Fake News — Oder: gefärbte Zerr­bilder der Wirklichkeit

Die Armut nimmt weltweit zu, in den USA sterben immer mehr Men­schen durch Schuss­waffen, die globale Ungleichheit steigt – alles Fake News.
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Bald ist Weih­nachtszeit und ich erwarte wieder Nach­richten, inzwi­schen falle leider die „weiße Weih­nachten“ aus – natürlich wegen des Kli­ma­wandels. Gibt es zur Weih­nachtszeit aber wirklich weniger Schnee als bei­spiels­weise in den fünf­ziger Jahren? Im Gegenteil. In Berlin, wo ich lebe, gab es in den 50er-Jahren, als ich geboren wurde, nur in einem ein­zigen Jahr (1956) an einem von drei Weih­nachts­tagen Schnee. Dagegen ist es gar nicht so lange her, dass wir in Berlin drei Mal wun­derbare weiße Weih­nachten hatten – also Schnee sowohl am Hei­lig­abend wie auch am Ersten und Zweiten Weih­nachts­fei­ertag: Das waren die Jahre 2009, 2010 und 2012. „Der deutsche Wet­ter­dienst konnte bisher noch keine sta­tis­ti­schen Abwei­chungen beim Weih­nachts­wetter fest­stellen“, heißt es in dem lesens­werten Buch von Guido Mingels „Früher war alles schlechter“ (DVA, 123 Seiten, 2017).

„Wald­sterben“ – längst vergessen

In den 80er-Jahren gab es eine breite linke Öko-Bewegung in Deutschland gegen das „Wald­sterben“. Die durch den Kapi­ta­lismus bedingte Umwelt­ver­schmutzung, ins­be­sondere der „saure“ Regen, werde bald dazu führen, dass der deutsche Wald kom­plett ver­nichtet oder zumindest dra­ma­tisch redu­ziert werde, so konnte man in allen Medien lesen. Demons­tranten ket­teten sich an Bäumen fest, Schla­ger­sänger besangen den ster­benden Wald, ver­zwei­felte junge Umwelt­schützer umarmten Bäume. Und was ist geschehen? „Deutschland hat seit 1970 eine Million Hektar Wald dazu gewonnen, so schätzen die Experten der Bun­des­wald­in­ventur. Das sind 10.000 Qua­drat­ki­lo­meter – und dies unab­hängig vom Zuwachs durch die Wie­der­ver­ei­nigung.“ Übrigens: Das ist so groß wie die Fläche von ganz Jamaika oder viermal größer als das Saarland. Trotzdem kämpfen Grüne nach wie vor ver­bissen um jeden Baum der etwa für ein Woh­nungs­bau­projekt gefällt werden muss.

„Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer“

Das haben Sie bestimmt auch schon oft gehört. Stimmt aber nicht. Global gesehen hat die Ungleichheit sogar abge­nommen: „Ja, die Reichen werden reicher; die Armen aber auch“, kon­sta­tiert nüchtern Guido Mingels. Ich behaupte: Beides hängt zusammen. In China stieg nach der Abwendung von der sozia­lis­ti­schen Wirt­schafts­weise die Zahl der Reichen besonders stark – und gleich­zeitig stiegen Hun­derte Mil­lionen von der Armut in die Mit­tel­schicht auf.
1820 lebten 90 Prozent der Welt­be­völ­kerung in abso­luter Armut, 1970 waren es noch 60 Prozent und heute sind es rund 14 Prozent. Es ist kein Zufall, dass dies ein­herging mit dem welt­weiten Sie­geszug des Kapi­ta­lismus, der sich vor etwa 200 Jahren zu ent­wi­ckeln begann. Die Geschichte des Kapi­ta­lismus ist eine Geschichte der Zurück­drängung von Armut – obwohl ständig genau das Gegenteil behauptet wird.

Die meisten Hun­ger­toten ver­ant­wor­teten Mao und Stalin

Während der Kapi­ta­lismus viel zur Besei­tigung der Armut bei­getragen hat, gehen die meisten Hun­ger­toten im 20. Jahr­hundert auf sozia­lis­tische Expe­ri­mente zurück. „Seit 1920 starben mehr als 70 Mil­lionen Men­schen durch Hun­gersnöte“, heißt es in oben zitiertem Buch, „wobei fast die Hälfte auf China und Maos ‚Großen Sprung’ in den Abgrund ent­fällt, ein wei­teres Viertel auf Stalins mör­de­rische Politik der Zwangs­kol­lek­ti­vierung, vor allem in der heu­tigen Ukraine und Kasachstan.“ Das Ende des Kom­mu­nismus und der welt­weite Sie­geszug des Kapi­ta­lismus haben dazu geführt, dass in den 2000er-Jahren nur noch drei von 100.000 Men­schen durch Hun­gersnöte starben. Zwi­schen 1920 und 1970 starben dagegen global im Schnitt 529 von 100.000 Men­schen pro Dekade in Hun­gers­nöten. Mehr als drei Viertel davon gingen auf das Konto der Kommunisten.

Schieß­wütige Amerikaner

Die schreck­lichen Amok­läufe, von denen wir immer wieder aus den USA hören, führen bei uns zu dem Bild, dass es immer mehr Tote durch Schuss­waffen in den USA gebe. Das Gegenteil ist richtig. Tat­sache ist: In den 60er-Jahren starben von 100.000 US-Ame­ri­kanern sieben durch Schuss­waf­fen­ge­brauch. Im Jahr 2015 hatte sich diese Zahl auf 3,6 Men­schen hal­biert. Übrigens: Amok­läufe sind dabei für weniger als ein halbes Prozent der jähr­lichen Opfer ver­ant­wortlich. Das sind die rela­tiven Zahlen aus den USA, die gleichwohl schlimm genug sind. Im Ver­gleich zu Deutschland stimmt es, dass die Wahr­schein­lichkeit durch Schuss­waffen umzu­kommen, für einen US-Ame­ri­kaner 50 Mal so hoch ist wie für einen Deutschen.

Warum berichten Medien einseitig?

Das Buch von SPIEGEL-Autor Mingels enthält Fakten aus vielen anderen Bereichen – so etwa über den starken Rückgang der Kin­der­arbeit oder über den mas­siven Rückgang der Kin­der­sterb­lichkeit weltweit. Warum nehmen wir so vieles davon falsch wahr? Meine Erklärung: Der erste Grund sind wohl die Gesetz­mä­ßig­keiten der Medi­enwelt. Natur­gemäß berichten Medien eher über ein abge­stürztes Flugzeug als über all jene, die heil landen. Dabei geht dann bei­spiels­weise ver­gessen, dass 1970 noch 20 von fünf Mil­lionen Flug­zeugen abstürzten und 2015 nur noch eines von fünf Mil­lionen: Fliegen ist so sicher wie noch nie (und natürlich sicherer als jedes andere Ver­kehrs­mittel). Der zweite Grund für die ein­seitige Medi­en­be­richt­erstattung ist, dass die Mehrzahl der Jour­na­listen linksgrün ein­ge­stellt ist. Gute Nach­richten passen eben nicht ins Weltbild von dem bevor­ste­henden glo­balen Kli­magau und den sozialen Ver­wüs­tungen des Raub­tier­ka­pi­ta­lismus und der Globalisierung.
 
Dr. Rainer Zitelmann / TheEuropean.de