In dem Moment, als im Jahr 1990 der zweite Oktober um 23:59:59 Uhr in 00:00 Uhr des dritten Oktobers wechselte, war nach mehr als vierzig schmerzhaften Jahren die Einheit der beiden deutschen Teilstaaten vollzogen. Die Mauer war gefallen, die Schlachterei an der Zonengrenze hörte auf. Die Menschen lagen sich in den Armen. Alle auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude sangen aus voller Brust die Deutsche Nationalhymne, ein Fahnenmeer über den Köpfen in Schwarz-Rot-Gold, die Kirchenglocken läuteten im ganzen Land, wir alle weinten vor Glück. Es war, das schäme ich mich nicht zu sagen, für uns alle ein heiliger Moment. Für alle. Es waren nicht nur Deutschstämmige dabei. Auch türkische Freunde und Gäste von überall her hatten sich mit darunter gemischt, die Arme und die Herzen waren offen. Es war ein großer, erhabener Moment der Deutschen Geschichte und der Weltgeschichte.
Endlich war diese eiternde Narbe des zweiten Weltkrieges, diese widernatürliche Mauer quer durch Familien des deutschen Volkes weg, die Grenzzäune wurden abmontiert, wir waren wieder beisammen. Wir lernten Freunde aus den alten, neuen Bundesländern kennen, verbrachten die Ferien und verlängerten Wochenenden entweder in Mecklenburg oder bei uns damals im bayerischen Unterfranken. Wir haben viel voneinander erfahren. Im Supermarkt unseres Städtchens tauchten freundlich sächselnde Verkäuferinnen auf und unser Zahnarzt hatte eine attraktive Leipziger Kollegin in seiner Praxis eingestellt. Der örtliche Theaterverein freute sich über den Zulauf, und ein schwer sächselnder Wilhelm Tell sorgte für Heiterkeit bei der Premiere.
Wir fanden auch Freunde in Jena, und gemeinsam fuhren wir nach Weimar für ein Wochenende. Mein großer Wunsch war, das Weimarer Hoftheater und das Denkmal Schillers und von Goethes davor zu sehen. Wir beiden Familien standen gemeinsam vor den Statuen dieser beiden Titanen deutscher Kultur. Ich hätte noch ein Jahr vorher nie gedacht, dass ich diesen Moment erleben würde. Nie werde ich vergessen, wie wir alle — ohne Worte — wussten, dass wir dasselbe fühlten, uns an den Händen nahmen und eine ganze Weile dort andächtig und still zusammen standen. Selbst die Kinder hielten ausnahmsweise mal still und spürten, dass dies ein besonderer Moment war.
In so einem Moment braucht man keinen Duden und kein staatsphilosophisches Traktat um zu spüren, was „Nation“ bedeutet. Was es für jeden Menschen auf der Welt in seiner Nation bedeutet. Es ist Freude. Zusammengehörigkeit. Geborgenheit. Friede. Heimat. Vertrauen. Wissen. Geschichte. Zukunft. Sicherheit. Gemeinsamkeit. Wurzeln. Kraft. Zuversicht. Aufgehoben sein im Strom der Zeit.
Das Wort „Nation“ kommt aus dem lateinischen „natus“- geboren. Das besagt, dass seit Menschengedenken die Zugehörigkeit eines Menschen zu seiner Familie – Sippe – Stamm – Volk — Nation durch Geburt in diese Gruppe definiert ist. Auch heute noch wird die Staatsbürgerschaft bei den allermeisten Völkern und Staaten dieser Welt durch das „ius sanguinis“ (Recht des Blutes), nämlich die Abstammung von den Eltern, begründet. Das gilt selbst bei klassischen Einwanderungsländern wie den USA, Kanada und Australien. Der Staat “Vatikan” ist eines der wenigen Beispiele, wo es nicht so ist.
Deutschland ist seit Karl dem Großen als heiliges römisches Reich Deutscher Nation ein sehr schönes Beispiel dafür, dass die „Nation“ als durch gemeinsame und verwandte Abstammung, Sprache, Kultur, Gebräuche, Rechtssystem, Glaube, Sitte usw. auch dann erkennbar ein zusammenhängendes und verflochtenes Gebilde ist, wenn sie nicht in einer zentralen, staatlichen Einheit regiert und verwaltet wird.
Dass beispielsweise Frau Özoguz keine Vorstellung von der deutschen Nation und ihrer Kultur hat, ist höchst bedauerlich und wirft Fragen zu ihrer Eignung als (bald ehemalige?) Integrationsministerin auf. Doch auch, wenn jemand nicht rechnen kann, ist dies kein Beleg dafür, dass es die Mathematik nicht gibt.
Es gibt auch Völker, die in einem Staat leben, obwohl sie eine eigene Nation sind, die wenig bis garnichts mit dem Staat zu tun haben. Das sind die Aborigines in Australien, die indigenen Völker in Nordamerika, die Kurden in der Türkei, die Südtiroler in Italien. Das waren die Inuits, als sie noch zu Dänemark gehörten, die afrikanischen Völker, als sie Kolonien waren und die südamerikanischen Indios, als sie Kolonien Spanien oder Portugals waren. Die Basken empfinden sich nur beschränkt als Franzosen und zur Zeit erleben wir die Brutalität Spaniens, das in den Katalanen mit Gummigeschossen und prügelnden Polizisten erst recht den Willen zur Unabhängigkeit weckt.
„Nation“ ist keine Frage der theoretischen Definition. Da mögen Nachschlagewerke wie Wikipedia noch so raffiniert an den Formulierungen schrauben und herummäkeln, das Wort „Nation“ bezeichne „größere Gruppen oder Kollektive von Menschen, denen gemeinsame Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, Bräuche oder Abstammung zugeschrieben werden. Diese Begriffsdefinition ist jedoch empirisch inadäquat, da keine Nation diese Definition vollumfänglich erfüllt.“
Das ist, wie mit dem Begriff „Familie“. Wo begrenzt man diese „Gruppe“? Ist es nur Vater, Mutter, Kinder? Gehören Großeltern, Onke und Tanten nicht auch dazu? Und deren Kinder? Gibt es, nur weil nicht auf alle Familienmitglieder alle Merkmale zutreffen, gar keine Familie?
Und wie kommt es dann, das ausgerechnet die Ideologen, die beim Begriff „Deutsche Nation“ schon Schaum vor den Mund haben, dann aber andererseits den Familienbegriff aufgreifen und auf das Zusammenleben verschiedenster Menschen, möglichst noch queer, lesbisch und transsexuell ausdehnen? Dabei wird auf dem Wort Familie herumgeritten und der — für die seit Menschheitsgdenken „klassische“ Familie — garantierte Schutz als Keimzelle des Lebens und der Zukunft eingefordert. Ab wann gilt als „Familie“ schon das Konglomerat an Personen, das den gleichen Hausschlüssel für eine wie auch immer geartete Unterkunft benutzt?
Diese Begriffs-Umdefinitionen sind nicht zufällig. Sie folgen einem Plan. Zerstört man die Familie samt der erweiterten Fassung, der Verwandtschaft/Sippe, deutet man den Begriff „Nation“ um als inadäquat und faschistisch, öffnet man der unkontrollierten, kulturfremden Zuwanderung Tür und Tor, ist die gewollte und vergötterte Zerstörung der Nation innerhalb von zwei Generationen zu erreichen. Was Jahrtausende nicht vermochten, der moderne, globalistische, völkermordende Ungeist der Kulturzerstörung hat sich genau dies zum Ziel gesetzt und ist schon weit gekommen.
Es sei angemerkt, dass auch die Deutsche Nation sich aus vielschichtigen Prozessen gebildet hat. Es gab Völkerwanderungen und Kriege, die Nationen in Europa haben fremde Einflüsse aufgenommen und integriert. Bis zu einer gewissen Quantität und bei kraftvollen, selbstbewussten Völkern ist das zwar oft schmerzhaft, aber auch bereichernd. Die Zuwanderung der Hugenotten sei beispielsweise erwähnt. Europa hat wundervolle, vielseitige Kulturen entwickelt. Und ja, die Deutsche Kultur sowie die Kulturen Europas sind kein Museum. Sie sollen und müssen sich entwickeln, wandeln in der Zeit. Panta rei — alles fließt. Es wäre falsch, sich rückwärtsgewandt gegen jede Änderung zu stellen, die Zeit und das Leben würde uns überrollen.
Ducunt fata volentem, nolentem trahunt: Die Geschicke führen den Willigen, den Unwilligen schleifen sie (hinter sich her). Die EU-Granden versuchen immer noch krampfhaft, ihren Plan einer Vielvölker-EU unter zentralistisch-globalistischer Führung durchzupeitschen. Den „Leviathan“, wie Macron das gigantomanische Gebilde bezeichnete. Dabei sind die Zeichen des Zerfalls der EU nicht mehr zu übersehen. Imperien und Ideologien, die schon dem Untergang geweiht sind, versuchen meistens, im letzten Moment, krampfhaft und unter Gewaltanwendung ihre verrottete Hybris durchzudrücken. Sie schaffen nur Leid und stählen den Willen der Unterdrückten.
Der Brexit, der verbissene Widerstand der Visegradstaaten, Italiens Überlegungen, eine eigene Währung wieder einzuführen, Griechenlands unabwendbare Pleite, Kataloniens Referendum und der Einzug der AfD in den Bundestag sind die Menetekel für die Linken und Globalisten. Ihre Utopien haben sich überlebt, sind lebensfremd und menschenfeindlich und gehen unter. Die Völker Europas öffnen die Augen und erheben sich — früher oder später.
Es wird ein neues Europa geben. Wahrscheinlich auch mit deutlichen Einflüssen aus neuen Quellen. Aber es wird nicht das Europa sein, was linke Globalisten und Völkerzerstörer sich vorstellen. Euch schleifen die Geschicke nur noch ein bisschen mit.