Ver­stor­bener IKEA-Gründer Ingvar Kamprad pro­fi­tierte von DDR-Haft­zwangs­arbeit — Medien schweigen!

Stockholm/Berlin – IKEA-Gründer Ingvar Kamprad ist tot. Wie die Kon­zern­leitung mit­teilte, ist der Möbel-Mogul im Alter von 91 Jahren „friedlich eingeschlafen.“
(Von Carl-Wolfgang Holzapfel)
Natürlich über­schlagen sich die Medien mit der Todes­meldung, holen die wahr­scheinlich längst geschrie­benen Nachrufe aus den Archiven. Das ist in solchen Fällen durchaus üblich und daher kaum einer Erwähnung wert.
Auf­fällig aller­dings ist in den Print- wie in den TV-Medien die mehr oder weniger aus­führ­liche Schil­derung Kam­prads eins­tiger Ver­bin­dungen zu den Nazis und später Neo-Nazis. Die IKEA-Ikone schrieb nach der Auf­de­ckung dieser Ver­bin­dungen sei­nerzeit einen mehr­sei­tigen hand­ge­schrie­benen offenen Brief an die IKEA-Beleg­schaft, in dem er sein Ver­halten als „größten Fehler meines Lebens“ bezeichnete. Kamprad begründete seine Haltung damals mit seiner „Sude­ten­deut­schen Groß­mutter“. Diese habe ihn damals „mit natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Lektüre ver­sorgt“. Ihn habe die „koope­rative Idee“ gereizt. Aller­dings ver­schwieg er in seinem späten Bekenntnis die Mit­glied­schaft in der schwe­di­schen Nazi-Partei Svensk Socia­listik Samling (SSS). Die Fern­seh­jour­na­listin Eli­sabeth Katherine Asbrink ent­hüllte im Herbst 2011 seine Ver­bin­dungen zur SSS und deren Füh­rungs­figur Per Engdahl.
Erstaun­li­cher­weise haben Kamprad diese Ver­bin­dungen zur rechts­extremen Szene in Schweden selbst nie geschadet. Die Schweden freuten sich sogar über seine Rückkehr (2014) aus der Schweiz. „Es ist wun­derbar, Ingvar Kamprad in der Heimat will­kommen heißen zu können“, sagte vor vier Jahren zum Bei­spiel Eli­sabeth Peltola, die Gemein­de­prä­si­dentin von Älmhult. „Es ist wie die Rückkehr des ver­lo­renen Sohnes.“
Ver­ant­wortung für DDR-Haft­zwangs­arbeit verschwiegen
Während also die Medien in Deutschland auf Kam­prads „Nazi-Ver­bin­dungen“ mehr oder weniger aus­führlich ein­gehen, wird von diesen ein anderer, für Deutschland besonders rele­vanter Teil seiner Lebens- und Fir­men­ge­schichte ver­schwiegen: IKEA hatte u.a. auch mit der DDR Pro­duk­tions-Ver­träge abge­schlossen. Die DDR erfüllte ihre Ver­trags­pflichten durch die prak­ti­zierte Haft­zwangs­arbeit, zu der vor­nehmlich aus poli­ti­schen Gründen ver­ur­teilte Häft­linge gezwungen wurden.
Nachdem der NDR dieses „dunkle IKEA-Kapitel“ auf­ge­deckt und die Ver­ei­nigung 17. Juni in Berlin diese Haft­zwangs­arbeit gegenüber IKEA im Sep­tember 2011 (IKEA-Enga­gement in DDR-Zucht­häusern) the­ma­ti­siert hatte, griff der Dach­verband UOKG im Frühjahr 2012 das Thema auf und erreichte in geheimen Ver­hand­lungen eine Zuwendung des Kon­zerns an die UOKG über 120.000 Euro zum Zweck der „Erfor­schung von Haft­zwangs­arbeit“. Tat­sächlich konnten mit diesem Geld die For­schungs­ar­beiten des frü­heren Pfarrers und für die UOKG tätigen His­to­rikers Dr. Christian Sachse finan­ziert werden. Sachse legte 2014 das Ergebnis vor: Das System der Zwangs­arbeit in der SED-Dik­tatur. Die wirt­schaft­liche und poli­tische Dimension. Leip­ziger Uni­ver­si­täts­verlag, Leipzig 2014. ISBN: 978–3‑86583–884‑1, 498 Seiten, Preis: 19,90 Euro.
Kri­tiker, besonders von der eins­tigen Haft­zwangs­arbeit betroffene ehe­malige poli­tische DDR-Häft­linge kri­ti­sieren aller­dings bis heute das UOKG-Enga­gement zu diesem Thema als „Fund­raising zur Sicher­stellung der Orga­ni­sa­ti­ons­arbeit“.  Unter­blieben sei die „not­wendige For­derung nach Aus­gleichs­zah­lungen an die ehe­ma­ligen von der Haft­zwangs­arbeit betrof­fenen Häft­linge.“ Die UOKG habe es bis heute trotz ursprünglich anders­lau­tender Ankün­di­gungen ver­mieden, den Geld­geber IKEA an seine „mora­li­schen Ver­pflich­tungen“ zu erinnern.
Dass auch dieses Drama aus der DDR-Ver­gan­genheit in Deutschland nach wie vor kein Thema ist zeigt sich nun in den Nach­rufen auf den schil­lernden Boss des Möbel-Impe­riums. Der aktuelle Zeit­geist bestimmt den Takt: Nazis pfui, DDR eigentlich (trotz mancher Fehler) huiii. Deutsche Wirk­lichkeit anno 2018. 

 
Von Carl-Wolfgang Holz­apfel auf vera-lengsfeld.de

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