Tatjana Fes­terling auf Facebook und Twitter gelöscht — Die moderne Art, Dis­si­denten zum Schweigen zu bringen

Tatjana Fes­terling ist keine bequeme Frau. Und sie lässt sich nicht den Mund ver­bieten. Doch gibt es heute im digi­talen Infor­ma­tions-Zeit­alter recht effektive Methoden, Leute mit unbot­mä­ßiger Meinung ver­stummen zu lassen. Man sieht heute nicht mehr (oder noch nicht wieder?) Uni­for­mierte in den Straßen die Plakate von Haus­wänden und Lit­faß­säulen her­un­ter­reißen. Das geht anders. Man sperrt einfach elek­tro­nisch die digi­talen Pam­phlete, ganz einfach. Und der Maulkorb sitzt.
So meldete Tatajana Fes­terling auf ihrer Seite am Montag, den 11.Dezember um 15:30 Uhr: „Mei­nungs­freiheit und Zensur – Aus die Maus! ALLE Accounts und Admi­nis­tra­toren wurden gesperrt.“

 
An unsere Redaktion schrieb sie auf Nach­frage, dass alle, restlos alle ihre Accounts gesperrt wurden, sowohl Facebook, als auch Twitter. Sogar die Seite “Soli­da­rität für Tatjana Fes­terling” mit ihren 16.000 Likes plus 16.000 Abon­nenten sei wegen angeblich mehr­facher Ver­stöße gegen die Gemein­schafts­regeln gelöscht worden. Die Seite ist aber noch sichtbar.
Dafür geht aber grade ein Interview aus dem Sommer mit “TV Liberté” viral, über eine andere Face­book­gruppe wurde es fast 5.000 geteilt:
https://www.facebook.com/groups/218042168581473/permalink/500185003700520/
Das Ori­ginal ist hier anzuschauen:
https://youtu.be/obHjgWQ_Lvc
 
Wir sehen aber noch eine zweite Par­allele der heu­tigen Situation zu den Dik­ta­turen, ins­be­sondere auf deut­schem Boden. Eine leider sehr deutsche, sehr ekel­hafte Eigen­schaft ist das Denun­zieren und die Block­wart­ment­a­lität unter tota­li­tären Sys­temen. Genau das geschieht wieder, mit dem genau gleichen Impetus des “Gerechten”. Das Denun­zieren des ideo­lo­gi­schen Gegners wird zur Heldentat.
 

 
Wis­sen­schaftler haben in ver­schie­denen Ver­suchs­an­ord­nungen das Ver­halten von Men­schen beob­achtet, die Macht über andere erhielten. Eins davon ist das berühmte „Stanford Prison Expe­riment“, bei dem die Teil­nehmer zufällig in Straf­ge­fangene und Wärter eines Gefäng­nisses auf­ge­teilt wurden. Die beängs­ti­genden Ergeb­nisse, der Sadismus und die Grau­sam­keiten einiger „Wärter“ und die Tat­sache, dass die Expe­ri­men­ta­toren sogar selbst Partei ergriffen, um einen Auf­stand der miss­han­delten „Gefan­genen“ nie­der­zu­schlagen, erzwangen einen Abbruch des Expe­ri­ments nach sechs Tagen statt nach zwei Wochen. Vier der „Gefan­genen“ erlitten emo­tionale Zusam­men­brüche, die meisten ver­suchten, mit Unter­wür­figkeit mög­lichst unbe­schadet durch­zu­kommen. Die erschre­ckende Offen­barung der mensch­lichen Abgründe wurde später in einem Film behandelt.
Das ist nicht das einzige Expe­riment, das die Larve der Gut­mensch­lichkeit zer­fetzt. Das Elek­tro­schock-Expe­riment Stanley Mil­grams zeigt auch, dass ganz normale, wohl­an­ständige Men­schen pro­blemlos zu gna­den­losen Fol­ter­knechten mutieren. Das Expe­riment wurde 1961 gemacht und 2008 wie­derholt. Es kam beides Mal zu den­selben Ergeb­nissen. Die Ver­suchs­an­ordnung ist absolut simpel. Ein „Schüler“ musste dazu gebracht werden, durch Bestrafung bei Fehlern schneller zu lernen. Die eigent­lichen Pro­banden waren die Instruk­toren, die bei Fehl­leis­tungen die „Schüler“ mit Elek­tro­schocks immer härter bestrafen mussten. Erschre­cken­der­weise wurden die aller­meisten Instruk­toren zu erge­benen Fol­ter­knechten, die ver­meintlich immer stärkere Strom­stöße ver­teilten, auch, als die „Schüler“ schon vor Schmerzen brüllten, um dann plötzlich, aber end­gültig, wie tot, ver­stummten. Wollte ein Instruktor doch die Sache abbrechen, traten Auto­ri­täts­per­sonen im weißen Kittel auf und mahnte Pflicht­er­füllung an. Die Mehrheit ging mit der Stärke der Elek­tro­schocks bis ans Ende der Skala.
Fol­ter­ge­fäng­nisse wie Abu Ghureib zeigen, dass der Mensch tat­sächlich vor keiner Grau­samkeit halt macht. Es sind nur sehr wenige, die sich dagegen sperren. Ins­be­sondere dann, wenn die Quä­lerei auch noch öffentlich und von Auto­ri­täts­per­sonen gelobt wird, kennen die meisten keine Grenze mehr.
Das Ver­gnügen daran, einen anderen gede­mütigt oder bloß­ge­stellt zu sehen — sogar Hin­rich­tungen waren immer schon unge­heure Publi­kums­ma­gnete – sitzt tief im Men­schen. Gleich­zeitig ist es das beste Unter­drü­ckungs­werkzeug. Man schaut zu und ist froh, nicht an dessen Stelle zu sein. Mit­gefühl? Um Gottes Willen! Das könnte einen ja in den Ruch der Kom­pli­zen­schaft bringen.
Leider sehen wir heute wieder eine neue Gene­ration von Block­warten und Denun­zi­anten. Von der Hexenjagd und Inqui­sition des Mit­tel­alters über die Denun­zi­anten der Nazizeit bis zu den heu­tigen „Anti­fa­schisten“: Erfül­lungs­ge­hilfen der Macht, die den „Anderen“ als wehr- und recht­loses Opfer sehen, das man genüsslich und beden­kenlos nie­der­machen kann, weil ihnen ja keine Ächtung für ihr Tun zuteil wird, sondern auch noch öffent­liches Lob. Sie fühlen sich dabei auch noch gut.