Hoch­ge­bildet, kinderlos

Sie sind jung und gescheit, sie sind gebildet und voll Taten­drang. Die Rede ist von den frisch­ge­ba­ckenen Aka­de­mi­ke­rinnen, die jedes Jahr von unseren Unis und Fach­hoch­schulen ins Berufs­leben drängen. Man darf ihnen von Herzen zu ihren Lern­erfolgen gra­tu­lieren, aber irgendwie machen einen die jungen Damen auch nach­denklich, wenn sie so frisch und froh­gemut von den Uni­ver­si­täten abgehen, den aka­de­mi­schen Titel in der Hand und den Kopf voller beruf­licher Pläne.
Eigene Kinder? Später!
Ein ganz wesent­licher Punkt ist in diesen ihren Plänen nämlich meistens nur unter “ferner liefen” ent­halten: Die eigenen Kinder. Mit Mitte 20 und als Frau Mag., Frau Dr., BA, MA oder was auch immer steht zunächst die Kar­riere ganz im Vor­der­grund. Und wer könnte das den Aka­de­mi­ke­rinnen auch ver­denken? Sie haben Zeit und Geld in die eigene Aus­bildung inves­tiert und das gesell­schaft­liche Klima ver­langt heute, dass die Frau kei­nes­falls auf ihre bio­lo­gisch bestimmte Rolle als Mutter redu­ziert wird, sondern dass sie zu ihrer eigenen Ver­voll­kommnung und zur soge­nannten Selbst­ver­wirk­li­chung auch eine Kar­riere in der Berufswelt zu schaffen hat. Kinder bekommt man als Aka­de­mi­kerin — wenn über­haupt — erst mit Anfang/Mitte Dreissig und nach min­destens 7 bis 10 Berufsjahren.
Die bio­lo­gi­schen Rea­li­täten kon­ter­ka­rieren aber die Vor­stel­lungen der jungen Hoch­schul­ab­sol­ven­tinnen, die zum Großteil durchaus einen wenn auch erst später zu erfül­lenden Kin­der­wunsch haben. Die Fer­ti­lität der Frauen (übrigens auch jene der Männer) nimmt aber ab dem 35. Lebensjahr signi­fikant ab — und das leider auch noch recht rasch. Wer zu spät kommt, den bestraft die Bio­logie: Ein uner­füllter Kin­der­wunsch mit Ende 30, Anfang 40 bleibt aller­meist auch ein solcher — trotz der vielen opti­mis­ti­schen Ankün­di­gungen von  Kin­der­wunsch­zentren und Fruchtbarkeitsspezialisten.
Aka­de­mi­ke­rinnen haben die wenigsten Kinder
Es ist also kein Wunder, dass Aka­de­mi­ke­rinnen unter allen Frauen generell die nied­rigsten Gebur­ten­raten auf­weisen. Und es ist eben sehr oft gar nicht der heute angeblich weit ver­breitete feh­lende Kin­der­wunsch bei den hoch­ge­bil­deten und kar­rie­re­ori­en­tierten Frauen, sondern es ist einfach ein unglück­liches, aber erklär­bares Zeit­ver­säumnis, das für die ein­zelne Frau dann nicht mehr gut zu machen ist. Im Nach­hinein können gerade die uner­füllten Kin­der­wünsche viel per­sön­liches Leid und Ver­sa­gens­ge­fühle ver­ur­sachen, die durchaus krank­ma­chenden Cha­rakter haben können und beim Arzt dann zum Thema werden: In der Medizin beob­achten wir oft genug Depres­sionen und ver­schiedene kör­per­liche Stö­rungen, die auf einen uner­füllten Kin­der­wunsch zurück­zu­führen sind.
Über die Nöte wird kaum geredet
Über diese Sorgen und Nöte der unfrei­willig kin­derlos geblie­benen, aber beruflich erfolg­reichen Frauen erfährt man in der All­ge­meinheit übli­cher­weise recht wenig. In den Hoch­glanz­ma­ga­zinen und in  den ein­schlä­gigen Repor­tagen über erfolg­reiche Kar­riere-Frauen aus allen Sparten kommen die Kinder bei den Damen jen­seits der Dreissig immer wie selbst­ver­ständlich daher und alles ist ganz easy. Die mediale Bot­schaft lautet: Man möge sich doch als Frau vor dem ersten Kind unbe­dingt beruflich beweisen und ja nicht zu früh von einem Mann abhängig machen und sich durch ein Kind in seiner Ent­faltung ein­schränken lassen.
Stichwort “Ein­schränken”: Das einzige, was durch diesen gesell­schaft­liche Druck namens “Zuerst die Kar­riere, dann die Kinder ” wirklich ein­ge­schränkt wird, ist die Anzahl des Nach­wuchses. Wenn man die Gründung einer Familie erst ab Mitte 30 ein­plant, bleibt einfach zu wenig Zeit für mehrere Spröss­linge. Im Regelfall geht sich ein Kind schon noch aus, aber danach wird es eng. Und wenn es nicht gleich klappt, beginnt die Ärzte-Tour: Von der Hor­mon­be­handlung bis zur IVF, alles wird ver­sucht und oft genug bleibt am Ende die unge­wollte, trauige Kinderlosigkeit.
Die Männer gehören dazu
Natürlich sind auch die Männer hier nicht aus­zu­klammern, denn zu einer gelun­genen Eltern­schaft gehören immer zwei und man kann die zeit­geis­tigen Strö­mungen, die uns die flaue und lang­fristig deletäre Gebur­ten­misere ein­ge­brockt haben, nicht den Frauen und schon gar nicht den Aka­de­mi­ke­rinnen alleine anlasten. Freilich haben sich die Frauen durch die Fort­schritte in der hor­mo­nellen Ver­hü­tungs­technik die Hoheit über die Zeugung gesi­chert und der Femi­nismus hat hier in Union mit der Pille seine unbe­streit­baren, aber höchst zwei­fel­haften “Erfolge” errungen.
Die Männer pro­fi­tieren natürlich insofern von diesen hier beschrie­benen Phä­no­menen, weil sie sich eben­falls auf das eigene Fort­kommen kon­zen­trieren und der eigene Kar­riere widmen können. Man argu­men­tiert auch hier gerne mit der elter­lichen Ver­ant­wortung, die man sich ja nicht schon in jungen Jahren auf­halsen muss und außerdem wird auch von vielen Männern eine frühe Vater­schaft als Ein­schränkung emp­funden. Überdies fällt beim Mann der bio­lo­gisch bedingte Zeit­druck fast weg. Es sinkt zwar bei den  Männern im Laufe der Zeit eben­falls die Fer­ti­lität, aber sie ist im Regelfall auch im Alter noch vorhanden.
Hotel Mama
Man kann auch immer wieder eine gewisse fort­pflan­zungs­be­zogene Rei­fungs­ver­zö­gerung bei den Mil­len­nials (also den heu­tigen Twens) beob­achten: Ein erkleck­licher Teil der jungen Damen und Herren fühlt sich einfach zu unreif für Kinder oder einfach nicht bereit dafür. Wenn man aber ande­rer­seits mit stu­dierten jungen Leuten spricht, die schon in ihren Zwan­zigern (also im Stu­den­ten­alter) Eltern wurden, berichten die aller­we­nigsten davon, dass dies einen Ein­schränkung gewesen sei oder dass sie nicht reif genug gewesen wären oder dass sie die Kinder gar unglücklich gemacht hätten — eher das Gegenteil ist der Fall.
Es könnte also gut sein, dass wir in voller Moder­nität und Inbrunst auf einem Irrweg dahin­taumeln, der durch den Femi­nismus und das Gleich­heits­streben bereitet wurde. Auf diesem Weg ver­folgen wir fami­li­en­po­li­tische Ziele, die auf den ersten Blick legitim erschienen, aber in Wirk­lichkeit der Gesell­schaft und besonders den Frauen lang­fristig schaden.
Last not least führt diese innere Haltung zu einer aus­ster­benden Gesell­schaft, die ihre größten demo­gra­fi­schen Lücken in den intel­lek­tu­ellen Schichten bereits klar erkennbar prä­sen­tiert: Die wenigsten Kinder sind sta­tis­tisch bei den Hoch­ge­bil­deten zu finden. Wir wissen aber auch, dass Bildung zum Großteil “vererbt” wird. Das heißt, wo gebildete Eltern sind, findet man meistens auch gebildete Kinder. Wenn aller­dings niemand mehr da ist, an den man seine Bildung ver­erben kann, werden die Bil­dungs­ni­veaus zwangs­läufig nach unten gedrückt. Wir werden also nicht nur stetig weniger, wir werden dabei auch noch immer dümmer. 

 


Dr. Marcus Franz — thedailyfranz.at