Dr. Martin Luther King

Quoten und Wohl­fahrts­staat haben nicht geholfen: Afro­ame­ri­kanern geht es schlechter als vor 50 Jahren

Am 4. April vor genau 50 Jahren wurde der große Bür­ger­rechtler Martin Luther King ermordet. Die wirt­schaft­liche Lage der Afro­ame­ri­kaner ist schlechter als damals.
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Zu denken geben sollte: In der Regie­rungszeit von Ronald Reagan, dem strikten Markt­wirt­schaftler, stiegen die realen Haus­halts­ein­kommen der Schwarzen sogar stärker als die der Weißen. Dagegen ver­bes­serte sich an der Situation der Afro-Ame­ri­kaner unter der Regierung Obama nichts. Jason L. Riley, selbst Afro-Ame­ri­kaner und über 20 Jahre Jour­nalist beim „Wall Street Journal“, zog in seinem Buch „Please stopp helping us“ ein bit­teres Fazit nach dem Ende der ersten Amtszeit von Obama: Als Obama im Januar 2009 seine erste Amtszeit begann, betrug die Arbeits­lo­senrate bei Afro-Ame­ri­kanern 12,7 Prozent, bei Weißen 7,1 Prozent. Am Wahltag für seine zweite Amts­pe­riode im November 2012 war sie auf 14,3 Prozent bei Afro-Ame­ri­kanern gestiegen und bei Weißen nahezu gleich geblieben (7 Prozent), „which meant that the black-white unem­ployment gap had not only per­sisted, but widened, during Obama’s first term“.
Poli­tische Macht alleine hilft nicht
Poli­tische Macht setzt sich eben kei­neswegs auto­ma­tisch in ver­bes­serte Lebens­be­din­gungen um. Zwi­schen 1970 und 2001 stieg die Zahl der in poli­tische Ämter gewählten Afro-Ame­ri­kaner von 1500 auf 9000. „But they would have to ack­now­ledge, that this poli­tical success had not redounded to the black under­class. Between 1940 and 1960 – that is, before the major civil rights vic­tories, and at a time, when black poli­tical power was nearly non­e­xistent – the black poverty rate fell from 87 percent to 47 percent. Yet between 1972 and 2011 – that is, after major civil rights gains, as well as the imple­men­tation of Great Society pro­grams – it barely declined, from 32 percent to 28 percent, and remained three times the white rate, which is about what it was in 1972.”
Dass mehr oder weniger poli­ti­scher Ein­fluss nicht unbe­dingt etwas mit der wirt­schaft­lichen Situation zu tun hat, zeigt auch ein Ver­gleich zu Ame­ri­kanern asia­ti­scher Abstammung. Diese sind in den USA die am besten aus­ge­bildete und am meisten ver­die­nende Bevöl­ke­rungs­gruppe. 49 Prozent von ihnen haben einen Bachelor-Abschluss, dagegen nur 31 Prozent der Weißen und 18 Prozent der Schwarzen. Das mittlere Haus­halts­ein­kommen liegt für Ame­ri­kaner asia­ti­scher Abstammung bei 66.000 USD, was 12.000 USD mehr ist als von weißen Haus­halten und doppelt so viel wie von schwarzen Haus­halten. Zugleich haben Ame­ri­kaner asia­ti­scher Abstammung indes kaum einen poli­ti­schen Ein­fluss. „Between 1990 and 2000 the number of elected offi­cials grew by 23 percent among blacks but only 4 percent among Asians.“ “Empi­ri­cally, poli­tical activity and poli­tical success have been neither necessary nor suf­fi­cient for eco­nomic advancement. Nor has eager poli­tical par­ti­ci­pation or out­standing success in politics been trans­lated into faster group achievement.”
Der Grund für den großen wirt­schaft­lichen Erfolg von Ame­ri­kanern mit asia­ti­schem Hin­ter­grund sei deren sehr ehr­geizige Kultur, in der Dis­ziplin und Streben nach Bil­dungs­ab­schlüssen und wirt­schaft­lichem Erfolg einen besonders hohen Stel­lenwert hätten.
Martin Luther King: „We can’t keep on blaming the white man“
Riley fordert von den Afro-Ame­ri­kanern, selbst­kri­ti­scher zu sein und die Schuld für nach wie vor bestehende Ungleich­heiten nicht pau­schal stets nur bei ras­sis­ti­schen Vor­ur­teilen von Weißen oder in der Geschichte der Skla­verei zu suchen. Zustimmend zitiert er Martin Luther King: „We know there are many things wrong in the white world, but there are many things wrong in the black world, too. We can’t keep on blaming the white man. There are things we must do for ourselves.”
Die Ver­herr­li­chung von Gewalt und Dro­gen­dealern durch populäre Rapper ist nur eines von vielen Bei­spielen für die von Riley kri­ti­sierte Kultur. Riley zeigt anhand von Bei­spielen aus seinem eigenen Leben, wie schwer er es oftmals hatte, sich in seiner Umwelt zu behaupten, weil ihm sein ehr­gei­ziges Streben in der Schule und die Bemühung, kor­rektes Eng­lisch zu sprechen als „Acting White“ vor­ge­worfen wurde. Mit dem Begriff „Acting White“ würden unter Afro-Ame­ri­kanern Ver­hal­tens­weisen kri­ti­siert, die sich an den tra­di­tio­nellen ame­ri­ka­ni­schen bzw. angel­säch­si­schen Werten ori­en­tierten. Ein beson­deres Problem sei, dass in den USA tra­di­tio­nelle Fami­li­en­werte zunehmend zer­stört würden. 2011 lebten 33 Prozent der Kinder in den Ver­ei­nigten Staaten allein mit ihrer Mutter und ohne Vater. Unter Afro-Ame­ri­kanern lag die Quote jedoch bei 64 Prozent. Selbst wenn man bei wirt­schaftlich gleich gestellten Per­sonen beider Gruppen den Anteil allein erzie­hender Mütter ver­gleiche, ergebe sich, dass 41 Prozent der armen His­panics mit beiden Eltern­teilen auf­wachsen, 32 Prozent von armen weißen Familien, aber nur 12 Prozent von armen schwarzen Familien. Die Wahr­schein­lichkeit, in der Schule und im Berufs­leben zu scheitern sei für Kinder allein­er­zie­hender Mütter deutlich höher als für solche, die mit beiden Eltern­teilen auf­wachsen. Und gerade im Ghet­to­milieu träten oft Gangs an die Stelle der schwachen bzw. nicht vor­han­denen Familien und gäben den jungen Afro-Ame­ri­kanern eine ver­meint­liche Ori­en­tierung, die ihnen jedoch massiv schade.
Wohl­fahrts­staat hat den Afro­ame­ri­kanern nicht geholfen
Der Wohl­fahrts­staat in den USA hat die Situation der schwarzen Bevöl­kerung nicht ver­bessert, sondern ist ein Haupt­grund dafür, dass es hier so wenige Fort­schritte, ja sogar Rück­schritte gab. Riley belegt, dass Ein­führung von Min­dest­löhnen in den USA in den 30er Jahren sogar ein bewusstes Instrument war, „to protect white union workers from com­pe­tition from non­union blacks“. Ein solches ras­sis­ti­sches Motiv unter­stellt er den heu­tigen Befür­wortern von Min­dest­löhnen in den USA natürlich nicht, aber er kommt zu dem Ergebnis, dass in der Tat die Haupt­leid­tra­genden der Min­destlohn-Politik auch heute die Afro-Ame­ri­kaner sind. Es greife zu kurz, ras­sis­tische Dis­kri­mi­nierung als Ursache für höhere Arbeits­lo­sigkeit anzu­führen. Denn: „Yet in 1930, when racial dis­cri­mi­nation was infi­nitely more open and rampant, the black unem­ployment rate was lower than that of whites. And until around 1950 the unem­ployment rate for young black men was much lower than today, and similar to whites in the same age group.”
Ein Haupt­grund für die weiter bestehende Ungleichheit sei das ver­fehlte Bil­dungs­system in Amerika. Riley nennt zahl­reiche Bei­spiele von pri­vaten Schulen, gerade in Vierteln wie Harlem, die ungleich bessere Ergeb­nisse zeigten als öffent­liche Schulen. Die Bil­dungs­chancen von Schwarzen im tra­di­tio­nellen ame­ri­ka­ni­schen Schul­system seien sehr gering. Auch hier wirke sich der über­große Ein­fluss der Leh­rer­ge­werk­schaften aus, die die Inter­essen der Lehrer als Berufs­gruppe ver­treten – und eben nicht die der Schüler. 2009 wollte Michael Bloomberg in New York zwei öffent­liche Schulen in Harlem schließen und diese durch private Schulen ersetzen, weil diese sehr viel bessere Ergeb­nisse zeigten. Eine der Schulen hatte Platz für 628 Stu­denten, aber nur noch 194 besuchten dies. Die andere hatte Platz für 1007 Stu­denten, aber nur noch 310 besuchten sie. Die Eltern der Kinder hatten auf diese Weise bereits ihre Meinung zu den Schulen geäußert. Für die private Schule in Harlem bewarben sich 6000 Schüler auf 500 Plätze. Die pri­vaten Schulen seien deshalb so viel effi­zi­enter, weil sie die Mög­lichkeit hätten, außerhalb der engen Regeln der Leh­rer­ge­werk­schaft zu operieren.
Quoten haben nicht geholfen
Seit meh­reren Jahr­zehnten gibt es in den USA – bei­spiels­weise an Uni­ver­si­täten – Quoten für „Min­der­heiten“ (nicht für alle, aber z.B. für Afro-Ame­ri­kaner). Um diese Quoten zu erreichen, wurden z.B. die erfor­der­lichen Punkt­zahlen bei Auf­nah­me­tests für Uni­ver­si­täten für Afro-Ame­ri­kaner gesenkt. „The history of affir­mative action in aca­demia since the 1970s is a history of trying to justify holding blacks to lower stan­dards in the name of helping them.“ Der Autor zeigt, dass die posi­tiven Wir­kungen, die man sich davon erhofft hat, kei­neswegs ein­ge­treten sind, dafür jedoch zahl­reiche negative Wir­kungen: Der Autor zitiert einen Kri­tiker: „Admitting black stu­dents by lower stan­dards has pre­cisely the opposite effect: It rein­forces the per­ni­cious notion that blacks are not aca­de­mi­cally talented.“ Durch die “affir­mative action” sei das ver­raten worden, wofür die Bür­ger­rechts­be­wegung von Martin Luther King ursprünglich ange­treten sei, dass nämlich die Haut­farbe in Amerika keine Rolle spielen dürfe.


Dr. Rainer Zitelmann für TheEuropean.de