Foto: Jochen Zick/action press - CC0 1.0

Börse: Auch diesmal wird „alles ist anders“ schmerzhaft enden

Bei der NZZ wachsen offen­sichtlich die Sorgen bezüglich der Börsen. Wohl deshalb hat die Zeitung gleich im Januar ver­schiedene Bei­träge, die sich mit der Über­be­wertung an den Märkten und den sich daraus erge­benden Risiken beschäf­tigen. Hier ein wei­terer; wie immer die Highlights:

  • „Der ame­ri­ka­nische Ökonom Edgar Fiedler wurde einmal wie folgt zitiert: The herd instinct among fore­casters makes sheep look like inde­pendent thinkers. Zu Beginn des Jahres 2014, also gerade einmal vor vier Jahren, waren stei­gende Zinsen die Kon­sens­meinung. Nicht weniger als 72 von 72 vom Finanz­da­ten­an­bieter Bloomberg befragten Finanz­stra­tegen sagten damals voraus, dass die Zins­sätze in Amerika während des Jahres steigen würden. Es kam, wie es kommen musste, der Preis des Geldes tat nicht der­gleichen, die Zinsen fielen im Jah­res­verlauf. Eine Feh­lerrate von 100% wie 2014 ist zwar die Aus­nahme, eine solche von über 50% ist aller­dings die empi­risch belegte Regel.“
    Fazit: wie ich mit meinem eigenen Expe­riment ja bewiesen habe.

 

  • „Eine Betrachtung dieser Ren­diten über die letzten gut 300 Jahre zeigt, dass die Extrem­werte in der jün­geren Ver­gan­genheit erreicht wurden. Die Höchst­werte dieser Gilt-Ren­diten wurden in den Infla­ti­ons­jahren der 1970er und frühen 1980er Jahre des ver­gan­genen Jahr­hun­derts beob­achtet, analog zu den Ren­diten der Staats­ob­li­ga­tionen zahl­reicher anderer Industrienationen.“
    –  Fazit: siehe dazu auch nochmals: → Studie: Kommt die Zins­wende, dann kommt sie schnell

 

  • „Weitere Lang­zeit­un­ter­su­chungen, die in den letzten Jahren her­um­ge­reicht wurden, zeigen die lang­fris­tigen Zinsen in den Nie­der­landen seit dem 16. Jahr­hundert, und eine Unter­su­chung ver­sucht sogar, das all­ge­meine Zins­niveau seit Anbeginn der Zivi­li­sation auf­zu­zeigen, das heisst die Zins­ent­wicklung der letzten 5000 Jahre. Was alle diese Unter­su­chungen gemein haben, ist der untere Extremwert. Dieser untere Extremwert ist jetzt erreicht; in den USA zum Bei­spiel mit 1,3% für zehn­jährige Tre­asuries (…).
    – Fazit: was nicht bedeutet, dass es nicht wei­ter­gehen kann. Dennoch ist klar, dass es mehr Potenzial in die andere Richtung gibt.

 

  • „Eine Gesetz­mäs­sigkeit bei Zinsen und Kurs-Gewinn-Ver­hält­nissen in den Akti­en­märkten ist die mean reversion, die Rückkehr zum Mit­telwert. Zahl­reiche Inves­toren nennen dies im Zusam­menhang mit den Finanz­märkten sogar eisernes Gesetz oder Kar­di­nal­regel.“
    Fazit: was aber auch bedeutet, dass auf Phasen der Über- Phasen der Unter­be­wertung folgen. Blickt man auf dieses Chart, so könnte man wirklich einen deut­lichen Anpas­sungs­bedarf konstatieren:

Quelle: NZZ

  • „Beim ersten Sze­nario, auch Gol­di­locks genannt, bliebe alles beim Alten. Die Wirt­schafts­wachs­tums­raten ziehen all­gemein weiter an, die Zinsen bleiben stabil oder steigen nur gemächlich, externe Schocks gibt es keine (…) die jüngsten Inves­toren kaufen wei­terhin Bitcoin zu Beträgen im fünf­stel­ligen Bereich, die reichsten Inves­toren kaufen wei­terhin Ferrari GTO aus den Sech­zigern zu acht­stel­ligen Preisen, Ölbilder zu solchen im neun­stel­ligen Bereich und Immo­bilien an der Bahn­hofstrasse für zehn­stellige Summen, und die Bilanzen der Zen­tral­banken steigen weiter an, ohne dass es jemanden ernsthaft belastet.“
    – Fazit: Ich weiß nicht, was ich jemandem, der dies erwartet, ernsthaft ent­gegen halten kann.

 

  • „Das Nega­tiv­sze­nario sieht dia­metral anders aus. Oft wird in diesem Zusam­menhang der Begriff ever­y­thing bubble oder Alles­blase ver­wendet. (…) Die künstlich tief gehal­tenen Zinsen führen nämlich in grossem Stil zu Inves­ti­tionen, die bei nor­malen und markt­ge­rechten Zinsen nicht getätigt würden. Hinzu kommt, dass die Inflation aller Anla­ge­ka­te­gorien den Wirt­schafts­ak­teuren einen Anreiz gibt, nicht in Pro­jekte zu inves­tieren, sondern auf Finanz­in­stru­mente und Sach­werte aller Art zu spe­ku­lieren. Attraktive Gewinne in der kurzen Frist erscheinen wahr­schein­licher als bescheidene und unsi­chere Erträge in der langen Frist. Die greater fool theory findet ihre Anwendung. Demnach ist es loh­nenswert, bereits über­teuerte Ver­mö­gens­werte zu kaufen, weil jemand zu einem spä­teren Zeit­punkt bereit ist, dafür noch mehr zu zahlen. Positive Rück­kop­pe­lungs­ef­fekte sorgen schliesslich dafür, dass es länger so bleibt, als die meisten Inves­toren sich das vor­stellen können.“
    – Fazit: um dann noch den „Melt-up“-Boom zu erwarten …

 

  • Die gegen­wärtige Situation ist ohne Prä­zedenz. Schön wäre es zu wissen, ob die Party 2018 endet bzw. ob die Musik so lange noch spielen wird. Pro­gnos­ti­zieren lässt sich dies nicht. Enden wird die Party aller­dings der­einst. (…) Hope for the best, prepare for the worst, and expect to be sur­prised.
    – Fazit: Oh ja, 2018 wird es große Über­ra­schungen geben. Auch für bto.

NZZ: „Die Weisheit ‚Dieses Mal ist alles anders‘ endet oft in einem Tag der Abrechnung“, 12. Januar 2018
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com