By MOs810 - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Kein Platz für die Rea­lität: Merkel flieht mit Schulz und See­hofer nach Europa

Jetzt ist es amtlich: Das große Projekt der künf­tigen Großen Koalition ist nicht, die drän­genden Pro­bleme der chao­ti­schen Ein­wan­derung zu lösen und in Deutschland wieder rechts­staat­liche Ver­hält­nisse her­zu­stellen, sondern die Flucht nach Europa.
Das ist jeden­falls das Ergebnis der Bera­tungen der drei Par­tei­vor­sit­zenden zu Beginn der Koalitionsverhandlungen.
Die Euro­pa­po­litik wird zum Schwer­punkt einer künf­tigen Koalition erklärt. Man sei sich „einig, dass Europa und der Kampf für ein starkes, ein erneu­ertes, ein gestärktes Europa eines der Haupt­an­liegen einer zukünf­tigen deut­schen Regierung sein muss“. Ein Koali­ti­ons­vertrag werde „den Willen zu einem neuen Auf­bruch in Europa signa­li­sieren“, sagte der SPD-Vor­sit­zende Schulz der Presse.
Künftig wolle man mit dem Schlüs­sel­partner Frank­reich eng zusam­men­ar­beiten und auch den Nachbarn Polen ins Boot holen. Es soll ein gemein­samer Wirt­schaftsraum mit Frank­reich ange­strebt werden.
Last but not least soll die EU wei­terhin offen für neue Mit­glieder bleiben. „Wir wollen, dass der Erwei­te­rungs­prozess der Euro­päi­schen Union nicht stagniert.“
Wird er nicht, denn Albanien steht bereits unge­duldig vor der EU-Tür. Der Bei­tritt hätte den Vorteil, dass man die zu uns kom­menden Albaner dann nicht mehr zu den Flücht­lingen zählen muss.
Gegen dieses hehre Ziel der drei Par­tei­vor­sit­zenden gibt es aber Gegenwind, diesmal aus der CDU. In einem Brand­brief an die Ver­hand­lungs­führer der Union wird beklagt, dass auf Druck der SPD die EU end­gültig zur Trans­fer­union umgebaut werde. Damit würde ein Ver­sprechen an die Bürger gebrochen.
Es wird nicht nur ein Ver­sprechen gebrochen, sondern nur ein wei­teres, aber diesmal gibt es wenigstens Widerspruch.
Deutschland soll den weit­rei­chenden EU-Reform­vor­schlägen von Frank­reichs Prä­si­denten Emmanuel Macron und EU-Kom­mis­si­ons­prä­sident Jean-Claude Juncker folgen. Die beiden dringen auf eine viel engere euro­päische Zusam­men­arbeit, die auch einen Euro-Finanz­mi­nister, einen Euro-Gruppen-Etat sowie eine Sozi­al­union umfasst. Die SPD hat in den Ver­hand­lungen erreicht, dass es einen EU-Sozi­alpakt geben soll, mehr Geld für Inves­ti­tionen, einen Euro­päi­schen Wäh­rungs­fonds und Min­dest­steu­er­sätze. Über die Kosten, die Deutschland dabei ent­stehen, wird nicht gesprochen.
Eben diese unkal­ku­lier­baren Kosten, die dem deut­schen Steu­er­zahler auf­ge­bürdet werden sollen, haben den Wirt­schaftsrat der CDU auf den Plan gerufen. In einem Brief an die Ver­hand­lungs­führer und die Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten warnt er vor einer euro­päi­schen Transferunion.
„Es darf nicht länger sein, dass die Union in der Euro­pa­po­litik das Feld räumt und einer SPD folgt, die unter ‚pro euro­päisch‘ nur mehr Umver­teilung in die Kri­sen­länder versteht.“
Dies wäre, so wird im Brief der frühere Chef­volkswirt der Euro­päi­schen Zen­tralbank Otmar Issing zitiert, ein „Abschied von der Vor­stellung einer auf Sta­bi­lität gerich­teten euro­päi­schen Gemeinschaft“.
Auch in der Bun­des­tags­fraktion regte sich Wider­spruch. Die Abge­ordnete Eli­sabeth Win­kel­meier-Becker soll am letzten Dienstag die Europa-Pläne im Son­die­rungs­papier kri­ti­siert haben. Diese hätten zu Unruhe bei CDU-Wählern sowie Mit­gliedern geführt und drohten das Profil der Partei zu beschä­digen. Offenen Wider­spruch gegen Merkel ist so selten, dass allein die Tat­sache, dass es ihn gegeben hat, eine Erwähnung wert ist.
Merkel nahm die Sache immerhin so ernst, dass sie ver­suchte, die Wogen zu glätten. Bezüglich des Ausbaus des zeit­wei­ligen „Euro­päi­schen Ret­tungs­schirms“ (ESM) zu einem stän­digen „Euro­päi­schen Wäh­rungs­fonds“ (EMF) beteuerte sie, dass der EWF nicht als Behörde unter der EU-Kom­mission auf­gebaut werden soll. Das werde sie „nicht mit­machen“. Anders als beim aktu­ellen ESM drohten dann die umfang­reichen Kon­troll­rechte der Par­la­mente weg­zu­fallen. Merkel ver­sprach der Fraktion dafür zu sorgen, dass die Par­la­mente weiter beteiligt würden, wenn Hilfs­pro­gramme für Kri­sen­staaten beschlossen werden.
Was ihre Ver­sprechen wert sind, weiß man spä­testens seit der Beteuerung, solange sie Kanz­lerin sei, würde es keine zweite Grie­chen­land­rettung geben. In zwi­schen ist die Grie­chen­land­rettung eine Dau­er­ein­richtung und Merkel ist immer noch Kanzlerin. 

 
Von Vera Lengsfeld — vera-lengsfeld.de