EZB: in Wahrheit Staats­fi­nan­zierung – Inflation nur vorgeschoben

Gunther Schnabl, Pro­fessor am Institut für Wirt­schafts­po­litik der Uni­ver­sität Leipzig, im Interview mit der NZZ. Offen­sichtlich ist er noch unab­hängig genug zu sagen, um was es geht, weshalb mich auch einige Leser auf das Interview hin­ge­wiesen haben:

  • „Wir befinden uns bereits auf der Spitze des Booms. In der Euro-Zone läuft die Wirt­schaft ein­schliesslich der meisten Kri­sen­länder rund. In Deutschland ist der Arbeits­markt über­hitzt. Trotzdem gibt EZB-Prä­sident Mario Draghi weiter Gas. Damit ver­stärkt er den Boom. Zwar sind die Kon­su­men­ten­preise stabil, aber es explo­dieren die Aktien- und Immo­bi­li­en­preise, besonders in Deutschland.“
    Fazit: So ist es und so habe ich das oft besprochen. Erst steigen die Asset­preise und danach alle – oder aber wir bekommen die defla­tionäre Entwertung!
  • „Der Kon­su­men­ten­preis­index, an dem sich die EZB ori­en­tiert, reagiert schon lange nicht mehr auf die Geld­po­litik. Das sollte auch die EZB bemerkt haben. Damit stellt sich die Frage, was sie wirklich beab­sichtigt. Für mich ist das Infla­ti­onsziel nur ein Fei­gen­blatt für eine ver­steckte Staats­fi­nan­zierung durch die Zen­tralbank, die in den EU-Ver­trägen ver­boten ist.“
    – Fazit: Das ist ja nun wirklich keine Über­ra­schung. Es geht darum, Italien und Co. am Laufen zu halten!
  • „(…) ich davon aus, dass die Poli­tiker in ganz Europa, ein­schliesslich Deutschland, die posi­tiven Effekte des bil­ligen Geldes – sei es über stark redu­zierte Zins­auf­wen­dungen für Schulden oder auf­ge­blasene Steu­er­ein­nahmen – gerne in Kauf nehmen. Statt die EZB zu kri­ti­sieren, lastet man die dras­ti­schen Neben­ef­fekte der ultra­lo­ckeren Geld­po­litik lieber der Glo­ba­li­sierung an.“
    – Fazit: Ich denke, es ist beides. Es ist eine Kom­bi­nation der ver­schie­denen Fak­toren. Natürlich ist die EZB nicht alleine daran schuld, aber es ist schon eine Folge der Politik.
  • Zombie-Banken und Zombie-Unter­nehmen sind unwirt­schaftlich und nur über­le­bens­fähig, weil Kredite ohne Berück­sich­tigung ihrer wirt­schaft­lichen Lage ver­längert oder sogar neu gewährt werden. Die Zinsen berück­sich­tigen das Aus­fall­risiko nicht. Das erinnert an die soge­nannten weichen Bud­get­re­strik­tionen in sozia­lis­ti­schen Plan­wirt­schaften. Unren­table Unter­nehmen mussten nicht restruk­tu­rieren, weil der Staat die Arbeits­lo­sigkeit fürchtete. Statt­dessen ver­gaben die staatlich kon­trol­lierten Banken kos­tenlose Kredite, die mit der Noten­presse finan­ziert wurden.“
    – Fazit: So ist es. Banken und Schuldner tun beide so, als wäre alles gut und könnten sich das nur leisten, weil das Geld so billig ist.
  • „In ganz Europa werden die Lasten der sin­kenden Pro­duk­ti­vi­täts­ge­winne über die Lohn­po­litik auf die jungen Men­schen abge­wälzt. Während die älteren Men­schen ihre gut dotierten Ver­träge behalten, steigen die Jün­geren zu sehr viel schlech­teren Kon­di­tionen ins Berufs­leben ein als noch vor 10, 20 oder 30 Jahren. Prekäre Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisse nehmen immer mehr zu. Das billige Geld begünstigt im Wett­bewerb vor allem grosse Unter­nehmen und Finanz­in­stitute, weil diese sich leichter und bil­liger an der Börse und am Kapi­tal­markt finan­zieren können. Der Mit­tel­stand und die mit­tel­stän­di­schen Banken geraten unter Druck.“
    – Fazit: Es erstickt den Wett­bewerb und erhöht die Ungleichheit.
  • „Vor allem in den USA und China ist die Ver­schuldung der Unter­nehmen immens gestiegen. Unter­nehmen haben über­teuerte Über­nahmen und Akti­en­rück­käufe mit bil­ligen Kre­diten finan­ziert. Diese werden in Schieflage geraten, sobald die Zinsen steigen. Der ame­ri­ka­nische Ökonom Nouriel Roubini sieht zudem die «Mutter aller Blasen» in den Anlei­he­märkten. Wenn die EZB ihre Bestände an Staats­an­leihen redu­ziert, dann werden die Staats­haus­halte aller Mit­glieds­staaten durch­ein­an­der­ge­wirbelt. Die Euro-Zone wird ins Wanken geraten.“
    – Fazit: Der Euro überlebt nur, weil es unendlich Geld gibt. Doch nicht dauerhaft.
  • „Das Wachstum schuf Zusam­menhalt. Da wir heute nicht mehr wachsen oder sogar schrumpfen, ent­stehen Ver­tei­lungs­kon­flikte. Denn wenn einer hin­zu­ge­winnt, etwa ältere Luft­hansa-Piloten oder Italien, dann müssen andere abgeben, etwa die jungen Piloten bei Euro­wings oder Deutschland. Die wach­sende Ein­kommens- und Ver­mö­gens­un­gleichheit spiegelt sich in den Wahl­er­geb­nissen.“
    – Fazit: nicht nur das. Vor allem das Pro­gramm, „Kommt her, ihr Armen der Welt!“ trifft auf nicht so viel Zuspruch, wie die MM uns weis­machen wollen.
  • „Derzeit plä­dieren die Süd­eu­ropäer dafür, ihre Wirt­schafts­pro­bleme durch Transfers aus dem Norden zu lösen, weil das früher gut funk­tio­niert hat. Doch ohne nach­hal­tiges Wachstum im Norden wird die Umver­teilung in Richtung Süden zu einer Spaltung Europas führen. Der Brexit ist nur der Anfang.“
    – Fazit: Es ist eine nicht mehr kor­ri­gierbare Fehl­ent­scheidung der Politik. Wie so viele.

NZZ: „Die Effekte der ultra­lo­ckeren Geld­po­litik sind poli­ti­scher Spreng­stoff“, 7. März 2018
 


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com