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Was bezahlt Deutschland für die Sta­tio­nierung von US-Raketen an die USA?

Gerade wurde gemeldet, dass die USA beschlossen haben, atom­waf­fen­fähige Lang­stre­cken­ra­keten in Deutschland zu sta­tio­nieren. Nun wurde bekannt, dass Deutschland dafür die Rechnung bezahlen wird. (von Thomas Röper)

Vor zwei Tagen wurde gemeldet, dass die USA wieder atom­waf­fen­fähige Lang­stre­cken­ra­keten in Deutschland sta­tio­nieren wollen. Was das bedeutet, habe ich hier ausgeführt.

In der Bun­des­pres­se­kon­ferenz wurde die Bun­des­re­gierung nun gefragt, welche Kosten dafür auf die Bun­des­re­publik ent­stehen. Der Sprecher des Bun­des­au­ßen­mi­nis­te­riums hat darauf geant­wortet:

„Wir führen derzeit ver­trau­liche Ver­hand­lungen mit unseren Partnern (…) Das ist Teil der Verhandlungen.“

Das bedeutet, dass Deutschland in jedem Fall dafür bezahlen wird, die Frage ist nur, wieviel.

Außerhalb des Westens ist es so, dass ein Land, wenn es in einem anderen Land eine Mili­tär­basis eröffnet, dafür eine Pacht bezahlt. Russland hat bei­spiels­weise bis 2014 für den Mari­ne­hafen auf der Krim eine hohe jähr­liche Pacht an die Ukraine bezahlt.

Nur im US-kon­trol­lierten Westen ist es anders, dort bezahlen die anderen Länder die USA dafür, dass US-Truppen in ihren Ländern Sol­daten sta­tio­niert werden. Und zu den Kosten, die Deutschland ohnehin schon an die USA über­weist, werden bald weitere Kosten für die Lang­stre­cken­ra­keten hinzu kommen.

Aber die Frage ist, was bezahlt Deutschland den USA eigentlich heute bereits dafür, dass US-Truppen in Deutschland sta­tio­niert sind?

Bei­spiele aus der Geschichte

Wer sich mit Geschichte aus­kennt, der weiß, dass es in der Ver­gan­genheit so war, dass Imperien in anderen Ländern Mili­tär­stütz­punkte unter­hielten – diese Länder also de facto kon­trol­lierten -, was damit begründet wurde, das Imperium müsse die klei­neren Länder vor irgendwem beschützen. In den Geschichts­bü­chern erfahren wir, dass das natürlich Unsinn war, denn in Wahrheit haben die klei­neren Länder dem Imperium Tribute (in Mafiak­reise würde man „Schutzgeld“ sagen) bezahlt. Und damit die klei­neren Länder nicht auf die Idee kamen, gegen das Imperium auf­zu­stehen, hat das Imperium dort auch Truppen sta­tio­niert, um die klei­neren Länder zu „beschützen“.

Das ist eine Praxis, die schon in der Antike prak­ti­ziert wurde. Das römische Imperium hat seine Nachbarn so behandelt und natürlich auch dafür gesorgt, dass immer irgendeine (mal reale oder auch selbst pro­vo­zierte) Gefahr von Bar­ba­ren­stämmen vor­handen war, mit der man die Praxis offi­ziell begründet hat. In Wahrheit, das wissen wir aus den Geschichts­bü­chern, war es dann aber umge­kehrt: Die kleinen Länder haben ihre Sol­daten in den Dienst des mäch­tigen römi­schen Reiches gestellt, um gegen die­je­nigen Bar­baren zu kämpfen, die eine echte Gefahr für Rom dar­ge­stellt haben.

Rom hat auf diese Weise die Zahl seiner Sol­daten um die Sol­daten der Nachbarn erhöht und oft sogar zusätzlich noch Gold dafür bekommen.

Es hat sich nichts geändert

Was wir in der NATO sehen, weist damit erstaun­liche Ähn­lich­keiten auf. Die USA, das heutige Imperium, haben ihre Sol­daten in all ihren Vasal­len­staaten sta­tio­niert und die bezahlen auch noch dafür. Um diese Praxis zu begründen, pro­vo­zieren die USA Bedro­hungen, vor denen die Vasallen dann angeblich beschützt werden müssen.

Der Irak hat Europa nie bedroht, sondern er hat bes­ten­falls die Vor­macht­stellung der USA am Per­si­schen Golf her­aus­ge­fordert, aber euro­päische Staaten sind zusammen mit den USA in den Krieg gegen den Irak gezogen, oder haben – wie Deutschland – den Krieg finan­ziell und logis­tisch unter­stützt. Im Ergebnis haben US-Kon­zerne die För­der­li­zenzen für das ira­kische Öl bekommen, nicht etwa euro­päische Konzerne.

Das gleiche gilt für den Ukraine-Kon­flikt, der nur ent­standen ist, weil die USA die Ukraine gegen Russland in die NATO ziehen wollten. Für die Europäer wäre es viel lukra­tiver gewesen, wenn die Ukraine als neu­traler Brü­cken­staat zwi­schen Russland und der EU gestanden hätte, über den Handel und kul­tu­reller Aus­tausch hätten statt­finden können, was genau das war, was Russland all die Jahre nach dem Zerfall der Sowjet­union ange­strebt hat.

Aber das wollten die USA nicht, die ver­standen hatten, dass die Ukraine der Hebel sein kann, mit dem sie den geo­po­li­ti­schen Kon­kur­renten Russland schwächen oder ver­nichten könnten. Das kann man in unge­zählten Denk­schriften in den USA nach­lesen, die bekann­teste ist das Buch „Die einzige Weltmacht“.

„Tri­but­pflichtige Vasallen“

Das Buch „Die einzige Welt­macht: Ame­rikas Stra­tegie der Vor­herr­schaft“ hat der ein­fluss­reiche US-Geo­stratege Zbi­gniew Brze­ziński schon 1997 geschrieben und darin waren die Ereig­nisse in der Ukraine, die in den fol­genden 15 Jahren statt­fanden, schon erstaunlich klar vor­ge­zeichnet. Und auch Brze­ziński erin­nerte in seinem Buch an die Geschichte der frü­heren Imperien und nannte die offi­ziell als „Ver­bündete“ der USA bezeich­neten euro­päi­schen Staaten in erfri­schender Offenheit „tri­but­pflichtige Vasallen“ der USA, deren Ver­hältnis zu den USA sich in nichts von dem der Vasallen zu frü­heren Imperien unterscheidet.

Und das ist tat­sächlich so, denn die Vasallen der USA bezahlen brav für die Sta­tio­nierung der US-Truppen in ihren Ländern und unter­stützen die poli­ti­schen Ziele der USA, not­falls sogar zum eigenen Schaden, wie die aktu­ellen Russland-Sank­tionen bei­spiels­weise zeigen.

Die von den USA nach dem Zweiten Welt­krieg besetzten Staaten zahlen seit dem Krieg jedes Jahr gigan­tische Summen an die USA. 2021 habe ich das letzte Mal darüber berichtet, damals hatten sich die USA und Japan gerade darauf geeinigt, dass Japan den USA für die US-Stütz­punkte im eigenen Land jährlich etwa zwei Mil­li­arden bezahlt. Süd­korea hat 2019 knapp eine Mil­liarde pro Jahr an die USA über­wiesen und Prä­sident Trump hat damals eine massive Erhöhung gefordert, aller­dings habe ich dann nicht ver­folgt, worauf sie sich schließlich geeinigt haben.

Da stellt sich die Frage, wie das bei Deutschland ist.

Im Gegensatz zu Japan und Süd­korea weiß offi­ziell niemand, wieviel Deutschland den USA für die Sta­tio­nierung der US-Truppen in Deutschland bezahlt, denn um die Deut­schen nicht mit allzu großen Summen zu ver­ärgern, wurden die Kosten auf ganz viele Kos­ten­stellen bei Bund, Ländern und Gemeinden auf­ge­teilt. Auf Anfragen von Abge­ord­neten nach der Höhe der deut­schen Zah­lungen behauptet die Bun­des­re­gierung immer wieder, sie wisse das nicht und nannte nur die relativ geringen Summen, die aus dem Bun­des­haushalt bezahlt werden. Wie viel es aber ins­gesamt ist, weiß offi­ziell niemand.

Die USA haben aber offenbar so etwas wie eine Preis­liste für Besat­zungs­kosten. Japan zahlte vor einigen Jahren für die Besetzung durch etwa 50.000 US-Sol­daten fast zwei Mil­li­arden Dollar, während Süd­korea zeit­gleich für die 30.000 US-Sol­daten in seinem Land eine Mil­liarde Dollar bezahlt hat. Die Zahlen sind in den beiden Ländern recht transparent.

In Deutschland sind über 30.000 US-Sol­daten sta­tio­niert, daher dürften die deut­schen Zah­lungen an die USA bei min­destens einer Mil­liarde pro Jahr liegen. Mit weniger dürften sich die USA nicht zufrieden geben. Nur die deutsche Regierung weiß offi­ziell nicht, wieviel sie an die USA überweist.

In Wirk­lichkeit weiß die Bun­des­re­gierung jedoch sehr genau, was Deutschland an die USA bezahlt. Das geht aus Ver­öf­fent­li­chungen der deut­schen Bot­schaft in Washington hervor, die dort in den 2000er Jahren online waren. Eine Initiative gegen Fluglärm hat davon Screen­shots ver­öf­fent­licht (siehe hier und hier), die zeigen, dass die deutsche Bot­schaft damals ganz stolz gemeldet hat, dass die Bun­des­re­publik den USA schon 2003 jährlich eine Mil­liarde Dollar für die Sta­tio­nierung der US-Truppen in Deutschland bezahlt hat. Heute dürfte das weitaus mehr sein.

Besat­zungs­kosten

Deutschland bezahlt heute also sicher weit mehr als eine Mil­liarde Dollar pro Jahr für die Sta­tio­nierung von US-Truppen in Deutschland. Nach dem Krieg nannte man das „Besat­zungs­kosten“, heute nennt man es „Kosten für die Sta­tio­nierung von Nato-Truppen“, aber es ist das gleiche. Die neue Bezeichnung wurde in den 1950er Jahren ein­ge­führt, weil die Deut­schen gegen das Wort „Besatzung“ auf­be­gehrten und kein besetztes Land sein wollten, das auch noch für die eigene Besetzung bezahlt. Aber die geän­derte Bezeichnung ändert nichts daran, dass Deutschland seit Kriegsende diese Kosten trägt.

In der Schule lernen die Deut­schen, wie die USA dem Land dann groß­zügig mit dem Mar­shallplan geholfen haben. Was man nicht lernt, ist fol­gendes: Im Zuge des Mar­shall-Plans bekamen die west­lichen deut­schen Besat­zungs­zonen 1948 und danach die Bun­des­re­publik Deutschland von 1949 bis 1952 ins­gesamt 1,4 Mil­li­arden Dollar. Nach heu­tiger Kauf­kraft wären das etwa 14 Mil­li­arden Dollar. Nur ist das Problem, dass Deutschland den USA damals auch die Kosten für die Besetzung Deutsch­lands erstatten musste. Zahlen dazu sind nicht leicht zu finden, aber allein 1950 waren das 4,5 Mil­li­arden Deutsche Mark oder nach dama­ligem Kurs etwa 1,1 Mil­li­arden Dollar. In nur einem Jahr.

Das bedeutet, dass Deutschland den USA an Besat­zungs­kosten schon in der Zeit des Mar­shall-Plans weit mehr für die Besetzung des eigenen Landes bezahlt hat, als es gleich­zeitig im Zuge des Mar­shall-Planes aus den USA bekommen hat. Die Deut­schen haben den Mar­shall-Plan also prak­tisch selbst bezahlt.

Und bis heute bezahlt Deutschland für seine Besetzung durch die USA, auch wenn die Bezeich­nungen geändert wurden. Und nun soll Deutschland auch noch für die Sta­tio­nierung der ame­ri­ka­ni­schen Lang­stre­cken­ra­keten bezahlen, die Deutschland im Ernstfall zum Ziel rus­si­scher Atom­waffen machen.

Der Artikel erschien zuerst bei anti-spiegel.ru.