Jen­seits von Wahl und Tages­schau — Dialog des „Deutsch­seins”

Auszug und Vor­ab­druck eines Bei­trages von Wolfgang Aurose für „Evolve”, Oktober 2017

Es scheint jeden­falls () an der Zeit zu sein, dass sich die ver­schie­denen gesell­schaft­lichen Strö­mungen des Landes () zu einem Dialog zur Gegenwart und Zukunft Deutsch­lands treffen. ()

Heute leben wir erneut in einer Zeit der Zäsur, einer “Wen­dezeit”. Oder wie anders sollte man die Stimmung und die Situation bezeichnen, die durch die unvor­her­ge­sehene und über­stürzte Zuwan­derung von mehr als einer Million Men­schen aus über­wiegend ent­fernten Kul­turen im Land ent­standen ist?

Diese Immi­gration führte unter anderem zu einer Ent­wicklung, die von den meisten Deut­schen nicht (mehr) in ihrem Land erwartet und für möglich gehalten wurde. Gemeint ist die Wie­derkehr einer relativ eta­blierten rechts­extremen Partei und Strömung in der Gesellschaft.()

Worum es also gehen sollte, ist eine neue Stand­ort­be­stimmung des Deutsch­seins, ein mög­lichst breit akzep­tiertes Ver­ständnis dessen, was heute deutsche, und generell nationale Iden­tität aus­macht und bedeutet.
Die alten Ant­worten zum „Natio­nalen” greifen nicht mehr. Deutschland hat den völ­ki­schen, selbst­be­zo­genen Natio­na­li­täts­mythos bis zum grau­sigen und per­ver­tierten Exzess aus­gelebt. Da gibt es kein Zurück mehr. Aber die heute ver­breitete, eher linke und prag­ma­tische Vor­stellung von Ländern als belie­bigen Sozi­al­ver­bänden, deren rein öko­no­mische Aufgabe es vor allem ist, fair für alle zu sorgen, wirkt ande­rer­seits wie eine ratio­na­lis­tische Verengung.().

Beide Extreme lassen nur den einen Schluss zu, dass es ein neues Nar­rativ, eine neue Erzählung des Natio­nalen braucht…Eine in dem Sinn inte­grale Defi­nition würde Nationen als offene und evol­vie­rende, aber zugleich ein­zig­artige, see­lische Werte- und Schick­sals­ge­mein­schaften betrachten. Jen­seits von eth­ni­scher, ter­ri­to­rialer und tra­di­tionell mythi­scher Gebun­denheit, doch ebenso jen­seits von ratio­na­lis­tisch redu­zierter, alles Sakrale und Iden­titäre aus­klam­mernder Beliebigkeit.

Kann diese Beschreibung das essen­tielle Iden­ti­täts­emp­finden auch des weit rechts lie­genden Kon­ser­va­ti­vismus wür­digen? Und ist sie zugleich liberal, sozial und mul­ti­kul­turell genug für links­de­mo­kra­ti­schen Zeitgeist? ().

Sind das abge­hobene Selbst­ver­wirk­li­chungs-Utopien? Mit­nichten. Wenn wir nicht beginnen tiefer zu denken — was eigentlich als ur-deut­sches Cha­rak­te­ris­tikum gilt! — droht unser bun­des­deut­scher Alltag so wie in anderen Ländern zunehmend und struk­turell von Gewalt, Reibung und Abgrenzung mit­ge­prägt zu werden.

() Die deutsche Gegenwart ist die mehr oder minder ver­ar­beitete Erfahrung einer reichen, aber teil­weise auch sehr bit­teren Ver­gan­genheit. Sie steht zur Wei­ter­ent­wicklung allen, und natürlich auch den Neu-Bürgern offen. Sie sind ein­ge­laden, auch ihre Werte einzubringen.
Aller­dings nicht in der tra­di­tio­nellen Gestalt ihrer Her­kunfts­länder. Werte sind heute keine unver­än­der­liche Mythen mehr, sondern jeweils neu zu inter­pre­tie­rende Grundsatzorientierungen.
Manchmal ver­gessen wir die reiche Skala dieser Inter­pre­ta­ti­ons­vielfalt. Der Islam z.B. war im frühen Mit­tel­alter in wun­der­barer Weise in der Lage, wis­sen­schaft­liches Denken und Mystik zu integrieren.()

Aber nun sind (die Immi­granten) hier und sehr viele werden bleiben. Das ist Rea­lität und es gilt das Beste daraus zu machen. Das Grund­satz­ge­spräch soll und kann deshalb die Fort­schreibung einer gemein­samen deut­schen Iden­tität erkunden..

 

Anmerkung der Redaktion: Wir freuen uns Wolfgang J. Aurose als neuen Autor bei dieUnbestechlichen.com begrüßen zu dürfen!

 

 

Bild: Wiki­pedia