Sag mir, wo die Waffen sind …

… wo sind sie geblieben?

Das Bun­desamt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trolle will in einer Pilot­phase nach­prüfen, ob die Waffen, die Deutschland ins Ausland geliefert hat, auch immer noch bei denen sind, die sie bestellt haben. Eine erste Über­prüfung in Indien führte zu zufrie­denem Auf­atmen, beteuert Andreas Ober­steller, der Prä­sident dieses Bun­des­amtes. Es ging um 30 Prä­zi­si­ons­schüt­zen­ge­wehre für Indien, und, siehe da, da sind sie auch noch. Welche Erleich­terung, denn die Knarren hätte ja auch – Gott bewahre – in die Hände von Ter­ror­gruppen geraten können. Oder von dik­ta­to­rische Regimen, die ihre Bürger und die Mei­nungs­freiheit unter­drücken. Denn Deutschland möchte nur an mora­lisch ein­wand­freie Emp­fänger seine Waffen verkaufen.

Die Sorge, deutsche Waffen könnten in falsche Hände geraten, ist nicht über­stürzt, möchte man vor­sichtig anmerken.

Am 8. März 2016 berichtete der Spiegel, dass die kur­dische Peschmerga von den Deut­schen zwar groß­zügig mit Gewehren, Pis­tolen und Raketen für den Kampf gegen den IS aus­ge­stattet worden war, dass aber im Laufe der Kämpfe ein bedeu­tender Teil davon in die Hände der Ter­ro­risten gefallen war. Gut, wer Frei­heits­kämpfer ist und wer Ter­rorist, ist nicht immer und überall unstrittig. Prä­sident Recep Tayyip Erdogan würde die ver­schie­denen Seiten der Kämpfer hier anders bewerten.

Damals war der deut­schen Bun­des­re­gierung durch Dreh­ar­beiten der ARD vor Ort im Irak bekannt geworden, dass die an die Kurden gelie­ferten Waffen auf wilden Waf­fen­märkten im Nordirak auf­ge­taucht waren.
Bedenkt man, dass die BRD bis 2016 mehr als 12.000 G3 und 8000 G36 Sturm­ge­wehre an die Kurden geliefert hatte, dazu 8000 Walther-P1 Pis­tolen plus satt Munition und 60 Milan-Rake­ten­systeme nebst 1000 Lenk­flug­körpern, 500 Pan­zer­fäusten und 20.000 Hand­gra­naten, dann kann einem schon schwindlig werden, was damit alles so geschehen kann.

Schon 2015 hatte – laut Amnesty Inter­na­tional - der IS einen „bei­spiel­losen Zugang zu Waffen“. Ein Groß­teils des Waf­fen­ar­senals hatte die isla­mis­tische Ter­ror­gruppe bei der Erstürmung von Mossul 2014 vom ira­ki­schen Militär erbeutet. Weitere Waffen kamen aus der Ein­nahme von Armee- und Poli­zei­stütz­punkten in Fal­ludscha und Tikrit in die Hände des IS.

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Manchmal fallen die Waffen aber buch­stäblich vom Himmel in die Hände des IS. Im Oktober berichtete das Han­dels­blatt, eine von den Ame­ri­kanern mit dem Fall­schirm abge­worfene Waf­fen­ladung war ver­se­hentlich nicht über Kur­den­gebiet nie­der­ge­gangen, sondern im vom IS eroberten Terrain. Das Video zeigt die Ladung, noch mit den Riemen am Fall­schirm und einen IS-Kämpfer der die Beute präsentiert:

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Der IS ist aller­dings nicht wirklich auf solche Zufalls­funde ange­wiesen. Die Obama Admi­nis­tration rüstete ganz offen die Al Qaeda und ISIS mit US-Waffen aus, mit denen die Ter­ro­risten dann auf US-Ame­ri­ka­nische Sol­daten schossen.

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Die Bilder von schwer­be­waff­neten Kampf­ab­tei­lungen des IS in Kolonnen an nagel­neuen, ame­ri­ka­ni­schen Militär-Toyotas gingen um die Welt, und man fragte sich, wie die Ter­ro­risten offenbar kampflos daran kommen konnten samt Zünd­schlüssel, die Fahr­zeuge sehen fabrikneu aus und zeigen kei­nerlei Spuren eines Kampfes:

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Mög­li­cher­weise hat das eine oder andere vom IS erbeutete Stück wieder deut­schen Boden erreicht und leistet irgendwann dem IS gute Dienste.

Weit her­geholt? Mitnichten!

Die Waffe, mit der der Ber­liner Weih­nachts­markt-Atten­täter Anis Amri den pol­ni­schen Last­wa­gen­fahrer Lukas Urban erschoss, hatte eine Reise quer durch Europa hinter sich. Die Pistole Erma EP 552 gelangte aus der Erfurter Maschinen- und Werk­zeug­fabrik Berthold Geipel GmbH (kurz ERMA) in Thü­ringen über Bayern und Kon­stanz in die Schweiz. Ein Schweizer Biker und Waf­fen­schmuggler kaufte sie 1992 in Deutschland und brachte sie über die Grenze. Der Mann ver­kaufte das „Frau­en­pis­töleli“ einem UCK-Kämpfer im Kosovo. Der Kosovare behauptet, die Pistole einem Ver­wandten gegeben zu haben. Der weitere Weg aus dem Kosovo sei unklar, sagen die Ermittler.

Mag sein, aber sehr wahr­scheinlich ist die Waffe über im Kosovo in eines der IS-Aus­bil­dungs­lager dort gelangt. Der IS fand in den ver­armten, arbeits­losen und frus­trierten jugend­lichen Koso­varen fan­tas­ti­sches, neues Rekru­tie­rungs­ma­terial, und jemand hat mög­li­cher­weise das „Pis­töleli“ dort als Aus­bil­dungs­waffe an den IS ver­kauft oder der UCK-Kämpfer als neuer Rekrut es schon mitgebracht.

Sogar vom Westen an die Ukraine gelie­ferten Waffen für den Krieg im Donbass tauchten bereits 2015 beim IS im Irak und Syrien wieder auf, um dort gegen die US-Armee ein­ge­setzt zu werden. Insidern zufolge hat die noto­risch insol­vente Ukraine die mili­tä­ri­schen Unter­stüt­zungs­güter einfach wei­ter­ver­kauft, wobei das meiste Geld sehr wahr­scheinlich in den Taschen der Poli­tiker gelandet ist. Das kleinere Gerät wie Feu­er­waffen und Munition wurde und wird von Offi­zieren auf Märkten im Osten der Ukraine verscherbelt.

Diese Berichte ließen sich noch lange fort­setzen. Das Fazit ist traurig. Sind Waffen erst einmal her­ge­stellt, sind sie nicht mehr unter Kon­trolle zu halten, wie sich seit Men­schen­ge­denken nach­voll­ziehen lässt. Wenn Deutschland Waffen ver­kauft, kann die Regierung noch so strenge Ver­träge dik­tieren. Post-Shipment-Kon­trollen hin oder her, nach ein- zweimal Kon­trol­lieren werden die Waffen, wenn es denn beab­sichtigt ist, ihren Weg in andere Hände finden. Und gegen Eroberung und Beu­te­machen helfen keine Ver­träge mit dem Hersteller.

Außerdem hat auch die deutsche Regierung kein Interesse daran, die deutsche Rüs­tungs­in­dustrie mit irr­wit­zigen Auf­lagen aus dem Rennen zu werfen. Wird der Kunde zu sehr geknebelt, kauft er seine Waf­fen­ar­senale eben woanders und ver­fährt damit nach Gut­dünken. Auch das hoch­mo­ra­lische Schweden hat in dieser Branche keine Skrupel.

Man darf also ver­muten, dass die mit großem Aplomb zele­brierte Über­prüfung ein Fei­gen­blatt ist, weil man weiß, dass Kriegs- und Mord­gerät im Besitz von gefähr­lichen Leuten ist, die es benutzen werden. Anscheinend weiß oder fürchtet man, dass der IS in Europa mit Waffen aus euro­päi­scher Her­stellung aus­ge­stattet ist. Will man hier ein wenig das Image auf­po­lieren und die Bürger beru­higen, dass die Waffen unter Kon­trolle sind?
Das ist längst zu spät.

 

(Bei­tragsbild: IS-Kämpfer Parade in einer eroberten Stadt. Quelle: Screenshot Youtube)