Die bekannte Bürgerrechtlerin (DDR), CDU-Politikerin und Autorin Vera Lengsfeld bei einer Lesung (c) Sastognuti, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

“Gemeinsame Erklärung 2018”: Der “Cicero” geht auf Vera Lengsfeld los

Das Magazin “Cicero” ver­öf­fent­lichte heute einen jedes jour­na­lis­tische Takt­gefühl ver­missen las­senden Beitrag zu der höchst erfolg­reichen “Gemein­samen Erklärung 2018”. Darin schreckt man nicht einmal vor der per­sön­lichen Dif­fa­mierung der unter­zeich­nenden Pro­mi­nenten zurück.
Viele betrachten das Polit­ma­gazin “Cicero” nach wie vor als eine der intel­lek­tu­ellen Speer­spitzen jener Medien, die sich im System Merkel noch nicht haben gleich­schalten lassen. Dies kommt sicher noch aus jener Zeit, als exzel­lente Jour­na­listen wie Alex­ander Kissler maß­gebend das Gesicht des Magazins bestimmten.
Doch das scheint schon länger Schnee von gestern zu sein. Spä­testens seitdem heute in der Online-Version des Magazins eine gehässige Abrechnung mit der von Vera Lengsfeld initi­ierten “Gemein­samen Erklärung 2018” erschienen ist, ist klar, wo der Cicero wirklich steht.
Der Autor kommt aus jenen Insti­tu­tionen, die dem Staatsfunk ange­hören bzw. diesem im Gleich­schal­tungsgrad sehr nahe stehen, auch wenn er jetzt wohl seinen Lebens­abend genießt: Ernst Elitz war bis 2009 erster Intendant des Deutsch­land­radios, zuvor aus­ge­rechnet beim “Spiegel” tätig. Und fun­giert jetzt mit 76 als eine Art “Ombudsmann” (was immer das auch sein soll) bei der BILD.
Für ihn sind alle, die die Erklärung unter­schrieben haben, ent­weder böse rein­gelegt worden – wie etwa Uwe Tellkamp, dem er schlecht ein gewisses intel­lek­tu­elles Level aberkennen kann und der dennoch so naiv gewesen sein soll, dass er sich ver­ein­nahmen ließ, dass er eines “morgens neben Lutz Bachmann aufwachte”.
Oder sie sind einfach – aus psy­cho­lo­gi­schen Ursachen, die er zu kennen scheint – nur böse und populistisch.
Dass einer jener Pro­mi­nenten, die in seinem Weltbild eigentlich zur über dem “Pöbel” schwe­benden Kaste Links­in­tel­lek­tu­eller gehören, sich auf die Seite des Volkes stellt, das gegen das System Merkel demons­triert, ist für ihn so undenkbar, dass er diese Leute nur noch mit einer the­ra­peu­ti­schen Geste zu psy­chisch Lädierten erklären kann:
Schuld an allem ist für ihn die ver­diente Bür­ger­recht­lerin Vera Lengsfeld, die in jener Zeit, als er die poli­tische Clique, die die Hoffnung auf einen Fall der Mauer längst auf­ge­geben hatte, bespielte, ihren Kopf für Freiheit und Demo­kratie hin­hielt. Der Gang der Geschichte ver­hin­derte, dass sie vom DDR-Regime einen Kopf kürzer gemacht wurde.
Was Hon­ecker und seiner linken Ver­brecher-Clique entging, das holt Elitz jetzt verbal nach und richtet Vera Lengsfeld hin: 
Alles, was sie poli­tisch und publi­zis­tisch unter­nimmt und damit andere ins Unglück stürzt, sei ihrer extremen Ver­bit­terung geschuldet.
“Wer ist die Frau, die Tellkamp der­maßen ins Unglück reitet? Keiner möchte mit ihr teilen. Ein Leben im Horror: Der Vater Stasi-Mann, sie Frie­dens­ak­ti­vistin in der DDR, vom eigenen Mann bespitzelt, Job­verlust, Knast, Aus­weisung. Dann die Auf­bauzeit: Sie sitzt in der Ver­fas­sungs­kom­mission des Runden Tisches, erst für Bündnis 90/Die Grünen im Bun­destag, dann ihr Wechsel zur CDU. Die schickt sie im roten Biotop Fried­richshain-Kreuzberg gegen den unschlag­baren Grünen Ströbele ins Wahl­kampf­ge­fecht. Fieser geht’s nicht. Kein Wunder, wem das wider­fährt, der wird sich all­seits bedroht und ver­lassen fühlen und Freunde suchen, wo sie erst recht nicht zu finden sind. Lengsfeld ist nur noch bitter.”
Dass sie angeblich Tellkamp in ihrer Ver­bit­terung mit ins Unglück zog, kann ihr der ehe­malige Spiegel-Zögling noch halbwegs verzeihen.
Was für ihn aber gänzlich unver­zeihlich ist, ist die Öffnung der Petition für das gemeine Volk: Damit sei die Petition im “Getümmel wut­schnau­bender Mit­bürger gelandet” und das habe “der Petition jedes Gewicht genommen.”
Ähnlich kann er Matussek nicht ver­zeihen, dass er sich in Hamburg unter das Volk mischte und dort auf einer “Merkel muss weg”-Demo sprach.
Hier spiegelt sich die ganze üble Arroganz einer kleinen, sich für die geistige Elite hal­tenden Gruppe aus Toskana-Linken. Deren dau­ernder Ruf gegen den Popu­lismus steht ihnen äußerst gut und zeigt, was sie in Wirk­lichkeit von der Demo­kratie halten (populus/ latein = demos/ grie­chisch für das Volk).
Für diese Gruppe ewig gest­riger, mit Cham­pagner und Koks genährter Beton­köpfe ist Merkel die große Füh­rerin, weil sie ebenso abge­hoben und voller Ver­achtung auf die ganz nor­malen Men­schen der indi­genen Bevöl­kerung Deutsch­lands schaut, wie sie es seit Jahren tun.
Da sie durchaus um die Geschichte wissen, kennen sie die letzten Tage der DDR-Füh­rungs­elite sehr genau, sie wissen auch um die letzten Tage der Marie Antoi­nette und die Bedeutung des von Rousseau über­lie­ferten Satzes: “Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.”
Daher auch die Unter­gangs­stimmung, die Leute wie Elitz so aggressiv um sich schlagen lässt. Sie wissen, dass sie schon länger nichts mehr zu ver­lieren haben. Im Unter­schied zu dem Magazin “Cicero” …

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Jetzt erst recht! Hier können auch Sie die Erklärung unter­zeichnen: GEMEINSAME ERKLÄRUNG 2018
 


Dieser Beitrag von David Berger wurde erst­ver­öf­fent­licht auf dem Blog des Autors philosophia-perennis.com