Schuldners, kaufen die Markt­teil­nehmer per Saldo die Anleihen. Das Angebot dieser Anleihe ver­knappt sich relativ durch die gestiegene Nach­frage und der Preis steigt. Der stei­gende Preis der Anleihe führt dann zu rück­läu­figen Zinsen/Renditen für neue Anleihen. Schuldner würden also liquide Mittel sparen und hätten einen posi­tiven Anreiz, gut zu haushalten.

Ent­ge­gen­ge­setzter Verlauf der Anlei­he­kurse und des Zinsverlaufes

Anhand des genannten Bei­spiels stellen wir fest, dass ein ent­ge­gen­ge­setztes (spie­gel­ver­kehrtes) Bezie­hungs­ver­hältnis zwi­schen Anlei­hekurs und Ver­zinsung exis­tiert. Fallen die Anlei­he­kurse, steigt der Zins und vice versa.

In einer freien Markt­wirt­schaft ent­wi­ckeln sich die Kurse der Anleihen frei. Also auf Basis von Angebot und Nach­frage. Wird den Inhabern der Anleihe die Situation „zu heiß“, stoßen sie die Papiere ab und der Kurs fällt. Daraus folgt eine höhere Ver­zinsung und irgendwann würde dem Schuldner die Neu­ver­schuldung schlichtweg zu teuer. Der hohe Zins hätte eine begren­zende Wirkung und würde durch das Preis­signal des fal­lenden Anlei­he­kurses die Gefahr einer Über­schuldung ten­den­ziell reduzieren.

In der heu­tigen Welt gibt es eine zen­tral­ver­wal­tende Stelle (Zen­tralbank), die den Leitzins festlegt und sogar mitt­ler­weile auch, wie schon the­ma­ti­siert wurde, als Käufer der Anleihen auf­tritt. Darüber hinaus impli­ziert die Geld­schöpfung durch Kre­dit­vergabe, dass sich das Geld­an­gebot immer weiter aus­dehnt. Auch durch diese Tat­sache wird der Zins künstlich niedrig gehalten.

Das nach­fol­gende Bei­spiel (Abbildung 3) der 10-jäh­rigen Staats­an­leihe der Bun­des­re­publik Deutschland ver­an­schau­licht die Zins­ent­wicklung (obere Grafik) im Ver­gleich zur Kurs­ent­wicklung (untere Grafik) der Anleihe.

Abbildung 3: Zins­ent­wicklung (obere Grafik) & Kurs­verlauf (untere Grafik) der 10jährigen Staats­an­leihe Deutschlands

Zeitraum: Ende 206 bis Anfang November 2022
Daten­quelle: TradingView

Bis Juli 2022 kann man annä­he­rungs­weise einen spie­gel­ver­kehrten Verlauf erkennen. Danach ent­kop­pelte sich die Ent­wicklung. Während die Nomi­nal­ver­zinsung in Bezug auf den dar­ge­stellten Zeitraum neue Höchst­stände erklommen hat, ist beim Anlei­hekurs kein neuer Tiefst­stand zu ver­melden. Dies ist ein deut­liches Indiz für markt­ge­stal­te­rische Maß­nahmen der Zen­tralbank. Ähn­liche Ver­läufe lassen sich auch bei­spiels­weise für US-Staats­an­leihen oder Anleihen des Ver­ei­nigten König­reiches beobachten.

Annomalie in der 10-jäh­rigen deut­schen Staats­an­leihe vom 6. auf den 7. Juli 2022

Der Anlei­hekurs der 10-jäh­rigen deut­schen Staats­an­leihe weist eine Anomalie auf. Der Kurs schloss am Ende des Han­dels­tages des 6. Juli 2022 im Bereich von 90 Euro und eröffnete am dar­auf­fol­genden Don­nerstag, den 7. Juli 2022 bei ungefähr 104 Euro (Abbildung 4, siehe Ellipse).

Abbildung 4: Kurs­verlauf der 10-jäh­rigen Staats­an­leihe Deutschlands
Zeitraum: Ende November 2021 bis Anfang November 2022
Dar­stel­lungsform: Ker­zen­chart, eine Kerze stellt einen Han­delstag darDaten­quelle: TradingView

Diese Tat­sache erklärt die schon dis­ku­tierte Dis­krepanz, die auf Basis der Gegen­über­stellung von Zin­sen­wicklung und Anlei­hen­kurs­ent­wicklung ersichtlich wurde. Damit ein Kurs etwas mehr als 16 Prozent höher als am Vortag eröffnen kann, ist viel Kapital not­wendig. Sämt­liche Ver­kaufs­auf­träge zwi­schen dem Niveau von 90 Euro und 104 Euro sind auf­zu­kaufen, damit der Weg frei ist. Eine tie­fer­ge­hende Erklärung zur Preis­bildung im Rahmen einer Markt­auktion (Bör­sen­handel) erfolgt, wie schon erwähnt, im Abschlussteil dieser Aus­ar­beitung. Ganz offen­sichtlich wurde diese soge­nannte Kurs­lücke durch einen Käufer her­bei­ge­führt, der Zugriff auf sehr umfang­reiche liquide Res­sourcen hat. Und da die Euro­päische Zen­tralbank sozu­sagen „die Lizenz zum Geld­drucken“ hat, liegt der Schluss nahe, dass die Notenbank diese Inter­vention durch­ge­führt hat. 16 Prozent-Bewe­gungen sind bei Akti­en­werten mit geringer Liqui­dität keine Sel­tenheit. Für Anlei­he­märkte von Staaten wie Deutschland oder den USA sprechen wir hier von einem eher neu­ar­tigen Phä­nomen. Sie weisen eine gesät­tigte Markt­struktur auf. Der­artige Kurs­sprünge waren in der jün­geren Ver­gan­genheit in den heu­tigen Rela­tionen nicht zu beobachten.

Eine auf­wärts gerichtete Bewegung von 14 Euro hat zur Folge, dass man bilan­zielle Pro­bleme der Halter dieser Anleihen abzu­federn ver­sucht. Darüber senkt diese Inter­vention den Nomi­nalzins für neue Anleihen ab.

Mitt­ler­weile nähert sich der Anlei­hekurs wieder dem Bereich um die 90 Euro-Marke.

Im Preis­verlauf der 5‑jährigen deut­schen Staats­an­leihe lässt sich am Mittwoch, den 29. Juni 2022 eine lange positive Bewegung erkennen (Abblidung 5).

Abbildung 5: Kurs­verlauf der 5‑jährigen Staats­an­leihe Deutschlands
Zeitraum: Ende November 2021 bis Mitte November 2022
Dar­stel­lungsform: Ker­zen­chart, eine Kerze stellt einen Han­delstag dar
Daten­quelle: TradingView

Lange negative Bewe­gungen sind weder in der 10-jäh­rigen, noch in der 5‑jährigen Staats­an­leihe zu beob­achten. Übli­cher­weise sind in Phasen der Panik und Angst die langen Tages­be­we­gungen eher abwärts gerichtet.

Auf­fäl­lig­keiten für große Kauf­ak­ti­vi­täten lassen sich übrigens bei der 20-jäh­rigen Anleihe Deutsch­lands nicht aus­machen. Das Papier notiert per Mitte November nahe der Tiefst­stände. Würde es sich um „normale Markt­er­eig­nisse“ handeln, wäre zu erwarten, dass in sämt­lichen Preis­ver­läufen an den iden­ti­schen Tagen ähnlich exor­bi­tante Bewe­gungen zu beob­achten wären.

Überdies inter­ve­niert die EZB auf eine andere Weise: Die Zen­tralbank hat ihr Augenmerk auf die Risi­ko­auf­schläge gerichtet. Der Risi­ko­auf­schlag ist die soge­nannte Zins­dif­ferenz (Spread), welche die höher ver­schul­deten süd­lichen Euro­länder im Ver­gleich zu Deutschland zahlen müssen. Das Risiko eines Zah­lungs­aus­falls Ita­liens ist höher als das­jenige Deutsch­lands und folglich hat Italien als Schuldner höhere Zinsen zu zahlen. Um dem ent­ge­gen­zu­wirken, kauft die EZB ita­lie­nische Staats­an­leihen in einem höheren Umfang als sie deutsche Staats­an­leihen kauft. So ver­ringert man die Dif­ferenz, ent­lastet die ita­lie­nische Staats­kasse und ver­sucht, die Markt­teil­nehmer zu beru­higen. Mit markt­wirt­schaft­lichen Struk­turen lässt sich auch diese Form der Inter­vention nicht vereinbaren.

Blick auf die 10-jährige US-Staatsanleihe

Die Aktionen der Euro­päi­schen Zen­tralbank stellen kein Ein­zel­phä­nomen in der Welt dar. Auch die ame­ri­ka­nische Notenbank FED betreibt diese Politik. Zunächst ist auch in den USA bezogen auf die hier dar­ge­stellte 10-jährige US-Staats­an­leihe ein ordent­licher Abverkauf seit Anfang August 2022 zu beob­achten. Mehr als 10 Prozent hat das Papier in diesem Zeitraum ver­loren. Ein Investor oder ein Pen­si­ons­fonds, der 100 Mil­lionen USD dieser Anleihe im Bestand hatte, muss nun einen Verlust von ca. 10 Mil­lionen USD ver­kraften. Der Verlust geht zu Lasten des Eigen­ka­pitals. Pen­si­ons­kassen und andere Insti­tu­tionen (Banken) könnten bei einem wei­teren Kurs­verfall in arge bilan­zielle und schließlich exis­ten­zielle Schwie­rig­keiten geraten. Am Don­nerstag, den 10. November 2022 sehen wir nun eine Auf­wärts­be­wegung von ungefähr 14,9 Prozent (Abbildung 6).

Abbildung 6: Kurs­verlauf der 10-jäh­rigen Staats­an­leihe der Ver­ei­nigten Staaten von Amerika
Zeitraum: Ende November 2021 bis Anfang November 2022
Dar­stel­lungsform: Ker­zen­chart, eine Kerze stellt einen Han­delstag dar
Daten­quelle: TradingView

Einige Beob­achter ver­wiesen auf ein „nor­males“ Markt­er­eignis. An dem Tag wurden die amtlich errech­neten Preis­stei­ge­rungs­raten in den Ver­ei­nigten Staaten von Amerika ver­öf­fent­licht. Sie fielen nied­riger aus, als Markt­teil­nehmer sie erwartet hatten. Ver­bunden mit der Hoffnung, dass der Höhe­punkt der Preis­stei­gerung nun erreicht sei und die ame­ri­ka­nische Notenbank die Leit­zinsen geringer als 0,75 Pro­zent­punkte anheben würde, waren Kurs­stei­ge­rungen an den Akti­en­märkten zu beob­achten. Der US-ame­ri­ka­nische Tech­no­lo­gie­index Nasdaq schoss um über 7 Prozent in die Höhe. Der Dow Jones ging am 10. November 2022 um knapp 3,8 Prozent fester aus dem Handel als der am Vortrag geschlossen hatte. Auch der Deutsche Akti­en­index (DAX) schloss mit einem Kursplus von etwa 3,5 Prozent.

Dieses soge­nannte „Markt­er­eignis“ wird ohne Frage ein Faktor gewesen sein. Jedoch ist es keine gute Erklärung dafür, dass der Markt für die 10-jäh­rigen US-Staats­an­leihen erheblich höher nach oben springt als die an sich schwan­kungs­in­ten­si­veren Technologiewerte.

Die 5‑jährige US-Staats­an­leihe stieg am besagten 10. November 2022 (Abbildung 7, Ellipse) um knapp 1,4 Prozent. Der Unter­schied ist gewaltig.

Abbildung 7: Kurs­verlauf der 5‑jährigen Staats­an­leihe der Ver­ei­nigten Staaten von Amerika
Zeitraum: Dezember 2021 bis Mitte November 2022
Dar­stel­lungsform: Ker­zen­chart, eine Kerze stellt einen Han­delstag dar
Daten­quelle: TradingView

Da die Anleihen mit 5 und 10 Jahren Laufzeit nor­ma­ler­weise eine enge positive Kor­re­lation auf­weisen, haben wir hiermit einen wei­teren Punkt, der für die Inter­vention durch die ame­ri­ka­nische Notenbank (FED) spricht. Am 28. Sep­tember 2022 scheint die FED stark gekauft zu haben. Die Anleihe stieg an dem Tag um knapp 6 Prozent. Auch zuvor sind in dem Chartbild (Abblidung 7) stark positive Tages­be­we­gungen (lange grüne Kerzen) zu erkennen. Der­artig negative Tage (lange rote Kerzen) sind in der Häu­figkeit und Länge nicht ersichtlich. Auch diese Beob­achtung deutet auf Kauf­ak­ti­vi­täten der Zen­tral­banken hin.

Das Anwachsen der Noten­bank­bi­lanzen ist übrigens auch nicht zwingend not­wendig. Die Akti­vi­täten können bei­spiels­weise dann durch­ge­führt werden, wenn alte Anleihen aus­laufen. Die Zen­tral­bank­bi­lanzen stehen unter starker Beob­achtung. Ange­sichts der Lage an den Anlei­he­märkten und der Not­wen­digkeit der Stütz­käufe sind auch soge­nannte Schat­ten­bi­lan­zie­rungen außerhalb der Noten­bank­bi­lanzen oder Kauf­ak­ti­vi­täten der Staaten selbst denkbar.

Die Ana­tomie (der „Maschi­nenraum“) eines Marktes

Um zu ver­stehen, wie die Preis­bildung in einem Markt funk­tio­niert, ergibt es Sinn, gewis­ser­maßen in den „Maschi­nenraum“ einer soge­nannten Markt­auktion zu blicken.

Man kann sich die ver­schie­denen Preise vor­stellen wie eine Leiter, die der Kurs hinauf- oder absteigen kann. In dem dar­ge­stellten Bei­spiel (Abbildung 8) ist links die preis­liche Band­breite (Preis­leiter) von 3073 bis 3094 dar­ge­stellt. Der aktuelle Preis, also der Preis, zu dem zuletzt Umsatz gemacht wurde, liegt bei 3084.

Abbildung 8: Exem­pla­ri­sches Orderbuch zu Ver­an­schau­li­chung einer Marktauktion
Quelle: Orderbuch E‑Mini S & P 500 aus dem Ninja Trader (Daten­pro­vider: CQG)

Über diesem Niveau befinden sich in weißer Schrift auf rotem Hin­ter­grund die kon­di­tio­nierten (bedingten) Ver­kaufs­auf­träge, auch als Limit-Verkauf bezeichnet. Unter dem aktu­ellen Preis in Höhe von 3084 befinden sich in weißer Zahl und auf blauem Hin­ter­grund die Limit-Kauf­auf­träge, also die kon­di­tio­nierten Kauf­auf­träge. Die kon­di­tio­nieren Auf­träge sind an die Bedingung geknüpft, dass der Markt­teil­nehmer nur bereit ist, zu einem gewissen Preis zu kaufen oder zu ver­kaufen. 363 Ver­käufer sind bereit, zu einem Preis von 3084 oder höher (aber nicht tiefer) zu ver­kaufen. 124 Käufer sind bereit zu einem Preis von 3083 zu kaufen, akzep­tieren aber keinen Preis der bei­spiels­weise bei 3084 oder höher liegt.

Würden nur die kon­di­tio­nierten Limit-Auf­träge exis­tieren, würde der Preis sich nicht ver­ändern. Das, was den Markt bewegt, sind die sogen­anten Market-Orders (Markt-Auf­träge). Diese sind nicht an eine Bedingung geknüpft und werden zum nächsten Preis, der zustande kommt, aus­ge­führt. Die nächste Market-Kauf-Order würde auf Basis des Bei­spiels zu 3084 aus­ge­führt und die nächste Market-Verkauf-Order zu 3083. Die Dif­ferenz ist die aus dem Fremd­wäh­rungs­tausch bekannte Geld-Brief-Spanne. Sie wird auch als Spread bezeichnet. Wenn dieser Spread sich weitet, dann sind die Limit-Bereiche nicht aus­ge­füllt. Man spricht auch davon, dass der jeweilige Markt „aus­ge­trocknet“, nicht gesättigt und schlichtweg illi­quide ist. Die Markt­teil­nehmer halten sich zurück. In Kri­sen­si­tua­tionen keine unge­wöhn­liche Reaktion. Das Risiko ist den Markt­teil­nehmern zu hoch und so warten sie ab, bis die Lage wieder etwas über­schau­barer wird.

Der Preis kann nur um eine Einheit und folglich auf 3085 steigen, wenn alle Ver­kaufs­auf­träge auf dem Preis­level von 3084 absor­biert (auf­ge­sogen) werden. In diesem Fall sind also 363 Kauf­auf­träge erfor­derlich, damit der 364ste Kauf­auftrag zu 3085 aus­ge­führt wird. 124 Ver­kaufs­auf­träge sind not­wendig, damit der Ver­kaufs­auftrag 125 zu 3082 aus­ge­führt wird.

In einem gesät­tigten Markt springt der Preis selten mehrere Preis­level nach oben oder unten. Sie können sich selbst aus­rechnen, wie viele Preis­level eine Order von 3.000 Kauf­auf­trägen absor­bieren würde.

Kommen wir zurück zu unseren Anlei­he­preisen und nehmen Bezug auf die Kurs­lücke, die vom 6. auf den 7. Juli im Kurs­verlauf der 10-jäh­rigen Deut­schen Staats­an­leihe zu beob­achten war. In dieser Zeit wurde der Kurs von ca. 90.000 Euro auf knapp 104.000 Euro buch­siert. In dem kom­pletten dar­ge­stellten Zeitraum war ein der­ar­tiger Kurs­sprung nicht zu beob­achten. Diese Anomalie war also ein erstaun­liches Ereignis und spricht für eine Inter­vention durch die Zen­tralbank. Sämt­liche Preis­level über 90.000 Euro wurden durch neue geschaf­fenes Geld der EZB absor­biert, damit der Preis am 7. Juli um 16 Prozent höher als am Vortrag eröffnen konnte.

Fazit und Status quo. Schlagen die durch die nied­rigen Zinsen aus­ge­lösten „Booms“ nun in einen Bust um?

Die aktuelle Situation zeichnet ein Bild und einen Preis­verfall der Staats­an­leihen, welcher bereits jetzt his­to­rische Ausmaße ange­nommen hat. Wir sprechen von dem größen Kurs­verlust seit 100 Jahren (siehe Abbildung 2 oben). Die durch die Zen­tral­banken her­un­ter­ma­ni­pu­lierten Zinsen haben die glo­balen Staats­schulden auf den höchsten Stand der Mensch­heits­ge­schichte anschwellen lassen. Dadurch ist eine riesige Anlei­hen­blase ent­standen, die nun viel­leicht schon am Platzen ist?

Banken, Ver­si­che­rungen, Pen­si­ons­kassen und andere Kapi­tal­sam­mel­stellen geraten durch das Ein­brechen der Anlei­hen­preise, aber auch generell durch rück­läufige Ver­mö­gens­gü­ter­preise (Aktien, Immo­bilien etc.) unter Druck. Wenn die erfor­der­lichen Abschrei­bungen (Wert­be­rich­ti­gungen der Ver­mö­gens­werte) nicht durch genügend Eigen­ka­pital gedeckt sind, droht die Über­schuldung. Nicht nur im Fall der Pen­si­ons­kassen hätte das ver­hee­rende Aus­wir­kungen in Bezug auf die Alters­vor­sorge von Mil­lionen Men­schen. Aber auch eine größere Ban­ken­krise könnte einen Domi­no­effekt aus­lösen. Die neu­er­lichen Inter­ven­tionen der Zen­tral­banken (Stütz­käufe in den Staats­an­leihen-Märkten) sprechen eine klare Sprache und sollten den Kollaps ver­meiden. Ebenso ist fest­zu­stellen, dass Zins­an­he­bungen durch die Zen­tral­banken real nicht umsetzbar sind. Und zwar deshalb, weil die Staaten über­schuldet sind und weil die Anlei­he­port­folien an Wert ver­lieren würden. Die Zen­tral­banken sind an der Stelle ganz offen­sichtlich in eine Sack­gasse geraten. Sie sind nicht in der Lage die Kauf­kraft­ent­wertung mit Zins­an­he­bungen zu bekämpfen. Man könnte auch sagen, dass die Geld­po­litik in einer Zwick­mühle (double bind) steckt – und gescheitert ist.

Das System der nied­rigen Zinsen setzt Fehl­an­reize und es wird nun klar, dass die mathe­ma­ti­schen Modelle der Zen­tral­banken versagt haben. Die Wirt­schaft funk­tio­niert nicht wie ein mehr­stu­figer Fön, der sich bei Über­hitzung exakt her­un­ter­regeln lässt oder aber hoch­ge­schaltet werden kann, wenn es zu kühl ist. Ein­ge­spannt von Son­der­in­ter­es­sen­gruppen aus der Finanz­branche und der Politik haben die Zen­tral­banken jedoch exakt auf Basis dieser Hybris agiert.

Um dro­hende größere wirt­schaft­liche Ein­brüche abzu­mildern, haben sie das Zins­niveau in den letzten Dekaden suk­zessive immer weiter abge­senkt. Der Zins ent­fernte sich zuse­hends von einem markt­ge­rechten Zins. Der Zins, also der „Preis des Geldes“, ist ein extrem wich­tiges volks­wirt­schaft­liches Preis­signal. Er funk­tio­niert wie ein Kompass und zeigt die Zeit­prä­ferenz und die Risi­ko­ein­schätzung der Markt­teil­nehmer an, also welche Inves­ti­tionen sich ren­tieren und welche nicht.

Ange­nommen der Marktzins, der sich durch dezen­trales Geld­an­gebot und dezen­trale Geld­nach­frage bilden würde, liegt bei 5 Prozent und der künstlich abge­senkte Zins bei 3 Prozent. In diesem Bei­spiel rechnen sich nun auch Inves­ti­tionen zwi­schen 3 und 5 Prozent, die sich bei einem markt­ge­rechten Zins nicht gerechnet hätten.

Es ent­steht ein Scheinboom, weil auch weniger ren­table Inves­ti­tionen getätigt werden. Die abneh­mende Arbeits­pro­duk­ti­vität in Deutschland nach 2007 unter­mauert diese These. Der Boom steht folglich auf tönernen Füßen und in Folge der stei­genden Nach­frage steigen auch die Preise für die Pro­duk­ti­ons­fak­toren (Grund­stücke, Roh­stoffe, Bau­ma­te­rialien, Vor­pro­dukte, Kosten für Arbeit­nehmer usw.), die not­wendig sind, um die Pro­jekte umzu­setzen. Irgendwann sind diese Preise so hoch, dass sich die Inves­ti­tionen nicht mehr rechnen und der Boom in einen soge­nannten Bust umschlägt. Um diesen abzu­wenden, wird der Zins noch weiter abge­senkt und das Spiel beginnt von vorne.

Nebenbei bemerkt kommt es zusätzlich zu einer Ver­schwendung von Res­sourcen, weil diese in Inves­ti­tionen fließen die sich bei einem markt­ge­rechten Zins nicht rechnen würden. Diese Form der Geld­wirt­schaft belastet fol­ge­richtig auch die Umwelt, da Res­sourcen für Zwecke ver­wendet werden, für die die Markt­teil­nehmer sie ohne die Zins­ma­ni­pu­lation nicht ver­wendet hätten.

Die durch die nied­rigen Zinsen auf­ge­bauten Ungleich­ge­wichte und Schul­den­türme drohen nun ein­zu­stürzen. Die sich ent­fal­tende Krise sollte genutzt werden, um sich markt­wirt­schaft­lichen Struk­turen zuzu­wenden. Zins­ent­wick­lungen gehören nicht in die Hände von Zen­tral­planern (Zen­tral­banker), die sich an poli­ti­schen und finanz­wirt­schaft­lichen Son­der­in­ter­essen ori­en­tieren. Es ist unab­dingbar, diesem wich­tigen Markt freien Lauf zu lassen, damit Markt‑, Preis- und Zins­si­gnale ihre Wirkung nicht ver­fehlen. Hoch ver­schuldete Volks­wirt­schaften sind auf einem brö­cke­ligen Fun­dament gebaut und die Aus­wir­kungen können ver­hee­rende gesell­schaft­liche und poli­tische Ent­wick­lungen hervorrufen.

Des Wei­teren neigten über­schuldete Staaten, neben all­ge­meinen finan­zi­ellen und poli­ti­schen Repres­sionen gegen die eigene Bevöl­kerung, his­to­risch auch zu krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zungen, um ihre Macht zu erhalten. Folglich gilt es an dieser Stelle auch, einen Beitrag für den inneren und äußeren Frieden zu erbringen.

Zu befürchten ist ande­rer­seits, dass eine erneute schwere Wirt­schafts­krise die Poli­tiker und Zen­tral­banker zu wei­teren Inter­ven­tionen in den Markt moti­viert, von Zins­ma­ni­pu­la­tionen über Preis­deckel bis hin zu Min­dest­preisen, digi­talem Zen­tral­bankgeld und dergleichen.

Da bei Preis-Inter­ven­tionen sich das zugrunde lie­gende Problem (Angebots-Knappheit oder ‑Überhang aus Sicht des Poli­tikers) nicht lösen lässt, sondern nur auf die Menge ver­schiebt, ziehen diese Preis­fi­xie­rungen aus poli­ti­scher Sicht weitere „not­wendige“ Inter­ven­tionen nach sich. Und am Ende der Inter­ven­tio­nismus-Spirale steht eine Kom­mando- und Len­kungs­wir­schaft, egal ob die Pro­duk­ti­ons­mittel dann beim Staat liegen (Sozia­lismus) oder formal noch in den Händen der Unter­nehmer, die dann fak­tisch degra­diert werden zu Betriebs­führern nach den Vor­gaben des Staates.

Welcher Weg hier gesell­schaftlich und poli­tisch gewählt wird, ist also schick­salhaft für unsere wirt­schaft­liche und – in der Folge – auch per­sön­liche Freiheit.

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Quellen:

Gesetz­liche Ver­pflichtung des Kaufs von Staats­pa­pieren für Pensionsfonds

https://www.dia-vorsorge.de/kapitalmaerkte-kapitalanlagen/herausforderungen-mit-anleihen/

https://moneypark.ch/news-wissen/vorsorge/das-rendite-dilemma-der-pensionskassen/

 Lage der Pen­si­ons­kassen im Rahmen des Absturzes der 10jährigen UK-Anleihe („Gilts“)

https://finanzmarktwelt.de/regierung-plant-bank-of-england-zum-suendenbock-zu-machen-249144/

https://www.business-leaders.net/englische-pensionskasse-vor-pleite-kurz-vor-weltweiten-kollaps/

https://www.wiwo.de/finanzen/vorsorge/turbulenzen-am-anleihemarkt-wie-die-bank-of-england-einen-lehman-moment-verhinderte/28714780.html

Mög­liche “Tech­nische Pleite” der EZB – Aussage Prof. Dr. Thomas Mayer

Artikel:

https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/bankenoekonom-thomas-mayer-sieht-eurosystem-vor-der-pleite/

Interview bei Mission Money mit der Aussage zu einer mög­lichen “tech­ni­schen Pleite” der EZB:

https://www.youtube.com/watch?v=lRx32pPTJgI

Risi­ko­auf­schläge (Spreads) – Inter­ven­tionen seitens der EZB, um die Spreads gering zu halten

https://www.institutional-money.com/news/maerkte/headline/italienische-bonds-trotz-ezb-unterstuetzung-unter-druck-217587/

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/ezb-italien-anleihen-101.html

https://www.derstandard.de/story/2000136438818/ezb-stoppt-ankaeufe-von-anleihen-was-sind-die-folgen

https://www.nzz.ch/wirtschaft/ezb-reflexe-ld.1689020?reduced=true

https://www.nbb.be/de/geldpolitik/geldpolitische-instrumente/programme-zum-ankauf-von-vermogenswerten

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/427660/umfrage/bestand-des-erweiterten-anleihekaufprogramms-der-ezb/

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/ezb-anleihekaufprogramm-105.html

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Ben­jamin Mudlack ist gelernter Bank­kaufmann und hat an der Fach­hoch­schule Dortmund das Diplom zum Wirt­schafts­in­for­ma­tiker erworben. Er ist Vor­stands­mit­glied der Atlas Initiative, Mit­glied der Friedrich August von Hayek Gesell­schaft und begleitet aktiv einige andere frei­heit­liche Pro­jekte, wie zum Bei­spiel das jüngst neu gegründete Free Eco­nomic Forum.

Zudem betreibt Ben­jamin Mudlack den YouTube-Kanal „Der öko­no­mische IQ“ mit der Ziel­setzung, mög­lichst vielen Men­schen die öster­rei­chische Schule der Natio­nal­öko­nomie anhand von tages­ak­tu­ellen Themen zugänglich zu machen.

Durch seine unter­neh­me­ri­schen Tätig­keiten, unter anderem auch in dem seit mehr als fünf Gene­ra­tionen bestehenden mit­tel­stän­di­schen Fami­li­en­un­ter­nehmen, erhielt Ben­jamin Mudlack tiefe Ein­blicke in die reale Wirt­schaftswelt. Die theo­re­ti­schen Kennt­nisse und der prak­tische Bezug zum Mit­tel­stand haben ihn zu einem Befür­worter von kleinen effi­zi­enten Ein­heiten auf Basis dezen­traler („vor Ort“) Struk­turen werden lassen, mit den damit ver­bun­denen sinn­vollen emo­tio­nalen wie auch wirt­schaft­lichen Haftungsprozessen.

Ben­jamin Mudlack ist zudem Autor des im Licht­schlag Verlag erschienen Buches „Geld-Zei­ten­wende – vom Ent­eig­nungsgeld zurück zum gedeckten Geld.“ Neben einigen Inter­views sind zahl­reiche Artikel von ihm erschienen zum Thema Geld bzw. Geld­system und Mit­tel­stand wie bei­spiels­weise im Smart Investor, bei Tichys Ein­blick oder im Sachwert Magazin.


Quelle: misesde.org