Into­leranz gegen Anders­den­kende ist ein Merkmal bei vielen Linken und Grünen

Dr. Stefan Groß im Interview mit Dr. Rainer Zitelmann

Into­leranz gegen Anders­den­kende ist in der Tat ein gemein­sames Merkmal bei vielen Linken und Grünen. Die Unduld­samkeit gegen Men­schen, die anderer Meinung sind, spürt man in der Sprech­weise von Linken und Grünen, und bei den Links­extremen zeigt sich diese Unduld­samkeit dann auch in Gewalt.

Herr Zitelmann, Sie sind His­to­riker und ein erfah­render Jour­nalist, der im Ull­stein- und im Pro­pyläen-Verlag sowie bei der DIE WELT in füh­renden Posi­tionen war. Sie sind wie kaum ein anderer ein Kenner des Zeit­ge­schehens und schreiben regel­mäßig viele Kom­mentare und Kolumnen für das Debat­ten­ma­gazin „The European“. Was läuft falsch in Deutschland?

Zitelmann: Obwohl das Wort “Nach­hal­tigkeit” in aller Munde ist, ich kann es schon lange nicht mehr hören, ist die Politik in Deutschland genau das Gegenteil davon. Es gab in der bun­des­deut­schen Nach­kriegszeit keinen Kanzler, der für seine Nach­folger und die Fol­ge­ge­nera­tionen so viele schwer­wie­gende Pro­bleme ange­häuft hat, wie Merkel. Ob Ein­wan­derung, Euro­rettung, Energie- oder Sozi­al­po­litik: In all diesen Feldern hat Merkel gefähr­liche Zeit­bomben gelegt, die erst später hoch­gehen werden. Der Grund, warum sie wohl dennoch wieder gewählt werden wird: Die Folgen, etwa der ver­fehlten Ener­gie­po­litik, wirken sich heute noch kaum aus, sondern erst in der Zukunft. Ebenso stehen uns die schlimmsten Folgen der Euro­rettung noch bevor. Gleiches gilt für die Flücht­lings­po­litik. In der Politik ist es oft so, dass die heute ver­ant­wort­lichen Poli­tiker Dinge tun, die sich erst bei ihren Nach­folgern aus­wirken. So pro­fi­tierten Bill Clinton und Tony Blair von der guten Politik ihrer Vor­gänger Ronald Reagan und Mar­garet Thatcher – und Merkel pro­fi­tiert von Schröders Agenda 2010. Das alles war ein posi­tives Erbe. Merkel wird dagegen ein schlimmes Erbe hinterlassen.

Sie haben 20 erfolg­reiche Bücher, dar­unter Besteller, geschrieben. Ihr neu­estes Buch trägt den Titel „Wenn Du nicht mehr brennst, starte neu“. Viele Deutsche haben Angst vor Ver­än­de­rungen, seien diese per­sön­licher Natur oder der Arbeitswelt geschuldet. Ihre Maxime hin­gegen lautet, mit Hermann Hesse gesprochen: „In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, oder anders for­mu­liert. Neu­an­fänge sind für Sie etwas Exis­ten­ti­elles. Woher kommt die Angst und was bringen Neuanfänge?

Zitelmann: Ich ver­stehe diese Angst, denn sie ist Aus­druck eines Sicher­heits­strebens, das mir nicht fremd ist. Aber ich glaube nicht, dass Sicherheit darin liegt, alles so zu lassen, wie es ist. Die Ver­hält­nisse ändern sich, und so müssen wir uns selbst ändern und die Gesell­schaft muss sich ändern. Im per­sön­lichen Bereich denke ich, dass Angst vor Ver­än­derung Aus­druck von man­gelndem Selbst­be­wusstsein ist. Psy­cho­logen sprechen von “Selbst­wirk­samkeit”. Damit ist gemeint, dass ich mir selbst zutraue, große Ziele zu erreichen, Krisen zu bewäl­tigen und aus ihnen das Beste zu machen. Ich per­sönlich fände es lang­weilig, das ganze Leben lang immer das Gleiche zu tun. Und ich habe mir zuge­traut, immer wieder neu zu starten. Wenn man mal dabei scheitert, dann ist das gut und nicht schlecht. Denn wer nie im Leben scheitert, hat damit nur eines bewiesen, dass er sich zu kleine Ziele gesetzt und zu wenig ver­sucht hat.

Sie haben eine beein­dru­ckende Kar­riere hin­gelegt. Vom Linken zum Kon­ser­va­tiven, von Autoren­schaften in ganz linken Zei­tungen bist hin zum Chef der “Geis­tigen Welt“ der DIE WELT. Sind Sie aus ver­sehen kon­ser­vativ geworden?

Zitelmann: Als Kon­ser­va­tiven würde ich mich nicht bezeichnen. Ich sehe mich als Natio­nal­li­be­raler oder als demo­kra­ti­scher Rechter. Kon­ser­vativ passt irgendwie nicht zu meinem per­sön­lichen Lebensstil, klingt für mich ein wenig bieder und ver­staubt, so nach blauem Jacket mit gol­denen Knöpfen und Einstecktuch.

Libe­ra­lismus bedeutet für mich, Ein­treten für die Freiheit. Und zwar vor allem für die geistige Freiheit, für Freiheit des Denkens, für die Freiheit in der intel­lek­tu­ellen Debatte. Deshalb ist mir die Poli­tical Cor­rectness so sehr ver­hasst. Sie ist für mich gleich­be­deutend mit Denk­ver­boten und mit der Pflicht, sich ein­fäl­tiger Sprach­hülsen zu bedienen.

Freiheit ist auch in der Wirt­schaft das Wich­tigste. Ich schreibe gerade an einem neuen Buch, das nächstes Jahr erscheinen soll. Arbeits­titel: “Der Kapi­ta­lismus tut den Men­schen gut”. Ich weise nach, dass es den Men­schen immer dann besser ging, wenn dem Markt, also der Freiheit unter­neh­me­ri­schen Han­delns, mehr Raum gegeben wurde. Das beein­dru­ckendste Bei­spiel ist China: Allein beim “Großen Sprung nach vorne” in den Jahren 1958 bis 1961 starben etwa 45 Mil­lionen Men­schen, die meisten ver­hun­gerten. Das war Folge eines großen sozia­lis­ti­schen Expe­ri­mentes. Darüber wissen die Men­schen viel zu wenig, und als ich im Teen­ager­alter Maoist war, wollte ich auch nichts davon wissen. Damals bezog ich mein “Wissen” über China aus der Peking-Rund­schau. Ich gebe zu, dass ich erst jetzt mehrere Bücher darüber gelesen habe. Es hat niemals in der Mensch­heits­ge­schichte eine so große Wohl­fahrts­stei­gerung für die Men­schen gegeben wie in den letzten Jahr­zehnten in China. Warum? Weil dort der Kapi­ta­lismus ein­ge­führt wurde und China sich in die Welt­wirt­schaft inte­griert hat, diese heute sogar prägt. Leider war und ist die wirt­schaft­liche Freiheit in China nicht mit der poli­ti­schen Freiheit ver­bunden, aber immerhin: Das war schon eine große Leistung von Deng Xiaoping, deren Kern es war: Mehr Freiheit, mehr Markt, mehr Kapi­ta­lismus wagen.

Ich habe einen unbän­digen Frei­heits­drang. Der hat mich in der Jugend, so wie viele Men­schen, zu einem Linken gemacht. Und er hat mich später zu einem Libe­ralen oder demo­kra­ti­schen Rechten gemacht, dem Freiheit wichtig und Gleich­ma­cherei ein Gräuel ist.

Sie kennen sich aus mit auto­ri­tären Denkern und Sys­temen, Sie haben eine viel gelesene und ‑zitierte Hit­ler­bio­grafie geschrieben. Was fas­zi­niert an der dunklen Seite der Macht und warum findet dies immer wieder Nach­ahmer und Enthusiasten?

Zitelmann: Das Grauen kommt ja daher im Gewand der hoff­nungs­vollen Ver­heißung einer bes­seren Zukunft. Das gilt nicht nur für den Mar­xismus, sondern auch für den Natio­nal­so­zia­lismus, wie ich in meinem Hitler-Buch belege. So wie Anhänger von Marx und Lenin fas­zi­niert waren von der Vision einer klas­sen­losen Gesell­schaft, so waren die Anhänger Hitlers fas­zi­niert vom Konzept der “Volks­ge­mein­schaft”. Das war die These in meinem Buch “Hitler. Selbst­ver­ständnis eines Revo­lu­tionärs”, das erstmals vor 30 Jahren erschien und soeben im Lau-Verlag in einer um 100 Seiten erwei­terten 5. Auflage neu her­aus­ge­kommen ist. Heute ist das Konzept der “Volks­ge­mein­schaft” zu dem zen­tralen For­schungs­ansatz der NS-For­schung geworden, wie ich in meinem ein­lei­tenden Essay zu dem Hitler-Buch zeige.
Wenn wir die Fas­zi­nation von Ideo­logien wie dem Mar­xismus-Leni­nismus, Mao­ismus oder Natio­nal­so­zia­lismus nicht ver­stehen, dann können wir aus der Geschichte nichts lernen. Die Men­schen haben Hitler ja nicht wegen seinem Judenhass oder seinen Plänen zur Eroberung von neuem Lebensraum im Osten gewählt. Sondern weil er bessere Auf­stiegs­chancen für die Arbei­ter­schaft, die Über­windung der kapi­ta­lis­ti­schen Klas­sen­ge­sell­schaft und soziale Gerech­tigkeit ver­sprach. Heute wissen wir, wie schrecklich das alles endete, aber das wussten die Men­schen nicht, die Anfang der 30er Jahre fas­zi­niert waren vom natio­nalen Sozialismus.

Seit dem G 20-Gipfel in Hamburg ist der Terror von Links – lange Zeit poli­tisch geduldet – zu einer poli­tisch festen Größe in unserer All­tags­kultur geworden. Sie kennen das Phä­nomen vom linken Terror aus Ihrer Zeit als Chef­lektor der Verlage Ull­stein und Pro­pyläen. Dort ver­öf­fent­lichten Sie unter anderem ein Buch von Jörg Haider – auch mit der Kon­se­quenz, dass Ihr Auto ange­zündet wurde. Leben wir in einer Gesin­nungs­dik­tatur? Warum haben wir wenig Toleranz für kon­ser­va­tives Denken und viel für den linken Mainstream?

Zitelmann: Into­leranz gegen Anders­den­kende ist in der Tat ein gemein­sames Merkmal bei vielen Linken und Grünen. Die Unduld­samkeit gegen Men­schen, die anderer Meinung sind, spürt man in der Sprech­weise von Linken und Grünen, und bei den Links­extremen zeigt sich diese Unduld­samkeit dann auch in Gewalt.

In der Bun­des­re­publik gab es seit den 60er Jahren eine lau­fende Ver­schiebung des poli­ti­schen Koor­di­na­ten­systems nach Links. Das habe ich 1994 aus­führlich in meinem Buch “Wohin treibt unsere Republik?” gezeigt und ana­ly­siert. Diese Analyse, obwohl vor 23 Jahren geschrieben, ist leider heute aktu­eller denn je. Ich habe schon damals gezeigt, wie sich die CDU nach Links ent­wi­ckelt und den Grünen anpasst. Das war noch zu Zeiten von Kohl. Der Prozess der Sozi­al­de­mo­kra­ti­sierung und Ver­grünung der CDU hat mit Merkel nicht begonnen, sondern sie hat ihn nur in einer damals für die meisten Men­schen nicht vor­stell­baren Weise auf die Spitze getrieben und voll­endet. Da alles aus­ge­grenzt wird, was nur leicht rechts von der CDU ist, hat das zur Folge gehabt, dass immer mehr Mei­nungen, die früher als legitim galten, auf einmal als “unsagbar” und “uner­träglich” galten und gelten. Was früher als Position der Mitte galt, war auf einmal rechts. Ande­rer­seits gab es seit Ende der 60er Jahre eine sich beschleu­ni­gende Erosion der Abgrenzung zu linken Anti­de­mo­kraten, die zunehmend als legi­timer Teil des poli­ti­schen Spek­trums gesehen wurden. Daher hatte ich schon damals in meinem Buch vor­her­gesagt, dass die SPD irgendwann mit den Grünen und dann auch mit den Linken zusam­men­gehen wird. Damals, also 1994, als ich dieses Buch schrieb, hatten die Sozi­al­de­mo­kraten noch Koali­tionen auf Bun­des­ebene mit beiden Par­teien ausgeschlossen.

Sie sind Body­builder, inves­tieren viel Zeit und haben bewäl­tigen dennoch ein gewal­tiges Pensum an Publi­ka­tionen etc. Wie schaffen Sie das? Wie steuern Sie Ihren Tag? Was raten Sie für ein so inten­sives Arbeits­projekt und warum nimmt Fitness in Ihrem Leben einen so hohen Stel­lenwert ein?

Das Training kostet mich nicht viel Zeit. Ich trai­niere seit 40 Jahren jede Woche (außer wenn ich erkältet bin) drei bis sechs Mal, aber immer nur 30 bis 40 Minuten. Ich habe mich mit Trai­nings­theorien zum Kraft­sport befasst und ein Buch dazu geschrieben. Das Ergebnis: Inten­sives Training bringt mehr als langes Training. Zum Zeit­budget: Ich habe sehr selten das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben, obwohl ich viele Dinge mache: Nach wie vor ver­an­stalte ich zahl­reiche Fach­se­minare für die Immo­bi­li­en­branche, habe einen Bera­ter­vertrag mit meiner ehe­ma­ligen Firma, arbeite mit zwei Immo­bi­li­en­un­ter­nehmen bei der Akqui­siton und Ver­mittlung von Pro­jekt­ent­wick­lungen zusammen, schreibe meine Bücher und Kolumnen. Und ich gehe jedes Wochenende feiern und habe Zeit für meine Freun­dinnen. Eben, als ich diese Inter­view­fragen beant­worte, bin ich in Laguna Niguel in Kali­fornien und es ist zwi­schen 6 und 9 Uhr morgens. In einer Stunde werden wir wohl zum Sport gehen und dann liege ich in der Sonne und lese ein Buch über die wirt­schaft­liche Ent­wicklung in Afrika. Morgen gegen 6 Uhr schreibe ich weiter am nächsten Kapitel für mein neues Buch. Es hat sich übrigens noch nie eine Freundin beklagt, dass ich zu wenig Zeit für sie hätte. Wie ich das alles zusam­men­be­komme habe ich in meinen “12 Lebens­regeln” erklärt, die sich im Kapitel 15 meiner kürzlich erschie­nenen Auto­bio­grafie “Wenn du nicht mehr brennst, starte neu!” finden. Ein wich­tiger Grundsatz lautet, dass ich alles dele­giere, was mir keine Freude macht und was auch andere erle­digen können. Obwohl ich 15 Jahre lang fast jeden Tag geflogen bin, habe ich noch nie in meinem Leben einen Flug selbst gebucht, ich mache meine Arzt- oder Fri­seur­termine nicht selbst aus und dele­giere über­haupt alles, was mir keine Freude macht. Dadurch habe ich Zeit, die Dinge zu tun, die mir Spaß machen und in denen ich gut bin, also vor allem das Schreiben und die Akquise.

Sie sind ein aus­ge­wie­sener Finanz­ex­perte und Immo­bi­li­en­in­vestor! Wie beur­teilen Sie die gegen­wärtige Finanz, Euro und Flüchtlingskrise?

Zitelmann: Zunächst: Die Finanz- und die Euro­krise sind nicht vorbei, obwohl meist in den Medien in der Ver­gan­gen­heitsform darüber geschrieben wird. Eben­so­wenig ist die Flücht­lings­krise vorbei. Die Ansicht, die Finanz­krise liege hinter uns, ist geradezu absurd. Wenn das so wäre: Warum sind die Zinsen dann bei Null und warum kauft die EZB für Hun­derte Mil­li­arden Anleihen? Würde die EZB dieses Jahr die Zinsen auf nur zwei Prozent erhöhen und ihr Anlei­hen­kauf­pro­gramm beenden, dann würden das inter­na­tionale Finanz­system und der Euro sofort zusam­men­brechen. Das kann keiner bestreiten. Und das kann doch kein Mensch als normal bezeichnen, der noch bei Ver­stand ist. Deshalb ist die Meinung, dass diese Krisen aus­ge­standen seien, ein großer Unsinn. Ähn­liches gilt für die Flücht­lings­krise: Die größten Pro­bleme mit der Zuwan­derung, und zwar sowohl mit vielen der­je­nigen, die gekommen sind als auch mit jenen, die noch kommen werden, stehen noch vor uns. Die Politik hat ja kein Konzept zur Lösung. Es ist doch ganz offen­sichtlich, dass es kaum gelingt, Men­schen, die einmal zu uns gekommen sind, wieder abzu­schieben. Das war ebenso vor­aus­zu­sehen wie die Tat­sache, dass sich die meisten anderen euro­päi­schen Länder weigern werden, Merkels Ein­wan­de­rungs­konzept zu folgen. Am meisten ärgert mich, wenn Poli­tiker aller Par­teien erzählen, man müsse “die Flucht­ur­sachen besei­tigen”. Das klingt irgendwie logisch, aber es ist eine völlige Über­schätzung unserer Mög­lich­keiten und einer jener Phrasen, die gedan­kenlos nach­ge­plappert werden. Die Flucht­ur­sachen liegen im Wohl­stands­ge­fälle zwi­schen Afrika und Deutschland, und das wird weder Merkel noch Schulz beseitigen.

Sie schreiben in Ihrem Buch in einem ganzen Kapitel „Was ich von 45 Super­reichen lernte“. Was haben Sie gelernt?

Zitelmann: Das war das Thema meiner zweiten Dok­tor­arbeit, die ich 2015 geschrieben habe. Ich habe erstmals 45 Hoch­ver­mö­gende per­sönlich inter­viewt – die meisten waren Selfmade-Unter­nehmer oder Inves­toren mit einem Net­to­ver­mögen zwi­schen 30 Mil­lionen und einer Mil­liarde Euro. Ich habe diese zweite Dis­ser­tation geschrieben, weil ich hier eine For­schungs­lücke sah und neu­gierig war, welche Per­sön­lich­keits­merkmale diese Men­schen haben. Einige dieser Per­sön­lich­keits­merkmale treffen auch für mich zu, etwa der Non­kon­for­mismus, also die Freude daran, gegen den Strom zu schwimmen. Oder die Ein­stellung, selbst die Ver­ant­wortung für Rück­schläge zu über­nehmen, statt anderen die Schuld zu geben. Es ist schwer, das alles in einem Interview zu erklären, was ich auf 430 eng­be­druckten Seiten dar­ge­stellt habe. Ich rate dazu, das Buch zu kaufen, aller­dings nur dem, der nicht auf ein­fache Tipps zum Reich werden hofft. Dazu gibt es genug andere Bücher, die meisten davon sind leider völlig wertlos oder irre­führend. Die “Psy­cho­logie der Super­reichen” breitet sehr umfänglich Material aus, lässt die Super­reichen selbst zu Wort kommen und gibt Anlass, über die eigenen Denk- und Ver­hal­tens­muster zu reflek­tieren. Übrigens ist das Buch kei­neswegs nur für den inter­essant, der selbst reich werden möchte, sondern auch für jeden, der mehr über die Denk­weisen und Ver­hal­tens­muster dieser Min­derheit erfahren will, die den meisten Men­schen ja sehr fremd ist – und über die es jeden­falls viel mehr Vor­ur­teile als Wissen gibt.

Ihr Leben besteht aus Regeln, welche würden Sie Lesern Ihrer Bücher anempfehlen?

Zitelmann: Zum Glück besteht mein Leben nicht aus Regeln, aber es wird in der Tat von Regeln geleitet. Viele Leser meiner Auto­bio­grafie haben mir gesagt, die zwölf Lebens­regeln, die ich im 15.Kapitel dar­stelle, seien für Sie das Wich­tigste an meinem Buch. Alle zwölf Regeln sind mir sehr wichtig, aber hier ist natürlich nicht der Platz, alle auf­zu­führen. Eine habe ich bereits genannt: Dele­giere kon­se­quent alles, was dir keine Freude macht. Eine andere lautet: Es ist nie zu spät, etwas Neues anzu­fangen. Ich bin im Juni 60 geworden. Manche Men­schen denken dann schon über die Rente nach. Für mich ist Halbzeit, also genug Zeit, mit Neuem zu beginnen. Mein Vater ist 88, er hat letztes Jahr eine 1200-Seiten-Bio­grafie über Keppler ver­öf­fent­licht. Ich habe erst mit 30 ange­fangen zu arbeiten, da ich vorher mein 2. Staats­examen und meine erste Pro­motion absol­viert hatte. Also habe ich, wenn ich meinen Vater mal als Ori­en­tie­rungs­punkt nehme, 30 Jahre hinter mir und min­destens 28 Jahre vor mir. “Wenn du nicht mehr brennst, starte neu!” soll eine Ermu­tigung sein für Men­schen, die nicht mehr voll und ganz begeistert sind von dem, was sie tun. Ich finde, das Leben ist zu schade, um die Zeit damit zu ver­schwenden, Dinge zu tun, für die man nicht brennt. Ich habe viele Dinge in meinem Leben getan – als His­to­riker, Chef­lektor, lei­tender Jour­nalist, Unter­nehmer, PR-Berater, Immo­bi­li­en­in­vestor, Makler. Immer, wenn ich fest­ge­stellt habe, dass ich nicht mehr richtig brenne für das, was ich tue, habe ich mich neuen Tätig­keits­feldern zuge­wandt. Ich finde Arnold Schwar­zen­egger fas­zi­nierend, der Body­builder, Immo­bi­li­en­in­vestor, Schau­spieler und Poli­tiker war. Heute ist er ein inter­na­tional enga­gierter Umwelt­ak­tivist, was jedoch nicht mein Ding wäre. Aber sein Konzept, in einem Leben mehrere Leben zu leben, das hat mich schon als Jugend­licher fasziniert.

Herr Zitelmann, wie wird man Mil­lionär? Haben Sie Tipps für Einsteiger?

Zitelmann: Am Anfang stand für mich über­haupt der Ent­schluss, reich zu werden – ohne genau zu wissen, wie es geht. Das war nach einem Gespräch mit dem Poli­tiker Peter Gau­weiler, ich schildere das in meiner Auto­bio­grafie. Und dann war es für mich logisch, dass ich mir Wissen ange­eignet habe von Men­schen, die es geschafft hatten oder die kluge Bücher dazu geschrieben haben. Ich habe damals alles gelesen, was ich zu dem Thema in die Hände bekommen habe. Nicht, weil ich nach ein­fachen Tipps zum Reich­werden gesucht habe, das wäre ja naiv. Sondern weil mich die Bücher, die ich gelesen habe, dazu gebracht haben, nach­zu­denken, meinen eigenen Weg zu finden. Was mir sonst manchmal im Leben große Pro­bleme bereitet hat, nämlich der Non­kon­for­mismus und die Art, gegen den Strom zu schwimmen, hat dazu geführt, dass ich viele Mil­lionen ver­dient habe. Ich habe Invest­ments getätigt, die andere für völlig abwegig hielten – zum Bei­spiel den Kauf eines Hauses in Berlin-Neu­kölln im Jahr 2004 ohne einen ein­zigen Euro Eigen­ka­pital für eine Million Euro. Damals galt man als ver­rückt, wenn man in Berlin Woh­nungen gekauft hat und als kom­plett ver­rückt, wenn man es in Neu­kölln gemacht hat. Das hat mich nicht gestört, sondern eher noch bestärkt. Denn die Immo­bilie konnte ich ja nur deshalb so günstig kaufen, weil die Mehrheit der Markt­teil­nehmer anderer Meinung war. Die Deutsche Bank lehnte die Finan­zierung als zu riskant ab. Das konnte ich bei einer Rendite von 15%, die mir eine anfäng­liche jähr­liche Tilgung von 6% erlaubte, über­haupt nicht ver­stehen. Übrigens hat die Deutsche Bank zu dieser Zeit viele als angeblich sicher gel­tende Fonds ver­kauft, mit denen die Anleger später eine Menge Geld ver­loren haben. Als dann vor einigen Jahren der Ber­liner Immo­bi­li­en­markt “in” war und Neu­kölln ganz besonders “in”, als prak­tisch jeder Investor in Berlin kaufen wollte, habe ich das Haus für 4,2 Mil­lionen wieder ver­kauft. Damals war bis auf 200.000 Euro das Dar­lehen getilgt und die vier Mil­lionen Gewinn waren steu­erfrei, da ich die Immo­bilie zehn Jahre gehalten hatte. Es kann sich also lohnen, gegen den Strom zu schwimmen.

 

Fragen: Stefan Groß

Auszüge und Rezen­sionen zur Auto­bio­grafie von Herrn Zitelmann finden Sie hier und hier

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