Die neue “Gleichheit” gehört abgeschafft

Mit kaum einem anderen Wort wird in der Politik soviel Schind­luder getrieben wie mit der Gleichheit. Der Begriff sollte daher ersatzlos aus der poli­ti­schen Debatte gestrichen werden. Die Gleichheit ist ein soge­nanntes Wea­selword: So ein Wort klingt im poli­ti­schen Kontext stets gut und ist überall ein­setzbar, aber letztlich ist der Begriff nicht exakt defi­niert und daher nicht kon­sistent. Diese Unschärfe erzeugt regel­mäßig falsche Vor­stel­lungen und Täuschungs‑, ja sogar Miss­brauchs­po­ten­ziale. Denn was genau soll sie eigentlich sein, diese viel­zi­tierte Gleichheit der Men­schen, die vor allem die links­ori­en­tierten Poli­tiker wie einen Hei­ligen Gral vor sich hertragen?

Gleichheit gibt es nir­gends im Leben

In der Natur gibt es keine Gleichheit. Nicht einmal ein­eiige Zwil­linge sind gleich. Und in den vielen Kul­turen dieser Welt herrscht eben­falls alles andere als Gleichheit. Eine annä­hernd per­fekte Gleichheit gibt es nur in der Industrie, wenn Pro­dukte per Com­pu­ter­pro­gramm iden­tisch gefertigt werden.  Trotzdem oder gerade des­wegen hat der Begriff seit der Ame­ri­ka­ni­schen bzw. Fran­zö­si­schen Revo­lution eine unge­heure poli­tische Attrak­ti­vität erlangt. Gleichheit ist eine Polit-Romanze, von der man ständig träumt, die einen aber immer wieder enttäuscht.

Was meinen wir über­haupt mit Gleichheit?

Das Problem mit der Gleichheit ist, dass der wolkige Begriff für alle mög­lichen poli­ti­schen Prä­missen her­halten muss. Von der in den demo­kra­ti­schen Ver­fas­sungen ver­an­kerten Gleichheit vor dem Gesetz bis hin zur men­schen­rechtlich garan­tierten Gleichheit der Her­kunft und der Abstammung deckt das Wort eine Fülle von Bedeu­tungen ab, die sich manchmal sogar wider­sprechen können.

Die Serio­sität intel­lek­tu­eller und poli­ti­scher Debatten kann aber nur auf­recht erhalten werden, wenn die Begriffe klar defi­niert sind. Das gilt für die Gleichheit am aller­meisten. Man muss sie daher in ihre Ein­zel­be­deu­tungen zer­legen, ansonsten wird jeder poli­tische Impetus an und mit ihr zerschellen.

Die Formen der Gleichheit

Gleichheit im poli­ti­schen Sinne kann nur Gleich­wer­tigkeit der Men­schen und Gleich­be­rech­tigung der Staats­bürger bedeuten. Para­do­xer­weise impli­ziert diese not­wendige Form der staats­bür­ger­lichen Gleichheit bereits eine Ungleichheit: Wer als Fremder ins Land kommt, kann nicht gleich­be­rechtigt, muss aber als Mensch gleich­wertig sein und ist es auch. Damit ist ein Span­nungsfeld eröffnet, um das sich die links­ideo­lo­gisch den­kenden Leute immer gerne herum schummeln: Würde man den Fremden als ein dem Staats­bürger gleichberech­tigtes Indi­viduum betrachten, wäre der Staats­be­griff in der Sekunde null und nichtig. (Krypto-)Trotzkisten streben dies an, indem sie als Fernziel den Welt­staat im Auge haben.  “No border, no nation” ist der fol­ge­richtige Schlachtruf dieser linken Staats- und Nations-Zer­störer. Dass solche Ideen im besten Fall sozi­al­ro­man­tische Nai­vi­täten, im schlech­testen Fall aber anar­chis­tische Motive mit Orwell‘schen Hin­ter­ge­danken sind, braucht man nicht näher zu erörtern.

Die Gleich­stellung  als weitere Teil­be­deutung der Gleichheit ist eben­falls inhaltlich pro­ble­ma­tisch. Jemanden mit einem anderen gleich­zu­stellen erfordert ein aktives Ein­greifen von einem Dritten. Im Regelfall ist dieser Dritte der Gesetz­geber. Die gesetz­liche Gleich­stellung von Mann und Frau ist das Para­de­bei­spiel dieses Pro­blem­falls innerhalb der Gleich­heits­phi­lo­sophie. Die Gleich­stellung scheitert per­manent und immer wieder an der unter­schied­lichen Bio­logie von Mann und Frau.

Sozi­al­in­ge­nieure und Feminist(inn)en arbeiten des­wegen ohne Unterlass an der Ein­ebnung des Geschlech­ter­un­ter­schieds. Trick­reiche Vor­den­ke­rinnen der abso­luten Gleich­stellung von Mann und Frau ver­breiten des­wegen die Ansicht, dass das Geschlecht nur ein soziales Kon­strukt sei. Über diesen Kniff kommt man dem Ziel näher, denn sozi­al­po­li­tisch kann man nun dort inter­ve­nieren, wo vorher die Bio­logie unüber­wind­liche Schranken aufstellte.

Frau­en­quoten und Väter­k­arenz, Aus­la­gerung der Schwan­ger­schaft an Leih­mütter, flä­chen­de­ckende Kin­der­be­treu­ungs­ein­rich­tungen und völlige Freigabe der Abtreibung sollen den Frauen vorerst die “Last der Mut­ter­schaft” und damit ihren erdrü­ckenden Nachteil in der Arbeitswelt nehmen, bis endlich die medi­zin­tech­nische Mög­lichkeit der ext­rau­te­rinen Men­schen­zucht im Labor die Seri­en­reife erlangt.

Bis dahin werkt man mittels ständig neuer Gesetze an der künstlich her­bei­ge­führten Gleich­stellung von Men­schen, die von Natur aus ungleich sind. Wie absurd diese oft mit Furor betriebene Gleich­stel­lungs­po­litik eigentlich ist, merkt man an den gesetzlich fest­ge­schrie­benen Bevor­zu­gungen von Frauen, wenn es zum Bei­spiel um Stel­len­aus­schrei­bungen geht: Bei gleicher Qua­li­fi­kation soll stets der weib­lichen Bewer­berin der Vorzug gegeben werden. Man will also ein ver­meint­liches, nur sub­jektiv emp­fun­denes Unrecht durch ein legis­tisch erzeugtes ersetzen und dis­kri­mi­niert im Namen der Gleichheit ganz offi­ziell die Männer. Dass sich die Männer nicht aus­rei­chend gegen diesen Zynismus wehren (können), ist eine eigene Betrachtung wert.

Hin­gegen kann der demo­kra­tische Staat bei einer anderen Spielart der Gleichheit durchaus noch nach­bessern: Die Chan­cen­gleichheit der Bürger ist trotz des jahr­zehn­telang herr­schenden Sozia­lismus noch lange nicht Rea­lität. Und das ist der eigent­licher Offen­ba­rungseid der Linken: Sie haben in andere Bereiche inves­tiert und damit Leute, die Optionen bräuchten, im Stich gelassen. Hätte man nämlich die Finanz­mittel und die Energie, die man etwa für das Gendern auf­wendet, in die Ver­bes­serung der Chan­cen­gleichheit für Kinder und Jugend­liche gesteckt, wäre womöglich die Analpha­be­tenrate nicht so hoch und die Bil­dungs­misere nicht so krass.

Aber wollen Sozia­listen über­haupt gebildete Bürger? Oder ist ihnen eine dumpfe Masse von Men­schen, denen man immer nur platt die Gleichheit und die soziale Gerech­tigkeit ver­spricht, nicht im Grunde viel lieber als den­kende Indi­viduen, die einen kri­ti­schen Geist ent­wi­ckeln? Ver­mutlich ist das so. Und damit kommen wir wieder zu Orwell und seiner Animal Farm: Wir sind alle gleich, doch manche sind gleicher. Und die sind immer die Schweine.

Dr. Marcus Franz / www.thedailyfranz.at