Säbel­rasseln: Die Türkei hat Grie­chenland im Visier — Erneut

Die Türkei hat Grie­chenland kon­stant und andauernd belästigt. Am 17. April haben zwei tür­kische Kampf­flug­zeuge den Hub­schrauber bedrängt, mit dem der grie­chische Pre­mier­mi­nister Alexis Tsipras und der Chef­ad­miral der grie­chi­schen Streit­kräfte Evan­gelos Apos­to­lakis von der Insel Ro nach Rhodos unterwegs waren.
Mit der ille­galen Beschlag­nahmung und der Besetzung Nord­zy­perns 1974 und der syri­schen Stadt Afrin im März dieses Jahres — mit prak­tisch keiner glo­balen Reaktion -, fühlt sich die Türkei offenbar unan­ge­fochten und begierig, wei­ter­zu­machen; diesmal, so scheint es, mit den öl- und gas­reichen Inseln Griechenlands.
Eine weitere Pro­vo­kation durch die tür­ki­schen Regierung fand kürzlich statt, als drei junge grie­chische Männer einem toten Piloten Tribut zollten, indem sie fünf Fahnen auf einigen kleinen Inseln in der Ägäis aufstellten.
Den tür­ki­schen Medien zufolge for­derte die Türkei Grie­chenland zunächst auf, die Flaggen zu ent­fernen, und führte dann nachts eine Mili­tär­ope­ration gegen eine kleine Insel, Mikros Anthro­po­fagos, durch: Spe­zielle Ope­ra­ti­ons­ein­heiten (SAT) der tür­ki­schen Marine sollen sie am 15. April ent­fernt haben.
“Unter­nehmen Sie keine gefähr­lichen Schritte”, warnte der tür­kische Außen­mi­nister Mevlüt Çavuşoğlu Grie­chenland: “Unsere Sol­daten könnten einen Unfall verursachen.”
Viele tür­kische Medien berich­teten stolz über die Ope­ration, als ob die Türkei in einer tri­um­phalen Schlacht neue Reiche erobert hätte. Die grie­chi­schen Medien berich­teten jedoch, dass laut Zeu­gen­aus­sagen aus der Gegend alle fünf Flaggen offenbar noch vor­handen sind.
Die ägäi­schen Inseln, die die Türkei immer wieder zu über­fallen droht, gehören rechtlich und his­to­risch zu Griechenland.
Seit dem Besuch des tür­ki­schen Prä­si­denten Recep Tayyip Erdogan in Grie­chenland im ver­gan­genen Dezember haben die tür­ki­schen Medien ihre anti­grie­chische, kriegs­freund­liche Bericht­erstattung über “die grie­chische Besetzung der Inseln” eska­liert. Einige Zei­tungen behaupten, dass “Grie­chenland die Heimat von Ter­ro­risten geworden ist, die der Türkei feindlich gesinnt sind”. Andere sagen: “Grie­chenland will in die Türkei ein­mar­schieren.” Einige Kolum­nisten behaupten, dass “die Türkei gegen Grie­chenland in der Ägäis kämpfen könnte”, während andere grie­chische Kon­su­lar­beamte in Istanbul beschul­digen, durch eine Aus­stellung, die das grie­chische Kon­sulat von Dezember 2017 bis Januar 2018 in Istanbul orga­ni­siert hat, das grie­chische Byzan­ti­nische Reich wiederzubeleben.
Warum sind so viele Türken von Grie­chenland besessen?
1923, nach einem großen Angriff auf die ana­to­li­schen Griechen — dem Völ­kermord von 1913–1923 — wurde die tür­kische Republik gegründet. Seitdem scheinen die expan­sio­nis­ti­schen Ziele der Türkei von einer schein­baren his­to­ri­schen Aggression, Hass gegen Griechen, Neo-Osma­nismus und einer isla­mi­schen Tra­dition der Eroberung oder Dschihad inspi­riert zu sein.
Von der Mitte des 15. Jahr­hun­derts bis zur Aus­rufung der ersten grie­chi­schen Republik im Jahre 1822 waren die Grenzen des heu­tigen Grie­chenland vom Osma­ni­schen Reich besetzt. Erdogan war offen über seine Ziele, das Reich wie­der­zu­be­leben oder zumindest das tür­kische Ter­ri­torium so weit wie möglich auszudehnen:
“Es gibt phy­sische Grenzen und es gibt Grenzen in unseren Herzen”, sagte er. “Einige Leute fragen uns: Warum inter­es­siert ihr euch für den Irak, Syrien, Georgien, die Krim, Karabach, Aser­bai­dschan, den Balkan und Nord­afrika? Keine dieser Län­de­reien ist uns fremd. Kann man Rize [in der Türkei] von Batumi [in Georgien] trennen? Wie können wir Edirne [in der Türkei] von Thes­sa­loniki [in Grie­chenland] trennen? Wie können wir denken, dass Gazi­antep [in der Türkei] nichts mit Aleppo [in Syrien], Mardin [in der Türkei] mit Al-Hasakah [in Syrien] oder Siirt [in der Türkei] mit Mosul [im Irak] zu tun hat?
“Von Thrakien bis Ost­europa werden Sie bei jedem Schritt Spuren unserer Vor­fahren sehen.… Wir müssten unser wahres Selbst ver­leugnen, damit wir denken, dass Gaza und Sibirien, mit denen wir die gleiche Sprache und Kultur teilen, von uns getrennt sind. Sich für den Irak, Syrien, Libyen, die Krim, Karabach, Bosnien und andere brü­der­liche Regionen zu inter­es­sieren, ist Pflicht und Recht der Türkei. Die Türkei ist nicht nur die Türkei. Der Tag, an dem wir diese Dinge auf­geben, wird der Tag sein, an dem wir unsere Freiheit und Zukunft aufgeben.”
Erdogan verwies auch auf den Misak‑ı Milli (“Natio­naler Pakt”), eine Reihe von Beschlüssen des osma­ni­schen Par­la­ments von 1920 über die Grenzen des künf­tigen tür­ki­schen Staates, der in der osma­ni­schen Türkei errichtet werden soll. Der Nationale Pakt wird gemeinhin von Türken refe­ren­ziert, die nach einer ter­ri­to­rialen Erwei­terung der Türkei rufen.
Die tür­kische Zeitung Hür­riyet schrieb:
“Manche His­to­riker sagen, dass gemäß dem Natio­nalen Pakt die tür­ki­schen Grenzen — zusätzlich zu den der­zei­tigen Grenzen der Türkei — Zypern, Aleppo [in Syrien], Mosul, Erbil, Kirkuk [im Irak], Batumi [in Georgien], Thes­sa­loniki [in Grie­chenland], Kardzhali, Varna [in Bul­garien] und die ägäi­schen Inseln umfassen.”
Am 18. April behauptete das tür­kische Außen­mi­nis­terium: “Die Kardak-Felsen [Grie­chen­lands Imia-Inseln] und ihre Hoheits­ge­wässer und ihr Luftraum über ihnen stehen aus­schließlich unter tür­ki­scher Souveränität”.
Große poli­tische Par­teien in der Türkei sind sich einig in ihrem Wunsch, die Ägäi­schen Inseln zu über­nehmen — wo sie sich nicht einig sind, ist, wer die grie­chische Sou­ve­rä­nität über die Inseln über­haupt zuge­lassen hat. Die wich­tigste Oppo­si­ti­ons­partei, die CHP (Repu­bli­ka­nische Volks­partei), beschuldigt die regie­rende AKP (Partei der Gerech­tigkeit und Ent­wicklung), “die Griechen die tür­ki­schen Inseln besetzen zu lassen”; die AKP beschuldigt die CHP, die Grün­dungs­partei der Türkei, “die Griechen die Inseln durch den Lau­sanner Vertrag von 1923 sich abnehmen zu lassen”.
Die Suche der Türkei nach neuen wirt­schaft­lichen Vor­teilen durch zusätz­lichen Tou­rismus, vor allem aber durch das neu ent­deckte Öl- und Gas­po­tenzial der Ägäis, scheint das Interesse der Türkei an Grie­chenland ver­stärkt zu haben.
Im Jahr 2011, nach einer Wirt­schafts­krise, hat Grie­chenland seine eigene Gas- und Ölför­derung wieder auf­ge­nommen. Im ver­gan­genen Jahr unter­zeich­neten die fran­zö­si­schen Total- und die ita­lie­ni­schen Edison-Gesell­schaften einen Leasing-Vertrag für die Öl- und Gas­ex­plo­ration vor Grie­chenland, berichtete Reuters.
Obwohl Grie­chenland bereit sein könnte, mit der Türkei in Wirt­schafts­ab­kommen zusam­men­zu­ar­beiten, scheint die Türkei “andere Mittel” zu bevorzugen.
Der tür­kische Bedarf wird in Wirk­lichkeit durch die Asso­ziation mit den USA gedeckt. Tür­kische Beamte erhalten nor­ma­ler­weise, was immer sie vom Westen wün­schen, doch sie scheinen beschlossen zu haben, sich dem Iran und Russland anzu­schließen, viel­leicht im Versuch, den Westen für mehr zu erpressen.
Inzwi­schen bedrohen tür­kische Poli­tiker Grie­chenland im natio­nalen tür­ki­schen Fern­sehen. Yiğit Bulut, ein Haupt­be­rater von Erdogan, sagte kürzlich, dass er das Blut seines Groß­vaters rächen will, der angeblich von Griechen getötet wurde:
“Ana­tolien [Türkei] wird ganz Grie­chenland über­rennen. Und niemand kann das ver­hindern. Grie­chenland sollte seinen Platz kennen. Wenn sie ver­suchen, diese Geo­graphie anzu­greifen und zu ver­ge­wal­tigen, wie sie es vor 100 Jahren taten, indem sie [dem fran­zö­si­schen Prä­si­denten] Macron, England, den USA, Deutschland und [Angela] Merkel ver­trauen, werden diese Ver­suche schrecklich enden.”
Es ist an der Zeit, die Türkei zu stoppen.


Quelle: Gatestone Institute — Uzay Bulut ist tür­kische Jour­na­listin, geboren und auf­ge­wachsen in der Türkei. Sie lebt heute in Washington D.C.