Amts­ge­richt bestätigt: Fristlose Woh­nungs­kün­digung wegen AfD-Mit­glied­schaft rechtens

Der Anwalt Markus Roscher-Meinel führt seit 20 Jahren eine Anwalts­kanzlei in Berlin und ist in der AfD enga­giert. Unter dem Twit­ter­namen „lawy­er­berlin“ twittert er auf der Seite der Thü­ringer AfD. Seine gestrige Twit­ter­nach­richt vom 2. November 2017 hat hohe Wellen geschlagen.

In der typisch lako­ni­schen Twit­ter­sprache, in der nur eine relativ geringe Anzahl Zeichen möglich sind, steht da zu lesen:

Die Meldung stößt auf Unglauben, man fragt zurück, ob das ein Witz oder Satire sei. Anwalt Roscher gibt die Begründung des Gerichtes wieder: „Das Gericht argu­men­tiert, dass der Mieter wusste, eine besondere Ziel­scheibe linker Angriffe zu sein.”

Das erstaunt. Ent­spre­chend die ver­dutzte Frage einer Twit­terin: „Frage an den Anwalt: muss ich jetzt auch angeben, dass ich als selbst­ständige Frau alleine jogge? Erhöhtes Risiko → ggf Verdienstausfall“

Der Einwand ist nicht falsch. Aber das Unrecht setzt schon eine Stufe vorher an: Hier ist jemandem der Wohnraum gekündigt worden, weil er etwas „ver­schwiegen“ hat, das er nach gel­tender Recht­spre­chung gar nicht angeben musste. Nach gel­tendem Recht darf der Ver­mieter nicht einmal danach fragen.

Quelle: http://www.mietrecht-hilfe.de/mietvertrag/selbstauskunft-des-mieters.html

 

Zum Zweiten ist es mit dem Grund­ge­danken eines Rechts­staates und dem Ver­ur­sa­cher­prinzip nicht ver­einbar, einem unbe­schol­tenen Bürger anzu­lasten, ein Dritter könne ihm aus belie­bigen Gründen rechts­widrig Schaden zufügen.

Dies würde bedeuten, dass bei­spiels­weise ein bekannt wohl­ha­bender Bürger aus seiner Wohnung gekündigt werden kann, weil sein Wohl­stand Ein­brecher anziehen könnte. Der Besitzer eines teuren Autos keine Garage anmieten kann, weil diese zum Zweck des Auto­dieb­stahls auf­ge­brochen werden könnte, ein Polizist keine Wohnung mieten kann, weil sich Ver­brecher, die er ver­haftet hat, an ihm rächen könnten, ein Muslim keine Wohnung mieten darf, weil er Ziel­scheibe für Rechts­ra­dikale sein könnte, ein beken­nende, frommer Christ keine Wohnung mieten kann, weil er Ziel­scheibe von Isla­misten sein könnte, ein Jude keine Wohnung mieten kann, weil er Ziel­scheibe von Nazis und Mus­limen werden könnte, ein Richter keine Wohnung mieten kann, weil ver­ur­teilte Straf­täter Rache üben könnten, ein in Scheidung Lebender auch nicht, weil der wütende Ex-Partner einen Anschlag verüben könnte, ebenso ein Gerichts­voll­zieher, weil ver­zwei­felte Schuldner durch Angriffe auf ihn eine Pfändung ver­hindern wollen könnten, einem Kom­mu­nisten dürfte man auch keine Wohnung ver­mieten, weil der eben­falls ins Visier Rechts­ra­di­kaler geraten könnten, ein Metzger könnte jederzeit von mili­tanten Tier­schützern ange­griffen werden, Anhänger eines Fuß­ball­clubs von Hoo­ligans des ver­fein­deten Clubs …

Diese lang­atmige Suada ist nötig, um auf­zu­zeigen, dass es nicht nur zu einer aus­ufernder Belie­bigkeit kün­di­gungs­re­le­vanter Selbst­aus­künfte, weit in das Pri­va­teste hinein, führen würde und damit zu flä­chen­de­ckender Rechts­un­si­cherheit und der kom­pletten Abschaffung der Pri­vat­sphäre und des Daten­schutzes – sondern auch zu einer belie­bigen Inhaf­tungs­nahme eines Unschul­digen für even­tuelle Schäden, die ein unbe­kannter Dritter in rechts­wid­riger, aber nicht vor­her­seh­barer Weise irgendwann irgendwie ver­ur­sachen könnte.

Wei­terhin steht hier die drin­gende Frage im Raum, ob dieses Urteil nicht auch grund­ge­setz­widrig ist:

Artikel 4
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des reli­giösen und welt­an­schau­lichen Bekennt­nisses sind unverletzlich.

Einem Men­schen auf­grund seiner Welt­an­schauung seinen Wohnraum zu kün­digen, obwohl der Betref­fende selbst sich keine Rechts­wid­rigkeit zuschulden hat kommen lassen, könnte grund­ge­setz­widrig sein.

Die öffent­liche Sicherheit und die Rechts­si­cherheit in Deutschland ist bereits jetzt in einem überaus bekla­gens­werten Zustand. Wir werden täglich Zeugen, wie Rechts­grund­sätze und Gesetze mit Füßen getreten werden, Ungleich­be­handlung, Unrecht, Bevor­zugung und Ver­tu­schung in Exe­kutive und Judi­kative um sich greifen. Dieses Urteil ist Wind in den Segeln der Maro­deure und Schläger aus allen gewalt­a­ffinen Szenen und läd zum Terror jedes Miß­li­e­bigen geradezu ein.

Dieses Urteil ist ein Skan­dalon. Der Fakt, dass der Ver­mieter die Par­tei­zu­ge­hö­rigkeit dem Mieter als Aus­kunfts­pflicht abver­langt, ist an sich rechts­widrig. Der Mieter hatte hierzu kei­nerlei Aus­kunfts­pflicht. Dem Mieter auf­grund dieser Par­tei­zu­ge­hö­rigkeit die Wohnung zu kün­digen, ist die nächste Stufe der Rechts­wid­rigkeit und der Ver­mieter wäre dem Mieter schon dadurch scha­dens­er­satz­pflichtig. Dass ein Amts­ge­richt diesen mehr­stu­figen Rechts­bruch auch noch per Urteil als rechtens absegnet, ist schlicht eine Ungeheuerlichkeit.

Es bleibt nur zu hoffen, dass das Revi­si­ons­ge­richt dieses Unrecht schleu­nigst kas­siert. Ansonsten werden Kün­di­gungs­wellen wegen jeder her­bei­phan­ta­sierten Gefährdung des Wohn­raumes aus den nied­rigsten Motiven schnell zum Mittel für Ver­mieter zu Räu­mungs­klagen werden. Dabei sollten sich Links­extreme und Antifas nicht zu früh über das Urteil in Fäustchen lachen. Man darf davon aus­gehen, dass die über­wie­gende Mehrheit der Haus­be­sitzer und Ver­mieter eher nicht Anhänger links­extremer Ideo­logien sind. Viel­leicht freut sich schon mancher Ver­mieter darauf, unge­liebte Links­ra­dikale, Antifas, Muslime, poli­tisch Anders­den­kende und Aus­länder aller Her­kunft mit dieser Argu­men­tation fristlos aus der Wohnung zu werfen, weil deren jeweilige Gegen­spieler oder ideo­lo­gische Gegner die­selbe beschä­digen könnten.