Vene­zuela führt Bloomberg-„Elends-Index“ an — Was das aktuelle Misery-Ranking zeigt

Regel­mäßig ver­öf­fent­licht Bloomberg den soge­nannten Misery-Index – viele Medien berichten heute. Der Index ergibt sich, wenn man die Infla­tions- und Arbeits­lo­senrate eines Landes addiert. Was hat es damit auf sich?
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Das Misery-Ranking sollte man an sich nicht besonders ernst nehmen, es ist kein wis­sen­schaft­licher Index. Der Name des Index (Elends-Index) ist irre­führend, denn vielen Ländern auf der Welt (z.B. in Afrika) geht es weitaus schlechter als denen, die das Ranking anführen.
Ganz unnütz ist das Ranking aber nicht. Das Baro­meter basiert auf der Erkenntnis, dass die Lebens­zu­frie­denheit der Men­schen in einem Umfeld mit nied­riger Inflation und Arbeits­lo­sigkeit höher ist. Immerhin hat sich in der Ver­gan­genheit gezeigt, dass sich Regie­rungen, deren Länder in dem Ranking hoch ange­siedelt waren, oft nicht lange halten konnten und eher abge­wählt wurden als Regie­rungen von Ländern, in denen Arbeits­lo­sigkeit und Inflation nied­riger waren. Freilich ist das mit dem „abwählen“ nicht immer so einfach, denn manche dieser Länder sind Dik­ta­turen oder ver­wandeln sich gerade in welche – so wie Vene­zuela oder die Türkei.
Vene­zuela mit großem Abstand vorne
Nach dem aktu­ellen Ranking liegt Vene­zuela beim Misery-Ranking mit großem Abstand weit vorne, gefolgt von Süd­afrika, Argen­tinien, Ägypten, der Türkei, Grie­chenland, der Ukraine, Spanien, Bra­silien und Saudi-Arabien. Inter­essant ist es, wenn man dieses Ranking mit einem anderen, sehr ernst zu neh­menden Index bzw. Ranking ver­gleicht, nämlich dem jährlich von der Heritage-Foun­dation ver­öf­fent­lichten Index of Eco­nomic Freedom, auch „Kapi­ta­lismus-Skala“ genannt.
Index of Eco­nomic Freedom
Das Ranking der öko­no­mi­schen Freiheit basiert auf umfas­senden Ana­lysen von ins­gesamt zwölf Kri­terien, die das Maß der wirt­schaft­lichen Freiheit angeben. Wis­sen­schaft­liche Unter­su­chungen haben belegt: Je mehr wirt­schaft­liche Freiheit es gibt, desto wohl­ha­bender sind die Volks­wirt­schaften, desto wahr­schein­licher erreichen sie ein hohes Wirt­schafts­wachstum, desto höher ist sogar das Ein­kommen der ärmsten zehn Prozent des Bevöl­kerung. Eines der wich­tigsten Argu­mente für den Kapi­ta­lismus ist, dass die wirt­schaftlich freien Länder geringere Armuts­raten haben und eine schnellere Armuts­re­duktion erreichen. Die Weltbank ver­öf­fent­licht regel­mäßig Daten zur welt­weiten Armuts­ent­wicklung. Diese werden nur für Ent­wick­lungs­länder berechnet, nicht jedoch für die indus­tria­li­sierten Länder mit hohem Ein­kommen. Eine Unter­su­chung belegt, dass die Rate extremer Armut in den am wenigsten freien Ländern bei 41,5 Prozent lag, jedoch nur bei 2,7 Prozent unter den frei­esten Volks­wirt­schaften. Die Rate der „mode­raten Armut“ lag bei dem Quartil der wirt­schaftlich unfrei­esten Länder bei 57,4 Prozent, im Quartil der wirt­schaftlich frei­esten Länder dagegen bei 3,6 Prozent. Damit zusammen hängt, dass die Lebens­er­wartung in Ländern mit grö­ßerer wirt­schaft­licher Freiheit deutlich höher ist als in Ländern mit geringer wirt­schaft­licher Freiheit. In dem Quartil der Länder mit der geringsten wirt­schaft­lichen Freiheit lag die Lebens­er­wartung bei 60,7 Jahren, im Quartil der wirt­schaftlich frei­esten Länder dagegen bei 79,4 Jahren. Die Lebens­er­wartung ist also in wirt­schaftlich freieren Ländern fast 20 Jahre höher als in wirt­schaftlich unfreien Ländern.
Misery- und Freedom-Ranking
Und nun eine inter­es­sante Tat­sache: Ver­gleicht man das aktuelle Misery-Ranking von Bloomberg mit dem aktu­ellen Ranking der wirt­schaft­lichen Freiheit der Heritage-Foun­dation dann fällt auf:
— Das Schluss­licht beim Ranking der öko­no­mi­schen Freiheit (Vene­zuela, Platz 180) ist nicht zufällig zugleich auch der Spit­zen­reiter beim Misery-Ranking. Inflation und Arbeits­lo­sen­quote zusam­men­ge­rechnet ergeben nämlich für das bis vor kurzem noch von allen Linken der Welt bewun­derte sozia­lis­tische Mus­terland Vene­zuela einen sen­sa­tio­nellen Wert von 1872. Inzwi­schen haben schon Mil­lionen Men­schen das Land, in dem der „Sozia­lismus im 21. Jahr­hundert“ aus­pro­biert wurde, wegen der elenden Lebens­be­din­gungen verlassen.
— Unter den 34 kapi­ta­lis­tischsten, also wirt­schaftlich frei­esten Ländern, findet sich kein ein­ziges unter den Top-Ten des Misery-Index.
— Unter den 61 nach den Kri­terien der Heritage-Foun­dation über­wiegend wirt­schaftlich freien Ländern sind nur drei unter den Top-Ten des Misery-Index, nämlich die Türkei, Spanien und Süd­afrika, (Platz 58, 60 und 77 im Ranking der öko­no­mi­schen Freiheit).
— Sieben der Top-Ten im Misery-Ranking sind Länder, die über­wiegend oder ganz wirt­schaftlich unfrei sind, wie etwa Bra­silien (Platz 153 im Ranking der öko­no­mi­schen Freiheit), Argen­tinien (Platz 144 im Ranking der öko­no­mi­schen Freiheit) oder die Ukraine (Platz 150). Natürlich gehört auch Grie­chenland mit seiner sozia­lis­ti­schen Regierung zu den wirt­schaftlich unfreien Ländern (Platz 115).
Die Linke, die sich Helden wie den Sozia­listen Alexis Tsipras (Grie­chenland) oder Mus­ter­länder wie Vene­zuela als Vor­bilder aus­ge­sucht hat, wird nicht um Erklä­rungen ver­legen sein. Ver­mutlich sind aus ihrer Sicht an der wirt­schaft­lichen Misere Grie­chen­lands die Deut­schen schuld und an der wirt­schaft­lichen Misere Vene­zuelas die USA. Nach dem Motto, „und also schließt er mes­ser­scharf, dass nicht sein kein, was nicht sein darf“, müssen am Elend dieser Welt immer die Kapi­ta­listen schuld sein.
 


Dr. Rainer Zitelmann für TheEuropean.de